Titel: Combination der Interferenzscala mit der photographischen Spectralscala; von Dr. Joh. Müller.
Autor: Joh. Müller
Fundstelle: Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LXXVI., S. 268
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LXXVI. Combination der Interferenzscala mit der photographischen Spectralscala; von Dr. Joh. Müller. Müller, Combination der Interferenzscala mit der photographischen Spectralscala. Nach meinen Angaben hat Hr. W. Steeg, Optiker zu Homburg bei Frankfurt a. M., einen Interferenzapparat ausgeführt, wie er zur Hervorbringung der in diesem Bande des polytechn. Journals S. 133 (zweites Januarheft 1871) besprochenen Interferenzscala erforderlich ist. Der Apparat entspricht seinem Zweck vollkommen. Die beiden Nicols sind mit der Gypsplatte so zu einem Ganzen verbunden, daß man nichts mehr daran zu richten oder zu drehen braucht. Er muß eben nur in passender Stellung vor dem Spalt des Spectralapparates angebracht werden. Der Steeg'sche Apparat ist zu groß und zu schwer, als daß er sich auf der Platte befestigen ließe, welche den Spalt des Spectralapparates enthält; er muß auf irgend einem passenden Stativ so aufgestellt werden, daß seine horizontal liegende Achse in der Höhe des unbedeckten Spalttheiles liegt. Diese Aufstellung hat aber nicht die mindeste Schwierigkeit und es zeigte sich beim Versuche, daß man die dem Spalte zugewendete Seite des Interferenzapparates ohne Anstand bis auf 8 Centimeter von demselben entfernen kann, während die Lampenflamme, deren Licht durch den Interferenzapparat hindurchgesendet wird, 22 Centimeter entfernt steht. Es ist dieß ein sehr erfreuliches Ergebniß, denn durch die größere Entfernung des Interferenzapparates vom Spalt wird es möglich den allbekannten Steinheil'schen Spectralapparat (Fig. 692 Seite 620 im ersten Bande meines Lehrbuches der Physik, siebente Auflage) ohne Weiteres für unsere Zwecke zu benutzen, indem das Licht der seitlich aufgestellten Flamme (f der citirten Figur) bei diesem Abstand des Interferenzapparates noch vollkommen frei auf das vor dem Spalt angebrachte Vergleichungsprisma fallen kann. Auf dem Spectrum, welches das mir von Hrn. Steeg gesendete Exemplar des Interferenzapparates lieferte, befanden sich ungefähr 21 dunkle Linien, als eine Argand'sche Gaslampe als Lichtquelle diente. Am blauen Ende ließen sich zwar noch einige weitere dunkle Streifen wahrnehmen, allein eine genaue Beobachtung derselben war wegen zu geringer Lichtstärke dieser Partie nicht möglich. Bei einer so großen Anzahl dunkler Interferenzstreifen, die auf keinerlei Weise markirt sind, wird nun freilich, wie schon in meinem ersten Aufsatze bemerkt wurde, die Abzählung höchst schwierig, so daß der weniger Geübte schwerlich damit zu Stande kommen wird, wenn nicht durch Drehung des Beobachtungsfernrohres das Fadenkreuz der Reihe nach über die dunklen Streifen weggeführt werden kann. Der Steinheil'sche Spectralapparat ist nun eigentlich nicht für eine solche Drehung eingerichtet; ein vortreffliches Auskunftsmittel bietet aber hier die Combination der Interferenzscala mit der photographirten Scala. Erst durch diese Combination wird die Interferenzscala vollkommen praktisch. Nehmen wir an, man sehe, in das Beobachtungsrohr des Steinheil'schen Spectralapparates hineinschauend, in der oberen Hälfte des Gesichtsfeldes das Interferenzspectrum, in der unteren Hälfte das Spectrum der Lichtquelle, welche ihr Licht mittelst des Vergleichungsprisma's in den Apparat hineinsendet, so wird, wenn man die photographirte Scala erleuchtet, deren Bild mit ihren hellen kurzen Theilstrichen horizontal durch die Mitte des Gesichtsfeldes hindurchziehen, so daß man leicht die Lage der dunklen Streifen des Interferenzspectrums zu den Theilstreifen der photographirten Scala ablesen kann. Man hat also auf diese Weise eine leicht ablesbare Markirung für die einzelnen dunklen Streifen, durch welche jede Verwechselung und Verwirrung vermieden ist. Für das fragliche Exemplar des Interferenzapparates fiel die Mitte der einzelnen dunklen Streifen des Interferenzspectrums auf die beigesetzten Theilstriche der photographirten Scala: 1  132   8  154,7 15  182,3 3,2     3,6     4,2 2  135,2   9  158,3 16  186,5 3,2 3,7 4,3 3  138,4 10  162,0 17  190,8 3,2 3,8 4,4 4  141,6 11  165,8 18  195,2 3,2 4,0 4,4 5  144,8 12  169,8 19  200,6 3,2 4,1 4,5 6  148,0 13  173,9 20  205,1 3,3 4,2 4,9 7  151,3 14  178,1 21  210,0 3,4 4,2 5,0 8  154,7 15  182,3 22  215,0? In dieser Tabelle steht in der ersten Verticalreihe die Ordnungszah der Streifen des Interferenzspectrums, in der zweiten der ihm entsprechende Theilstrich der photographirten Scala und in der dritten der nach Theilstrichen der photographirten Scala abgelesene Abstand je zweier auf einander folgender dunkler Streifen der Interferenzscala. Hat man nun auch die Lage der Linien des in der unteren Hälfte des Gesichtsfeldes erscheinenden Spectrums zur photographirten Scala abgelesen, so ist durch deren Vermittelung auch ihre Lage zum Interferenzspectrum gegeben. Als durch das Vergleichsprisma das Licht einer durch Kochsalz gelb gefärbten Gasflamme in den Apparat eintrat, erschien die gelbe Natriumlinie beim Theilstrich 152,5 in gleicher Weise erschien die rothe Lithiumlinie bei 136,0  „   grüne Thalliumlinie bei 168,5  „   blaue Strontiumlinie bei 202,5 Die rothe Lithiumlinie liegt also zwischen dem 2ten und 3ten, die gelbe Natriumlinie liegt zwischen dem 7ten und 8ten, die grüne Thalliumlinie liegt zwischen dem 11ten und 12ten dunklen Streifen der Interferenzscala. Obigen Daten entsprechend ergibt sich für die Position der Natriumlinie zur Interferenzscala 7 + (152,5 – 151,3)/3,4 = 7,32 und ferner für die rothe Lithiumlinie 2,25 grüne Thalliumlinie 11,67 blaue Strontiumlinie 19,42. Der Abstand der Lithiumlinie von der Thalliumlinie beträgt demnach 9,42 Streifenbreiten; die Gypsplatte des mir von Hrn. Steeg zugesandten Exemplars des Interferenzapparates ist also nur um sehr Weniges dünner als die in meinem vorigen Aufsatz besprochene Normalplatte, und zwar ist der Reductionsfactor zur Reduction auf die Normalscala 10/9,42 = 1,06. Nehmen wir die hellen Spectrallinien Li und Na für a und b (Seite 137 meines früheren Aufsatzes), so wird die dort entwickelte Gleichung 4) l₂ = (s₁ . 676 . 589)/(s₂ . 87 + s₁ . 589)          a) Für das hier in Rede stehende Exemplar des Steeg'schen Interferenzapparates ist aber nach den obigen Angaben s₁ = 7,32 – 2,25 = 5,07; darnach wird Gleichung a) l₂ = (5,07 . 676 . 589)/(s₂ . 87 + 5,07 . 589)      b) Da die grüne Thalliumlinie auf 11,67 der Interferenzscala fällt, so ist für diese Linie s₂ = 11,67 – 2,25 = 9,42, und darnach ergibt sich für die Wellenlänge von Th l₂ = (5,07 . 676 . 589)/(9,42 . 87 + 5,07 . 589) = 530,44 ein Werth welcher von dem auf Seite 140 berechneten nur um 0,8 Proc. abweicht, obgleich die Versuche, welche die Data zu der Berechnung lieferten, mit einem anderen Spectralapparat und mit einem Interferenzapparat angestellt wurden. Um die Wellenlänge der blauen Strontiumlinie zu berechnen, hat man für s₂ in Gleichung b) den Werth 19,42 – 2,25 = 17,17 zu setzen; es ergibt sich alsdann l₂ = 459,5 Milliontel Millimeter, ein Werth welcher von dem auf anderem Wege bestimmten Werthe 0,000463 nur um 0,7 Proc. abweicht. Auf das Normalspectrum reducirt ergibt sich für die blaue Strontiumlinie (19,42 – 2,25) 1,06 = 17,17 . 1,06 = 18,2 d.h. auf dem Normalspectrum würde die blaue Strontiumlinie um 18,2 Streifenbreiten von der rothen Lithiumlinie abstehen, während wir von den Beobachtungen mit der 1,34 Millimeter dicken Gypsplatte ausgehend dafür den Werth 18 berechnet hatten. Wenn man also auch die Beobachtungen mit Interferenzapparaten angestellt hat, welche ungleich dicke Gypsplatten enthalten, so kann man sie doch durch Reduction auf die Normalscala leicht vergleichbar machen, und man erhält durch diese Reduction Werthe welche bis auf den Einfluß der unvermeidlichen Beobachtungsfehler gleich sind. Schließlich habe ich noch zu bemerken, daß Interferenzapparate der oben besprochenen Art bei Hrn. Steeg in Homburg bei Frankfurt a. M. ohne Stativ zu dem billigen Preise von 10 Thalern preuß. Court. zu haben sind.