Titel: Ueber die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit einfacher Cylinder-Dampfkessel, von J. Head.
Fundstelle: Band 198, Jahrgang 1870, Nr. LXXXVI., S. 362
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LXXXVI. Ueber die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit einfacher Cylinder-Dampfkessel, von J. Head. Aus der deutschen Industriezeitung, 1870, Nr. 43. Head, über einfache Cylinder-Dampfkessel. In der Versammlung welche das Iron and Steel Institute im September d. J. in Südwales abhielt, hielt J. Head aus Middlesbrough einen Vortrag über die einfachen Cylinderdampfkessel, in welchem er die Mängel derselben und die Mittel zur Abhülfe der letzteren darlegte. Dem Einwande, daß diese Kesselform eine veraltete sey und nicht mehr zur Anwendung kommen sollte, begegnete er im Voraus durch die Bemerkung, daß dieselbe bei neuen Anlagen, welche unter Leitung der hervorragendsten Ingenieure ausgeführt werden, noch immer vielfach anderen Systemen vorgezogen werde, außerdem aber eine große Zahl solcher Kessel in wirklichem Betrieb sey. So sind z.B. 16 Proc. von den bei der Boiler Insurance and Steam Power Comp. (Manchester,                                 King-Street 67) 12 1/2   „     „      „   „   Manchester Steam User's Comp. 66        „     „      „   „   Midland Steam Boiler Inspection and Assurance Comp.                                 im Midlanddistrict und 69        „     „      „ derselben Gesellschaft im Norddistrict versicherten Kesseln einfach-cylindrische. Bei den genannten Gesellschaften sind im Ganzen 17,825 Dampfkessel versichert und davon sind 4052 oder 22,7 Proc. einfach-cylindrische. Ein Beispiel, wie es hier des Vergleiches wegen angenommen werden mag und wie es in den Kohlen- und Eisendistricten von Nordengland sehr häufig vorkommt, ist folgendes. Der einfach-cylindrische Kessel ist circa 45° lang und hat 4' Durchmesser (für Kessel welche durch die Gichtgase von Hohöfen geheizt werden, kommen häufig Längen von 60 und selbst 80° bei 4 1/2' Durchmesser vor). Das Kesselblech ist 3/8'' stark; das Gewicht des Kessels außer den Armaturen, aber einschließlich der angenieteten Theile, beträgt etwa 105 Ctr. engl. Der Kessel ist so eingemauert, daß unter ihm ein Feuercanal, den halben Kesselumfang umfassend, von einem Ende zum anderen läuft; mittelst 9 Stangen, welche mit an ihn angenieteten T Eisen verbunden sind, ist er an 3 über ihm liegende Träger angehängt. Die Hängestangen haben an ihrem unteren Ende doppelte Oehre und an ihrem oberen Ende verstellbare, auf den Trägern aufliegende Schraubenmuttern. Die tragenden Theile sind also nicht der hohen Hitze ausgesetzt. Die Armatur besteht aus Wasserstandsglas, Schwimmer, zwei Sicherheitsventilen, Speiseventil und Abblashahn; letzterer ist nahe dem dem Roste entgegengesetzten Kesselende angebracht. Ein solcher Kessel ist jedenfalls so einfach, wie er nur seyn kann; seine Platten sind keinen großen Biegungen oder Flanschenbildungen ausgesetzt und es genügt daher gewöhnliche Qualität und Arbeit. Da der Durchmesser nur mäßig ist, so kann in dem Kessel mit Sicherheit ein starker Druck erhalten werden, ohne daß die Anwendung starker Bleche, doppelter Nietungen und gebohrter Bleche nöthig wird. Die Einmauerung ist einfach und leicht zu repariren, und der Kessel ist leicht von innen und außen zu untersuchen. Eine Explosion aus Wassermangel kann sehr schwer stattfinden, da eine sehr große Wassermenge ohne Ersatz verdampft werden müßte, ehe eine gefahrdrohende Bloßlegung stark erhitzter Theile stattfinden kann. Was die Preise anlangt, so kosten jetzt im Clevelanddistrict einfach-cylindrische Kessel mit angenieteten Theilen aus bestem Material und bestgearbeitet 18 1/2 Pfd. St. pro 20 Ctr. engl. (circa 6 Thlr. pro Zollctr.), bei dem oben angegebenen Gewicht von 105 Ctrn. also etwas über 97 Pfd. St. (circa 640 Thlr.) Die gesammte Rostfläche in obigem Beispiel beträgt 24 Quadtfß., die Heizfläche 283 Quadtfß. Bei einem stündlichen Verbrauch von 420 Pfd. Kohle wurden nach einem sorgfältigen, 130 Stunden lang andauernden Versuch Head's 50 Kubikfuß engl. Wasser von 72° C. verdampft, entsprechend 7,7 Pfd. Wasser von 100° C. pro Pfd. gute Kohle von Süd-Durham. Ein Kessel mit innerer Feuerung von der jetzt üblichen Construction, mit zwei Flammenrühren und mit (Galloway'schen) Querröhren würde, um die gleiche stündliche Wassermenge zu verdampfen, 28' Länge, 6 1/2' Durchmesser, zwei Flammenrohre von je 2 1/2' Durchmesser, 25 Quadtfß. Rostfläche und 550 Quadtfß. Gesammtheizfläche erhalten müssen; der Mantel würde aus 1/2'', die Rauchröhren aus 3/8'' starkem Blech zu bestehen haben. Sein Gewicht würde 220 Ctr., sein Preis (zu 27 1/2 Pfd. Sterl. pro 20 Ctr. engl., circa 9 1/6 Thlr. pro Zollctr.) außer den nicht angenieteten Armaturtheilen circa 290 Pfd. St. (1930 Thlr.) betragen. Der hier angegebene Centnerpreis wird jetzt in Middlesbrough bei tadelloser Arbeit bezahlt und öfters wird auch noch mehr verlangt. Bei Versuchen welche die englische Regierung mit einem derartigen Kessel mit Wales-, Newcastle-, schottischer und Lancashire-Kohle anstellen ließ, wurden pro Pfd. Kohle durchschnittlich 8,4 Pfd. Wasser verdampft. Es ist zwar nicht angegeben, ob der betreffende Kessel mit Querröhren versehen war, doch sieht Head dieß als unwesentlich an, da nach Versuchen von Dr. Richardson und L. E. Fletcher bei Kesseln mit innerer Feuerung und äußeren Feuerzügen die Dampferzeugung durch die Querröhren nicht gesteigert wird. Die Querröhren scheinen bei genügender Heizfläche nur die Wärme an einer früheren Stelle wegzunehmen, so daß weniger zur Aufnahme durch den äußeren Mantel übrig bleibt. Im Ganzen ergibt sich, daß, um 50 Kubikfuß Wasser stündlich durch einen Kessel mit innerer Feuerung anstatt durch einen von der zuerst beschriebenen Einrichtung zu verdampfen, Anlagekosten in Höhe von 290 Pfd. Sterl. anstatt 97 Pfd. Sterl., also fast dreimal größer, erforderlich wären und daß die dabei erreichte Brennmaterialersparniß nur (8,4 – 7,7)/8,4 = circa 9 Proc. betragen würde, eine Ersparniß welche durch den Mehrertrag der Zinsen, der Unterhaltung und Amortisation sicher aufgewogen wird. Sucht man nun nach dem Grunde, warum der complicirtere, dreifach kostspieligere und allem Anschein nach gefährlichere Apparat dem einfacheren vielfach vorgezogen wird, so findet man diesen in den meisten Fällen in der Neigung der einfach-cylindrischen Kessel, zu reißen, und zwar treten diese Risse stets der Quere nach, vom Boden nach dem Obertheile des Kessels zu laufend, auf. Sie gehen durch eine Nietlochlinie, treten aber nicht an dem der stärksten Hitze ausgesetzten Kesseltheile auf. Sie scheinen eine starke Beanspruchung auf Zug anzudeuten, die sich nicht zeigen könnte, wenn das Gewicht des Kessels und des darin befindlichen Wassers in geeigneter Weise über die Träger vertheilt wäre. Es fragt sich daher, ob letztere gelegentlich etwa theilweise außer Wirksamkeit treten, so daß die von den einzelnen zu tragende Last anderen zufällt. Head bemerkte nun oft, daß die Muttern der Aufhängstangen an dem einen Ende von Kesseln die im Betrieb befindlich waren, locker waren, so daß sie mit der Hand angezogen werden konnten, und schloß daraus, daß das eine Ende des Kessels von dem Mittelträger allein getragen werden und dabei das andere Kesselende sich zu heben suchen müsse, wornach also das gesammte Gewicht, welches in dem oben erwähnten Falle einschließlich des Wassers ca. 320 Ctr. beträgt, einem einzigen Träger zufallen würde; hörte der Betrieb des Kessels auf und kühlte sich das in demselben befindliche Wasser ab, so zeigten sich die Muttern der Aufhängstangen an dem einen Ende fest und konnten nicht mehr mit der Hand bewegt werden, während die Muttern am Mittelträger lose wurden. Dieses abwechselnde Heben und Senken der Kesselenden wird durch die Ausdehnung und Zusammenziehung des Kesselmantels hervorgebracht. Der obere Theil wird immer kälter als der darin befindliche Dampf, der untere Theil immer kälter als das darin befindliche Wasser und der in ihm vorhandene Dampf seyn. Beträgt z.B. der Dampfdruck im Kessel 50 Pfd. pro Quadtzll., die entsprechende Temperatur also 154°C., berücksichtigt man daß die Hitze in der Feuerung zuweilen genügt um graues Gußeisen zu schmelzen, was nach Prof. Roscoe eine Temperatur von 1200° C. voraussetzt, und daß die mittlere Temperatur der Gase am Schieber zu 400° C. gefunden wurde, so kann man die durchschnittliche Temperatur der Außenseite der Bodenplatte gleich dem Mittel dieser beiden Zahlen, also zu 800° C. annehmen. Da diese Platten also auf ihrer Außenseite mit Gasen von 800° C. und auf der Innenseite mit Wasser von 154° C. in Berührung sind, so kann ihre mittlere Temperatur gleich dem Durchschnitte beider Zahlen, also zu 477° C. angenommen werden. Setzt man weiter voraus, daß die oberen Platten gut bedeckt sind, so daß sie nur um ca. 5° C. kälter als der Dampf, also 149° C. warm sind, so würde der Unterschied zwischen den Temparaturen der oberen und unteren Platten 328° C. betragen. Dieser Temperaturdifferenz würde bei dem hier angenommenen Cylinderkessel eine Ausdehnung von 1 7/8'' entsprechen, was eine Hebung der Endträger um ca. 3'' voraussetzt. Eine solche Hebung findet nun in Wirklichkeit allerdings nicht statt, da das Gewicht der Enden und des im Kessel enthaltenen Wassers, sowie die Steifigkeit den Formveränderungen einen namhaften Widerstand entgegensetzen. Jedenfalls hebt sich aber der Kessel merkbar an den Enden. Wird der Kessel abgeblasen, so kommen die Bodenplatten mit Wasser von 100° C. in Berührung und müssen die gleiche Temperatur annehmen. Um nun zu ermitteln, ob das Eisen unter solchen Umständen eine permanente Ausdehnung oder Zusammenziehung erleide oder unverändert bleibe, stellte Head folgenden Versuch an. Aus 3/8'' dickem Kesselblech wurde eine Lehre mit einem genau 1' langen Einschnitt hergestellt und 5 Streifen von gleichem Kesselblech wurden in diese Lehre so eingepaßt, daß sie mit geringem Druck in den Einschnitt eingesteckt werden konnten, ohne durch ihr eigenes Gewicht durchzufallen. Diese Eisenstreifen wurden dann sorgfältig in einer rothglühenden Eisenröhre erwärmt, sobald sie blau wurden, und ehe sie noch merklich roth glühten, wieder herausgezogen und in kochendem Wasser abgelöscht. Die Verhältnisse entsprachen also denen der Kesselbodenplatten, die von einer Temperatur von ca. 480° C. beim Abblasen plötzlich auf 100° C. abgekühlt werden. Der eine Kesselblechstreifen wurde nun dem Erhitzen und Ablöschen 20 Mal, der zweite 40, der dritte 60, der vierte 80 und der fünfte 100 Mal ausgesetzt, ohne aber je so weit erhitzt zu werden, daß er sich im Geringsten mit Glühspan überzog. Im Anfang zeigte das abwechselnde Glühen und Ablöschen keine merkliche Wirkung, nach mehrfachen Wiederholungen stellte sich aber deutlich eine geringe jedesmalige Zusammenziehung heraus. Bis zu den Grenzen der Versuche, also bis zu 100 maligem Erhitzen und Abkühlen, erschien dieselbe constant und regelmäßig. Nach der hundertsten Operation, die also dem Zustande der Kesselbodenplatten nach zwei Jahren bei wöchentlichem Abblasen entsprach, war diese permanente Zusammenziehung Nr. 15 der Birmingham-Drahtlehre, also 1/14''. Die Längendifferenz eines 45' langen Kessels nach diesem Verhältnisse beträgt 3 1/4'', so daß folglich nach zweijährigem Betrieb die Bodenplatten eines Kessels um 3 1/4'' kürzer als die oberen Platten, somit also bedeutenden Spannungen ausgesetzt seyn würden. Darnach würde nun das Heben der Enden am meisten bei dem Betrieb eines neuen Kessels hervortreten, allmählich aber in Folge der Zusammenziehung des Bodens bei jeder Abkühlung geringer werden und endlich ganz aufhören. Die allmählich immer stärker werdende Zusammenziehung aber würde entweder den Kessel von seinem mittleren Träger emporbiegen oder ein Reißen desselben herbeiführen. Die Cylinderkessel sind allerdings nicht die einzigen, die dem Heben der Enden und dem Reihen ausgesetzt sind, sondern theilen diese Eigenschaft mit allen von außen gefeuerten Kesseln, gleichgültig ob bei diesen auch eine innere Feuerung vorhanden ist oder nicht. Der fragliche Nachtheil tritt bei ihnen nur deutlicher hervor, da man die einfachen Cylinderkessel, um genügende Heizfläche zu gewinnen, länger macht und ihnen auch geringeren Durchmesser gibt als anderen Kesselarten. Um nun diesem Uebelstande vorzubeugen, wendet Head ein sehr einfaches Verfahren an, das sich bereits seit einem halben Jahre bei einem früher gerissenen Kessel auf das Beste bewährt hat. Es wird nämlich die Unterstützung der Kessel so angeordnet, daß sie jeder Formveränderung der letzteren folgen, ohne wesentlich stärker oder schwächer zu werden. Die Anordnung der gußeisernen Träger und der Tragstangen bleibt dieselbe, wie früher angegeben, nur werden letztere länger und ihre Muttern liegen nicht auf den Trägern, sondern auf Volutenfedern auf, welche die Tragstangen umgeben und auf den Trägern aufruhen. Der oben beispielsweise angegebene Kessel liegt z.B. auf 9 solcher Federn auf, deren jede 35 Ctr. bei 3/4'' Zusammendrückung trägt. Diese elastische Unterstützung ist die einzige ohne schließlichen Nachtheil anwendbare für lange Theile, welche starken Temperaturveränderungen ausgesetzt sind. Bei der praktischen Ausführung stellten sich nur zwei Nachtheile heraus. Zunächst war zu erwarten, daß die Verbindungen mit dem Dampfrohre, dem Speiserohre etc. bei der jetzt ermöglichten freien Auf- und Niederbewegung des Kessels reißen würden. Dem wurde einfach durch Anwendung gewundener, also genügend elastischer Verbindungsröhren abgeholfen. Eine zweite Schwierigkeit war folgende: wenn am Ende einer Woche der Kessel vom Wasser entleert wird, welches 2/3 des gesammten Gewichtes bildet, so müßten sich die Federn entsprechend, vielleicht nur 1 1/8'', heben und somit die Mauerung lockern. Diese Gefahr wurde dadurch vermieden, daß unter jedem Träger an dem Obertheile des Kessels zwei Stellschrauben angebracht wurden, welche nur eine Hebung in bestimmten Grenzen gestatten und, wenn letztere überschritten werden, an den Träger austoßen. Von diesen Schrauben werden die an den Kesselenden während des Betriebes, die in der Mitte des Kessels beim Kaltliegen im gefüllten Zustand gestellt, so daß sie die Formveränderung durch Zusammenziehung und Ausdehnung nicht verhindern. Der Versuchskessel, an dem diese Einrichtung angebracht ist, hebt sich während des Betriebes an den Enden und sinkt in der Mitte ein, verhält sich aber beim Abblasen gerade umgekehrt. Die mittlere Höhenveränderung zwischen den Enden und der Mitte beträgt 3/8''. Die Muttern in den Aufhängstangen sind natürlich stets dicht; das Mauerwerk zeigt keine Störung und der Kessel arbeitet in jeder Beziehung gut. Die Einrichtung ist offenbar sehr billig und kann sowohl an alten wie an neuen Kesseln angebracht werden. Je länger der Kessel ist, desto nothwendiger wird dieselbe. Bei ihrer Anwendung können die Kessel auch weit länger gemacht werden als es bisher möglich war. Um zu verhindern daß der Kessel durch den nach oben wirkenden Zug der Federn einerseits und das Gewicht des Wassers und der unteren Mantelhälfte andererseits in eine elliptische Form gezogen wird, ist es gut, unter jedem Träger innerhalb des Kessels zur Verstärkung einen Ring von T Eisen anzubringen. Was die Vertheilung der Träger anlangt, so sollte für einen Kessel von 4' Durchmesser ein Träger auf je 15' Länge und für einen Kessel von 4 1/2' auf je 12' Länge angebracht werden.