Titel: Ueber die Leistungen der Meyn'schen Patentkessel; von W. Born.
Fundstelle: Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXX., S. 256
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LXX. Ueber die Leistungen der Meyn'schen Patentkessel; von W. Born. (Schluß von Seite 88 dieses Bandes.) Born, über die Leistungen der Meyn'schen Dampfkessel. Wenn sich nun ergeben hat, daß bei den alten Kesseln ca. 25 Proc. und bei den Meyn'schen Kesseln ca. 33 1/3 Proc. Wasser mit fortgerissen werden, so entstehen damit bei der scheinbaren großen Leistungsfähigkeit der Kessel im Verdampfen ziemlich erhebliche Verluste. Bringt man z.B. das Speisewasser mit durchschnittlich 70° C. Wärme in die Kessel, und das mit fortgerissene Wasser verläßt dieselben mit 140° C., so entsteht für jedes Pfund mitfortgerissenes Wasser ein Verlust von 70 Wärmeeinheiten, was für jene Fabrik ein Verlust von ca. 2733 Pfd. Kohlen oder 7 1/2 Thlr. pro Tag repräsentirt. Will man unter normalen Verhältnissen arbeiten, so ist, wie schon früher angedeutet, der Rost am Meyn'schen Kessel zu verkürzen, so daß er auf ca. 10 Quadratfuß (0,98 Quadratmeter) beschränkt wird, wobei der gewaltige Rückstau der Hitze wesentlich vermindert würde. Nimmt man dann, so lange die Versuche noch fehlen, bis zu welchen Grenzen bei geöffnetem Mannloch die Verdampfung bei vollständiger Ausnutzung des Heizwerthes der Kohlen zu treiben ist, auch an, daß, abweichend von den normalen Verhältnissen, nach denen man 12 bis 14 Pfd. Steinkohlen pro Quadratfuß Rostfläche und Stunde (120 bis 140 Pfd. pro Quadratmeter und Stunde) rechnete, an diesen Kesseln bis 18 Pfd. (180 Pfd. pro Quadratmeter) verbrannt werden können, ohne mit erheblichem Verlust zu arbeiten, so repräsentirt der 40pferdige Meyn'sche Kessel bei ausgezeichneter Kohle von 7 Pfd. reeller Dampfleistung 1440 Pfd. Dampf pro Stunde, wenn mit kochendem Wasser gespeist wird, bei 60 Pfd. Dampf pro Pferdestärke also 24 Pferdestärken reell; für diesen Zweck mag ein Kessel in der hier vorliegenden Größe solchen Leuten, die viel Geld und wenig Platz haben und außerdem vor der complicirten Construction sich nicht fürchten, empfohlen seyn. Gehen wir nun auf die ökonomische Seite der Frage ein, so ergibt sich, daß der Meyn'sche Kessel ohne Grund und Boden, aber mit Schornstein und Baulichkeiten, für die angegebenen 40 Pferdestärken ca. 3200 Thaler kostet, während der alte Kessel incl. Mauerwerk auf höchstens 2200 Thlr. anzunehmen ist. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß die eisernen Schornsteine der Meyn'schen Kessel, wie eiserne Schornsteine überhaupt, einer raschen Abnutzung unterliegen, und verhältnißmäßig theurer sind, als die gemauerten Schornsteine, von denen die Zinsen des Anlagecapitals im Verhältniß nicht so viel betragen, als Abschreibungen, Zinsen und Reparaturen bei den eisernen Schornsteinen. Legt man noch die sehr hoch angenommene Betriebsleistung von 2000 Pfd. Dampf im Durchschnitt pro Stunde für den Meyn'schen Kessel und die mittlere von 3000 Pfd. für die alten Kessel zu Grunde, so ergibt sich zu Gunsten dieser letzteren eine Anlagecapitaldifferenz von 1000 Thlrn. und eine Productionsdifferenz pro Stunde von 1000 Pfd. Dampf; der Meyn'sche Kessel ist also 45 oder 46 Proc. theurer und liefert 33 1/3 Proc. weniger. Noch anders ausgedrückt: mit einem Anlagecapital von 2200 Thlrn. erlangt man pro Stunde eine Leistung von 3000 Pfd. Dampf bei den alten Kesseln; um mit Meyn'schen Kesseln (3200 Thlr. Anlagecapital und 2000 Pfd. stündlicher Leistung) aber 3000 Pfd. Dampf pro Stunde zu erzeugen, würde ein Anlagecapital von 4800 Thlrn. erforderlich seyn; diese Zahlen verhalten sich wie 1 zu 2,18. Die voraussichtlich größeren und kostspieligeren Reparaturen bei diesen complicirten Kunstkesseln sind hierbei noch gar nicht in Betracht gezogen. Das Zeugniß endlich, welches außer dem Techniker und Kaufmann in dieser Zuckerfabrik von den Heizern über die Meyn'schen Kessel ausgestellt wird, lautet nicht so günstig, als die Zeugnisse welche man von „Nichtheizern“ gedruckt zu lesen bekommt. Es ist recht sehr zu bedauern, daß so manches in bester Ueberzeugung und wohlmeinendster Absicht gegebene Attest gerade in dieser Specialität nur dazu beiträgt, ausschweifende Reclamen für gar nicht außergewöhnliche Leistungen zu unterstützen. Für Sach- und Fachkenner sind alle solche Atteste gänzlich werthlos, wenn sie nicht von der Ausnutzung des Heizwerthes der Kohlen sprechen. Die in den Preiscouranten der Carlshütte zu Rendsburg hervorgehobenen zahlreichen Vortheile reduciren sich hiernach in folgender Weise: 1) „die vorzügliche systematische Wassercirculation im Kessel und die dadurch ermöglichte Anbringung von besonderen Einrichtungen, fast den ganzen Kesselstein aufzufangen,“ hat sich in der betreffenden Zuckerfabrik nicht sehr bewährt, ist vielmehr als Ursache des kolossalen Mitreißens von Wasser anzusehen, welches bei den in dieser Beziehung noch schlechteren Field'schen Kesseln sogar bis auf 50 Proc. steigt; 2) „die Benutzung der selbstthätigen Eigenschaft der Molecularbewegung im Eisen, um den frisch entstandenen Kesselstein aus den Siederöhren in dünnen Plättchen abzusprengen,“ ist für alle Sorten Kesselstein schwerlich erprobt, und hat sich auch in diesem speciellen Falle nur theilweise bewährt; 3) „Beseitigung der Reparaturen durch Kesselsteinbildung“ bleibt eine von der Erfahrung erst noch zu bestätigende Behauptung; 4) „Verhinderung von Explosionen“ ist ebenfalls abzuwarten; 5) „vermehrte Verdampfung durch bessere Leitungsfähigkeit der stets reinen, von jeder Ablagerung befreiten Heizflächen“ ist auf einfachere und billigere Weise ebenso gut zu erreichen; 6) „rasches Aufsteigen des erzeugten Dampfes,“ wodurch viel Wasser aus dem Kessel vom Dampfe mit fortgerissen wird, „beschleunigter Wasserersatz und dadurch vermiedene Freilegung der Heizflächen durch eine Dampfschicht“ ist eine Vermuthung, da sich darüber von Außen keine Beobachtungen und Vergleiche anstellen lassen, „bei hohem und ruhigem Wasserstande oberhalb der Siederöhren“ ist nach Art der Anbringung des Wasserstandsrohres an einer ruhigen Wasserschicht und bei Einlegung eines Schwimmers in das Rohr gar nicht maßgebend, „wodurch Explosionen wesentlich vermieden werden,“ was vorläufig nicht recht einzusehen ist. 7) „Die vorzügliche Ausnutzung der Strahlhitze, sowie der directen, vielfach getheilten Flammenhitze durch Anwendung des Flachröhrensystemes“ ist durch einfachere Construction besser zu erreichen, ohne Rückstau nach der Ofenthür, ohne Kohlenoxydbildung und überhaupt ohne Beschränkung der Wärmeproduction, die zuerst zu berücksichtigen ist, und zwar vor der Wärmetransmission, für welche die Anwendung der dünnen Bleche allerdings sehr vortheilhaft, bei der äußerst geringen Länge der Feuerzüge aber auch sehr nothwendig ist; 8) „die Möglichkeit, den Gang des Feuers in den Zügen überall zu beobachten und darnach die Verbrennung reguliren zu können“ ist bei eingemauerten Kesseln ebenso gut durchführbar, diese Einrichtung daher auch schon vielfach in Anwendung. 9) „Die überall gleich bequeme Zugänglichkeit der Kessel für Reinigung und Reparatur von Innen und Außen, so daß selbst beschädigte Röhren leicht und rasch ersetzt werden können,“ ist jedenfalls gegen die leichte Zugänglichkeit anderer weit einfacherer Systeme eine starke Behauptung, da solche Reparaturen nur mit eingeübten Arbeitern und Specialvorrichtungen ausführbar sind. 10) „Die vorzügliche Dichtung der Röhren in den Bodenplatten mittelst hydraulischer Pressung“ ist sehr nothwendig für diese complicirte Construction; im Falle einer vorkommenden Reparatur wird man die Vorrichtung zur hydraulischen Pressung in den Fabriken aber nicht bei der Hand haben, und das unter 9) Gesagte wird sich auch hier bestätigen. Andere Kessel ohne Röhren halten auch ohne hydraulische Pressung dicht. 11) „Die Reinigung der Feuerzüge und des Schornsteines erfolgt in einigen Minuten vermittelst eines Dampfstrahles;“ dieß ist sehr nothwendig, um die ohnehin sehr engen Züge frei von Ruß und Flugasche zu erhalten und die rasche Leitungsfähigkeit nicht zu sehr zu beeinträchtigen, was bei liegenden Kesseln mit längeren Feuerzügen, wo die Wärme mehr Zeit zur Abgabe an die Kesselwandungen hat, nicht so ängstlich, wie hier, in Frage kommt. Bei rationeller Einmauerung gewöhnlicher Kessel ist die Reinigung und die Beseitigung des Rußes und der Flugasche auch leicht und bequem zu bewirken. 12) „Die einfache und dauerhafte Construction der Kessel, welche mit Sicherheit unter hohem Drucke zu arbeiten gestattet;“ Sicherheit gestatten auch andere Kesselconstructionen, und es muß dieselbe auch nach der gesetzlichen Vorschrift in genügender Weise geboten seyn. Die Construction ist nicht einfach, was man schon aus der Kesselzeichnung ersehen kann; die Dauerhaftigkeit ist von der Erfahrung noch nicht bestätigt; ich kenne gewöhnliche Kessel, welche nach 15 bis 16jährigem Gebrauche noch keiner Reparatur bedurft haben. Ob bei der sorgfältigsten Behandlung die Meyn'schen Kessel nach 15 bis 16jährigem Gebrauche das sprechende Zeugniß über die empfohlene Dauerhaftigkeit noch ablegen, mag der Zukunft anheim gegeben seyn. 13) „Die Beseitigung der so viel Raum einnehmenden und bei Explosionen so zerstörend wirkenden Kesseleinmauerung;“ der Meyn'sche sogenannte 40pferdige Kessel nimmt ca. 250 Quadratfuß (24,6 Quadratmeter) Platz für ca. 400 Quadratfuß (39,4 Quadratmeter) Heizfläche ein, und hat eine normale Leistung von circa 1500 Pfd. Dampf pro Stunde, während ein System mit Einmauerung von 800 Quadratfuß (78,8 Quadratmeter) Heizflächen und 3000 Pfd. Dampf pro Stunde normaler Leistung allerdings circa 400 Quadratfuß (39,4 Quadratmeter) erfordert, incl. Platz für den Heizer und für die Zugänge zum Kessel. Uebrigens ist, was die Zerstörungen durch Explosion betrifft, wohl als sicher anzunehmen, daß im Fall einer Explosion der Meyn'sche Kessel auch nicht, ohne Schaden anzurichten, auseinander gehen wird. 14) „Der geringe Raum, den die Kessel einnehmen,“ ist bereits bei 13) mit erledigt; der geringe Raum ist den Leistungen der Kessel gegenüber nicht einmal in wesentlicher Bedeutung vorhanden, und 15) „die Entbehrlichkeit eines gemauerten Schornsteines“ ist kein Vortheil, sondern offenbar ein Nachtheil; denn so ein eiserner Schornstein nutzt sich sehr schnell ab, ist in der Regel zu eng und zu niedrig, und die heißen Gase kühlen sich sehr schnell darin ab, so daß der Luftzug vermindert wird. In finanzieller Beziehung ist ein gemauerter Schornstein, selbstverständlich stationären Betrieb vorausgesetzt, vorzuziehen. Für Schiffe, oder wo man es des Platzes wegen thut, und für vorübergehende Zwecke mag der Meyn'sche Kessel im Stande seyn, den Werth einer gewöhnlichen, gut construirten Locomobile einzunehmen, bei der man aber dem Preise nach, bei gleicher Verdampfungsfähigkeit die Dampfmaschine noch mit dazu haben kann. Schließlich möchte ich nur darauf aufmerksam machen, daß es sehr leicht ist, sich Gewißheit über den Werth der vorhandenen Kesselanlage zu verschaffen, wenn man die geringe Mühe an einige Verdampfungsversuche wenden will. Man soll bei Dampfkesseln sich nur auf die durch Versuche festzustellenden effectiven Leistungen verlassen, nicht auf Attestsammlungen, welche häufig Kessel mit 30 Proc. Ersparniß dem Publicum anpreisen und deren Verkauf zu hohen Preisen auch zur Folge haben. Um sich vor Benachtheilungen zu schützen, hat der bestellende Industrielle nur nöthig den Nachweis über die Ausnutzung des Heizwerthes der Brennstoffe contractlich von den Lieferanten zu verlangen und nur nach dieser, ebenso wie bei Dampfmaschinen, Turbinen etc. nach der durch Bremsversuche festgestellten Leistung, zu bezahlen.