Titel: Ueber die Versetzung der Eisenoxydsalze; von H. Debray.
Fundstelle: Band 192, Jahrgang 1869, Nr. CXXIX., S. 487
Download: XML
CXXIX. Ueber die Versetzung der Eisenoxydsalze; von H. Debray. Aus den Comptes rendus, t. LXVIII p. 913; April 1869. Debray, über die Zersetzung der Eisenoxydsalze. Erhitzt man eine bis beinahe zur Farblosigkeit verdünnte Lösung von neutralem Eisenchlorid, so beginnt dieselbe, sobald sie die Temperatur von 70° C. erreicht hat, sich stark zu färben und nimmt die für die basischen Eisenoxydsalze charakteristische Färbung an. Diese Umwandlung rührt nicht von dem Freiwerden einer gewissen Menge Chlorwasserstoffsäure her, weil sie in geschlossenen Gefäßen erfolgt und die Flüssigkeit nach dem Erkalten neben ihrer früheren sauren Reaction diese in der Wärme angenommene Farbe beibehält. Die chemischen Eigenschaften dieses Eisensalzes zeigen sich nun gänzlich verändert; während die Lösung ursprünglich mit Kaliumeisencyanür einen intensiv blauen Niederschlag von Berlinerblau lieferte, gibt die gefärbte Flüssigkeit mit diesem Reagens nur noch einen ziemlich blaßen, grünlichblauen Niederschlag, und während Chlornatriumlösung auf das gewöhnliche Eisenchlorid ohne Wirkung bleibt, erzeugt sie in dem modificirten Chlorid einen gallertartigen Niederschlag von Eisenoxydhydrat. Wird dieses Oxyd sofort mit Wasser ausgewaschen, so löst Es sich in demselben, sobald Es nur noch geringe Mengen von Salz enthält, verliert aber diese Löslichkeit, wenn man Es einen bis zwei Tage mit dem Fällungsmittel in Berührung läßt. Dialysirt man die durch die Wärme gefärbte Lösung, so gibt sie nahezu eisenfreie Chlorwasserstoffsäure, welche durch das Filter geht, während lösliches Eisenoxyd im Dialysator zurückbleibt. Demnach spaltet sich das Eisenchlorid bei einer Temperatur von etwa 70° C. in Chlorwasserstoffsäure und in Eisenoxyd, welches in Wasser und in verdünnter Salzsäure löslich, in den meisten Salzlösungen aber unlöslich ist. Dieß sind genau die Eigenschaften des von Graham bei der Dialyse basischer Eisenlösungen erhaltenen colloidalen Eisenoxydes. Ich nehme nicht an, daß das Eisenchlorid sich in Chlorwasserstoffsäure und in basisches Chlorid spaltet, weil mir die Existenz dieser löslichen basischen Salze (wenigstens als bestimmte Verbindungen) nicht wohl mit der Thatsache vereinbar scheint, daß dieselben durch das Filter des Dialysators zersetzt werden, sowie durch das Kochsalz, welches daraus reines Eisenoxyd niederschlägt.Diese Reaction der Alkalichloride auf die basischen Chloride wurde zuerst von Béchamp angegeben (Annales de Chimie et de Physique, 3. série, t. LVII). Meiner Ansicht nach ist Es natürlicher, diese Körper als Lösungen von colloidalem Eisenoxyd in Chlorwasserstoffsäure oder wenigstens in gewöhnlichem Eisenchlorid zu betrachten. Erhitzt man eine verdünnte Eisenchloridlösung im Wasserbade auf 100° C., indem man das verdunstende Wasser durch neues ersetzt, so verwandelt sich das lösliche Eisenoxyd nach und nach in die von Péan de Saint-Gilles entdeckte isomere Modification desselben. Indem dieser Chemiker auf eine Lösung von essigsaurem Eisenoxyd längere Zeit hindurch Wärme einwirken ließ, erhielt er bekanntlich ein eigenthümliches Oxyd, welches in verdünnten Mineralsäuren, wie in den meisten Salzlösungen unlöslich ist und mit Wasser eine bei durchgehendem Lichte klare, bei auffallendem aber trübe Flüssigkeit gibt. Einige Jahre später zeigte Scheurer-Kestner, daß sich dieses Oxyd auch durch Zersetzung von salpetersaurem Eisenoxyd erhalten läßt. Aus meinen Versuchen ergibt sich, daß die Entstehung der von Péan entdeckten Modification des Eisenoxydes unter diesen verschiedenen Verhältnissen von einer und derselben Ursache herrührt. Die erste Wirkung der Wärme auf die Eisensalze mit einbasischer Säure besteht darin, daß sie dieselben in Säure und in Oxyd spaltet, welche nur dann getrennt bleiben, wenn die Säure verdünnt ist; darauf wird das lösliche Oxyd in das von Péan de Saint-Gilles so genannte „Metasesquioxyd“ umgewandelt, welches von Graham's colloidalem Eisenoxyd durch seinen Hydratzustand und mehrere seiner Eigenschaften verschieden ist. Lösungen zweibasischer Salze, wie die des Schwefelsäuresalzes, geben, der Einwirkung der Wärme unterzogen, nur basische Salze. Bewerkstelligt man, wie de Senarmont Es gethan hat, die Zersetzung des Chlorids in verdünnter Lösung durch eine Temperatur von 250 bis 300°, bei welcher das colloidale Oxyd und das Metasesquioxyd nicht mehr bestehen können, indem nothwendiger Weise die Trennung der Säure und des Oxydes stattfindet, weil dazu schon eine Wärme von 70° genügt, so ist das mehr oder weniger langsam entstehende Oxyd wasserfreies krystallisirtes Oxyd, also Eisenglanz. Zur Erklärung des Vorganges bei Senarmont's Versuch ist Es demnach nicht nöthig, den Einfluß des Druckes zu Hülfe zu nehmen, welcher in dem zu dem Experiment angewendeten verschlossenen Glasrohre durch den Dampf des stark erhitzten Wassers oder durch die entwickelte Chlorwasserstoffsäure ausgeübt wurde. Die im Vorstehenden besprochenen Thatsachen, welche offenbar zu der an Beispielen so sehr zahlreichen Kategorie der Dissociations- (Zerfallungs-) Erscheinungen gehören, gestatten einige von den Eigenthümlichkeiten zu erklären, welche die Eisenoxydsalze zeigen. Ich will nur zwei Beispiele anführen. Das Eisen läßt sich vom Mangan nach einer bekannten Methode trennen, indem man zunächst die Metalle in Chlorüre verwandelt, dann das Eisen auf die höchste Oxydationsstufe bringt und nach unvollständiger Sättigung der überschüssigen Säure mit kohlensaurem Natron die siedend heiße Flüssigkeit mit essigsaurem Natron im Ueberschusse versetzt; hierdurch wird nur das Eisen aus der sauren Lösung gefällt. Die Theorie dieser Reaction scheint mir sehr einfach zu seyn. Das essigsaure Eisenoxyd, welches in dem Gemisch der Chloride und des essigsauren Natrons entstand, spaltet sich beim Kochen in Essigsäure und in colloidales Oxyd, welches in einer viel Chlornatrium und essigsaures Natron enthaltenden Flüssigkeit unlöslich ist. Wäscht man dieses Oxyd mit kaltem destillirtem Wasser rasch aus, so geht ein großer Theil desselben wieder in Lösung. Dieser Uebelstand läßt sich leicht vermeiden, wenn man anstatt reinen Wassers zum Auswaschen eine verdünnte Lösung von Chlorammonium nimmt; auch kann man ausschließlich flüchtige Reagentien in die die Chloride enthaltende Flüssigkeit bringen, wie essigsaures Ammoniak, welches dieselbe Wirkung hervorbringt wie das essigsaure Natron, weil das colloidale Eisenoxyd in dem Ammoniaksalze, selbst in Gegenwart einer großen Menge Essigsäure, unlöslich ist. Die Trennung des Eisenoxydes vom Manganoxydul nach dieser Methode ist so vollständig als möglich; behufs einer genauen Wägung des Eisenoxydes ist Es jedoch vorzuziehen, das essigsaure Ammoniak einer gleichfalls heißen Lösung von salpetersaurem Eisenoxyd und Manganoxydul hinzuzufügen und das gefällte Eisenoxyd mit einer heißen verdünnten Lösung von salpetersaurem Ammoniak auszuwaschen. Man vermeidet auf diese Weise den durch die Einwirkung des Ammoniaksalzes auf das Eisenoxyd beim Glühen desselben veranlaßten Eisenverlust. Man bereitet gegenwärtig (nach Béchamp's Methode) das Anilin mit Nitrobenzol, Eisen und einer Quantität Essigsäure, welche weit geringer ist, als sie der Menge des gebildeten Eisenoxydes entspricht; in der That wird nämlich das essigsaure Eisenoxyd, da Es bei der verhältnißmäßig hohen Temperatur der Reaction nur geringe Stabilität besitzt, in unlösliches Eisenoxyd und in Säure zersetzt, welche letztere wieder auf das Metall wirken kann; Es muß sich allerdings eine gewisse Menge essigsaures Anilin bilden, wenn aber dieses Salz bei der Temperatur des Versuches auch nur in geringem Grade zum Zerfallen disponirt ist, so muß nothwendig eine kleine Säuremenge zur Beendigung der Reaction genügen.