Titel: Ueber die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Bieres; ein Beitrag zur Bierbrauerei von Dr. G. Feichtinger.
Fundstelle: Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XCIII., S. 364
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XCIII. Ueber die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Bieres; ein Beitrag zur Bierbrauerei von Dr. G. Feichtinger. Feichtinger, über die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Bieres. Während man bis vor kurzer Zeit bei der Untersuchung der Biere sich nur auf die Bestimmung des Gehaltes an Wasser, Extract, Weingeist und Kohlensäure beschränkte, hat man in neuester Zeit auch angefangen auf die näheren Bestandtheile der Biere, so namentlich auf den Gehalt an eiweißartigen Körpern Rücksicht zu nehmen; Letzteres geschah wohl auch in der Absicht, um ein richtiges Urtheil über die Ernährungsfähigkeit des Bieres zu gewinnen, welche bis auf die neueste Zeit als ganz unbedeutend angenommen wurde, indem man sich hierbei auf die Untersuchung von v. Gorup-Besanez stützte, welcher im weingeistigen Auszuge des Extractes eines Münchner Bieres von 100 Liter nur 1,65 Grm. Stickstoff fand, wodurch sich der Gehalt an eiweißartigen Bestandtheilen pro bayer. Maaß (1069 Kubikcentimeter) zu 0,117 Grm. berechnete. In neuerer Zeit wurde aber von Vogel, Lermer, Weißenhorn, Feichtinger etc. im Gesammt-Extracte verschiedener Münchner Biere die Menge des Stickstoffes bestimmt, und derselbe zwischen 0,436 Grm. und 1,348 Grm. pro 1 Liter schwankend gefunden; hieraus ergibt sich daß, wenn man die Gesammtmenge des Stickstoffes als eiweißartigen Körpern angehörend annimmt, der Gehalt an eiweißartigen Stoffen pro Liter Bier zwischen 2,81 Grm. bis 8,7 Grm. beträgt. Die neueren Untersuchungen haben daher übereinstimmend festgestellt, daß der Gehalt an Stickstoff und demnach auch an stickstoffhaltigen Stoffen im Münchner Biere ein viel größerer ist, als wie er von v. Gorup-Besanez gefunden wurde; der Grund liegt einfach darin, daß v. Gorup-Besanez nur den weingeistigen Auszug des Bierextractes auf Stickstoff untersucht hat; die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Bierextractes lösen sich aber nur zum Theil in Weingeist auf. In allen vorliegenden Untersuchungen von Bieren wurde der Stickstoff auf Eiweißkörper umgerechnet, indem man von der Annahme ausging, daß sämmtlicher Stickstoff im Biere nur von eiweißartigen Stoffen aus dem Malze herrühre; gegen diese Ansicht wird aber von Einigen geltend gemacht, daß es ja gerade bei dem Brauprocesse eine Hauptaufgabe sey, die eiweißartigen Körper so vollständig als möglich auszufällen, indem hiervon die Haltbarkeit des Bieres bedingt sey, und daß daher der Stickstoff im Biere zum Theil auch von Bestandtheilen der Hefe oder von Ammoniaksalzen herrühre. Um daher über den Punkt, woher der Stickstoff im Biere kommt, mehr Klarheit zu erhalten, habe ich wiederholt Untersuchungen angestellt, und erlaube mir, die Resultate hiervon als einen kleinen Beitrag zur Bierbrauerei der Oeffentlichkeit zu übergeben. Vor Allem suchte ich folgende Fragen zu beantworten: wie viel stickstoffhaltige Körper gehen beim Maischen in die Bierwürze über, wie viel werden hiervon beim Kochen der Würze mit Hopfen und in den verschiedenen Stadien der Gährung ausgeschieden, und wie viel bleiben in dem Viere zurück? Zu diesem Zwecke wurde von zwei Bieren (Winter- und SommerbierDas Material hierzu erhielt ich von Hrn. Brauereibesitzer G. Sedlmaier (in München), welchem ich hier meinen Dank ausspreche.) sowohl in der ungehopften als gehopsten Würze, dann zu verschiedenen Zeiten der Gährung der Gehalt an Stickstoff bestimmt, indem hiervon immer eine bestimmte Menge zur Trockne verdampft, das erhaltene Extract noch vollständig bei 110° C. im Luftbade getrocknet und gewogen wurde. In einer abgewogenen Menge des bei 110° C. getrockneten Extractes wurde dann nach der Methode von Will und Varrentrapp mittelst reinem Natronkalk der Stickstoff in der Art bestimmt, daß das erhaltene Ammoniak in Salzsäure geleitet, die salzsaure Lösung mit Platinchlorid versetzt, zur Trockne verdampft, und aus dem durch Auswaschen mit einem Gemisch von Aether und Alkohol erhaltenen trockenen Platinsalmiak die Menge des Stickstoffes berechnet wurde. Bei jeder Probe wurden zwei Stickstoffbestimmungen ausgeführt, und daraus das Mittel genommen; auch wurde in allen Fällen, wo die Würze nicht vollkommen klar war, dieselbe vor dem Abdampfen filtrirt. In Tabelle I finden sich die Resultate zusammengestellt; die Zahlen geben die procentische Menge des Stickstoffes des bei 110° C. getrockneten Extractes vom Winter- und Sommerbiere in den verschiedenen Stadien des Brauprocesses an. Tabelle I. Procentischer Stickstoffgehalt des trockenenExtractes. Winterbier. Sommerbier.    I. Ungehopfte Würze     0,586 Proc.     0,534 Proc.   II. Gehopste Würze, bevor sie auf das       Kühlschiff abgelassen wurde 0,542   „ 0,498   „  III. Gekühlte Würze 0,530   „ 0,473   „  IV. Nach zweitägiger Gährung 0,558   „ 0,480   „   V. Nach fünftägiger Gährung 0,597   „ 0,542   „  VI. Nach neuntägiger Gährung     53   „ 0,665   „ VII. Nachdem das Bier noch 1/4 Jahr       auf Flaschen abgezogen lag 0,695   „ 0,713   „ (Beide Biere hatten während dieser Zeit in den Flaschen noch ziemlich viel Hefe abgesetzt.) Aus den Zahlen in Tabelle I ergibt sich, daß der Gehalt an Stickstoff, und demnach auch der Gehalt an stickstoffhaltigen Körpern, wie vorauszusehen war, in der Würze durch das Kochen mit Hopfen und auf dem Kühlschiffe abnimmt, daß aber mit der fortschreitenden Gährung der procentische Gehalt an stickstoffhaltigen Bestandtheilen im trockenen Bierextracte zunimmt, so daß daher das Extract der gegohrenen Würze reicher an stickstoffhaltigen Körpern ist, als das Extract der ungegohrenen Würze. Letzteres scheint mit den bisherigen Erfahrungen, daß nämlich auch bei der Gährung stickstoffhaltige Körper abgeschieden werden, im Widerspruche zu stehen. Dieser Widerspruch ist jedoch nur scheinbar und läßt sich leicht erklären. Bei der Gährung der Bierwürze wird ein großer Theil des Zuckers vorzugsweise in Weingeist und Kohlensäure umgewandelt, welche Gährungsproducte aber bekanntlich beim Eindampfen des Bieres nicht im Extracte zurückbleiben; die Menge des Zuckers, welcher bei der Gährung eine Umwandlung erleidet, ist aber verhältnißmäßig eine größere als die Menge von stickstoffhaltigen Körpern, welche zur Neubildung der Hefe verwendet und abgeschieden wird; deßhalb häufen sich die stickstoffhaltigen Stoffe mit der fortschreitenden Gährung im Bierextracte an, wodurch das Mengenverhältniß der stickstoffhaltigen und stickstofffreien Bestandtheile im Extracte der gegohrenen Würze ein anderes wird als in der ungegohrenen Würze. Das Resultat wird aber ein ganz anderes, wenn wir die bei der Gährung erzeugte Menge Alkohol auf Zucker zurückrechnen, diese Zuckermenge dem wirklich gefundenen Extractgehalte hinzuaddiren und dann für diese Summe den procentischen Gehalt an Stickstoff berechnen. Ich habe daher auch in den verschiedenen Gährungsstadien in den Bieren die Menge des erzeugten Alkohols in der Art bestimmt, daß ich von einer bestimmten Menge der Niere den Alkohol abdestillirte, die Menge und das specifische Gewicht des Destillates ermittelte, und daraus die Menge des absoluten Alkohols berechnete. Die Zahlen in Tabelle II geben die procentische Menge Stickstoff an, berechnet für das bei 110°C. getrocknete Extract und den auf Zucker zurückgerechneten Alkohol zusammen. Zugleich ist in dieser Tabelle angegeben, welche Menge absoluten Alkohols bei den Vieren in den verschiedenen Gährungsstadien, auf 100 Extract berechnet, sich gebildet hatte. Tabelle II. Winterbier. Sommerbier.   I. Ungehopfte Würze 0,586 Proc. 0,534 Proc.  II. Gehopfte Würze, bevor     sie auf das Kühlschiff     abgelassen wurde 0,542   „ 0,498   „ III. Gekühlte Würze 0,530   „ 0,473   „ IV. Nach zweitägiger     Gährung 0,519   „     Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol3,8 Gwth. 0,456   „     Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol2,7 Gwth.  V. Nach fünftägiger     Gährung 0,437   „ Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol18,6 Gwth. 0,407   „ Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol15,9 Gwth. VI. Nach neuntägiger     Gährung 0,396   „ Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol33,2 Gwth. 0,327   „ Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol52,7 Gwth. VII. Nachdem das Bier      noch 1/4 Jahr auf      Flaschen abgezogen lag 0,387   „ Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol40,1 Gwth. 0,320   „ Extract 100 Gwth.,absoluter Alkohol60,6 Gwth. Die Zahlen in Tabelle II lassen ganz bestimmt entnehmen, daß bei der Gährung der Bierwürze stickstoffhaltige Körper abgeschieden werden und daß daher die in Tabelle I aufgeführten Zahlen über den procentischen Stickstoffgehalt des trockenen Bier-Extractes in den verschiedenen Stadien des Brauprocesses durchaus nicht mit der Erfahrung im Widerspruche stehen. Das Extract der gegohrenen Würze wird immer einen procentisch höheren Stickstoffgehalt zeigen, als das Extract der ungegohrenen Bierwürze, weil die Menge der bei der Gährung abgeschiedenen stickstoffhaltigen Bestandtheile in keinem Verhältniß steht zur Menge des während der Gährung umgesetzten Zuckers, welcher die Hälfte und auch darüber vom Extracte der Würze beträgt. Es wird daher immer von zwei Vieren, bei welchen im Würzeextract der procentische Stickstoffgehalt ganz gleich ist, dasjenige im Extracte einen höheren procentischen Stickstoffgehalt nachweisen lassen, welches mehr vergohren ist. Nehmen wir nun an, daß aller Stickstoff im Biere von eiweißartigen Körpern aus dem Malze herrührt, was, wie ich noch weiter unten beweisen werde, nur bei einem kleinen Theil nicht der Fall ist, so finden wir, daß während des Brauprocesses beim Kochen mit Hopfen, auf der Kühle und während der Gährung ungefähr der dritte Theil der beim Maischen aus dem Malze in Lösung übergegangenen eiweißartigen Stoffe wieder ausgeschieden wird, und daß hiervon noch etwa 2/3 im Biere zurückbleiben. Ein ähnliches Resultat erhielten auch Graham, Hofmann und Redwood, welche in einer stark gehopsten Würze von Hellem Malz und 11 Procent Extractgehalt vor der Gährung 0,217 Stickstoff = 3,43 Procent Eiweiß, und nach der Gährung 0,134 Proc. Stickstoff = 2,11 Proc. Eiweiß fanden. (Chemie des Bieres von Mulder.) Hieraus läßt sich auch annähernd berechnen, wie viel eiweißartige Stoffe überhaupt aus dem Malze in die Maische übergeführt werden, und wie viel hiervon noch im Viere verbleiben. Stein fand im wasserfreien Darrmalz im Mittel 1,69 Proc. Stickstoff = 11,75 Proc. eiweißartige Stoffe; nach Oudemans enthält das Darrmalz 10,2 bis 10,5 Proc. eiweißartige Bestandtheile; wir können daher annehmen, daß wasserfreies Darrmalz durchschnittlich 11 Proc. eiweißartige Stoffe enthält. Beim Maischen geben nach Balling 100 Pfd. Darrmalz 60 Pfd. wasserfreies Extract, welche, wenn wir den von mir gefundenen Gehalt an eiweißartigen Stoffen im Extracte der Würze zu Grunde legen, bei Winterbierwürze 2,3 Pfd. und bei Sommerbierwürze 1,9 Pfd. Eiweißstoffe enthalten. Mulder gibt an, daß 100 Pfd. Darrmalz im Durchschnitt 2 Pfd. lösliche Eiweißstoffe enthalten. Es bleibt demnach etwa 4/5 der Eiweißstoffe des Malzes in den Trebern zurück und ungefähr 1/5 derselben geht beim Maischen in die Würze über; von diesem 1/5 wird aber im Verlaufe des Brauprocesses wieder ungefähr der dritte Theil ausgeschieden, so daß also das Bier etwa nur den achten der im Malze enthaltenen Eiweißstoffe gelöst enthält. Daß der Stickstoff in der ungehopften Bierwürze nur von gelösten Eiweißstoffen herrühren kann, läßt sich nicht bestreiten; im Folgenden werde ich zu beweisen suchen, daß auch in der gehopsten und gegohrenen Würze der größte Theil des Stickstoffes von gelösten Eiweißkörpern aus dem Malze und nur ein ganz kleiner Theil von Hefenbestandtheilen und vom Hopfen herrührt. Mit Mulder und Heintz übereinstimmend habe ich schon früher nachgewiesen, daß das Bier keine Spur von Ammoniak enthält; dieses fand ich auch bestätigt, als ich das Extract der gegohrenen Würze von beiden Vieren auf Ammoniak untersuchte. Daß das Bier während der Gährung aus der Hefe stickstoffhaltige, in der Hitze gerinnbare Stoffe aufnimmt, kann nach den neuesten interessanten Untersuchungen über die Hefe und die Gährung von Frhrn. v. Liebig und Lermer nicht mehr bestritten werden; es ist auch eine bekannte Erscheinung daß, wenn man Vier einige Zeit kocht, dasselbe sich trübt und Flocken, wie geronnenes Eiweiß aussehend, ausscheidet. Diese Ausscheidung rührt offenbar nur von den aus der Hefe aufgenommenen stickstoffhaltigen Stoffen her, welche die Eigenschaft zu gerinnen besitzen, denn die aus dem Malze gelösten Eiweißstoffe haben die Gerinnbarkeit verloren, sonst würden sie sich gewiß beim Kochen der Würze abgeschieden haben. Die Menge der aus der Hefe aufgenommenen stickstoffhaltigen Körper beträgt aber nur wenig, denn als ich gekochtes Bier filtrirte um das Geronnene zu entfernen, und dann im getrockneten Extracte die Menge des Stickstoffes bestimmte, fand ich keinen erheblichen Unterschied in dem Stickstoffgehalte zwischen diesem und dem Extracte woraus die gerinnbaren Stoffe durch Kochen nicht entfernt waren. Auch der Hopfen liefert nur einen sehr kleinen Beitrag von stickstoffhaltigen Körpern zum Biere, wie sich aus Folgendem ergibt: Daß der Hopfen stickstoffhaltige Bestandtheile, wahrscheinlich Proteinstoffe, enthält, ist schon längst bekannt. C. Gilbert Wheeler fand den Gesammtgehalt an Stickstoff im getrockneten Hopfen von 1,73 bis 1,85 Proc. wechselnd. In zwei Hopfensorten, bei 100°C. getrocknet, fand ich im einen 1,46 Proc., im anderen 1,94 Proc. Stickstoff; wir können daher im Durchschnitt den Gehalt an Stickstoff im bei 100° C. getrockneten Hopfen zu 1,75 Proc. annehmen. Bemerkenswerth ist, daß das Hopfenmehl, sogen. Lupulin, ärmer an stickstoffhaltigen Bestandtheilen ist als die Hopfenblätter; im Mittel aus zwei Bestimmungen fand ich im bei 100° C. getrockneten Lupulin nur 0,47 Proc. Stickstoff. Die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Hopfens sind beim Kochen desselben im Wasser nur zum geringsten Theile löslich; 30 Grm. Hopfen (bei 100° C. getrocknet), mit Wasser einige Stunden gekocht und das Filtrat eingedampft, gaben 5,953 Grm. Extract, bei 100° C. getrocknet; demnach lösten sich 19,5 Proc. vom Hopfen; 30 Grm. Hopfen enthalten nach oben angenommenem Durchschnittsgehalte 0,525 Grm. Stickstoff; in 5,953 Grm. Extract des Hopfens wurde 0,083 Grm. Stickstoff gefunden; demnach hatte sich nur 1/6 der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Hopfens im Wasser gelöst. Ein Hopfenextract aus einer Fabrik in Mainz, welches ich untersuchte, zeigte einen Stickstoffgehalt von 1,06 Proc.; das von mir bereitete enthielt 1,38 Proc. Stickstoff. Hieraus läßt sich wohl auch der Schluß ziehen, daß von der Bierwürze beim Kochen derselben mit Hopfen keine größere Menge stickstoffhaltiger Körper aus dem Hopfen ausgezogen wird, als es vom Wasser geschieht, und daß demnach die Menge der stickstoffhaltigen Stoffe welche vom Hopfen an das Bier übergeht, ebenfalls eine sehr geringe ist, da bekanntlich der Zusatz von Hopfen zum Bier nur einige Pfunde auf den Scheffel Malz (200 Pfd.) beträgt. Ich glaube in den aufgeführten Versuchen auf das Bestimmteste nachgewiesen zu haben, daß der Stickstoff der Biere bis auf ein Minimum nur von eiweißartigen Körpern aus dem Malze herrührt, und daß wir daher vollkommen berechtigt sind, bei Untersuchung von Nieren den Gesammtgehalt an Stickstoff auf eiweißartige Stoffe zu berechnen.