Titel: | Die Einwirkung der Salzsäure auf die Betriebsknochenkohle der Zuckerfabriken; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XVI., S. 65 |
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XVI.
Die Einwirkung der Salzsäure auf die
Betriebsknochenkohle der Zuckerfabriken; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über die Einwirkung der Salzsäure auf die
Betriebsknochenkohle der Zuckerfabriken.
Zur Beleuchtung nachstehender, wie mir scheint, noch nicht hinreichend aufgeklärter
Fragen habe ich eine Reihe von Versuchen ausgeführt, deren Resultate, welche
vielfach unerwartet waren, ich dann weiterhin mittheilen werde.
1) Wie verhält sich die praktisch durch die Salzsäure bewirkte
Entkalkung zu der aus den angewandten Mengen berechneten?
2) Wie wird die Wirkung der Salzsäure auf eine gegebene Kohle
durch die verschiedene Größe der darin vorhandenen Körner abgeändert?
3) Wie viel phosphorsaurer Kalk wird beim Säuren gelöst?
4) In welchem Verhältniß wird die Entfärbungskraft der Kohle
durch die Entkalkung erhöht, und wie verhalten sich hierbei die verschiedenen
Körnungsgrade? Wie stellt sich das Verhältniß bei gleichem Gewicht und wie bei
gleichem Volumen der zur Entfärbung angewandten Kohle?
5) Außerdem ergaben sich aus der Beantwortung der
vorhergehenden noch zwei weitere damit in Zusammenhang stehende Fragen, welche erst
weiter unten zu formuliren sind.
1. Verhältniß der wirklichen zur
berechneten Entkalkung.
Da es schwer, wo nicht gar unmöglich ist, den richtigen mittleren Kalkgehalt einer
größeren Kohlenmenge zu ermitteln, und da es ferner unausführbar seyn dürfte, eine
in dieser Beziehung bekannte Kohle durch die verschiedenen Stadien der Filtration
und Wiederbelebung zu verfolgen und überall die entsprechenden Proben zu nehmen, so
suchte ich auf einem anderen, sichereren Wege die Veränderungen zu studiren, welche
der Kalkgehalt der Kohle
während ihres Kreislaufes erleidet. Es wurde nämlich eine Menge von 1000 Grm. Kohle,
von welcher ein Durchschnittsmuster leicht zu untersuchen war, in ein Säckchen
eingenäht und in die Mitte eines in der Füllung begriffenen Filters gelegt. Nach der
Ausnutzung und Entleerung des Filters wurde eine Probe aus dem Säckchen genommen,
dieses dann wieder geschlossen und mit einer bestimmten Menge Salzsäure behandelt,
ausgewaschen u.s.w. Nach abermals entnommener Probe kam das Säckchen mit der Kohle
in einen Gährbottich und machte darin den Gährungsproceß mit der übrigen Kohle
durch; nach wiederum entnommener Probe folgte endlich das Auswaschen; es konnte so
von einer und derselben verhältnißmäßig geringen Menge Kohle mit größerer Sicherheit
der Kalkgehalt in den verschiedenen Arbeitsstadien verfolgt werden.
Die Kalkermittelungen geschahen mittelst des Scheibler'schen Apparates; die Proben waren stets aufs Sorgfältigste genommen,
getrocknet und erkaltet; wiederholte Versuche zeigten auch hier, daß die Behandlung
mit kohlensaurem Ammoniak keinen höheren Kohlensäuregehalt liefere, daß also kein
freier Kalk vorhanden war.Wie dieß schon früher von Scheibler bemerkt worden
ist. Es wurde diese Behandlung daher auch weiterhin stets unterlassen.
Mit geringen Abweichungen wurden sechs solche Versuche durchgeführt; sie lieferten
sämmtlich mehr oder weniger auffallende Resultate, welche ich hier indessen
übergehen zu können glaube, da sie durch ihren Mangel an Uebereinstimmung zu zeigen
scheinen, daß, trotz Anwendung aller gebotenen Vorsichtsmaßregeln, doch diese
Methode nicht den erforderlichen Grad von Genauigkeit darbot; nach den folgenden
Resultaten bin ich geneigt, namentlich in der Ungleichheit verschiedener Partien
desselben, obwohl gut gemischten Kohlemusters eine Hauptfehlerquelle zu
erblicken.
Aber auch abgesehen hiervon kann man dennoch aus den erhaltenen Resultaten den Schluß
ziehen, daß einmal die Aufnahme des Kalkes bei der Filtration geringer ist, als man
erwarten sollte, und andererseits die durch die Säure bewirkte Entkalkung ebenfalls
weit hinter der Berechnung zurückbleibt. Während nun ersterer Umstand allerdings zum
Theil als eine Folge der unumgänglichen Absüßung erscheint, so leitet der andere in
Verbindung mit den zuletzt gefundenen Zahlen darauf hin, die wirksamste Ursache der
Kalkentziehung bei der Kohle im Auswaschen derselben nach der Säuerung zu
suchen.
Es waren vornehmlich diese Betrachtungen, welche mich, unter Aufgabe dieser Art der
Untersuchung, zur weiteren Verfolgung des Gegenstandes und zwar in der einfachen
Weise von Laboratoriumsversuchen veranlaßten.
Hierbei wurden verschiedene Proben stets staubfreier wiederbelebter Kohle der
Säuerung mit bestimmten Mengen reiner Salzsäure unterworfen, dann ausgewaschen
u.s.w.
Kalkgehalt der untersuchten Kohle:
13,2; 12,5; 12,5;
12,0; 11,7; 10,7;
10,6; 9,6 Proc.
100 Grm. heißer Kohle wurden in ein Gemisch von so viel Wasser und so viel reiner
Salzsäure geschüttet, daß einerseits die Flüssigkeit die Kohle gerade bedeckte und
andererseits genau 2,08 Proc. kohlensaurer Kalk durch die Säure hätte zersetzt
werden sollen.
Kohle und Säure blieben, unter wiederholtem Umschütteln, 5 bis 6 Stunden stehen, dann
wurde das Ganze auf ein Filter gebracht, sorgfältig ausgewaschen und hernach
getrocknet. Gefunden wurden nun für die entsprechenden Kohlen bezüglich folgende
Kalkgehalte:
12,3; 11,6; 11,1;
10,9; 10,5; 9,3;
9,3; 9,5; 8,5 Proc.
Die Verminderung des Kalkgehaltes betrug also:
0,9; 0,9; 1,4;
1,1; 1,2; 1,4; 1,4;
1,1; 1,1 Proc.
der gesäuerten Kohle. Berechnet man dieß, wie es genau
genommen ja auch geschehen muß, auf Procente der ungesäuerten Kohle, so findet man,
daß diese Zahlen um etwa 0,1 zu erhöhen seyn werden; demnach ist durchschnittlich
die Kohle statt um 2,08 Proc. nur um 1,26 Proc. kohlensauren Kalk ärmer geworden.
Die ziemlich bedeutenden Abweichungen obiger Zahlen unter einander erklären sich,
wie wir weiter unten sehen werden, schon durch die verschiedene Körnung der
benutzten einzelnen Kohlenproben. Ich brauche kaum darauf aufmerksam zu machen, daß
die, gegenüber den berechneten, so auffallend klein gefundenen Zahlen darauf
hinzudeuten schienen, daß ein großer Bruchtheil der Säure zur Zersetzung des
phosphorsauren Kalkes verwendet wurde. Wir werden indessen bei Gelegenheit der Frage
3 sehen, daß dieß nicht der Fall ist, und daß die Thatsache, so sicher sie durch
obige Zahlenreihe festgestellt erscheint, doch eine bestimmte Erklärung nicht
zuläßt.
Ein anderer Versuch wurde noch mit einer bis aufs Dreifache vermehrten, in zwei
Theilen zugesetzten Säuremenge angestellt, so daß diese zur Entfernung von 6,2 Proc.
kohlensaurem Kalk hingereicht hätte. Bei dem Abfiltriren und Auswaschen lief die
Lösung bis zu 1000 Kubikcentimeter deutlich sauer ab, gab auch mit Ammoniak einen deutlichen
Niederschlag. Nach Anwendung von noch 500 K. C. war das Waschwasser neutral; die
Kohle wurde nun getrocknet und untersucht; gefunden wurden Kalkverminderungen von
effectiv 2,9, 3,0, 2,6 und 2,7, im Durchschnitt also von 2,8 Proc., statt 6,2 Proc.
Man sieht folglich, daß hier das Mißverhältniß zwischen der berechneten und der
beobachteten Kalkverminderung ein noch weit größeres als bei den früheren Versuchen
war; es bedarf hierfür kaum einer Erklärung, da die Ursachen wohl am Tage
liegen.
Zur nothwendigen Vervollständigung dieser Resultate wurde nun der wirklich in Lösung
gegangene Kalk bestimmt und mit der Rechnung verglichen.
In dieser Beziehung sey hier zuvörderst bemerkt, daß auf die genaue Bestimmung
desselben die Menge des angewandten Waschwassers, sowie dessen Temperatur von
Einfluß seyn müssen; wenn man während des Auswaschens wiederholt das Waschwasser auf
die Gegenwart von Kalk prüft, so findet man, daß dessen Menge zwar anfangs sehr
rasch abnimmt, daß sie aber auch nach sehr bedeutendem Wasserverbrauch immer noch
sichtbar bleibt. Um die Laboratoriumsversuche nicht allzusehr von den Fabrikarbeiten
abweichen zu lassen, wurde daher das Auswaschen niemals bis ganz zu Ende
fortgesetzt; trotzdem wird man die gleich anzuführenden Zahlen deutlich genug die
Erscheinung darstellend finden. Da wir später bei der
Phosphorsäure-Bestimmung noch auf dieselben zurückkommen werden, so mögen die
einzelnen Versuche aufgeführt werden.
VersuchA. An Salzsäure wurde so viel angewandt, daß aus den 100
Grm. Kohle, welche durch Aussieben des Feinsten und des Gröbsten nur mittelfeines
gleichmäßiges Korn zeigte, 2,05 Grm. kohlensaurer Kalk gelöst werden sollte. Die
Säuerung geschah wie oben angegeben; das Waschwasser wurde siedend angewandt.
Der Kalkniederschlag, erhalten durch kohlensaures Ammon, und frei von phosphorsaurem
Kalk (siehe unten bei Frage 3), entsprach bei den ersten 1600 Kub. Cent. 1,85 Grm.
kohlensaurem Kalk, bei den letzten 400 K. C. 0,03 Grm. kohlensaurem Kalk, zusammen
waren also in Form von Chlorcalcium in Lösung gegangen 1,88 Grm. kohlensaurer Kalk,
eine Menge, welche bei der nicht ganz vollendeten Auswaschung als der theoretischen
von 2,05 Grm. entsprechend betrachtet werden kann.
VersuchB. Dieselbe Kohle, dieselbe heiße Säuerung, Auswaschen
mit weniger heißem Wasser. Kalkgehalt vor der Säuerung 12,8 Proc., nach der Säuerung
und dem Auswaschen bis zu 400 Kub. Cent. 11,6 Proc., also den früheren Versuchen
ganz entsprechend.
Diese 400 K. C. ergaben eine Kalkfällung (frei von Phosphorsäure) entsprechend 1,756
Grm. kohlensaurem Kalk, andererseits in der Lösung einen weiteren Niederschlag,
entsprechendNatürlich wurde bei diesen Bestimmungen die durch das Entnehmen der ersten
Untersuchungsprobe nothwendige Correction ausgeführt. 0,187 Grm. kohlensaurem Kalk, zusammen also 1,943 Grm. Dieses Resultat
entspricht dem vorigen genau genug und beweist zugleich, daß die Menge des
Waschwassers auf das Resultat der Untersuchung der Kohle, resp. auf die Wirkung der
Säure auf diese letztere, ohne Einfluß bleibt. Es wird dadurch ein Einwurf, welchen
man gegen das Ergebniß der Entkalkungsbestimmungen möglicherweise erheben könnte,
beseitigt.
Endlich wurde noch ein Versuch
C mit kaltem Waschwasser, welches aber gut ausgekocht
war, um die Wirkung der gelösten Kohlensäure zu verhindern, angestellt, und dabei
wesentlich dasselbe Resultat erhalten. Dieselbe staubfreie Kohle von nur mittlerem
Korne wie bei A und B wurde
mit so viel Salzsäure gesäuert, daß dieselbe 2,05 Grm. aus den angewandten 100 Grm.
hätte entfernen sollen. Die Kohle enthielt 12,7 Proc. kohlensauren Kalk; sie wurde
warm in das dieses Mal kalt gelassene Säurewasser (also wie bei der ersten
Versuchsreihe) gebracht und dann nach 5 Stunden wie angegeben ausgewaschen, bis 1900
Kub. Cent. Waschwasser erhalten waren.
Diese wurden einerseits zur Bestimmung des kohlensauren Kalkes und der Phosphorsäure
(in der weiter unten bei 3 anzugebenden Weise), andererseits behufs Controlirung der
Kalkbestimmung zur Ermittelung des vorhandenen Chlors (durch Titriren mit
Silberlösung) angewandt. Ohne hier näher auf die erhaltenen Zwischenzahlen
einzugehen, will ich nur erwähnen, daß an Kalk im Ganzen 1,868 Grm. (Procente der
angewandten Kohle), an Chlor 1,475 Grm. Salzsäure gefunden wurden. Letztere Menge
entspricht 2,02 Proc. kohlensaurem Kalk, während 1,497 Grm. Salzsäure verwendet
worden waren. Unter Berücksichtigung aller Umstände wird man aus diesem Versuch C, sowie aus A und B den allgemeinen Schluß ziehen müssen, daß die
Salzsäure, soweit die gebildete Menge Chlorcalcium in Betracht kommt, und innerhalb
der für technische Verhältnisse gestatteten Grenzen, in ihrer nachgewiesenen Wirkung
der zu berechnenden entsprochen habe, und daß es zur Erreichung derselben nicht
wesentlich auf die bei den Versuchen geprüften Abweichungen ankommt. Dagegen ist
nicht zu verkennen, daß diese Versuche gleichzeitig auf die Nothwendigkeit des
sorgfältigsten Auswaschens hinweisen, und daß andererseits die verhältnißmäßig geringe
Verminderung des Kalkgehaltes der Kohle noch unerklärt bleibt.
2) Wie wird die Wirkung der Salzsäure
auf eine gegebene Kohle durch die verschiedene Größe der vorhandenen Körner
abgeändert?
Die Versuche ergaben bei einer für 2,08 Proc. kohlensauren Kalk berechneten
Säuerung:
1. Versuch.
2. Versuch.
das Durchschnittsmuster
eine
Entkalkung
von
1,4 Proc.
1,2 Proc.
die gröbste Kohle
„
„
„
1,0 „Auf das
Gewicht der Kohle vor der Säuerung berechnet; s.
o.
1,3 „
„
mittlere „
„
„
„
1,2 „
1,5 „
„
feinste „
„
„
„
1,5 „
1,2 „
Die Abweichungen zwischen beiden Versuchen 1. und 2. erklären sich durch die
Verschiedenartigkeit der angewandten Kohle und ihres Kalkgehaltes.
Entsprechend der verschiedenen Entkalkungsgröße zeigten sich auch die Kalkgehalte der
einzelnen Körnungen derselben Kohle erheblich verschieden. Es enthielten vor der
Säuerung
die Durchschnittsproben
je
12,5
und
10,6 Proc.
„ gröbsten Kohlen
„
13,2
„
11,7 „
„
mittleren „
„
12,0
„
10,7 „
„
feinsten „
„
10,7
„
9,6 „
kohlensauren Kalt und ebenso im Verhältniß nach der Säuerung.
Man sieht also, daß selbst im Kleinen durch sorgfältiges Mischen erhaltene
Durchschnittsproben von Knochenkohlen Unterschiede im Kalkgehalt bis zu 2 Procent
nicht etwa nur ausnahmsweise vorkommen können, sondern naturgemäß bei dem laufenden
Betrieb sich entwickeln. Dieß ist wenigstens dann der Fall, wenn die Körnung der
Kohle eine nur einigermaßen ungleiche ist, wie dieß bei starkem Betrieb und durch
zeitweises Hinzukommen neuer Kohle wohl meistens der Fall seyn wird.
Diese stärkere Einwirkung der Säure auf die kleineren Kohlenstückchen erklärt manche
Erscheinungen des praktischen Betriebes, die ich nicht näher hervorzuheben brauche,
und weist mit großer Bestimmtheit auf die Zweckmäßigkeit hin, nur möglichst
gleichartige Kohle der Säuerung zu unterwerfen.
Im Uebrigen schien mir die Frage einer weiter eingehenden Beleuchtung nicht zu
bedürfen, und wir wenden uns daher zum 3. Punkte.
3) Auflösung von phosphorsaurem Kalk
durch die Salzsäure.
In allen untersuchten Fällen, wo die beabsichtigte Entkalkung 2 Proc. überschritt,
war die in Lösung übergehende Menge phosphorsauren Kalkes eine nur sehr geringe, ja
man kann sie in technischer Beziehung ganz vernachlässigen. Dieß wurde auf
verschiedene Weise gefunden:
Erstens. Bestimmung bei dem oben mit A bezeichneten
Versuche. Bei der ersten Reihe von Säuerungsversuchen (mit heißer Kohle, kaltem
Säure- und Waschwasser) wurden die zuerst vom Filter laufenden 100 Kub. Cent.
Lösung von kaum bemerkbar saurer Reaction besonders aufgefangen und mit Ammoniak
gefällt. Der erhaltene geglühte Niederschlag betrug:
bei dem DurchschnittsmusterDiese Eintheilung ist der oben bei 2. gegebenen entsprechend.
0,050
„ der gröbsten Kohle
0,040
„ „ mittleren
„
0,076
„ „ feinsten „
0,090
Procent des Kohlengewichtes. Die Kohle hatte vor der Säuerung
bezüglich 12,5; 13,2 Proc., 12 Proc. und 10,7 Proc. kohlensauren Kalk enthalten.
Diese Zahlen bedürfen keines Commentars. Ein Gegenversuch mit reinem Wasser, der im
Uebrigen ebenso wie dieser Säuerungsversuch durchgeführt wurde, ergab zwar geringe
Trübungen mit Ammoniak, jedoch keinen wägbaren Niederschlag, so daß diese Zahlen als
der reine Ausdruck der Säurewirkung zu betrachten sind.
Es ergab sich hieraus zunächst keine Veranlassung, die Sache weiter zu verfolgen.
Erst als bei den späteren Versuchen der Kalk in der Auflösung direct bestimmt wurde,
schien es nöthig, denselben von der etwa gelösten Phosphorsäure zu trennen und diese
dann für sich zu bestimmen. Es geschahen daher die Fällungen mit kleesaurem Ammoniak
unter Zusatz von Essigsäure, so daß die Phosphorsäure in der abfiltrirten Lösung
verblieb. Erst als sich herausstellte, daß auch so keine bemerkbaren
Phosphorsäure-Mengen aufgefunden waren, wurde der Essigsäure-Zusatz
weiterhin weggelassen.
Die zweite Phosphorsäure-Bestimmung bei dem oben mit B bezeichneten Versuche fand statt bei heiß ausgeführter Säuerung mit
darauf folgendem heißem Auswaschen. Die ersten 400 Kub. Cent. Waschwasser (bei 100
Grm. Kohle) waren von kaum bemerklicher säuerlicher Reaction; sie gaben mit Ammoniak
einen kaum wahrnehmbaren Niederschlag, der somit nicht bestimmt wurde; das Filtrat
vom Niederschlag des kleesauren Kalkes in essigsaurer Lösung lieferte mit Magnesiamixtur
und Ammoniak auch nach langem Stehen keinen bemerklichen Niederschlag. Es war also
hier in keiner Weise eine bestimmbare Menge Phosphorsäure nachzuweisen; die
angewandte Kohle hatte 12,8 Proc. kohlensauren Kalk enthalten, ein Umstand, der wohl
von Einfluß seyn kann, indem kalkärmere Kohlen vielleicht mehr Phosphorsäure abgeben
werden.
Der dritte Versuch (s. oben Versuch C) geschah mit kalter
Säuerung und kaltem Auswaschen (mit ausgekochtem Wasser). Er sollte dazu dienen, die
etwaige Wirkung einer starken Concentration der betreffenden Lösungen auf die
Phosphorsäure-Ermittelung darzuthun, und außerdem nachzuweisen, ob nicht
etwa, was immerhin als möglich anzusehen war, eine andere Modification der
Phosphorsäure zugegen war.
Die von 100 Grm. Kohle herrührenden 1900 K. C. Lösung und Waschwasser wurden also
zunächst auf ein Fünftel ihres Volums im Wasserbade eingedampft. Dabei schied sich
ein Niederschlag aus, der 0,032 Grm. wog und den es wohl ohne nähere Untersuchung
gestattet seyn wird als phosphorsauren Kalk anzusehen.
Ein Theil der Lösung wurde nun mit kleesaurem Ammon und Essigsäure im Ueberschuß
versetzt, der Niederschlag abfiltrirt und die Lösung nebst Waschwasser zur Trockne
verdampft und der Rückstand gewogen. Derselbe betrug nur 0,026 Grm. und zeigte schon
durch sein Aussehen, daß man es nicht mit Phosphorsäure zu thun habe. Er war in
Wasser größtentheils unlöslich, wurde indessen doch mit kohlensaurem Alkali
geschmolzen (wobei sich keine Kohlensäure entwickelte), dann auf die gewöhnliche
Weise mit Magnesia auf Phosphorsäure geprüft. Der nach langer Zeit entstehende
krystallinische Niederschlag war so unbedeutend (wie nach dem Gesagten auch nicht
anders zu erwarten stand), daß er nicht gewogen werden konnte. Es bedarf ebenso
wenig einer Bestimmung über die Natur des in jenen 0,026 Grm. enthaltenen
Unlöslichen und wir sind daher ermächtigt den Schluß zu ziehen, daß
1) Phosphorsäure zwar in bestimmbaren, aber doch in ganz unerheblichen und speciell
für die Technik unwesentlichen Mengen durch eine nicht zu starke Säuerung in Lösung
übergeführt wird, und
2) daß die hierdurch in Anspruch genommene Menge Salzsäure von irgend einem Einfluß
auf deren Wirkung auf den kohlensauren Kalk nicht ist.
Es bleibt zu bedauern, daß diese Untersuchungen keine Erklärung für die mangelhafte
Verminderung des kohlensauren Kalkes an die Hand geben; es wird späteren Arbeiten
vorbehalten bleiben müssen, diese Erscheinung aufzuklären.
4) Die Entfärbungskraft im Verhältniß
zur Entkalkung und zur Körnung.
Wenn man auch in der neuesten Zeit der bloßen Entfärbungskraft der Knochenkohle nicht
mehr die Wichtigkeit beilegt, wie früher, so ist doch der Umstand, daß man sich von
dieser Wirksamkeit der Kohle am leichtesten überzeugen und daß man sie wenigstens
vergleichsweise messen kann, immer noch Veranlassung genug, dieselbe in ihren
Beziehungen zu manchen anderen Verhältnissen, welche hier in Betracht kommen können,
näher zu studiren. Dabei sind die Ansichten über die Beziehungen zwischen
Kalkgehalt, Körnung und Entfärbungskraft derselben Kohle im Allgemeinen so
divergirend, daß es wohl der Mühe verlohnen dürfte, durch specielle Untersuchungen
einiges Licht über diese Verhältnisse zu verbreiten. Indessen darf man dabei nicht
erwarten, bestimmte und allgemeine Gesetze über die Natur dieser Beziehungen
aufzufinden, indem dabei außer den angedeuteten noch eine große Anzahl anderer
Umstände von Einfluß sind und die Einfachheit des zu erzielenden Resultates stören
müssen. Jedenfalls aber verdienen die bei meinen Untersuchungen gewonnenen,
hinlänglich klaren Ergebnisse die Aufmerksamkeit der Praktiker, welche dadurch ein
sicheres Urtheil über ihre Manipulationen gewinnen werden.
Zur Bestimmung der entfärbenden Kraft, welche den ersten Versuchsreihen über die
Entkalkung bei verschiedenen Körnungen parallel gieng, bediente ich mich des
ChromoskopesPolytechn. Journal Bd. CLIX S.
341., welches bei einiger Uebung und bei der richtigen Wahl der zu bestimmenden
Farbenintensitäten sehr sichere Resultate liefert. Die Bestimmungen wurden sowohl
für gleiche Raum-, als für gleiche Gewichtstheile Kohle ausgeführt, obwohl
der Vergleich der Kohle nach der Wirkung gleicher Raumtheile allein aus vielen
Ursachen bei weitem der Praxis entsprechender wäre. Da aber bisher noch zumeist nach
dem Gewichte gerechnet wird, so mögen beide Angaben Platz finden.
Um die Zahlenangaben möglichst zu vereinfachen, sey hier nur im Allgemeinen die
Methode erwähnt, welche ich befolgte und die beobachtete Entfärbung in Procenten der
ursprünglichen Farbe, nach den nöthigen Correctionen allein ausgedrückt. Als Object
der Entfärbung diente eine Lösung eines dunkel gefärbten Zuckers (Nachproductes),
welche für jede Versuchsreihe in passender Concentration (20 bis 25 Proc. Ball.)
hergestellt und deren Farbe und specifisches Gewicht genau bestimmt wurde.
Von den verschiedenen unter einander zu vergleichenden, bei 100° C.
getrockneten Kohlen wurden gleiche Volume abgemessen und deren Gewicht bestimmt,
dann in einer Schale ein passendes constantes Volum jeder Lösung zugegossen,
gleicher Art zum Sieden erhitzt und gleich lange Zeit im Sieden erhalten. Nach dem
Erkalten und Abfiltriren wurden die erhaltenen Lösungen wieder auf das ursprüngliche
spec. Gewicht gebracht und dann deren Farbe im Chromoskop gemessen. Die Berechnung
der Entfärbung auf eine ursprüngliche Farbe von 100 gestattete dann leicht einen
Vergleich zwischen den einzelnen Versuchsreihen, soweit wie möglich, und in der
Weise, wie wir gleich sehen werden.
Bei den verschiedenen Versuchen wurden die verschiedenen Körnungen gleichzeitig mit
den Bestimmungen zu Punkt 2 (s. o.) getrennt gehalten und verglichen; über die Art
der Behandlung der Kohle gilt demnach das oben an der betreffenden Stelle Gesagte.
Der Einfachheit wegen ist auf die durch die Säuerung bewirkte Gewichtsverminderung
der Kohle keine Rücksicht genommen.
Die in den verschiedenen Fällen beobachteten Entfärbungen nach Procenten des
ursprünglich vorhandenen Farbstoffes ergaben in ihrer Zusammenstellung eine Tabelle,
welche ich hier der Kürze wegen nicht aufführen will. Ein viel übersichtlicherer
Vergleich ergibt sich dagegen, wenn man, wie in folgender Aufstellung geschehen, die
Entfärbungskraft einerseits eines bestimmten Volumes, andererseits die eines
bestimmten Gewichtes der Durchschnittsprobe (Nr. 1) mit 100 bezeichnet; man erhält
dann für die übrigen die folgenden Ausdrücke, wobei die eingeschalteten Zahlen die
Kalkgehalte bedeuten.
I. Versuch.
a) Für gleiches Volumen.
vor der Säuerung.
nach der Säuerung.
Nr.
1. staubfreies Durchschnittsmuster;
(12,5) 100
(11,1) 138
hieraus:
2. gröbste Theile
(13,2) –
(12,3) –
3. mittlere „
(12,0) 116
(10,9) 145
4. feinste „
(10,7) 130
(9,3) 145
b) Für gleiches Gewicht.
Nr.
1.
(12,5) 100
(11,1) 131
3.
(12,0) 110,6
(10,9) 138
4.
(10,7) 113
(9,3) 121
II. Versuch.
a) Für gleiches Volumen.
vor d. Säuerung.
nach d. einfach. Säuerung.
nach d. 3fach. Säuerung.
Nr. 1.
(10,6) 100
(9,5) 123
(6,8) 129
Nr. 2.
(11,7) 89,9
(10,5) 114
(7,6) 115
Nr. 3.
(10,7) 100
(9,3) 129
(6,9) 140
Nr. 4.
(9,6) 114
(8,5) 138
(6,0) 154
b) Für gleiches Gewicht.
Nr. 1.
(10,6) 100
(9,5) 132
(6,8) 130
Nr. 2.
(11,7) 125
(10,5) 159
(7,6) 166
Nr. 3.
(10,7) 123
(9,3) 137
(6,9) 148
Nr. 4.
(9,6) 107
(8,5) 134
(6,0) 157.
Im Allgemeinen sieht man also, daß die Entfärbungskraft zwar durch die Entkalkung
wächst, daß sie aber bei weitem nicht im Verhältniß zur Kalkentziehung zunimmt. Ja
sie ist in einzelnen Fällen nach der Entziehung von fast 1,5 Proc. Kalk doch nur
wenig (Versuch I, Nr. 4 um etwas über 11 Proc.) gewachsen. Bei derselben
Kohlenmischung ist die entfärbende Kraft stets größer für die kalkärmeren Theile. Da
jedoch diese auch immer die feineren sind, so ist es wahrscheinlich, daß vielmehr
der Körnungszustand die Ursache der Erhöhung bildet. Man wird ferner bemerken, daß
die Bestimmungen nach dem Gewichte diese Verhältnisse zum Theil, denjenigen nach
gleichem Volumen gegenüber, umkehren, ein Zeichen mehr dafür, daß wir die Kohle
stets nach ihrem Volumen zu betrachten haben.
Es ergeben sich noch manche andere Schlußfolgerungen aus obigen Zusammenstellungen,
welche in gegebenen fraglichen Fällen nützliche Winke bieten dürften; ich will hier
nicht näher darauf eingehen, sondern nur noch bemerken, daß der Unterschied der
beobachteten Entfärbungen wohl im Allgemeinen als hinter den gewöhnlichen Annahmen
zurückbleibend betrachtet werden darf, sowie daß auffallende Unterschiede zwischen
der Wirkung verschieden gekörnter aber gleich hoch kalkhaltiger Theile derselben
kleineren Kohlenmenge nur bei der ausnahmsweise starken Säuerung vorkommen, wie
solche in der Praxis wohl nie angewandt wird.
Endlich stellten sich noch
5) Zwei weitere Fragen
heraus, welche durch besondere Versuche beantwortet wurden.
Die erste derselben, welche aus den obigen scheinbaren Widersprüchen hervorgieng,
betraf die Möglichkeit einer Steigerung der Entfärbungskraft durch die von der
Entkalkung gänzlich verschiedene Wirkung der Salzsäure. Wird dieselbe bejaht, so ist
die Erklärung für manche sonst auffallende Erscheinungen in obiger Zusammenstellung
leicht zu folgern.
Es wurde, um dieses Verhältniß aufzuhellen, die Entfärbungskraft eines bestimmten
Volums wiederbelebter Kohle von ganz gleichmäßiger Körnung gemessen, dann dieselbe
Kohle mit so schwach angesäuertem Wasser kurze Zeit stehen gelassen, daß an eine
bemerkliche Entkalkung gar nicht zu denken war, hernach ausgewaschen, bei
100° C. getrocknet und die Entfärbungskraft im Vergleiche mit der zuerst
gefundenen bestimmt.
Zu bemerken ist, daß das Aussehen der so behandelten Kohle ein sehr verändertes war;
sie erschien nämlich von einem tieferen, vollkommen glanzlosen Schwarz, so daß sich
von vornherein eine bessere Wirkung erwarten ließ.
Die erste Kohle hatte 63, die zweite für gleiches Volumen 72, für gleiches Gewicht 69
Proc. des vorhandenen Farbstoffes entfernt.
Um zu prüfen, ob diese Vermehrung nicht etwa eine Folge des Auswaschens allein sey,
wurde die gleiche Kohle derselben Behandlung mit reinem Wasser, ohne jede Spur Säure
unterworfen und dabei Entfärbungen von 66 und 62 erhalten. Der Vergleich dieser
Zahlen stellt sich also, die erste = 100 gesetzt, wie folgt:
Entfärbungskraft fürgleiche Raumtheile.
Entfärbungskraft fürgleiches Gewicht.
Geglühte Kohle
100
100
dieselbe, mit schwach angesäuertem Wasser behandelt
115
119,8
dieselbe, nur mit Wasser behandelt
105
98
Man kann also wohl sagen, daß die Behandlung der Kohle mit ganz verdünnter Säure, so
daß die Entkalkung ganz außer Betracht kommt, die entfärbende Kraft um etwa 1/11, ja
bei Vergleichung gleicher Gewichtsmengen noch um mehr erhöht.
Die logische Folge für die Praxis besteht darin, daß es sich demnach empfehlen würde,
die Kohle nach dem Glühen nochmals mit ganz verdünnter Säure auszuwaschen; ob aber
die Kosten dieser vermehrten Arbeit durch die erhöhte Entfärbung mit Nutzen ersetzt
werden würden, muß ich dahin gestellt seyn lassen.
Die zweite der sich ergebenden Fragen war die, ob die bloße Zerkleinerung einer gegebenen Kohle die
Entfärbungskraft erheblich erhöhe, d.h. also, ob die stärkere Wirkung der feineren
Kohle mit dem geringeren Kalkgehalt, oder mehr mit deren Aggregatzustande
zusammenhänge.
Zur Beantwortung dieser Frage wurde die ungesäuerte Probe Nr. 2 bei der zweiten der
obigen Versuchsreihen durch vorsichtiges Stoßen so weit zerkleinert, daß sie nun
ungefähr der Nr. 3 entsprach. Durch Absieben wurde gebildeter Staub und feines
Pulver entfernt und nun die Entfärbung bestimmt; sie betrug nun (für gleiches
Gewicht mit Nr. 1) 70,7 (gegen 58 für die unzerkleinerte).
Wollen wir nun diese Zahlen mit den übrigen vergleichen, so haben wir hier in der
letzten Tabelle (E. 73) beim II. Versuch „vor der Säuerung“
zwischen 2 und 3 mit 131 für gleiches Volumen und mit 152 für gleiches Gewicht
bezüglich hinter den Zahlen 89,9 und 125 für die gleiche, unzerkleinerte Kohle
einzusetzen. Namentlich bei dem Vergleich gleicher Volume ist offenbar hieraus, im Verein mit dem
letzten Versuche (über die schwache Ansäuerung) die wichtige Folgerung zu entnehmen,
daß die eigentliche Entkalkung nur einen untergeordneten Factor bei dem
verschiedenen Grade der Entfärbungskraft bildet, und daß der Aggregatzustand der
Kohle und die Beschaffenheit ihrer Oberfläche hierbei weit mehr Einfluß haben. Es
hängt damit zusammen, daß man häufig mit Kohlen eine sehr befriedigende Entfärbung
erzielt hat, deren hoher Kalkgehalt sie als völlig unbrauchbar erscheinen lassen
könnte, und es steht damit keineswegs im Widerspruche, daß mit der Verminderung des
Kalkgehaltes der Kohle ihre Entfärbungskraft wächst. Dagegen ist die stärkere
entfärbende Kraft der feineren Kohlentheile jedenfalls nur in zweiter Linie auf
ihren geringeren Kalkgehalt zurückzuführen.
Der Bemerkung wird es aber dennoch kaum bedürfen, daß hiermit nicht ausgesprochen
werden soll, daß der Kalkgehalt einer Kohle zu deren Beurtheilung gleichgültig sey,
und daß man auf die Verminderung desselben, auch nur in Betreff der Entfärbung,
keinen Werth legen solle: die Entfärbungskraft geht bis zu einem gewissen Punkte
– der je nach der Kohle ein verschiedener ist – parallel, obwohl nicht
proportional, mit der Verminderung des Kalkgehaltes; aber sie ist nicht die directe
Consequenz davon und hängt weit weniger davon ab, als von anderen Umständen, und als
man es bisher anzunehmen gewohnt war.