Titel: Neue Formeln für die Bewegung des Wassers in Canälen und Flüssen.
Fundstelle: Band 192, Jahrgang 1869, Nr. IV., S. 13
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IV. Neue Formeln für die Bewegung des Wassers in Canälen und Flüssen. Neue Formeln für die Bewegung des Wassers in Canälen und Flüssen. Seit dem Erscheinen der deutschen Uebersetzung des Werkes von Humphreys und Abbot bezüglich der umfassenden Untersuchungen und Wassermessungen am unteren Mississippi, bearbeitet von Grebenau, München 1867, und seit demjenigen des französischen Werkes Recherches hydrauliques von Bazin, Paris 1865, sind verschiedene neue Formeln für die Bewegung des Wassers neben denjenigen aufgestellt worden, welche obige Autoren geben. Im Jahrgang 1868 der Annales des ponts et chaussées finden wir zwei Formeln von P. Gauckler, in den Abhandlungen der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin von 1868 eine von G. Hagen und im ersten bis dritten Heft von 1869 der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines eine von Ganguillet und Kutter. Fünf Formeln in vier Jahren! Alle diese Formeln stützen sich auf Messungsresultate; aber bei ihrer großen Verschiedenartigkeit scheint es nicht möglich, daß sie alle den gleichen Anspruch auf allgemeine Anwendbarkeit machen können. Wir setzen diese Formeln her, und indem wir bezüglich ihrer Entstehung, Ableitung und Begründung auf die angeführten Werke verweisen, beschränken wir uns darauf, eine Anzahl verschiedener Messungsresultate zusammenzustellen und an denselben die Formeln zu prüfen. Wir geben die Formeln für das Metermaaß und bemerken, daß die eingeführten Buchstaben folgende Bedeutungen haben: R = a/p; a ist der Flächeninhalt des Wasserquerprofiles und p der benetzte Umfang desselben. J = h/l (inclinatio) das Gefälle der Wasseroberfläche auf die Längeneinheit bezogen. W ist die Wasserspiegelbreite. R1 = a/p+W. n (natura) Rauheitscoefficient. 1) Formel von Humphreys und Abbot. Textabbildung Bd. 192, S. 13 Textabbildung Bd. 192, S. 14 Abgekürzt von Grebenau: Textabbildung Bd. 192, S. 14 2) Formel von Bazin. Textabbildung Bd. 192, S. 14 Die Werthe α und β sind für vier Kategorien ausgemittelt und folgende: I. Wände von reinem Cement, sorgfältig gehobeltem Holz u. s. w. α = 0,00015; β = 0,0000045. II. Wände von ungehobelten Bretern, Quader- und Backstein-Mauerwerk, α = 0,00019; β = 0,0000133. III. Wände von Bruchstein-Mauerwerk, α = 0,00024; β = 0,0000600. IV. Wände in Erde, α = 0,00028; β = 0,0003500. 3) Formeln von Gauckler. a) Wenn das Gefälle 0,0007 übersteigt: Textabbildung Bd. 192, S. 14 b) Wenn das Gefälle kleiner ist als 0,0007: Textabbildung Bd. 192, S. 14 Die Werthe α und β sind für sechs Kategorien angegeben, wie folgt: I. Mauerwerk von behauenen Quadern und von Cement, α = 8,5 bis 10,0; β = 8,5 bis 9,0. II. Gutes gewöhnliches Mauerwerk, α = 7,6 bis 8,5; β = 8,0 bis 8,5. III. Die Seitenwände gemauert, die Sohle in Erde, α = 6,8 bis 7,6; β = 7,7 bis 8,0. IV. Canäle in Erde, ohne Pflanzen, α = 5,7 bis 6,7; β = 7,0 bis 7,7. V. Canäle in Erde mit Pflanzen, α = 5,0 bis 5,7; β = 6,6 bis 7,0. VI. Flüsse, α = 5,0 bis 5,7; β = 6,4 bis 7,0. Textabbildung Bd. 192, S. 14 Gewässer; R.; J.; Mittlere Geschwindigkeiten nach; Messung; H u. A.; B.; G.; H.; G u. K.;Differenzen.; H u. A.; B.; G.; H.; G u. K.; Mississippi bei Columbus, Doppelschwimmer, Mississippi-Commission.; Mississippi bei Carollton, Doppelschwimmer, Mississippi-Commission.; Newka.; Destrem.; Newa.;Destrem.; Rhein zu Speier. Woltmann'scher Flügel. Strauß.; Rigole de Grosbois, Série Nr. 49 (4.) Canal in Erde. Bazin.; seine à Paris. (9.) Schwimmer.; Poirée.; seine à Poissy etc. (5.) Woltmann'scher Flügel.; Emmery; Saône à Raconnay. (10.) Woltmann'scher Flügel.; Leveillé.; Canal du Jard. (1.) Schwimmer. Dubuat. Rivière de Haine. (4.) Schwimmer.; Dubuat.; Plessur bei Chur. (5.) Schwimmer.; La Nicca.; Eschercanal. (2.) Schwimmer.; Legler.; Rhein bei Germersheim, Woltmann'scher Flügel. Grebenau.; Simmencanal in Leuk, Ranton Bern, Schwimmer. (1.) Wampfler. Rhein zu Basel, Woltmann'scher Flügel; Grebenau.; Experimentircanal, Cement, Série Nr. 24. (12.) Bazin.; Experimentircanal, Cement, Série Nr. 2. (12.) Bazin.; Experimentircanal, Cement, Série Nr. 25. (12.) Bazin.; Experimentircanal, Backsteine, Série Nr. 3. (12.) Bazin.; Experimentircanal, Breter, Série Nr. 8. (12.) Bazin.; Experimentircanal, Breter, Série Nr. 26. (13.) Bazin.; Ablaufcanal vom Reservoir de Grosbois, Bruchsteine, Série Nr. 32. (4.) Bazin.; Ablaufcanal vom Reservoir de Grosbois, Bruchsteine, Série Nr. 33. (4.) Bazin.; Ablaufcanal vom Bief Nr. 52. Bruchsteine, Série Nr. 35. (5.) Bazin.; Rigole de Chazilly, behauene Quadersteine, Série Nr. 39. (4.) Bazin.; Canal de Marseille, Bruchsteine, Série Nr. 1. (4.) Baumgarten.; Grünnbachschale am Thunersee, Bruchsteine, Schwimmer. (6.) Kutter.; Contenbachschale am Thunersee, Bruchsteine, Schwimmer. (4.) Kutter.; Ulpbachschale zu Meiringen, Bruchsteine, Schwimmer. (4.) Kutter.; Summa: Durchschnitt 1/30. 4) Formel von Hagen. Textabbildung Bd. 192, S. 15 5) Formel von Ganguillet und Kutter. Textabbildung Bd. 192, S. 15 Textabbildung Bd. 192, S. 15 a = 23; 1 = 1,00; m = 0,00155, daher Textabbildung Bd. 192, S. 15 n mit dem Grade der Rauheit des benetzten Umfanges zwischen 0,008 und etwa 0,040 variirend. In diesen Formeln erscheint das Gefälle bald unter der zweiten, bald unter der vierten, und bald sogar unter der sechsten Wurzel eingeführt und ungefähr nach diesen drei Classen bestimmen sich auch die Differenzen zwischen den Resultaten der Formeln und der Messungen. Ist das Gefälle sehr klein, so geben die Formeln mit den höheren als zweiten Wurzeln des Gefälles die Geschwindigkeit zu groß, umgekehrt aber zu klein und nur in der Nähe des Uebergangspunktes (J = 0,0001) treffen sie zu. Wählt man Gewässer, deren Gefälle nicht sehr viel von 0,0001 abweichen, so sind diese Formeln brauchbar; will man sie aber bei Gewässern z. B. mit sehr starken Gefällen anwenden, so geben sie falsche Resultate. Wir wollen dieses sofort zeigen und die Resultate selbst sprechen lassen. Zusammenstellung einer Anzahl Messungsresultate mit den Resultaten der neuesten Formeln. H. und A. bedeutet Humphreys und Abbot. B. und A. bedeutet Bazin. G. und A. bedeutet Gauckler. H. und A. bedeutet Hagen. G. und H. bedeutet Ganguilles und Kutter. Metermaaß (Man sehe die beigegebene Tabelle.) Diese Zusammenstellung sehr verschiedenartiger Messungsresultate aus dem Werke von Humphreys und Abbot, aus den Recherches hydrauliques von Bazin, aus einer Abhandlung im ersten Jahrgang des „Culturingenieur“, aus einer anderen im Jahrgang 1868 Heft 1 der Allg. Bauzeitung von Förster und aus einer Abhandlung in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines, 1869 1. und 2. Heft zeigt deutlich, daß, wie schon bemerkt, die Formel von Humphreys und Abbot zu starke Geschwindigkeiten gibt, wenn die Gefälle sehr klein sind und zu schwache, wenn die Gefälle groß sind, und zwar nehmen die Fehler mit der Zunahme des Gefälles zu. Die Ursache liegt in dem Umstände, daß das Gefälle unter der vierten Wurzel in die Formel eingeführt ist, da keine Messungsresultate mit starken Gefällen bei der Aufstellung der Formel beigezogen wurden. Im gleichen Sinne, aber noch bedeutender, werden die Fehler nach der Formel von Hagen, in welcher das Gefälle unter der sechsten Wurzel eingeführt ist, und ebenfalls keine Gewässer mit starken Gefällen in Vergleichung gezogen wurden. Bei Gefällen von 10 Proc. gibt die Formel von Humphreys und Abbot nur 1/5 und diejenige von Hagen nur 1/8 der gemessenen Geschwindigkeit. Die Formeln von Bazin, Gauckler und besonders diejenige von Ganguillet und Kutter geben weit bessere Resultate und die Differenzen sind bald über, bald unter den Messungsresultaten, abgesehen davon, ob die Gefälle klein oder groß sind. Dieser Umstand läßt auf allgemeine Brauchbarkeit schließen. Es ist hier nicht der Ort, noch gestattet es der Raum, näher in die Kritik einzugehen. Wir können uns aber nicht enthalten, uns darüber zu verwundern, daß die deutschen Fachmänner so schnell neue Formeln adoptiren, wenn sie an einigen Messungen sich bewähren, welche unter sich ähnlichen Bedingungen entsprechen, oder wenn eine solche Formel aus Amerika kommt u. s. w., wie dafür der I. Jahrgang des „Culturingenieur,“ das polytechn. Journal, zweites Septemberheft 1868, und die Mittheilungen des hannover'schen Gewerbevereines 1868, Heft 6, wo die Formel von Hagen bis auf Weiteres zum praktischen Gebrauche empfohlen wird, Beispiele liefern, während man in Deutschland von den äußerst wichtigen und im höchsten Grade bedeutungsvollen Recherches hydrauliques von Bazin, Paris 1865, wenig oder gar nichts hört. So lange aber dieses Werk von den Hydrotekten nicht studiert wird, so lange wird man mit der Erkenntniß der richtigen Grundsätze der Bewegung des Wassers im Dunkeln bleiben. Die Formel von Ganguillet und Kutter scheint allgemein anwendbar zu seyn, obschon sie complicirt ist. Doch ergibt sich aus dem Inhalte des zweiten Theiles der Abhandlung im zweiten Heft der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines von 1869, daß, wenn für die vorkommenden Haupt-Rauheitsgrade des benetzten Umfanges die Werthe Textabbildung Bd. 192, S. 16 berechnet und in einer Tabelle zusammengestellt werden, was in der Abhandlung am Schlusse geschehen ist, für die schnelle Berechnung der Werthe C alle Schwierigkeit wegfällt. Interessant und einfach wird aber die Bestimmung der Werthe C (sowie auch der Werthe n, R und J) mittelst eines in der Abhandlung erklärten graphischen Verfahrens, wo auf einer construirten Figur mit Scala diese vier unbekannten Werthe der Formel sofort gefunden werden, wenn drei derselben bekannt sind. Sehr bemerkenswerth ist das Resultat der Vergleichung von 210 Messungsresultaten mit den bezüglichen Resultaten der fünf Formeln, wo die Formel von Ganguillet und Kutter bei weitem die beste Uebereinstimmung zeigt. Wird sich diese neue, allgemeine Formel, deren Ableitung durch das graphische Verfahren Aufmerksamkeit verdient, als praktisch und richtig bewähren, was nach der Zusammenstellung obiger 210 Messungsresultate zu erwarten ist, so scheint sie unbedingt auf allgemeine Anwendung Anspruch machen zu können.