Titel: Ueber ein direct wirkendes Verfahren zur Exhaustion und zum Waschen des Leuchtgases mittelst Wasserdampfes; von William Cleland, Director der Linacre Gasanstalt.
Fundstelle: Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CXXIX., S. 448
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CXXIX. Ueber ein direct wirkendes Verfahren zur Exhaustion und zum Waschen des Leuchtgases mittelst Wasserdampfes; von William Cleland, Director der Linacre Gasanstalt. Vorgetragen in der Liverpool Polytechnic Society. – Aus dem Engineer, April 1871, S. 289. Mit Abbildungen auf Tab. VIII. Cleland, Verfahren zur Exhaustion und zum Waschen des Leuchtgases. Diese Erfindung wird als „direct wirkende Methode zur Exhaustion und zum Waschen des Leuchtgases“ aus dem Grunde bezeichnet, weil sie die Anwendung von Dampfmaschinen, von Exhaustoren und Pumpen bei diesen Operationen durch direct wirkenden Dampf zu ersetzen bezweckt. Die zur trockenen Destillation der Steinkohlen benutzten Retorten werden entweder aus feuerfestem Thon oder aus Eisen angefertigt; beide Arten werden beim Betriebe sehr bald leck und es müßten daher sehr bedeutende Gasverluste entstehen, wenn nicht Mittel zur Verhütung derselben angewendet würden. Ein solches Mittel ist die Anwendung von Exhaustoren zum Auspumpen und Ansaugen des Gases aus den Retorten. Dem rohen Gase, wie es die Retorten verläßt, sind Dämpfe von Theer, Ammoniak, Wasser etc. beigemischt. Diese werden großentheils durch bloßes Abkühlen in den Kondensatoren und in den zu diesen führenden Röhrensträngen entfernt. Die jetzt allgemein üblichen Condensatoren bestehen aus einer Reihe verticaler Röhren, wobei die Ableitungsöffnung jedes Rohres mit der Zuleitungsöffnung des nächstfolgenden in Verbindung steht, und zwar befinden sich diese Verbindungen abwechselnd am Boden und am oberen Theile, so daß das Gas die Röhren in einem ununterbrochenen auf- und abwärts gerichteten Strome durchzieht und die Condensationsflüssigkeit vom Boden jedes Rohres abfließt. Das die Condensatoren verlassende Gas enthält noch flüchtige Ammoniaksalze. Diese werden allgemein durch Waschen in den sogenannten Scrubbers entfernt. Das Gas passirt nämlich in aufsteigender Richtung cylindrische Gefäße, durch welche ununterbrochen Wasser in Form eines feinen Sprühregens vertheilt wird; dasselbe löst die Ammoniaksalze auf und führt sie mit sich; die entstehende Lösung bildet das sogen. Gas- oder Ammoniakwasser. Das Gas wird nach einander durch zwei, drei oder noch mehr dieser Scrubber geleitet, deren jeder mit seiner Pumpe und seinem Vertheilungsapparate versehen ist. Dasselbe Wasser wird in den Scrubbers mehrmals benutzt, bis es so stark mit Salzen beladen ist, daß es einen wirklichen Marktwerth hat. Nach dieser flüchtigen und unvollkommenen Skizze der bisher zur Exhaustion, zur Kondensation und zum Waschen des rohen Gases angewendeten Mittel, gehen wir nun auf die direct wirkende Methode über. Wenn ein Strahl oder Strom eines Fluidums sich durch ein anderes flüssiges Medium hindurchbewegt, so erzeugt derselbe bekanntlich in dem flüssigen Medium einen ihn selbst umgebenden Strom. Blasen wir z.B. mit dem Munde durch ein enges Rohr, welches in ein weiteres, ebenfalls beiderseits offenes Rohr hineinragt, so wird die ganze im äußeren Rohre enthaltene Luftmasse durch den im inneren Rohre mittelst Blasens hervorgerufenen Luftstrom in Bewegung gesetzt und dadurch an der unteren Mündung des äußeren Rohres ein reichliches Ausströmen, an seiner oberen Mündung aber ein Einströmen von Luft vermittelt. Diese Wirkung ist Seiteninduction benannt worden; der äußere Strom ist der inducirte Strom, das äußere Rohr das Inductionsrohr oder der Inductor, das innere Rohr der Projector oder das Projectionsrohr. Ersetzen wir das mit Luft gefüllte äußere Rohr durch ein Gasleitungsrohr von geeignetem Durchmesser, welches an seiner Ausströmungsöffnung mit dem Gasometer und an der Einströmungsmündung mit den Retorten in Verbindung steht; ersetzen wir ferner den durch Blasen mit dem Munde hervorgerufenen centralen Luftstrom oder Luftstrahl durch einen Hochdruckdampfstrahl – so haben wir sofort einen in allen wesentlichen Theilen vollständigen Gasexhaustor. Der Durchmesser oder Querschnitt des Injectionsrohres ist insofern von Wichtigkeit, als die Stärke des in diesem Rohre sich bewegenden Stromes direct proportional seiner Geschwindigkeit, und seine Geschwindigkeit umgekehrt proportional seiner Querschnittsfläche ist. Das Inductionsrohr muß so verengert werden, daß man eine Geschwindigkeit hervorzubringen vermag, welche dem höchsten vorkommenden Drucke gleich ist. Die Länge um welche das Inductionsrohr den Strahl überragt, ist gleichfalls von Wichtigkeit. Ist dasselbe zu kurz, so wird der Strom des Dampf- und Gasgemisches seitlich nicht genügend zusammengedrängt, um dem Gegendrucks den erforderlichen Widerstand darzubieten und einen Gegenstrom durch das Inductionsrohr zu verhüten. Seine Länge muß dem Maximum des Gegendruckes proportional seyn. Die Achsen des Projectors, des Inductionsrohres, und des Gasleitungsrohres in welches das letztere mündet, müssen zusammenfallen. Die Größe des Dampfstrahles oder der Mündung des Dampfprojectors hängt natürlich von der Menge des Gases, welches in einer gegebenen Zeit passiren muß, von dem Widerstande desselben und von dem Dampfdrucke im Kessel ab. In der Praxis haben sich ein Projector mit einer Oeffnung von 5/8 Zoll Durchmesser und ein cylindrisches Inductionsrohr von 3 Fuß Länge und 4 Zoll Durchmesser hinreichend erwiesen, um per Stunde 50000 Kubikfuß Gas bei einem Gegendrucke von 13 Zoll Wassersäule zu passiren und in der Hydraulik (cylindrischen Vorlage) ein continuirliches Vacuum von 2 Zoll zu unterhalten. Außer der Einfachheit dieser Exhaustions- oder Aspirationsmethode und den geringen Beschaffungskosten des erforderlichen Apparates, ergibt sich bei Anwendung derselben ein weiterer Vortheil, welchen jeder mit der Leuchtgasfabrication praktisch Vertraute sofort zu würdigen wissen wird, nämlich Stetigkeit (Konstanz) des Gasstromes. Da das Ein- und das Ausströmen continuirlich und unveränderlich ist, so ist es auch das Vacuum und ebenso der Druck. Derselbe ist nur geringer oder gar keiner Unregelmäßigkeit unterworfen, mit Ausnahme der von der Dampfspeisung herrührenden, und diese Unregelmäßigkeit läßt sich bei keiner Exhaustionsmethode vermeiden. Um den Vortheil der Stetigkeit des Gasstromes recht augenscheinlich zu machen, muß ich die Einrichtung und Wirkungsweise der Hydraulik besprechen. Dieselbe besteht in einem horizontal liegenden weiten Gasleitungsrohre, welches etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllt erhalten wird. Die Röhren, welche das Gas aus den Retorten herleiten, sind mit der oberen Seite dieses Rohres so in Verbindung gesetzt, daß ihre Mündungen etwa drei Zoll tief in das Wasser tauchen. Das Gas tritt durch dieses Wasser und streicht über dasselbe hinweg in das zu den Condensatoren führende Rohr. In der Hydraulik wird ein Vacuum von 1 bis 1 1/2 Zoll unterhalten, welches den Druck des Wassers um ein Drittel oder die Hälfte reducirt. Der übrig bleibende Druck wird in Reserve gehalten, um die Gefahr einer zufälligen Unregelmäßigkeit im Vacuum oder im Wasserstande der Hydraulik zu decken; denn wenn beim Offenstehen der Retorten das Vacuum ein übermäßiges wird, so kann leicht atmosphärische Luft eingesogen werden. Nehmen wir nun an, das Vacuum sey constant und die Hydraulik liege waagrecht, wie es seyn soll, so könnten wir die Retorten mit Sicherheit beinahe des ganzen Druckes entledigen, welcher durch jene 3 Zoll Eintauchens der Röhren in das Wasser hervorgebracht wird. Da aber das Vacuum ein schwankendes ist, so sind wir genöthigt, mit einem niedrigeren durchschnittlichen Vacuum zu arbeiten, also mit erhöhtem Drucke in den Retorten, größerer Gefahr des Leckens und geringerer Dauer der Apparate. Figur 3 zeigt den direct wirkenden Exhaustor im Längendurchschnitt. h ist der mit dem regulirenden Absperrventil i versehene centrale Dampfinjector; j ist das Inductionsrohr; k, k sind Theile des Gasleitungsrohres. Die Zuführung des Dampfes wird durch einen selbstthätigen Wasserregulator (Fig. 5) regulirt, welcher nach demselben Principe construirt ist, wie die bei den gewöhnlichen Exhaustoren gebräuchlichen. Die Bewegung des Balancier y, Fig. 5, wird durch die mit Gegengewicht versehene Kette und Stange z übertragen, welche mit einem an der Spindel des Regulirventiles i angebrachten Rade oder Hebel verbunden ist; da diese Spindel mit einer Schraube und Mutter von starker Steigung versehen ist, so öffnet und schließt sie mit dem Steigen und Sinken des Regulators das Ventil rasch. Bei dem direct wirkenden oder Dampfstrahlexhaustor haben wir keine. Maschinerie zu überwachen; da die bewegende Kraft einfach ein direct auf das Gas wirkender Dampfstrahl ist, ferner der Dampfregulator unmittelbar auf diesen Dampfstrahl wirkt, so wird durch den Regulator das Steigen und Sinken des Vacuums augenblicklich bewerkstelligt und jeder eintretenden Unregelmäßigkeit sofort Einhalt gethan. Ein fernerer Vorzug dieses Exhaustors ist die Leichtigkeit womit er sich (durch den Dampfregulator) einer großen oder kleinen Gasproduction anpassen läßt. Sollte die Gaserzeugung die volle Capacität des Dampfinjectors oder des Inductionsrohres überschreiten, so können zwei oder mehrere Extradampfstrahle angewandt werden, wie in Fig. 4 gezeigt ist. Hier werden drei Dampfstrahle zur Exhaustion des Gases aus derselben Quelle und zum Fortbewegen desselben durch dieselbe Ausströmungsöffnung benutzt. s, s, s sind die Dampfinjectoren mit ihren Regulir- und Absperrventilen; t, t, t sind die Inductionsrohre mit trichterförmigen Mundstücken; u ist das Einströmungs- und V das Ausströmungsrohr. Jedes Inductionsrohr ist mit einem Schieberventil versehen. Auf diese Weise bildet jeder Strahl mit seinem Inductionsrohr einen besonderen, vollständigen und unabhängigen Exhaustor, welcher sowohl für sich allein, als auch in Verbindung mit den anderen benutzt werden kann, indem mittelst desselben Dampfregulators sämmtliche Strahle gleichzeitig regulirt werden können. Der Dampf wird, nachdem er zur Exhaustion verwendet worden, durch Condensation abgeschieden und gleichzeitig zum Waschen des Gases benutzt, d.h. er hat die Arbeit des Wassers in den Scrubbers zu verrichten. Nach der allgemein verbreiteten Ansicht wird die reinigende Wirkung des Wassers durch „Scrubben,“ d.h. durch die Reibung zwischen der Flüssigkeit und dem Gase, sehr verstärkt. Man sucht daher die Reibung dadurch zu vermehren, daß man das Gas in den Scrubbers aufsteigen und das Wasser, dem Gase entgegen, hinabziehen läßt. Die reinigende Wirkung des Wassers wird aber offenbar hauptsächlich durch das Lösungsvermögen desselben bedingt und die Operation ist daher im Wesentlichen chemischer, nicht mechanischer Natur. Betrachten wir dieselbe als einen chemischen Proceß, so ist als Hauptbedingung zu berücksichtigen: möglichst inniger Contact zwischen Wasser und Gas; denn sogar das Vermischen ist nur insofern von Nutzen, als dadurch eine möglichst innige gegenseitige Berührung bewirkt wird. Zahlreiche Beobachtungen, auf welche ich hier nicht näher eingehen kann, führen zu dem Schlusse, daß die Sache sich wirklich so verhält und machen den Nutzen der Reibung mehr als zweifelhaft. Das aus dem Dampfe condensirte Wasser nimmt Ammoniaksalze auf und bildet das Gaswasser (Ammoniakwasser). Um diese Flüssigkeit auf einen verwerthbaren Gehalt zu bringen, hat man nur nöthig, ihren Lauf zu verzögern, sie in dünner Schicht über eine große Fläche zu verbreiten und so lange mit dem Gase in Berührung zu lassen, daß sie die gehörige Menge von Salzen aufzulösen vermag. Dieß läßt sich auf einfache und billige Weise mittelst des in Fig. 6 dargestellten Apparates bewerkstelligen, welchen ich „selbstthätigen Wassercondensator“ nenne. Zur Construction dieses Apparates kann man ebenso gut Gußeisen wie Eisenblech anwenden. Letzteres Material gewährt stärkeres Condensationsvermögen, größere innere Capacität in demselben Raume, und gestattet den Apparat wegen seines verhältnißmäßig geringen Gewichtes an einem erhöhten und luftigen Platze auszustellen. a ist das Einströmungsrohr, welches zu dem Behälter b, b führt; es ist gut, dasselbe mit einem Luftmantel oder einer sonstigen zweckmäßigen Umhüllung zu versehen, damit das Gemisch von Wasserdampf und Leuchtgas sich erst condensiren kann, wenn es in die verticalen Röhren c' tritt, so daß ein gleichmäßiges Fließen der condensirten Flüssigkeit durch diese Röhren gesichert wird. e' ist der Behälter, welcher die condensirte Flüssigkeit aufnimmt; f ist das Gasausströmungsrohr und g' der Syphon für den Abfluß der Flüssigkeit. Eine größere Anzahl derartiger verticaler Röhren von verhältnißmäßig geringem Durchmesser, aber beträchtlicher Länge, ist einer geringeren Anzahl von größerem Durchmesser, wie sie bei Gascondensatoren allgemein gebräuchlich sind, weit vorzuziehen. Die Summe der Querschnittflächen dieser Röhren ist weit größer, als die Querschnittfläche des Einströmungs- oder des Ausflußrohres. Auf diese Weise wird das Gas, anstatt durch diese Röhren rasch in einem langen continuirlichen Strom zu ziehen, und mit dem condensirten Wasser sofort nach dessen Verdichtung abzufließen, wie es bei den gewöhnlichen Gascondensatoren mit verticalen Rohren der Fall ist, in eine Anzahl von sich langsam abwärts bewegenden Strömen zertheilt. Dadurch erhält das erkaltende Gas Zeit, in durch Temperaturunterschiede erzeugten Strömen zu circuliren, so daß es mit der abkühlenden und waschenden Oberfläche vollständig in Berührung kommt, während es sich im oberen Theile der Röhren befindet. Hauptsächlich in diesen Theilen condensirt sich die Flüssigkeit, doch nicht in zu reichlichem Maaße; da sie an der inneren Fläche langsam niederrinnt, während die circulirenden Ströme in Folge der Aenderungen der Temperatur und des specifischen Gewichtes noch fortdauern, so hat sie genügend Zeit, auf die Ammoniaksalze ihr Lösungsvermögen auszuüben und den erforderlichen Concentrationsgrad zu erreichen, bevor sie in ihren unteren Behälter gelangt. Die Condensation wird auch dadurch befördert, daß man das Gas in der entgegengesetzten Richtung von derjenigen der an der Außenfläche emporsteigenden Luftströme sich bewegen läßt. Auch Röhren von größerem Querschnitte lassen sich mit großem Vortheile anwenden, wenn sie mit einem leichten und lockeren Material, wie Laubzweigen, Besenginster oder Hobelspänen gefüllt werden, um das Gas noch feiner zu zertheilen und demselben eine größere, von condensirter Flüssigkeit befeuchtete Oberfläche zum Waschen darzubieten. Auf diese Weise wird der Apparat zu einer Batterie von selbstthätigen Condensationsscrubbers, welche ein hochgradiges Ammoniakwasser (ohne Hülfe von Pumpen, Vertheilungsapparaten und anderen maschinellen Vorrichtungen) zu liefern vermögen. Ich will noch bemerken, daß derartige Condensatoren dem Durchgange des Gases einen im Verhältnis ihres Condensationsvermögens sehr geringen Widerstand darbieten. Die Ammoniakverbindungen welche im Gase nach seinem Durchgange durch den Dampfcondensator noch zurückbleiben, können in den Reinigungsgefäßen mittelst Eisenoxyd, Eisenvitriol etc. entfernt werden. Sollte es jedoch wünschenswerth seyn, diese Verunreinigungen durch weiteres Waschen zu beseitigen, so kann diese Aufgabe durch Anwendung eines (oder mehrerer) besonderen, mit frischem Dampfe gespeisten Condensationsscrubber gelöst werden. Sollte die aus dem letzten Dampfscrubber ablaufende Flüssigkeit zu schwach seyn, um sie in die allgemeine Ammoniakwassercisterne ablassen zu können, so kann man sie zusammen mit dem Gase durch den ersten Condensationsscrubber treten lassen, um sie mit Ammoniak anzureichern. Der Dampfstrahlexhaustor läßt sich mit geringen Kosten in jeder Gasanstalt einführen, wo die gewöhnlichen Scrubbers und Kondensatoren im Gebrauche sind, vorausgesetzt daß sie für den Dampf noch genügendes Condensationsvermögen darbieten. Fig. 7 versinnlicht wie der Dampfstrahl in das zwei Batterien von Gascondensatoren verbindende Rohr oder in eine der verticalen Röhren (etwa die mittlere) einer derartigen Batterie geleitet wird; die zweite Batterie oder die zweite Hälfte wird in diesem Falle ein Dampfcondensator; den schwächeren Antheil der condensirten Flüssigkeit läßt man dann in die Scrubbercisternen ablaufen, um ihn auf den erforderlichen Sättigungsgrad zu bringen.