Titel: Kleine Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication; von E. F. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag.
Autor: E. F. Anthon
Fundstelle: Band 189, Jahrgang 1868, Nr. LVII., S. 242
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LVII. Kleine Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication; von E. F. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag. (Schluß von S. 143 des vorhergehenden Heftes.) Anthon, Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication. VI. Instructives Beispiel der Diffusion. Wenn man eine etwa 1 Zoll im Durchmesser haltende Glasröhre bis auf eine beliebige Höhe (etwa 3 Zoll hoch) mit normaler Melasse (also mit einem Gehalt von circa 50 Zucker, 30 Nichtzucker und 20 Wasser) füllt, auf diese recht behutsam eine gleich hohe Schicht reinen farblosen Klärsels bringt, so daß die Grenze zwischen beiden eine scharfe ist, und die dann verstopfte Röhre der Ruhe überlassen beobachtet, so wird man bald den Beginn der Diffusion, d. h. ein Aufsteigen der in der Melasse enthaltenen fremden Stoffe in das reine Klärsel daran wahrnehmen, daß braune Streifen und Wolken in dem letzteren emporzusteigen beginnen und das farblos aufgegossene Klärsel immer mehr und zwar so lange dunkler färben, bis sich die färbenden Theile der Melasse in beiden aufeinander geschichteten Flüssigkeiten gleichförmig vertheilt haben. Daß dabei auch gleichzeitig die farblosen in der Melasse enthaltenen fremden Stoffe den Gesetzen der Diffusion (wenn auch in ungleichen Zeitabschnitten) folgen und sich gleichfalls in beiden Flüssigkeiten in's Gleichgewicht setzen, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Wenn man nach längerem Stehen der zur Vermeidung von Verdampfung fest geschlossenen Glasröhre dieselbe entleert, so wird man die interessante Beobachtung machen, daß in dem unteren Theil der Röhre, und zwar genau bis zu jener Höhe bis wohin Anfangs die Melasse reichte, sich die Wände mit Zuckerkrystallen überzogen vorfinden — eine Erscheinung, deren Erklärung eine sehr einfache ist. Diffusion kann nämlich nur in ungleichartigen Flüssigkeiten, bei gleichartiger Natur des gelösten Stoffes aber nur bei einem ungleichen Sättigungsgrade der Lösung stattfinden, jedoch mit Ausnahme jener Fälle, wo man eine mit einem Stoffe übersättigte Lösung mit einer anderen Lösung desselben Stoffes in Berührung bringt, die zwar nicht übersättigt, für die obwaltende Temperatur aber doch vollständig gesättigt ist, wo sich dann der Ueberschuß der ersten Lösung nicht mit dem Gehalte der zweiten Lösung in's Gleichgewicht zu setzen vermag. Wenn hiernach auf Melasse, welche mehr als die doppelte Menge Zucker von dem darin enthaltenen Wasser enthält und demnach als eine mit Zucker übersättigte Lösung anzusehen ist, reines Klärsel gebracht wird, so kann von dem in der Melasse in Ueberschuß enthaltenen Zucker sich auch nicht der kleinste Theil in das darauf gegossene Klärsel erheben (obgleich dieses für gleiche Mengen Wasser berechnet weniger Zucker enthält als die Melasse), weil eine schon mit Zucker gesättigte Lösung bei derselben Temperatur keinen Zucker mehr aufzunehmen vermag, die fremden Stoffe in der Melasse aber ungehindert in das Klärsel diffundiren und sich in diesem in's Gleichgewicht setzen können. Dadurch aber, daß hierdurch der Melasse die Hälfte der in ihr enthaltenen fremden Stoffe entzogen wird (indem sich diese auf die doppelte Menge Flüssigkeit vertheilen), verliert die Melasse den größten Theil ihrer Zähigkeit, welche sie am Auskrystallisiren des Zuckerüberschusses verhindert hatte und der demzufolge nun auch auszukrystallisiren vermag. Diese Beobachtung hatte für mich ein um so größeres Interesse, als sie mir zur Bestätigung einer längst gehegten Ansicht diente, für die mir aber bis dahin jeder directe Beweis fehlte, nämlich der Ansicht, daß eine normale Melasse stets als eine mit Zucker übersättigte Lösung angesehen werden muß, sobald der darin enthaltene freie Zucker mehr als doppelt so viel beträgt wie die vorhandene Wassermenge, aus welcher der Ueberschuß aber nur wegen der großen Zähigkeit der Melasse nicht vollständig auszukrystallisiren vermag. VIII. Ueber die Mängel in der jetzigen Bezeichnungsweise des Resultates der Analyse von Zuckerproducten. Bei der jetzt meist üblichen Weise das Resultat der Analyse von Zuckerproducten auszudrücken, pflegt man die theils gefundenen, theils nach der Differenz berechneten Bestandtheile gewöhnlich so zusammenzufassen, daß man die Gesammtzuckermenge, dann die gefundene Aschenmenge (worunter man sich im Gegensatz zu den organischen Stoffen, die mineralischen Bestandtheile nicht bloß vorstellt, sondern häufig sich geradezu des Ausdruckes Mineralstoffe bedient) und endlich die organischen Stoffe zusammengenommen aufführt, eine Darstellungsweise, welche auch in den meisten Fällen dem Industriellen genügt. Anders verhält es sich aber mit der Art und Weise wie man dabei die Zahlengruppen bildet. Gewöhnlich stellt man die direct gefundene Aschenmenge nach Procenten in Rechnung. Nun ist aber die resultirende Aschenmenge, abgesehen von anderen noch zu berührenden Momenten, je nach der Methode des Einäscherns eine verschiedene, nicht bloß qualitativ, sondern auch quantitativ. Beim Einäschern der zu untersuchenden Stoffe für sich besteht sie zu 4/5 aus kohlensauren, beim Einäschern unter Zuhülfenahme von Schwefelsäure gänzlich aus schwefelsauren Verbindungen, und man nimmt somit Zahlen mit in Rechnung, welche sich auf Stoffe und Stoffmengen beziehen, wie sie in der untersuchten Substanz gar nicht vorhanden waren und die resultirende Zahl zu groß erscheinen lassen. In noch weit höherem Grade ist dieß der Fall, wenn man nach dem in neuester Zeit von Landolt gemachten Vorschlag die gefundene Aschenmenge verdoppelt und die so erhaltene Zahl als den Salzgehalt in Rechnung stellt, wie er es in seinem Bericht über die Analysen der Zuckerproducte etc.Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1867 S. 103; Zeitschrift des Vereines für Rübenzuckerindustrie, Februarheft 1868; im Auszug im polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 251. gethan hat, wozu er durch den Umstand veranlaßt wurde, daß die im Rübensaft vorkommenden organischsauren Alkalien beim Einäschern ziemlich genau ihr halbes Gewicht Asche geben, und weil er es für angezeigt erachtete dieselben ihrer ganzen Menge nach als Salze anzusprechen. Vom Standpunkte der Wissenschaft mag vielleicht gegen diese Gründe nicht viel einzuwenden seyn, vom Standpunkte des Industriellen aber wird dieß sicher nicht zugestanden werden. Letzterer wird, wenn von Salzen in den Zuckerproducten die Rede ist, stets nur die mineralischen Bestandtheile (die Alkalien, incl. Chlor, Schwefelsäure etc.), nie aber das vor Augen haben was die reine Chemie im ausgedehntesten Sinne des Wortes unter Salzen versteht, und die vorhandenen organischen Säuren wohl unter allen Umständen den organischen Stoffen zugruppiren, wodurch er denn auch sicher zu einer richtigeren Vorstellung gelangt. Um das Gesagte durch ein Beispiel zu erläutern, sey hier das Resultat einer Melassenanalyse nach dem Analytiker (Stohmann) selbst, und nach Landolt's Vorschlag umgerechnet zusammengestellt. Diese Melasse enthielt 52,3 Zucker, 20,7 Wasser und 27,0 fremde Stoffe (letztere aus 11,2 Salzen, 9,4 stickstoffhaltigen und 6,4 stickstofffreien organischen Verbindungen bestehend). Zucker. Wasser. Organ. Stoffe. Salze. oder, was dasselbe 52,3 20,7 15,8 11,2 Nach L. wäre die Zusammens. dagegen 52,3 20,7   4,6 22,4. Welche von beiden Zusammenstellungen der Zuckerindustrielle für die richtige anerkennen wird, darüber kann wohl nicht der geringste Zweifel obwalten; und doch tritt der Widerspruch in beiden Zahlenreihen noch weit greller hervor, wenn man von den 11,2 Proc. der gefundenen Asche die darin enthaltene Kohlensäure, welche mindestens 1/5 vom Gewichte derselben betrug, in Abzug bringen und den organischen Stoffen zuschlagen wollte. Vor Allem kann und muß man an die Zusammenstellung des Resultates einer Analyse die Forderung stellen, daß sie der Wahrheit und den thatsächlich obwaltenden Verhältnissen entspreche und nicht unausweislich zu falschen Vorstellungen führe, da hierdurch die Wissenschaft nur zu leicht dem praktischen Fabrikanten zum Irrlichte wird. Um zu einem möglichst richtigen Bilde zu führen und den Industriellen in Stand zu setzen, aus den ihm gebotenen Analysen den möglich größten Nutzen zu ziehen, schlage ich vor, daß man sich dahin einige, die Analysen von Rohzucker, Syrup und Melasse für die gewöhnlichen Fälle in folgender Weise zum Ausdruck zu bringen: a) Gesammtzuckergehalt nach der Polarisation; b) Gehalt an freiem, gewinnbaren Zucker; c) Gesammtgehalt an organischen Stoffen und d) Gehalt an frei gedachten (nicht kohlensauren) Alkalien, inclusive der damit verbundenen Mineralsäuren, wornach also, wie schon oben bemerkt, von der gefundenen Aschenmenge 1/5 für die darin vorhandene und von organischen Stoffen herrührende Kohlensäure in Abzug zu bringen und den organischen Stoffen zuzuschlagen wäre. Die Namen „Salze“ und „Aschenbestandtheile“ für die letztangeführte Stoffgruppe hätte zur Vermeidung falscher Vorstellungen beim Laien zu entfallen und wäre dafür der Ausdruck „Mineralstoffe“ zu wählen. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, auf die schon mehrseitig betonte Mangelhaftigkeit der jetzt im Handel üblichen Werthsbezeichnung des Rohzuckers hinzuweisen. Fast allgemein wird beim Handel mit Rohzucker in Bezug auf dessen Gehalt (abgesehen von den durch die Farbe bedingten Qualitätsabstufungen) die bloße Polarisation zu Grunde gelegt und dabei keine Rücksicht auf die gleichzeitig vorhandenen Mengen fremder Stoffe genommen, und doch kann thatsächlich bei einer und derselben Polarisation der Nettowerth um 4–6 Procent und darüber differiren. Wenn man nun berücksichtigt, daß es sich für den kaufenden Raffinateur gar nicht oder doch nur untergeordnet darum handelt, wie viel ein Rohzucker polarisirt, sondern nur darum, was derselbe an ausbringbarem Zucker enthält, so bedarf es wohl keines weiteren Beweises, daß beim Handel mit Rohzucker nicht dessen Gesammtgehalt an Zucker nach der bloßen Polarisation, sondern der nach obiger oder in anderer Weise bestimmte Nettowerth zur Grundlage dienen sollte. IX. Ueber das specifische Gewicht einer bei 14° R. gesättigten Zuckerlösung. Verschiedene Beobachtungen, welche ich wiederholt über die ungleiche Dichte einer bei 14° R. gesättigten reinen Zuckerlösung machte, gaben zu folgendem Versuche Veranlassung. Auf eine 10 Zoll hohe Schicht, in einer weiten Glasröhre befindlicher, grobkörnig pulverisirter Raffinade wurde eine durch sehr anhaltendes Schütteln von destillirtem Wasser mit viel überschüssiger fein pulverisirter Raffinade dargestellte und somit wenigstens nahezu gesättigte Zuckerlösung so gegossen, daß sie nur die Zwischenräume des Zuckers ausfüllte, und durch 16 Stunden bei 14° R. stehen gelassen. Nunmehr wurde ein Theil der Lösung klar abgelassen und gab ein specifisches Gewicht von 1,3272 zu erkennen. Nach Verlauf von weiteren 16 Stunden bei gleicher Temperatur wurde wieder ein Theil der Zuckerlösung abgelassen, deren Dichte sich wieder genau zu 1,3272 bei 14° herausstellte. Jetzt ließ ich den Rest der Zuckerlösung, welcher gleichfalls dieselbe Dichte zeigte, ablaufen und stellte ihn auf flacher Schale bei 15–16°R. zur freiwilligen Verdampfung so lange an die Luft, bis sich Zuckerkrystalle ausgeschieden hatten. Der klare Theil der Lösung zeigte nunmehr eine viel größere Dichte, nämlich 1,3577 und setzte, als er 24 Stunden in einem verstopften Fläschchen bei 14° R. erhalten wurde, festen Zucker ab unter Verminderung seiner Dichte auf 1,3355. — In den nachfolgenden 24 Stunden reducirte sich die Dichte bei 14° R. auf 1,3338; in noch weiteren 24 Stunden (immer bei 14° R.) auf 1,3300. Mit dieser Zahl schien die Grenze der Abnahme der Dichte erreicht zu seyn, denn sie blieb sich in den nun folgenden 36 Stunden bei 14° R. vollkommen gleich. Hiernach kann die Dichte einer bei 14° R. gesättigt erscheinenden Zuckerlösung eine verschiedene seyn, je nachdem dieselbe bloß durch anhaltendes Schütteln von Wasser mit überschüssigem Zucker bei 14° R., oder durch Erkaltenlassen einer etwas übersättigten Lösung auf 14° R. dargestellt worden ist. Da jedoch bei einem und demselben Stoffe und für eine und dieselbe Temperatur füglich nicht zweierlei Sättigungsgrade denkbar sind, so kann der Grund davon wohl nur darin liegen, daß entweder die Zahl von 1,3272 noch nicht als der der Temperatur von 14° R. vollkommen entsprechende Sättigungsgrad anzusehen ist, oder daß man die Zahl 1,3300 bereits einem Zustand von Uebersättigung zuzuschreiben habe, worüber ich jedoch noch kein positives Urtheil auszusprechen wage, sondern nur vermuthungsweise letztere Zahl als die richtigere ansehen will. Jedenfalls bezeichnen beide Zahlen aber die Grenzen, um welche man sich bei der Darstellung des Klärsels zu bewegen hat. X. Versuche behufs Ausbildung einer Methode zur Reinigung (Raffination) des Rohzuckers ohne Wärme (Kochen) und ohne Chemikalien. Die Ueberzeugung, daß der normale Rohzucker nichts anderes als ein mit Melasse benetzter reiner fester Zucker ist, führte mich auf den Gedanken, daß es möglich seyn müsse, denselben durch bloßes systematisches Waschen zuerst mit unreinen, dann mit immer reineren Zuckerlösungen, auf kaltem Wege und ohne Chemikalien, daher auch ohne jeden Verlust, in reinen Zucker und Melasse zu zerlegen, und zwar derart, daß. für je 100 Gewichtstheile in Arbeit genommenen Rohzuckers einerseits die Gesammtmenge des darin enthaltenen festen freien Zuckers (folglich dessen ganzer Nettogehalt) erhalten werden kann, andererseits die darin vorhandene Melasse vollständig und unmittelbar als solche, demnach auch von derartiger Beschaffenheit daß sie keine weitere Verkochung lohnt. Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daß, die Bestätigung dieses leitenden Gedankens und dessen mögliche Durchführung im Großen vorausgesetzt, ein solches Verfahren die nahezu gänzliche Vermeidung des Verlustes bei den jetzigen Raffinationsmethoden zur Folge haben würde, welche genau genommen auch nichts Anderes als ein Waschproceß des Zuckers sind, der aber auf einem umständlichen, zeitraubenden und zuckerzerstörenden Umwege ausgeführt wird. Zur praktischen Verfolgung des ausgesprochenen Gedankens habe ich nun seit einigen Jahren eine große Reihe von Versuchen im Laboratorium durchgeführt, wodurch ich zwar noch nicht dahin gelangte, die Sache als technisch reif ansehen zu können, welche aber die Richtigkeit des Principes meiner Voraussetzung unwiderlegbar dargethan haben. Zuerst versuchte ich den Rohzucker ohne jede weitere Vorbereitung zu reinigen, indem ich ihn unmittelbar in die Wasch- oder Extractionsvorrichtung brachte und auszudecken suchte. Hierbei stellte sich nun der Uebelstand heraus, daß ich es nicht zur Beherrschung der für das Niedergehen der Decken nöthigen Zeit bringen konnte, denn während es mir öfters glückte, eine 20–24 Zoll hohe Schicht Zucker vollständig binnen 18–24 Stunden auszudecken, bedurfte es zur Erreichung desselben Zieles in anderen Fällen 2 bis 3, ja sogar 4 Wochen und half in diesen Fällen auch in der Regel das Rutschen wenig oder gar nichts, ja verzögerte sogar in mehreren Versuchen noch das Niedergehen der Decken. Ich mußte nun nach einem anderen Mittel suchen, welches mir die Beherrschung des Niedergehens der Decken ermöglichte und fand dieses Mittel auch in vollkommen entsprechender Weise in der Bildung einer Zuckermasse aus dem zu verarbeitenden Rohzucker mit einer geeigneten Menge ersten (folglich schlechtesten) Ablaufes von der beim unmittelbar vorausgegangenen Versuche verwendeten Rohzuckermenge, durch mäßiges Erwärmen und nachheriges Erkaltenlassen der so gebildeten Zuckerfüllmasse im Extractionsgefäß. An diesem Ziele angelangt, schritt ich zu einer neuen Versuchsreihe (zu welcher ein aus 93,5 Zucker, 4,4 fremden Stoffen und 2,1 Wasser bestehender Rohzucker verwendet wurde), die ich in der Weise begann, daß ich die erste Füllmasse aus der für den ersten Versuch bestimmten Rohzuckermenge durch Befeuchten mit etwas Wasser und mäßiges Erwärmen bildete, und ausnahmsweise zum Ausdecken dieses Quantums bloß reines Klärsel verwendete, weil mir bei Beginn dieser Arbeit noch kein Ablauf von einem vorausgegangenen Versuche zur Verfügung stand. Bei allen folgenden in Arbeit genommenen Zuckermengen wurde jedoch — dem aufgestellten Princip entsprechend — zum Anmachen des Rohzuckers stets nur der erste (also schlechteste) Ablauf von dem unmittelbar vorausgegangenen Versuche verwendet; die folgenden, in kleinen Portionen gesammelten Abläufe aber wurden der Reihenfolge nach (also von immer reinerer Beschaffenheit) zum Ausdecken benutzt und geendet wurde je nach Bedarf mit einer oder einigen reinen Klärseldecken; bei dieser Versuchsreihe wurden zehn in Zusammenhang stehende einzelne Versuche (Ausdeckarbeiten) durchgeführt. Ein Hauptzweck dieser Versuchsreihe war der, mich augenscheinlich zu überzeugen, wie weit eine Verschlechterung des ersten Ablaufes auf diesem Wege füglich getrieben werden kann, und namentlich ob dieselbe sich bis zu einem wirklichen Melassenablauf steigern lasse, obgleich nach meinen bis dahin gemachten Beobachtungen diese Frage schon mit ziemlicher Gewißheit zu bejahen war. Die in dieser Richtung erlangten Ergebnisse sind im Nachfolgenden zusammengestellt, wobei ich mich begnügte den Werth der Abläufe nach deren specifischem Gewichte abzuschätzen, wie ich es schon in meiner Mittheilung Nr. III erläutert habe und wie es dem vorliegenden Zwecke auch vollkommen entsprach. Der Ablauf von Versuch 1 hatte eine Dichte von 1,3467 von Versuch 2 hatte eine Dichte von 1,3617 von Versuch 3 hatte eine Dichte von 1,3712 von Versuch 4 hatte eine Dichte von 1,3722 von Versuch 5 hatte eine Dichte von 1,3780 von Versuch 6 hatte eine Dichte von 1,3801 von Versuch 7 hatte eine Dichte von 1,3850 von Versuch 8 hatte eine Dichte von 1,3950 von Versuch 9 hatte eine Dichte von 1,3990 von Versuch 10 hatte eine Dichte von 1,4090. Es hatte somit der zehnte Ablauf ein spec. Gewicht, wie es einer Zusammensetzung von beiläufig 51 Zucker, 27½ fremden Stoffen und 21–21½ Wasser und folglich. auch der Natur wirklicher Melasse entspricht. Die aufgeworfene Frage war demzufolge auch zu bejahen und ich gelangte zu diesem Resultate ohne irgend ein Hinderniß und ohne irgend eine Beobachtung, welche die Besorgniß hätte aufkommen lassen können, daß im Großen nicht derselbe Erfolg in gleicher Weise erzielbar wäre. Was die bei dieser Versuchsreihe zum vollständigen Ausdecken nöthige Zeit anbelangt, so betrug dieselbe für eine circa 20 Zoll hohe Zuckerschicht bei mäßigem Nutschen durchschnittlich 30, nie aber über 36 Stunden. Was weiter die Beschaffenheit der bei dieser Versuchsreihe angewandten absichtlich gebildeten Füllmassen, sowie die nöthig gewesenen Mengen an Decke betrifft, so gibt hierüber folgende Zusammenstellung Aufschluß: Füllmasse, Zucker, bestehend aus Folglich von folgendem Quotienten. Nöthig gewesene Decke für 100 Rohzucker. Nichtzucker, Wasser. Versuch 1 85,4 3,8 10,8 95,7 62 Versuch 2 84,3 5,6 10,1 93,8 70 Versuch 3 83,3 7,0   9,7 92,2 80 Versuch 4 80,1 8,4 11,5 90,5 88 Versuch 5 79,8 8,1 12,1 90,7 100 Versuch 6 79,0 9,4 11,6 89,4 128 Versuch 7 78,8 9,7 11,5 89,0 136 Versuch 8 78,3 10,5 11,2 88,2 148 Versuch 9 76,5 11,6 11,9 86,8 160 Versuch 10 75,5 12,7 11,8 85,6 228. Aus dieser Uebersicht ergibt sich deutlich, daß in dem Verhältniß, in welchem der Zuckerquotient fällt, sich die nöthige Menge Decke für gleiche Mengen Rohzuckers steigert, und zwar rascher und in größeren Verhältnissen als ich vorausgesetzt hatte. Während z. B. bei einem Zuckerquotienten von 95,7 der Füllmasse nur 62 Proc. vom Gewicht des in Arbeit genommenen Rohzuckers an Decke nothwendig waren, er heischte ein Quotient von 89,4 schon 128 Proc., und endlich ein Quotient von 85,6 sogar 228 Proc. Der Grund davon ist ein mehrfacher und nicht allein in einem ungleichförmigen Niedergehen der Decken, sondern auch in einer diffundirenden Wirkung zwischen denselben zu suchen, indem analog dem in meiner obigen Mittheilung Nr. VI angeführten Beispiel, beim Niederdrücken der schwereren unreineren Syrupschichten durch nachfolgend reinere, die größere Menge fremder Stoffe in ersteren Zeit gewinnt nach oben in die nachfolgenden reineren Syrupschichten zu diffundiren, so wie endlich bei meinen Versuchen auch noch der Umstand zur Vergrößerung der nöthigen Deckemengen beitrug, daß ich den Ablauf des einen Extractionsgefäßes (mechanischer Schwierigkeiten wegen) nicht continuirlich auf den Inhalt des nachfolgenden Extractionsgefäßes auffließen lassen konnte, sondern portionenweise aufsammeln und aufgießen mußte, wodurch der Effect der Decken natürlich abgeschwächt wurde. Die Vollendung des Ausdeckens gibt sich durch die Farblosigkeit und Dichte des Ablaufes leicht zu erkennen, doch scheint es zur möglichsten Verminderung der zum schließlichen Ausdecken nöthigen Menge reinen Klärsels angezeigt, das Ausdecken nicht bis zum Ablauf reinen völlig farblosen Klärsels zu treiben, sondern zu unterbrechen sobald der Ablauf einen Quotienten von beiläufig 98 zeigt, wo dann bei Anwendung conischer Extractionsgefäße mindestens 95 Proc. des eingefüllten Rohzuckers vollständig ausgedeckt erscheinen werden, wenn dieselben nicht etwa von gar zu dunkler Beschaffenheit gewesen sind, in welchem Falle man selbst durch ein Uebermaaß von reinem Klärsel kein vollständiges Weiß zu erzielen vermag. Daß das schließlich als Decke zur Verwendung gelangende reine Klärsel nicht verloren geht, versteht sich von selbst; die größte Menge desselben bleibt im Zucker zurück, wird also als Mehrausbeute zurückerhalten. Wenn ich in dieser Mittheilung dem Fachmann auch nichts technisch Reifes geboten habe, da ich nicht in der Lage bin, meine Versuche im Großen zum Abschluß bringen zu können, so glaube ich doch dargethan zu haben, daß der oben bezeichnete leitende Gedanke ein richtiger und die Sache einer weiteren Verfolgung werth sey, wenn auch vielleicht anfangs nur in der Richtung, daß das besprochene Princip zur unmittelbaren Darstellung eines Raffinade-Farins oder reinen Deck-Klärsels aus Rohzucker, oder zu einer billigeren Würfelzucker- und Kandiserzeugung zur Anwendung gelangt — es weitern Untersuchungen überlassend zu entscheiden, inwiefern darauf ein neues allgemeines Raffinations-Verfahren begründet werden kann. Dem allenfallsigen Bedenken, daß das vorgeschlagene Princip gegen eine Grundregel in der Zuckerfabrication — wornach man kein Zuckerproduct während der weiteren Verarbeitung mit einem schlechteren Product zusammenbringen darf — verstoße, glaube ich im Voraus mit der Bemerkung entgegnen zu müssen, daß dieß bei dem in Rede stehenden Verfahren nur scheinbar stattfindet; denn wenn ich auch behufs der Füllmassebildung einen schon mehr oder minder reinen Rohzucker mit einem schlechten Syrup zusammenbringe, so ist es doch klar, daß dieser Syrup keinen verschlechternden Einfluß auf den im verwendeten Rohzucker vorhandenen Krystallzucker ausüben kann, sondern im Gegentheil, da der Rohzucker nur als eine Mischung von festem Zucker und Melasse anzusehen ist, letztere dadurch eine Verbesserung erleidet. XI. Ueber das Auftreten des oxalsauren Kalkes bei der Rübenzuckerfabrication. Man hat in neuerer Zeit wiederholt ein massenhaftes Auftreten von oxalsaurem Kalk als Incrustation der Abdampfgefäße in den Zuckerfabriken wahrgenommen, diese Erscheinung aber, so viel mir bekannt, lediglich mit dem Vorkommen der Oxalsäure in dem Rübensafte erklärt. Ich halte diese Annahme jedoch für unzulässig und glaube sie in einer Bildung der Oxalsäure im Kohlensäureofen suchen zu müssen; ich hatte zwar noch nicht Gelegenheit die Richtigkeit meiner Ansicht durch Versuche sicher zu stellen, bin aber dessenungeachtet davon vollkommen überzeugt. Die Sublimirbarkeit der Oxalsäure, ihre Bildung beim Schmelzen von verschiedenen organischen Stoffen (insbesondere von Holzspänen) mit ätzenden fixen Alkalien und beim starken Glühen von kohlensaurem Kali mit Kohle, wie es bei der Kaliumbereitung stattfindet, endlich ihre Elementarzusammensetzung, welche sie der Kohlensäure so nahe stellt daß Döbereiner ihr den Namen „kohlige Säure“ beilegte und nach welcher 2 Aequiv. Kohlensäure nur 1 Aequiv. (bloß 2–3 Proc.) Wasserstoff aufzunehmen haben, um in Oxalsäure überzugehen, sind offenbar Momente, welche zur Bekräftigung der ausgesprochenen Ansicht dienen können. Nach dieser Ansicht ist auch auf ungezwungenere Weise die Erscheinung zu erklären, daß sich der oxalsaure Kalk bei der Läuterung nicht vollständig niederschlägt; da nämlich der Entstehungsmoment des oxalsauren Kalkes (bei meiner Annahme) mit der Saturation zusammenfällt, so ist es auch analog vielen anderen Erscheinungen recht wohl denkbar, daß ein Theil des sich bildenden oxalsauren Kalkes der augenblicklichen Fällung entgeht und erst beim Abdampfen der Zuckersäfte zum Ausscheiden gelangt.