Titel: Neuer Versuch zur Fabrication von Bessemer-Wolframstahl; von Capitän Leguen in Brest.
Fundstelle: Band 192, Jahrgang 1869, Nr. LV., S. 217
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LV. Neuer Versuch zur Fabrication von Bessemer-Wolframstahl; von Capitän Leguen in Brest. Aus den Comptes rendus, t. LXVIII p. 592; März 1869. Leguen, über Fabrication von Bessemer-Wolframstahl. In einer früheren Mittheilung berichtete ich über das von mir zur Fabrication von Bessemer-Wolframstahl angewendete Verfahren,Polytechn. Journal Bd. CLXXXIV S. 430. nach welchem das Metall in der Birne durch Zusatz eines mittelst des Wolframs verbesserten grauen Roheisens von ursprünglich mittelmäßiger Qualität, rückgekohlt wird. Dieser Stahl war nach seiner Verarbeitung zu Eisenbahnschienen, Waggonfedern etc. zur Pariser Welt-Ausstellung von 1867 eingesendet worden. Ich stellte mir nun die interessante Aufgabe, unter analogen Verhältnissen nicht ein beliebiges Roheisen, sondern das gewöhnlich zum Rückkohlen benutzte weiße blätterige Roheisen (Spiegeleisen) mit Wolframmetall zu legiren. Diesen Versuch führte ich auf der Hütte von Terre-Noire ab, wo hauptsächlich Eisenbahnschienen aus Bessemerstahl fabricirt werden. Das dazu verwendete graue Roheisen wird daselbst aus Erzen erblasen, welche zum größeren Theile von Mokta (bei Bona in Algerien) stammen. Aus dem Hohofen wird es direct in die Birne abgestochen. Das benutzte weiße Roheisen ist Spiegeleisen von Saint-Louis und wird vor seinem Zusätze zu dem gefrischten Eisen in einem Flammofen umgeschmolzen. Bezüglich der Wahl und der Mengenverhältnisse beider Roheisensorten, sowie hinsichtlich der Qualität des zu producirenden Stahles richtete ich mich nach der auf der gedachten Hütte üblichen Praxis. Zunächst übersetzte ich eine gewisse Menge weißes Roheisen mit Wolfram, wobei ich das von mir im Jahre 1866 angegebene VerfahrenPolytechn. Journal Bd. CLXXXIII S. 220. befolgte, indem ich die Verbindung beider Metalle im Kupolofen mit Hülfe von Wolframbriquettes bewirkte. Ich erhielt auf diesem Wege eine Legirung, welche 9,21 Proc. Wolframmetall enthielt, und schritt nun zum Bessemern selbst. Zu 3150 Kilogr. grauem Roheisen vom ersten Schmelzen wurde nach dem Entkohlen desselben in der Birne 1/10 dieser Gewichtsmenge von dem Wolframroheisen gesetzt. Der Proceß wurde in der gewöhnlichen Weise ausgeführt, nur mit der Abänderung, daß die Entkohlung über die üblichen Grenzen hinaus getrieben wurde, wie um einen weicheren Stahl zu erzeugen; dieß geschah, um zu ermitteln, ob der Wolframgehalt dem verminderten Kohlenstoffgehalte entsprechen werde. Den Ergebnissen der Analyse zufolge war der Kohlenstoffgehalt auf ungefähr die Hälfte desjenigen reducirt, welchen der auf dieser Hütte erzeugte Stahl für Schienen gewöhnlich hat. Der Metallabbrand betrug 10 Proc. vom Gewichte beider Roheisensorten. Der Gehalt des erzeugten Stahles an Wolframmetall beträgt nach den im Laboratorium der École des Mines gemachten Bestimmungen 0,558 Proc.; derselbe hätte 0,837 betragen müssen, wenn kein Verlust Statt gefunden hätte. Die Differenz dieser beiden Zahlen (welche das Mittel der zweiten Zahl beträgt) repräsentirt den im Flammofen und in der Birne verschlackten Antheil. Bei dem auf der Stahlhütte in Imphy abgeführten Versuche war der Verlust größer gewesen, ohne Zweifel, weil man dort den Apparat nach dem Zusätze des rückkohlenden Roheisens einen Augenblick wieder aufrichtete, was zu Terre-Noire nicht geschieht. Wegen dieses Umstandes ist es sogar wahrscheinlich, daß am letzteren Orte die Oxydation des Wolframs einzig und allein vom Flammofen herrührt.— Das Auswalzen der Zaine bot nichts Besonderes dar. Die Schienen erhielten das von der Ostbahn eingeführte Profil und wurden nach ihrer Vollendung nach Paris auf den Straßburger Bahnhof gesendet, dessen Verwaltung sie in ihren Werkstätten der Bruch- und Stoßprobe, sowieder Schmiede- und der Härteprobe unterwerfen ließ. Der mit der Leitung dieser Proben betraute Ingenieur theilte mir über die erhaltenen Resultate Folgendes mit: „Die auf dem Ostbahnhofe probirten Wolframstahlschienen müssen zu den weichsten und zähesten Schienensorten gerechnet werden.“ „Beim Ausschmieden und beim Stauchen verdarb dieser Stahl durchaus nicht und gab Drehstähle von bemerkenswerther Festigkeit.“ „Um das Verhalten dieses Stahles beim Härten kennen zu lernen, wurden aus demselben mehrere Stäbe von 25 Millim. Seite geschmiedet; jeder Stab wurde, nachdem ein Stück abgehauen war, bei Kirschrothgluth gehärtet. Das vor dem Härten ziemlich grobe, weiße, glänzende, etwas hakige Korn erschien nach dieser Operation sehr fein, grau und sammtartig. Dieses Resultat wird mit den sprödesten in Terre-Noire dargestellten Stahlsorten erhalten und diese sind dann für Schienen gewöhnlich zu brüchig; wogegen der Wolframstahl eine sehr große rückwirkende Festigkeit zeigte, obgleich er sich sehr gut härten läßt.“ Aus diesen Beobachtungen folgt, daß der Wolframstahl sehr weich und sehr fest seyn und sich dabei gut härten lassen kann. Dieses Verhalten würde sich mit Vortheil benutzen lassen, um z. B. an bestimmten Stellen gewisse Maschinentheile zu härten, ohne die Weichheit des Stahles an den anderen Theilen zu ändern. Um die vergleichsweise Dauerhaftigkeit dieser Wolframstahlschienen kennen zu lernen, beabsichtigt die Verwaltung der Ostbahn, dieselben an Punkten legen zu lassen, wo sie am meisten abgenutzt werden. Ein wesentlicher Uebelstand für ihre Verwendung ist der hohe Preis der Legirung, während der gewöhnliche Schienenstahl sehr billig ist. Indessen steht die durch das Wolframmetall bedingte Preiserhöhung in gar keiner Beziehung zu dem Handelswerthe dieses Metalles, welches, durch Reduction von Wolframsäure dargestellt, 1½ Francs per Gramm kostet. Zu diesem Preise gerechnet, würde die in 100 Kilogr. unserer Schienen enthaltene Quantität Wolframmetall 837 Frcs. werth seyn und der laufende Meter, welcher 35,85 Kilogr. wiegt, würde für 299,80 Frcs. davon enthalten. Diesen enormen Zahlen gegenüber ist jedoch die in Rede stehende Vertheuerung der Schienen fast gleich Null, weil das Verfahren zur Reduction des Wolframs ein ganz anderes ist. Bei meiner Stahlfabrication bleibt das durch die Einwirkung der Kohle auf das Erz (den Wolfram) reducirte Wolframmetall mit dem Eisen, dem Mangan, etwas Quarz, Gangart und einer Quantität reducirender Kohle gemengt. Die Kosten dieses Verfahrens sind viel geringer, als wenn das reine Metall in isolirtem Zustande angewendet wird; Die Verbindungsfähigkeit desselben mit dem Roheisen bleibt aber dieselbe. Die Ausgabe für die Anfertigung der Briquettes ist unbedeutend; hinsichtlich der Legirung läßt sich eine pecuniär vortheilhafte Vereinfachung des Verfahrens treffen; da man bereits auf mehreren Hütten zum Einschmelzen des zum Rückkohlen bestimmten Roheisens Kupolöfen anstatt der Flammöfen anwendet, so kann man die Legirung in diesen Kupolöfen darstellen, und dieselbe unmittelbar in die Birne abstechen. Man würde auf diese Weise eine Schmelzung und einen Wolframverlust im Flammofen umgehen und mit einem solchen Verfahren und den von mir früher angegebenen Vorsichtsmaßregeln würde der Abbrand an diesem Metalle nicht über ein Drittel der in den Kupolofen aufgegebenen Quantität steigen. Um aber bei dieser Veranschlagung alle Nebenkosten in Rechnung zu ziehen, wollen wir annehmen, daß dieselben durch den Werth einer den Wolframgehalt des Producirten Stahles um das Doppelte übersteigenden Wolframmenge repräsentirt werden. Auf dieser Grundlage finden wir, wenn wir das Kilogr. des verwendeten Wolframerzes (mit 67 Proc. Wolframmetall) zu 2 Fr. 30 Cent. rechnen, daß der Stahl unserer Schienen per 100 Kilogr um 3,80 Frcs. und per laufenden Meter um 1,44 Frcs. höher zu stehen kommt. Diese Differenz würde aber nicht größer seyn, als bei Anwendung guter Stahlsorten und durch die vom Wolfram bewirkte Qualitätsverbesserung reichlich aufgewogen werden.