Titel: Ueber künstliche Kälteerzeugung durch Compression und Expansion der Luft; von Berginspector H. Bruhn in Staßfurt.
Autor: H. Bruhn
Fundstelle: Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XII., S. 20
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XII. Ueber künstliche Kälteerzeugung durch Compression und Expansion der Luft; von Berginspector H. Bruhn in Staßfurt. Bruhn, über Kälteerzeugung durch Compression und Expansion der Luft. Wiederholt sind Maschinen zur künstlichen Kälteerzeugung durch Verdichtung und darauf folgende Ausdehnung der atmosphärischen Luft in Vorschlag gebracht worden. Im Jahre 1853 schlug Smyth vor, die Abkühlung der Luft durch Expansion in tropischen Ländern zur Anwendung zu bringen (polytechn. Journal Bd. CXXX S. 412). Später construirte A. C. Kirk eine auf das nämliche Princip begründete Eismaschine (Practical Mechanic's Journal, August 1863, S. 113; polytechn. Journal Bd. CLXX S. 241). In neuester Zeit endlich hat F. Windhausen in Braunschweig eine hieher gehörige Eismaschine erfunden, von der man sich die glänzendsten Erfolge zu versprechen scheint. Dieselbe ist im polytechn. Journal Bd. CXCV S. 115, zweites Januarheft 1870, beschrieben und es hat sich in Braunschweig eine Actiengesellschaft zur Verwerthung der Sache durch Patentverkäufe u.s.w. gebildet. Die Kirk'sche Eismaschine scheint nirgends Eingang gefunden zu haben und bald nach ihrem Erscheinen wieder verschwunden zu seyn. Das Princip indeß wurde in damaliger Zeit hie und da als ein höchst beachtenswerthes angesehen (man vergl. u.a. Wagner's technischen Jahresbericht für 1863 S. 568) und da das Auftreten der Windhausen'schen Maschine den Beweis liefert, daß diese Auffassung auch jetzt noch angetroffen wird, so möchte es nicht überflüssig seyn, die Maximal-Leistung einer darauf begründeten Eismaschine in's Auge zu fassen. Das Princip dieser Maschine ist bekanntlich folgendes: Wenn man ein Gas comprimirt, so wird Wärme frei, es tritt eine bedeutende Erwärmung ein. Kühlt man das verdichtete Gas ab und läßt es dann sich ausdehnen, so tritt eine genau der vorerwähnten Temperaturerhöhung entsprechende Temperaturerniedrigung ein, es wird Wärme gebunden. Um sich zu vergegenwärtigen, welcher Effect auf solche Weise erzielt werden könne, hat man Folgendes festzuhalten: Die Erwärmung der Luft welche bei der Verdichtung derselben stattfindet, ist das Product der bei der Compression geleisteten mechanischen Arbeit, es wird das thermische Aequivalent dieser Arbeit frei. Indem nun bei der darauf folgenden Expansion dieselbe Wärmemenge gebunden wird, entsteht die der vorhergegangenen Erwärmung genau entsprechende Abkühlung. Es stehen sich hier ein positiver und ein negativer Wärme-Effect als völlig gleiche Größen gegenüber. Um also die Frage: wie viel Kälte kann durch eine gegebene mechanische Arbeitsgröße im Maximum erzeugt werden? zu beantworten, braucht man nur festzustellen wie viel Wärme durch dieselbe erzeugt werden kann, denn da dieser positive Wärmeeffect jenem negativen gleich zu setzen ist, so ist darin vollkommener und untrüglicher Aufschluß enthalten. Das mechanische Wärme-Aequivalent wird bekanntlich verschieden angegeben. Um dem vorliegenden Princip in keiner Weise zu nahe zu treten, wollen wir annehmen das Aequivalent einer Calorie sey = 225 Kilogramm-Meter. Es kann darnach durch 225/75 = 3 Pferdekräfte Arbeitsleistung eine Calorie pro Secunde erzeugt werden, oder es genügt 1 Pferdekraft, um in 10 Arbeitsstunden circa 12000 Calorien zu erzeugen. Demselben Wärme-Quantum entspricht dem Obigen nach die in der Expansion stattfindende Abkühlung, so daß dieser Berechnung nach durch eine Pferdekraft in 10stündiger Arbeit einem Körper welcher in Eis verwandelt oder sonst abgekühlt werden soll, 12000 Calorien entzogen werden können. Man pflegt nun eine Entnahme von rund 100 Calorien auf jedes zu producirende Pfund Eis in Rechnung zu nehmen. Geschieht dieß in dem hier vorliegenden Falle, so ist die Eisproduction pro Pferdekraft und Tag von 10 Arbeitsstunden auf 120 Pfd. anzunehmen. Dieses Facit der Rechnung ist nun aber nicht der in der Praxis zu erreichende, sondern es ist der absolute Effect, d.h. es ist angenommen daß die gesammte mechanische Arbeit mit ihrem Wärme-Aequivalent zur Geltung komme. Berücksichtigt man, daß bei allen Luftcompressionspumpen welche mit hohen Spannungen arbeiten, ein Wirkungsgrad von 0,6 schließlich anzunehmen ist, und daß wohl niemals die gesammte producirte Wärme von dem Kühlwasser aufgenommen wird, so läßt sich die thatsächlich zu erreichende Production pro Pferdekraft in 10 Stunden nicht höher als auf 60–70 Pfd. Eis veranschlagen. Das Verfahren, durch Compression und Expansion der Luft Kälte zu erzeugen, hat etwas überaus Bestechendes. Man kann eine Kälte von enorm großer Intensität erzeugen, die Wärmemenge aber, welche solchergestalt durch mechanische Arbeit producirt und dem entsprechend entzogen werden kann, scheint dem Obigen nach in einem höchst ungünstigen Verhältniß zu dem Kraftverbrauch, bezw. dem Kostenaufwande zu stehen.