Titel: Ueber das Vorkommen dextrinhaltiger Rohzucker und über die Nachweisung eines Dextringehaltes in denselben; von Dr. C. Scheibler.
Fundstelle: Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CXXXI., S. 510
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CXXXI. Ueber das Vorkommen dextrinhaltiger Rohzucker und über die Nachweisung eines Dextringehaltes in denselben; von Dr. C. Scheibler. Scheibler, über das Vorkommen dextrinhaltiger Rohzucker und die Nachweisung ihres Dextringehaltes. Die Beobachtung eines im Handel vorgekommenen Zuckers, welcher bei der vollständigen und öfter wiederholten sorgfältigen Analyse, d.h. bei der Bestimmung des Wassers, der Salze und des Zuckers, Zahlen lieferte, deren Summe etwas mehr als 100 betrug, wornach auffallender Weise dieser Zucker völlig frei von organischem Nichtzucker seyn mußte, was an sich unwahrscheinlich und bis dahin weder mir vorgekommen, noch sonst durch Andere beobachtet zu seyn scheint, mußte mich natürlich veranlassen, den Umständen nachzuforschen, welche ein solches Ergebniß herbeizuführen vermochten. Die nahe liegende Annahme, daß das benutzte Polarisations-Instrument vielleicht dejustirt seyn könne, erwies sich bei näherer Untersuchung als nicht zutreffend und es blieb sonach nichts weiter übrig, als den Grund der vorbemerkten Erscheinung in den Bestandtheilen des Zuckers selbst zu suchen. Der in Rede stehende Zucker reducirte, wenn auch in geringem Grade, die Fehling'sche Kupferlösung, wodurch die über 100 Procente hinausgehende Analyse noch räthselhafter wurde, da ein Gehalt von Invertzucker die Polarisation hätte erniedrigen statt erhöhen müssen, ein Umstand der anzunehmen zwang, daß ein Körper von höherem optischen Rotationsvermögen nach Rechts vorhanden seyn müsse. Das Vorhandenseyn des von mir entdeckten Pectinzuckers, als einer Zuckerart von hohem Drehungsvermögen, an welche man hierbei hätte denken können, konnte nicht wohl angenommen werden, da derselbe in hervorragender Weise Kupferlösung reducirt, während der vorliegende Zucker nur geringe Mengen Kupferoxydul ausschied; es mußte die Gegenwart eines anderen stark rechtsdrehenden Körpers vorausgesetzt werden. Eine nähere Inbetrachtziehung der bekannten stark rechtsdrehenden Körper führte mich nun auf die Vermuthung, daß der die hohe Polarisation bedingende fragliche Bestandtheil des vorliegenden Zuckers wohl Dextrin seyn könne und schon die ersten Versuche mit diesem Körper machten diese meine Annahme fast zur Gewißheit. Versuche die ich sogleich mit verschiedenen Dextrinsorten des Handels anstellte, zeigten mir, daß eine Beimischung von 1/2 Procent dieses Körpers zu einem beliebigen Rohzucker die Polarisation desselben um 1,1 bis 1,2 Procente zu erhöhen vermöge, und daß ein solcher Zusatz durch die gewöhnlichen der Polarisation vorangehenden Klärungsmittel, namentlich durch basisch-essigsaures Bleioxyd, nicht beseitigt werde, welche beide Thatsachen sich übrigens theoretisch voraussehen ließen. Um meine Vermuthung zur Gewißheit zu erheben, mußte ich nun bemüht seyn, die verschiedenen bekannten, das Dextrin charakterisirenden ReactionenGmelin's Handbuch Bd. VII S. 634 enthält eine ziemlich vollständige Zusammenstellung derselben. näher in Betracht zu ziehen und vergleichend zu studiren, sowohl bei absichtlich mit Dextrin versetzten als bei dextrinfreien Rohzuckern, um solche alsdann als Erkennungsmittel für den muthmaßlichen Dextringehalt des vorliegenden Zuckers benutzen zu können. Ohne mich auf die Schilderung der Details meiner Versuche in dieser Richtung einzulassen, will ich nur kurz bemerken, daß mir die unzweifelhafte Nachweisung des Dextrins in dem fraglichen Zucker gelungen ist, und werde ich in den nachfolgenden Zeilen die vielfach geprüften Reactionen beschreiben, welche geeignet sind, dextrinhaltige Rohzucker erkennen zu lassen. Von den verschiedenen Reactionen, die das Dextrin zeigt, sind nicht alle für den vorliegenden Zweck anwendbar, wegen der in den Rohzuckern gleichzeitig vorkommenden Nichtzucker-Bestandtheile; insbesondere gilt dieß von den Reactionen welche alkoholische Bleilösungen, sowie Salze metallischer Säuren gewähren, Reactionen die eben so oft richtig seyn als täuschen können. Es haben sich namentlich nur zwei Reagentien für die Nachweisung von Dextrin in Rohzuckern bewährt; diese sind starker Alkohol und Jodlösung. Ersterer fällt bekanntlich das Dextrin aus seinen wässerigen Lösungen und zwar als zähes fadenziehendes Gerinsel, wenn die Dextrinlösung concentrirt war; in verdünnten Lösungen aber, wie sie namentlich hier in Betracht kommen, bewirkt starker Alkohol nur eine mehr oder weniger bemerkliche milchige Trübung. Wenn jedoch starker, etwa 90- bis 95procentiger Alkohol in einer concentrirten Zuckerlösung, in welcher Dextrin zu vermuthen ist, eine Trübung bewirkt, so darf diese nicht immer als von Dextrin herrührend angesehen werden, denn manche salz- und besonders gypsreiche Rohzucker können ebenfalls hierbei eine Trübung geben. Der Alkohol ist somit kein absolutes, sondern nur ein bestätigendes Reagens für das Vorkommen von Dextrin im Rohzucker. Die Auflösungen der meisten Dextrinsorten des Handels geben nach Biot und Persoz mit wenig wässeriger Jodlösung versetzt eine charakteristische weinrothe bis purpurrothe Färbung, welche mitunter auch tief violettroth ausfällt. Rohzucker, deren Lösungen mit Jod eine solche Färbung geben, enthalten bestimmt Dextrin; leider aber ist auch diese Reaction nicht immer völlig entscheidend, denn es kommen, je nach ihrer Darstellungsweise, Dextrinsorten vor, die durch Jodlösung keine der vorbemerkten Färbungen annehmen. Wahrscheinlich zeigen nur diejenigen Dextrinsorten, welche noch geringe Mengen von zwischen dem ursprünglichen Stärkemehl und dem Dextrin liegenden Zwischenproducten enthalten, die Jodreaction, während dem völlig reinen Dextrin diese Reaction nicht zukommt. Diese die Jodreaction zeigenden Dextrinsorten sind nun aber gerade die mit einem hohen Rotationsvermögen behafteten Producte, während die durch vollkommene Umwandlung der Stärke erzielten Sorten zwar keine Zwischenproducte (lösliche Stärke), dafür aber mehr oder weniger Traubenzucker von erheblich geringerem Drehungsvermögen als dem Rohzucker entspricht enthalten, und demzufolge als Zusätze für Rohzucker offenbar nicht so geeignet seyn können. Außer dem Verhalten dextrinhaltiger Rohzucker gegen Alkohol und Jodlösung können noch als Anzeichen dienen: 1) der vielen Dextrinsorten eigenthümliche „Geruch nach Brod,“ welcher sich dann auch an dem damit versetzten Zucker kund gibt; 2) der Umstand daß absichtlich mit Dextrin versetzte Rohzucker sich stets viel schwieriger durch Bleiessig klären lassen oder leichter trübe Filtrate liefern als dieselben Rohzucker im dextrinfreien Zustande; 3) die Besichtigung mit der Loupe, welche mitunter bei nicht sorgfältiger Mischung des Rohzuckers mit Dextrin feuchte, schleimige oder klebrige Klümpchen erkennen läßt, die man auslesen und auf ihr Verhalten gegen Alkohol und Jodlösung besonders prüfen kann. Um nun einen verdächtigen Rohzucker auf Dextrin zu prüfen, stellt man sich durch Auflösen von etwa 13 Grm. (der Ventzke'schen Normalmenge) desselben in 50 Kubikcentimeter eine Lösung her, filtrirt, gibt einen Theil derselben in ein Reagensglas und versetzt mit circa dem vierfachen Volumen starken Alkohols von 90 bis 95 Proc., wodurch bei Anwesenheit von auch nur einem halben Procent Dextrin eine deutliche milchige Trübung entstehen wird. Gibt alsdann eine andere Probe der filtrirten Zuckerlösung auf Zusatz einiger wenigen Tropfen Jodlösung eine der oben genannten Färbungen, so ist der Nachweis des Dextrins dadurch unzweifelhaft geführt. Die übrigen aufgezählten Merkmale, als Brodgeruch, schwieriges Klären mit Bleilösung u.s.w. sind dann weniger wichtig, aber immerhin beachtenswerth zur Bestätigung. Die von mir benutzte Jodlösung wurde hergestellt durch Auflösen von 0,1 Grm. Jod und 1,5 Grm. Jodkalium in wenig Wasser und Verdünnen der Lösung auf ein Volumen von 100 Kubikcentimeter; sie hat etwa die Farbentiefe des Madeiraweines. Zu bemerken ist übrigens, daß beim Zusetzen dieser Jodlösung zu einer alkalischen Auflösung von Rohzucker die ersten Tropfen verschwinden und die Dextrinreaction erst beim weiteren Zutröpfeln unter Umschütteln eintritt, sowie daß die durch Dextrin hervorgerufene Färbung nach einigen Minuten immer wieder erblaßt oder wegbleicht, um durch neue Jodtinctur abermals zu erscheinen. Die Nachweisung des Dextrins hat in den Fällen wo Dextrinsorten verwendet wurden, welche Jodreaction zeigen – und dieß dürften immerhin wegen der hohen Rechtsdrehung solcher Sorten die häufigsten Fälle seyn – keine Schwierigkeit; ich habe leider für meine Versuche keine Handelssorten erhalten können, denen diese Reaction fehlte, werde aber, sobald ich in den Besitz solcher Proben gelange, auch auf die Nachweisung dieser Dextrine mein Augenmerk richten und dann weiteren Bericht geben. Es würde auch nicht schwer seyn, in indirecter Weise den Dextringehalt eines Rohzuckers festzustellen, dadurch daß man den wirklich vorhandenen Zucker in Invertzucker überführte und selbigen mit Hülfe von alkalischer Kupferlösung in bekannter Weise quantitativ bestimmte, wodurch dann eine geringere Menge Zucker gefunden werden müßte, als der optisch ermittelten entspricht. F. Musculus macht hierauf schon aufmerksam,Polytechn. Journal, 1860, Bd. CLVIII S. 427. indem er sagt: „Die große Unveränderlichkeit des Dextrins gegen verdünnte Schwefelsäure gibt ein Mittel an die Hand, leicht ein Gemenge von Rohzucker und Dextrin zu analysiren; es genügt eine Minute zu sieden, um allen Zucker so umzuwandeln, daß er durch die Kupferlösung bestimmt werden kann, während das Dextrin in dieser Zeit keine Veränderung erleidet.“ Versuche in der hier bezeichneten Richtung habe ich jedoch bisher nicht ausgeführt, es ist aber klar, daß nach dieser, wenngleich auch weniger einfachen Methode das Vorhandenseyn auch solcher Dextrine, denen die Jodreaction abgeht, nachgewiesen werden kann; auch dürfte in gleicher Weise schon die Polarisation des invertirten Zuckers (Inversionsmethode) erwünschten Aufschluß geben, weil die Linksdrehung dann erheblich geringer ausfallen muß, als dem Zuckergehalte entspricht. Ich hoffe in nächster Zeit auf Versuche gestützte weitere Mittheilungen über diese zuletzt erwähnten Methoden geben zu können. (Zeitschrift des Vereines für die Rübenzucker-Industrie im Zollverein, 1870 S. 352.)