Titel: Stahlband-Ketten für Brücken.
Fundstelle: Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XXXV., S. 111
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XXXV. Stahlband-Ketten für Brücken. Aus Engineering, Februar 1868, S. 116. Stahlband-Ketten für Brücken. Die HHrn. Howell und Comp. in Sheffield, welche die aus einzelnen Gliedern mit Bolzen bestehenden Stahlketten für die Franz-Joseph-Brücke über die Moldau bei Prag geliefert haben, kamen auf den Gedanken, solche Ketten aus einzelnen aufeinander liegenden Stahlbändern herzustellen. Ein Probestück, aus 48 einzelnen Streifen von je 3 Zoll Breite und 1/16 Zoll Dicke bestehend, wurde hergestellt und berechtigt durch seine außerordentliche absolute Festigkeit mit einer Bruchbelastung von 80 Tonnen per QuadratzollEine Festigkeit, welche vorläufig noch in Frage zu stellen ist, da die absolute Festigkeit des besten Gußstahles für den Bruch höchstens zu 59 Tonnen per Quadratzoll angenommen wird. zu den besten Hoffnungen für die Zukunft dieses neuen Brückenmateriales. Bei großen Spannweiten, wo ein sehr starker Querschnitt der Ketten erforderlich wird, dürften diese Bandketten besondere Vortheile bieten. Da man nämlich die einzelnen Bänder von beliebiger Länge herstellen kann, so wird man sie so lang machen, daß sie von einer Verankerung über die beiden Pfeiler nach der anderen Verankerung und wieder zurück reichen. Die Verbindungen werden hierdurch vermieden und die Enden der Bänder sind in den Verankerungen wohl befestigt. Die Aufstellung ist durch diese Anordnung sehr erleichtert. Jedes Band wird vor der Auflage des nächsten mit einem vor dem Roste schützenden Anstrich versehen und das Ganze nach Herstellung des erforderlichen Querschnittes durch Umwinden mit Draht oder Anlage nahe bei einander stehender Bänder derart verbunden und zusammengehalten, daß das Eindringen der Feuchtigkeit nicht möglich ist. Es ist selbstredend, daß eine solche Kette außer dem Vortheil leichterer Aufstellung auch noch den der größeren Billigkeit hat im Vergleiche mit einer Kette ans Gliedern, deren Augen, Bolzen und Unterlegscheiben bearbeitet seyn müssen. In einer Hauptkette, welche aus einzelnen in einander verschlungenen dünneren Drahtseilen besteht, wird nur dann das Bestreben sich zu winden (drehen) vermieden seyn, wenn alle einzelnen Drahtseilchen gleichförmig beansprucht sind. Dieses kann jedoch nur mit größter Sorgfalt erreicht werden und bietet überhaupt solche Schwierigkeiten dar, daß die Ingenieure in der Regel vorziehen die dünnen Seilchen neben einander zu legen und sie schließlich durch Drahtumwickelung zu vereinigen. Diese Art Ketten sind jedoch so elastisch, daß sie bei beweglicher Belastung kaum Verwendung finden können. Außerdem haben die Drahtseile den sehr zu beachtenden Nachtheil, daß die zwischen den Drähten bleibenden Räume auf die Dauer nur sehr schwierig und mit großen Kosten so im Anstrich erhalten werden können, daß keine Feuchtigkeit eindringt. Die Gefahr der Oxydation ist besonders in den feuchten Fundamentmauern der Verankerungen in hohem Grade vorhanden, daher verdient die aus Bandstreifen bestehende Kette auch in dieser Beziehung den Vorzug, indem sie leichter zu schützen ist, somit größere Dauerhaftigkeit und Sicherheit gewährt. Das Material der Bandketten ist auf einen möglichst kleinen Querschnitt zusammengedrängt, sie bieten daher dem Winde weniger Fläche dar, als die offenen breiten Ketten aus einzelnen Gliedern, welche bei heftigen Windstößen Schwingungen und Schwankungen zeigen. Es gibt für Kettenbrücken unstreitig kein besseres Material als den Stahl, sey er nun zu einzelnen Gliedern verarbeitet oder als Draht- oder Bandseil angewandt. Haupterforderniß für das Material ist und bleibt ein hoher Grad von Zugfestigkeit, besonders bei großen Spannweiten, wo ein ansehnlicher Theil der Construction zur Abtragung des eigenen Gewichtes in Rechnung gebracht werden muß. Den überwiegenden Vortheil des Stahles in dieser Beziehung wird ein Vergleich mit dem schwächeren Eisen klar machen. Nimmt man die Last, welche ein Quadratzoll mit Sicherheit zu tragen vermag, für das Eisen zu 5 Tonnen und für den Stahl zu 15 Tonnen an, so ist zu Erreichung dieser Belastung bei dem Eisenstab eine frei hängende Länge von 3360 Fuß nöthig, während bei dem Stahl dieses Gewicht erst mit 10,000 Fuß erreicht wird. Das gleiche Verhältniß der Längen bleibt, wenn man sich beide Stäbe als Ketten in einer Brücke aufgehängt denkt. Die Einsenkung der Kette in der Mitte zu 1/10 der Spannweite angenommen, wird für den Eisenstab nur eine lichte Weite von 2360 Fuß zu erreichen seyn, während der Stahlstab eine solche von 7000 Fuß erlaubt. Da die Elasticitätsgrenze für das Eisen mit 10 Tonnen per Quadratzoll, für den Stahl mit 30 Tonnen per Quadratzoll erreicht wird, so ist die Sicherheit des Stahles mit 15 Tonnen Belastung eine größere als die des Eisens mit 5 Tonnen. Rechnet man für den Stahl auch nur einen Unterschied von 5 Tonnen zwischen Belastung und Elasticitätsgrenze, also 25 Tonnen Zug auf einen Quadratzoll, so ergibt sich eine vertical hängende Länge von 16800 Fuß oder eine gebogene Kette mit einer freien Spannweite von 11800 Fuß.Da die hier angenommenen Zahlen mit früheren Versuchen und den daraus abgeleiteten Festigkeits-Coefficienten nicht übereinstimmen, so müssen wir die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit obenstehender Angaben dem englischen Verfasser überlassen. Da das Gewicht der Kette bei Verwendung eines so bedeutend stärkeren Materiales vermindert wird, so müssen anderntheils wieder Einrichtungen getroffen seyn, welche den leichter eintretenden Schwankungen entgegen wirken. Schon bei eisernen Ketten findet man diese Vorkehrungen, so z. B. bei der Hungerford-Brücke, wo ein starkes Geländer die Brückenbahn versteift und beschwert, oder bei der Clifton-Brücke, wo zu gleichem Zwecke Gitterträger angewandt sind, welche außerdem die bewegliche Last auf eine große Strecke vertheilen. Der Sinus versus des Kettenbogens dürfte bei diesen leichteren Ketten geringer seyn, behält man ihn jedoch bei und vermehrt dafür das Gewicht der Brückenbahn durch Schotter oder Pflasterung, dann wird man in billigster Weise nicht allein die Schwankungen mäßigen, sondern auch eine Fahrbahn herstellen, welche dauerhafter ist als der jetzt gebräuchliche Bohlen-Belag. G. M.