Titel: Ueber die Darstellung von Eisenmanganlegirungen und deren Anwendung zur Bessemerstahl-Fabrication; von Ferd. Kohn, Civilingenieur in London.
Fundstelle: Band 198, Jahrgang 1870, Nr. L., S. 205
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L. Ueber die Darstellung von Eisenmanganlegirungen und deren Anwendung zur Bessemerstahl-Fabrication; von Ferd. Kohn, Civilingenieur in London. Vorgetragen in der Versammlung des Iron and Steel Institute in Südwales am 6. September 1870. – Aus Engineering September 1870, S. 194. Kohn, über die Darstellung von Eisenmanganlegirungen und deren Anwendung zur Bessemerstahl-Fabrication. Die Eigenschaften reiner Legirungen von Eisen und Mangan sind bisher noch nicht vollständig erforscht worden. Viele Metallurgen nehmen an, daß ein merklicher Mangangehalt im Stabeisen und Stahl die Geschmeidigkeit und Elasticität des Metalles erhöht, und daß aus diesem Grunde zur Erzeugung von gutem Gußstahl ein Zusatz von Mangan unerläßlich ist. Andere behaupten dagegen, daß das Mangan Härte und große Festigkeit auf Kosten der Hämmerbarkeit und Geschmeidigkeit erzeugt, also auf Kosten von Eigenschaften welche bei allen neueren Sorten von „weichem Stahl“ hauptsächlich angestrebt werden. Nach dieser letzteren Ansicht würde die Wirkung des Mangans beim Stahlmachen einfach in der Entfernung des überschüssigen Sauerstoffes und Siliciums aus der Masse bestehen, indem es sich mit diesen nachtheilig wirkenden Elementen verbindet und mit denselben aus dem Metalle in die Schlacke übergeht. Ungeachtet der verschiedenen Ansichten hinsichtlich der Wirkung des Mangans beim Stahlfabricationsprocesse stimmen doch alle Stahlproducenten in England wie in den übrigen Ländern in dem Punkte vollständig überein, daß die Anwendung von Mangan bei der Darstellung von Gußstahl eine praktische Nothwendigkeit ist. Bei dem älteren Processe, beim Umschmelzen von Blasen- oder Cementstahl im Schmelztiegel, ist der Zusatz von Mangancarburet (ein im Jahre 1839 dem Erfinder Josiah Marshall Heath patentirtes Verfahren) oder der Zusatz eines Gemenges von Manganoxyd mit dem zur Reduction desselben hinreichenden Kohlenstoff noch jetzt üblich. Bei dem Bessemerprocesse ist der Zusatz einer Verbindung von Eisencarburet mit Mangancarburet (Spiegeleisen) ein wesentliches Element des praktischen Erfolges und eine ähnliche Anwendung von Manganlegirungen ist auch beim Martin-Siemens'schen Processe, sowie bei mehreren anderen neueren Methoden der Stahlfabrication eingeführt. Die Reduction von reinem Mangan aus seinen Erzen, oder die Darstellung eines reinen Mangancarburets bietet bedeutende praktische Schwierigkeiten dar; die große Verwandtschaft des Mangans zum Sauerstoff und die Leichtigkeit mit welcher die Oxyde dieses Metalles sich mit Kieselsäure zu einer bei verhältnißmäßig sehr niedriger Temperatur flüssigen Schlacke verbinden, macht jedes Verfahren metallisches Mangan darzustellen, zu einer im Großen äußerst schwierig auszuführenden und in der Praxis sehr kostspieligen Operation. Die Erzeugung von metallischem Mangan ist daher in der Praxis nie mit Erfolg durchgeführt worden und offenbar hat auch Heath seine ursprüngliche Absicht, Mangancarburet zu fabriciren, wieder aufgegeben indem er es vorzieht, die Stahlschmelztiegel mit einem Gemenge von Manganoxyd und Kohle zu beschicken, welches bedeutend billiger zu stehen kommt. Das zur neueren Stahlfabrication erforderliche metallische Mangan wird hauptsächlich in Form von Eisenmanganlegirungen (sogen. ferro-manganese) bezogen, welche mittelst verschiedener Processe dargestellt werden und in ihrer Zusammensetzung wie in ihren Eigenschaften bedeutend von einander abweichen. Eisenmanganlegirungen lassen sich aus natürlichen oder künstlichen Gemengen der Erze beider Metalle um so leichter reduciren, je größer der Eisen- und je niedriger der Mangangehalt des Productes seyn soll. Das in den Hohöfen Schwedens, Oesterreichs und vieler anderer Länder erblasene gewöhnliche Roheisen enthält 1 bis 3 Proc. Mangan, welches von einem Gehalte der dort verhütteten späthigen Erze an kohlensaurem Manganoxydul herrührt; die Menge des reducirten und in das Eisen übergegangenen Mangans wird lediglich durch den Kieselsäuregehalt der Schlacke bedingt. Eine besondere Sorte von derartigem Roheisen, welche einen Mangangehalt von 7 bis 11 Procent hat, ist das bekannte Spiegeleisen aus dem Siegenerlande (rheinisch-westphälischer Hauptbergdistrict). Dieses Roheisen wird aus Spatheisenstein erblasen, einer krystallinischen Verbindung von kohlensaurem Eisenoxydul und kohlensaurem Manganoxydul, welche namentlich am Stahlberge bei Müsen eine mächtige Lagerstätte bildet. Die Erzeugung von Spiegeleisen erfordert jedoch einen ganz besonderen Betrieb des Hohofens; die Periode des Schmelzprocesses in welcher die Kohlung des reducirten Metalles zu erfolgen hat, muß möglichst verlängert und aus diesem Grunde der Ofengang so geleitet werden, daß eine rasche Reduction der Erze erfolgt, das reducirte Metall aber längere Zeit seinen schwammigen Zustand beibehält, bevor wirkliche Schmelzung stattfindet. Das Eisen muß sich bei einer Temperatur kohlen, welche zur Reduction von Silicium aus der Schlacke nicht hoch genug ist; die Temperatur, bei welcher Mangan aus seinen Erzen sich reducirt, ist jedoch fast ebenso hoch wie die, bei welcher Silicium in das Metall übergehen kann. Die Gegenwart einer beträchtlichen Menge von Silicium würde aber die Bildung von Spiegeleisen verhindern, weil im flüssigen Eisen vorhandenes Silicium den gebundenen Kohlenstoff in Graphit umzuwandeln strebt; anstatt Spiegeleisen würde man also, je nach der Ofentemperatur, graues oder halbirtes Roheisen erhalten. Bei zu niedriger Ofentemperatur hingegen, oder bei zu kurzer Dauer der Kohlungsperiode, würde gewöhnliches weißes Roheisen erzeugt, welches nur wenig chemisch gebundenen Kohlenstoff und sehr wenig Mangan enthält. Der Kunstgriff bei der Darstellung von Spiegeleisen bestand früher hauptsächlich darin, das Erz durch Zubrennen rasch reducirbar zu machen, als Zuschläge gebrannten Kalk und nur eine geringe Menge Thonschiefer anzuwenden, um das Kohlungsstadium so schnell als möglich zu erreichen, und, um die Temperatur der Schmelzungszone niederzuhalten und auf diese Weise das unmittelbar vorhergehende Stadium so viel nur irgend möglich zu verlängern, mit kaltem Winde und mit Holzkohlen zu blasen. Mit neuen Verbesserungen und der Nothwendigkeit an vegetabilischem Brennstoff zu sparen, haben die Siegener Hohofenmeister gelernt Spiegeleisen mit heißem Winde und Kohksbetrieb, unter Benutzung der Gichtgase und bei hoher Temperatur der Schmelzzone zu erblasen. Dieß erzielt man im Wesentlichen, indem man zum Fernhalten des Siliciums hauptsächlich einen Zuschlag von überschüssigem gebranntem Kalk anwendet, welcher auch dazu beiträgt, die nachtheilige Wirkung des Schwefels der Kohks auf das Eisen zu verhüten. Mit allen diesen Vorsichtsmaßregeln ist es jedoch nicht möglich, zu jeder Zeit und continuirlich in demselben Ofen Spiegeleisen zu erzeugen. Schwankungen in der Temperatur und der Pressung des Gebläsewindes und ähnliche, anscheinend geringfügige Ursachen ändern das Product aus Spiegeleisen zu grauem oder halbirtem Roheisen um, wenn die Temperatur zu hoch oder die Schlacke zu reich an Kieselsäure ist, oder wenn die Kohks zu viel Schwefel enthalten; andererseits wird anstatt des Spiegeleisens gewöhnliches weißes Roheisen erblasen, wenn die Temperatur zu niedrig ist oder die Gichten zu schwer sind. Selbst bei den am besten betriebenen, speciell für die Erzeugung von Spiegeleisen bestimmten Hohöfen beträgt das Ausbringen an demselben nur 70 bis 80 Proc. von der gesammten Jahresproduction, der Rest besteht entweder aus grauem oder aus weißem Roheisen. Der Mangangehalt des Siegener Spiegeleisens beträgt selten über 10 Procent, im Durchschnitt etwa 7 Procent. Der Gehalt an gebundenem Kohlenstoff ist beinahe constant und beträgt 5 Procent. Beim Zusatze einer Quantität Spiegeleisen zu einer Charge von entkohltem Eisen wird daher nothwendig auf eine gegebene Menge Mangan welche in die Charge eingeführt werden soll, eine entsprechende Menge Kohlenstoff zugebracht; dieß veranlaßt aber eine Schwierigkeit bei der Darstellung sehr weicher Stahlsorten, welche wohl jeder Bessemerstahl-Fabrikant ernstlich gefühlt hat und die nur durch große Erfahrung im Converterbetriebe bis zu einem gewissen Grade überwunden werden kann. Um sehr weichen Bessemerstahl mit Siegener Spiegeleisen darzustellen, ist man jetzt genöthigt die Charge in solchem Grade zu „überblasen,“ daß dem Metalle eine nicht nur zur Oxydation alles vorhandenen Mangans und Siliciums, sondern auch zur Verbrennung des größeren Theiles des mit dem Spiegeleisen zugeführten Kohlenstoffes genügende Menge Sauerstoff zugeführt wird. Dieses Verfahren ist jedoch nur ein Nothbehelf, der mit zahlreichen Nachtheilen verknüpft ist, und das Bedürfniß manganreicherer Eisenlegirungen hat sich schon seit längerer Zeit bei allen englischen Stahlfabrikanten geltend gemacht. Bessemer selbst hat diesem Bedürfniß zuerst Ausdruck gegeben, und zwar in der Specification des Patentes welches er auf die Fabrication einer dreifachen Verbindung von Eisen, Mangan und Silicium und die Anwendung derselben anstatt des gewöhnlichen Spiegeleisens bei seiner Stahlfabrication nahm. Das von Bessemer angegebene Verfahren zur Darstellung dieser Verbindung wurde von Prieger in BonnPrieger, über die Fabrication von Eisenmangan und Kupfermangan, im polytechn. Journal Bd. CLXXVII S. 303. zur praktischen Ausführung gebracht; derselbe lieferte Eisenmanganlegirungen, welche bis 60 Procent Mangan enthielten. Die Darstellungsweise ist folgende: Ein Graphittiegel wird mit einem Gemenge von Gußeisengranalien, Mangansuperoxyd, gepulvertem Flaschenglase und einer reichlichen Quantität Holzkohlenpulver beschickt und zur Reduction des Mangans genügend lange einer sehr hohen Temperatur ausgesetzt; je stärker die angewandte Hitze ist, desto manganreicher fällt die Legirung aus. Dieses Verfahren wurde von mehreren Stahlfabrikanten auf ihren Werken eingeführt, wegen seiner Kostspieligkeit aber wieder aufgegeben. Eine andere Methode zur fabrikmäßigen Darstellung von Eisenmangan wurde von Will. Henderson in Glasgow erfunden und in den Specificationen mehrerer ihm in den Jahren 1860 bis 1869 ertheilten Patente beschrieben. Sein Verfahren ist längere Zeit auf der Phönix-Gießerei in Glasgow von den HHrn. Thomas Edington u. Söhnen angewandt worden. Es besteht in der Reduction eines Gemenges von kohlensaurem Manganoxydul und Eisenoxyd in Gegenwart von überschüssigem Kohlenstoff, mittelst einer neutralen oder reducirenden Flamme auf dem offenen Herde eines Siemens'schen Ofens. Die Herdsohle wird mit großer Sorgfalt aus Kohkspulver hergestellt, welches mittelst eines geeigneten Bindemittels zu einem festen und dauerhaften (großen) Kohlentiegel verarbeitet wird. Die Beschickung der Metalloxyde wird zu feinem Pulver gemahlen und mit Holzkohlen- oder Kohkspulver innig gemengt; die ganze Masse wird mehrere Stunden lang der Rothglühhitze ausgesetzt, wobei sie sich zu einem Metallschwamm umwandelt, der die aus beiden Oxyden reducirten Metalle enthält, welche, wenn die Temperatur bis zur vollen Weißgluth gesteigert wird, zu einem Regulus zusammenfließen. Die Menge des in dieser Weise reducirten Mangans hängt hauptsächlich von der Höhe der Temperatur ab, welcher das Metallbad in diesem Stadium der Operation ausgesetzt wird. Aus diesem Grunde, und auch wegen der Nothwendigkeit eine oxydirende Flamme zu vermeiden, ist die Anwendung des Siemens'schen Ofens bei diesem Verfahren unerläßlich. Ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln ist es jedoch nicht möglich, alles in der Beschickung enthaltene Mangan zu reduciren und in den Regulus zu bringen. Dieß wird hauptsächlich durch die Kieselsäure verursacht, welche in dem Erzgemenge enthalten ist oder während der Operation mit demselben in Berührung kommt; denn die Affinität des Manganoxyduls zur Kieselsäure ist so groß, daß fast gar keine Reduction stattfindet, so lange noch freie Kieselsäure mit dem Manganerze in Contact ist. Das Product der Verbindung ist eine leichtflüssige Schlacke von einer charakteristisch hellgrünen Farbe und sehr hohem Mangangehalte. Das mit der Kieselsäure sich verbindende Mangan geht daher für den Metallkönig gänzlich verloren und nur ein Theil desselben läßt sich dadurch wiedergewinnen, daß man diese Schlacken dann bei anderen Schmelzprocessen benutzt. Bei geeigneter Wahl der Materialien stellt sich der Mangangehalt der mittelst dieses Verfahrens erhaltenen Legirung auf durchschnittlich 20 bis 30 Procent. Ein Ofen von gewöhnlichen Dimensionen, von einem einzigen Arbeiter bedient, liefert binnen 24 Stunden beiläufig 15 Centner Eisenmangan. Die Hauptausgabe veranlaßt das kohlensaure Manganoxydul, dessen Preis beträchtlichen Schwankungen unterwerfen ist. Die Productionskosten einer Tonne Eisenmangan mit 20 bis 25 Proc. Mangangehalt belaufen sich, den derzeitigen Maximalpreis des kohlensauren Manganoxyduls angenommen, auf ungefähr 7 Pfd. Sterl.; indessen werden sich diese Kosten bei längerer Erfahrung und bei weiterer Entwickelung der Verfahrens in Zukunft höchst wahrscheinlich sehr bedeutend vermindern. Der Werth einer reichen Manganlegirung für die Bessemerstahl-Fabrication ist ein sehr großer. Für die Erzeugung der weichsten Stahlsorten wurde früher eine 15 bis 20 Proc. Mangan enthaltende Legirung von vielen der ausgezeichnetsten englischen Metallurgen als unentbehrlich betrachtet und aus diesem Grunde war der Preis welchen die Stahlfabrikanten für diese Legirung zu zahlen pflegten, sehr hoch. Nach der ursprünglich von Bessemer selbst aufgestellten Regel wurde das Eisenmangan für jedes Procent des in ihm enthaltenen Manganmetalles zu 1 Pfund Sterl. per Tonne berechnet, so daß eine Legirung mit 25 Proc. Mangangehalt einen Werth von 25 Pfd. Sterl. per Tonne repräsentirte. Jetzt ist diese etwas willkürliche Berechnungsweise aufgegeben und man normirt den Preis des Eisenmangans nach dem jeweiligen Preise des rheinpreußischen Spiegeleisens, verglichen mit dem Preise eines Gemenges von gewöhnlichem Hämatitroheisen und derjenigen Menge Eisenmangan, durch welche der Masse ein dem des Spiegeleisens gleichkommender Mangangehalt mitgetheilt wird. Nehmen wir z.B. den Preis eines durchschnittlich 7 Proc. Mangan enthaltenden Spiegeleisens zu 7 Pfd. Sterl. an, so ist das äquivalente Gemenge von Hämatitroheisen und 21 procentigem Eisenmangan in nachstehender Weise zu berechnen: zwei Tonnen Hämatitroheisen à 4 Pfd. Sterl.   8 Pfd. Sterl. eine Tonne Eisenmangan à 13       „ –––––––––– geben drei Tonnen Metall von 7 Proc. Mangangehalt 21 Pfd. Sterl. Man sieht daher, daß der Handelswerth eines 21 procentigen Eisenmangans in England unter gewöhnlichen Umständen zu 13 Pfd. Sterl. per Tonne im Minimum gerechnet werden muß. Hiernach ist auch einleuchtend, daß die Fabrication dieser künstlichen Legirungen einen lohnenden Industriezweig und ein vortheilhaftes Nebengeschäft für jedes Bessemerstahlwerk bilden würde.