Titel: Erfahrungsresultate über Schalengußräder.
Fundstelle: Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XCII., S. 354
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XCII. Erfahrungsresultate über Schalengußräder. Erfahrungsresultate über Schalengußräder. In den letzten Jahren hat der Verkehr auf den Eisenbahnen, und zwar im Jahre 1866 durch die Truppentransporte, später durch die Getreidetransporte, eine früher unbekannte Höhe erreicht. Mehr als sonst verkehrten überall die Wagen der verschiedensten Bahnen aller Gattungen und Constructionen. Es ist daher auch leicht erklärlich, daß die Wagen mit Schalengußrädern in weit größerem Maaße wie bisher über die Grenzen der Heimathbahnen hinausgiengen und auch dort häufiger erschienen, wo sie früher zu den selteneren Erscheinungen gehörten. Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit des betheiligten technischen Personals auf die Schalengußräder gelenkt. Da über dieselben die verschiedenartigsten Urtheile abgegeben sind, so dürfte es nicht uninteressant seyn, die Erfahrungen kennen zu lernen, welche eine der größten Bahnen des Continents mit Ganz'schen Schalengußrädern, unstreitig den besten, welche hier in Betracht zu ziehen sind, gemacht hat. Die k. k. priv. österr. Staatseisenbahn-Gesellschaft hat schon bei Uebernahme der Bahn bei der Staatsverwaltung im Januar 1855 eine Partie Schalengußräder von Ganz, welche unter den Wagen liefen, mit übernommen; seit jener Zeit sind bis zum Schlusse des Jahres 1867 wiederholte Nachschaffungen gemacht; die Anzahl der gegenwärtig im Betriebe befindlichen Schalengußräder von Ganz beläuft sich auf circa 16,000 Stück. Diese bedeutende Anzahl und die langjährige Benutzung eines großen Procentsatzes dieser Schalengußräder dürften geeignet seyn, gründlichen Aufschluß über das Verhalten derselben zu geben, und eine gewisse Voreingenommenheit gegen die Schalengußräder überhaupt zu zerstreuen, welche sich dadurch geltend gemacht zu haben scheint, daß man nach Lieferungen von Firmen, welchen die gehörige Erfahrung in der Erzeugung von Schalengußrädern mangelte, das Verhalten aller Räder beurtheilte, und alle ohne Unterschied verurtheilte. Die Form der Schalengußräder, nach welcher Ganz bis zum Jahre 1867 alle Lieferungen mit mehr oder minder kleinen Variationen effectuirte, wird als bekannt vorausgesetzt. In neuester Zeit bedient sich die Firma Ganz und Comp. einer neuen, verstärkten Radform, welche nach vorgenommenen Schlagproben eine weit größere Widerstandsfähigkeit und keine Neigung mehr zur Bildung von Längsrissen auf der Lauffläche besitzt. Die k. k. priv. österr. Staatseisenbahn-Gesellschaft bat nach dem älteren Muster, einschließlich der von der Staatsverwaltung übernommenen Schalengußräder, bis Ende 1867 im Ganzen 18,952 Stück bezogen, von welchen sich gegenwärtig noch 16,000 Stück im Betriebe befinden. Von allen diesen Rädern sind seit den letzten Jahren, in welchen detaillirte Aufschreibungen über das Verhalten der Schalengußräder geführt wurden, 14 Stück, d. i. 0,074 Proc. der Gesammtmenge im Betriebe gebrochen. Dieses Resultat muß als ein äußerst günstiges bezeichnet werden. Keine der auf der Linie der Staatsbahn verwendeten Tyresgattung, selbst nicht die Gußstahl-Tyres der renommirtesten Firmen haben relativ so wenig Brüche aufzuweisen. Durch die Brüche dieser Schalengußräder ist in keinem Falle eine wesentliche Beschädigung der Bahu oder der Fahrbetriebsmittel herbeigeführt. Die angeführten Thatsachen sind wohl der beste Gegenbeweis gegen die Behauptung, daß Schalengußräder überhaupt nicht die nöthige Sicherheit im Betriebe gewähren, namentlich, wenn man in Betracht zieht, welch einen gefährlichen Charakter sehr oft die Tyresbrüche annehmen. Durch die Unfälle, welche die Tyresbrüche herbeiführen können, haben sich schon seit längerer Zeit viele Bahnverwaltungen veranlaßt gesehen, Prämien für die rechtzeitige Entdeckung derartiger Vorkommnisse zu bewilligen, es verdient daher besonders hervorgehoben zu werden, daß bis auf einen Fall alle Brüche der Schalengußräder von Ganz in eine Zeit fallen, wo specielle Prämien für die Entdeckung schadhafter Schalengußräder nicht normirt waren. Alle 14 Schalengußräder sind unter Lastwagen von mindestens 120 Ctr. Achsenbelastung und wegen Mängel an der Lauffläche gebrochen. Die gegenwärtig eingeführte verbesserte Construction der Schalengußräder von Ganz und Comp. stellt daher eine bedeutende Verminderung ähnlicher Vorkommnisse in Aussicht. Die durchschnittliche Dauer der Schalengußräder berechnet sich aus dem Verhalten der Lieferungen, welche in den Jahren 1855, 1856 und 1857 effectuirt wurden, unter Einbeziehung aller jener Räder, welche nach den jetzt bestehenden Lieferungsbedingnissen ohne Entgelt hatten ersetzt werden müssen, zu 7½ Jahren. Die älteren Jahrgänge der Schalengußräder eignen sich zu dieser Berechnung am besten, weil von denselben bereits ein großer Theil außer Betrieb gesetzt wurde, und daher ziemlich sichere Resultate gewonnen werden können. Ein Theil der Räder der angeführten Lieferungen ist aber trotz 13, 12 und 11 jähriger Benutzung noch immer im Betriebe; es werden noch mehrere Jahre vergehen, bis alle Räder jener Jahrgänge dienstuntauglich geworden sind. Uebrigens ist die Dauer von 7½ Jahren nur als der Minimalwerth anzusehen, weil bei den meisten späteren Lieferungen ein geringerer Procentsatz in den gleichen Betriebsjahren ausgeschieden wurde, und sonach eine größere mittlere Dauer in Aussicht steht. Der Preis der Schalengußräder beträgt gegenwärtig 54½ fl. pro Stück franco loco Pesth. Für die Güte des Materiales garantirt die Firma Ganz u. Comp. fünf Jahre in der Weise, daß jedes Schalengußrad, welches innerhalb dieser Zeit, vom Tage der Uebernahme an gerechnet, betriebsunfähig wird, unentgeltlich durch ein neues ersetzt wird. Ferner wird jedes nach Ablauf der Haftzeit schadhaft werdende Rad unter Rückstellung desselben bei einer Aufzahlung von 25 fl. gegen ein neues Schalengußrad umgetauscht. Die 5jährige Haftzeit gilt für alle von der Firma gelieferten Schalengußräder ohne Ausnahme. In den ersten Jahren der Geschäftsverbindung mit Ganz wurden die Räder unter anderen Lieferungsmodalitäten beigestellt; hieraus erklärt sich die Differenz zwischen der Anzahl von Schalengußrädern, welche überhaupt von Ganz bezogen wurden, und welche sich im Betriebe befinden. Aus diesen günstigen Lieferungsbedingnissen erwachsen sehr wesentliche pecuniäre Vortheile. Unter Annahme einer Dauer von 7½ Jahren für ein Schalengußrad als Minimalwerth und 7 Jahren für ein Puddelstahltyre als Maximalwerth, wie sich dieß in der Wirklichkeit herausgestellt hat, kommt die Erhaltung eines Räderpaares mit Schalengußrädern jährlich um 5 fl. 38 kr. billiger zu stehen, als die jährliche Erhaltung eines Sternräderpaares mit Puddelstahltyres. In diese Berechnung sind die unentgeltlich zu liefernden Ersatzräder nicht mit einbezogen; ebenso ist nur der einmalige Umtausch der nicht mehr haftpflichtigen Räder gerechnet, obgleich für alle gelieferten Räder später nur noch Ersatz- oder Umtauschräder in Betracht gezogen werden können. Berücksichtigt man dagegen den Einfluß der Ersatzräder, welche ungefähr 25 Proc. der gelieferten Räder betragen, so stellen sich die Kosten für die Erhaltung eines Schalengußräderpaares beiläufig nur halb so hoch, als die eines Sternräderpaares mit Puddelstahltyres. Die Ersparniß wird in diesem Falle 7½ fl. pro Räderpaar und Jahr betragen. Im ersteren Falle würde sich bei den 8000 Räderpaaren, welche auf den Linien der Staatsbahn vorhanden sind, eine jährliche Ersparniß von 43,000 fl., im letzteren Falle von 60,000 ergeben. Diese Summe stellt nur jene Verminderung der Auslagen dar, welche aus den verminderten Erhaltungskosten der Räderpaare resultirt; die Ersparnisse für Werkstätteneinrichtung, sowie die größere, durch geringere Räderreparaturen wesentlich geförderte Ausnutzung der Wagen im Verkehre, und die dadurch ermöglichten höheren Einnahmen sind in der Rechnung nicht berücksichtigt. Diese Beträge belaufen sich jedenfalls aber noch weit höher als die Ersparnisse an Betriebsauslagen. Durch solche, im Betriebe selbst gewonnene Resultate muß man zu der Ueberzeugung gelangen, daß die Schalengußräder von Ganz — aber auch nur diese nach den bisherigen Erfahrungen — eine der billigsten und den Anforderungen des Verkehres am besten entsprechenden Radconstructionen für Lastwagen ohne Bremse in Oesterreich ist, wo der Bezug von Tyres- und Sternrädern oft die größten Verlegenheiten bereitet, und man häufig mit der Deckung eines großen Theiles des Bedarfes an derartigen Materialien auf das Ausland angewiesen ist. Ohne die Ganz'schen Schalengußräder hätte der starke Verkehr der vorhergehenden Jahre auf den Linien der Staatsbahn nur mit anderweitigen großen Anstrengungen und Opfern bewältigt werden können. Bemerkt muß schließlich noch werden, daß Schalengußräder auf den Linien der Staatsbahn für Personenwagen und gebremste Lastwagen nicht verwendet werden, und sich für diese Wagengattungen überhaupt nicht empfehlen, weil die Personenwagen mit zu großer Geschwindigkeit verkehren und durch das Bremsen flache Stellen entstehen, welche auf eine zu rasche Abnutzung der Räder hinwirken. In kurzer Zeit wird die Staatsbahn nur noch Ganz'sche Schalengußräder besitzen, da sich die von anderen Werken bezogenen nicht bewährt haben und gegen solche von Ganz umgetauscht werden. Bei den günstigen Resultaten, welche mit diesen Rädern gewonnen sind, ist die Betriebssicherheit der Schalengußräder, welche unter den Wagen der Staatsbahn laufen, außer Zweifel; eine weitere Bürgschaft in dieser Richtung ist aber in neuerer Zeit durch die Einführung einer verschärften Revision und durch die Bewilligung einer Prämie für die Entdeckung von Schalengußrädern, welche mit betriebsgefährlichen Gebrechen behaftet aufgefunden werden, gegeben. Unter diesen Umständen werden in Zukunft Brüche von Schalengußräder unter den Wagen der Staatseisenbahn zu den größten Seltenheiten gehören und nur da vorkommen, wo man selbst die für alle sonstigen Radconstructionen für nothwendig erachteten Sicherheitsmaßregeln den Schalengußrädern gegenüber außer Acht läßt. A. Schröder, Ingenieur der Staatsbahn. (Zeitschrift für die deutsch-österreichische Eisen- und Stahlindustrie.)