Titel: Die Anwendung des Natriums; von Ferd. Springmühl.
Autor: Ferdinand Springmühl
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XVIII., S. 54
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XVIII. Die Anwendung des Natriums; von Ferd. Springmühl. Mit Abbildungen. Springmühl, über Anwendung des Natriums. Der so bedeutend gesunkene Preis des Natriums hat demselben den Weg zur praktischen Verwendung eröffnet. Nicht überall jedoch konnten die in dieser Hinsicht angestellten Versuche mit Erfolg belohnt werden, ja man kann sagen, daß das Natrium außer zur Reduction der Metalloxyde und zur Reindarstellung einzelner Metalle fast gar keine Verwendung gefunden hat. In großer Menge wird es jedoch zu dem genannten Zwecke, besonders zur Magnesium- und Aluminiumfabrication gebraucht, wie denn auch die meisten unserer seltenen Metalle durch Natrium erhalten werden. Der Proceß ist bekannt, bemerkenswerth ist nur noch die in jüngster Zeit von E. Girard und Poulaine (Bulletin de la Société chimique, 2. sér., t. XIII p. 492) vorgeschlagene Reinigung des Eisens durch Natrium und Kalium, welche in der That gute Resultate gibt. Die Dämpfe der Alkalimetalle, aus eisernen Retorten entwickelt, werden durch das geschmolzene Eisen geleitet; es bildet sich eine harte Legirung, welche durch einen hindurchgeleiteten Luftstrom in ihre Bestandtheile zerfällt. Bei Versuchen, welche ich im Kleinen im hessischen Tiegel und durch directes Hinzufügen des Natriums zu der geschmolzenen Eisenmasse anstellte, erhielt ich nach dem Auslaugen mit Wasser ein sehr reines und weiches Eisen, welches, neuerdings geschmolzen, auch seine Porosität verlor. Im Großen ist das Verfahren, so viel ich erfahren konnte, noch nicht angewandt. Auf die Verwendung des Natriums zu Zündzwecken, machte Prof. Fleck (polytechn. Journal, 1868, Bd. CXC S. 306) zuerst aufmerksam. Durch interessante Versuche zeigte er die Verwendbarkeit des Metalles zu Zündern, Knallbonbons, Amorces etc. Niemals jedoch wird das Natrium in der genannten Art eine praktische Verwendung finden können, wo es nicht von der Luft vollständig abgeschlossen aufbewahrt werden kann. Der einzige Luftabschluß für das so leicht oxydirbare Metall ist Glas und auf eine vollständige Einschließung durch dieses müssen die Bestrebungen stets gerichtet seyn, da Kautschuk, Lack, Paraffin etc. ihre Dienste immer versagen. In erster Reihe darf hier die Brauchbarkeit des Metalles zu Sprengzwecken angeführt werden, da die dazu verwendete gläserne Patrone erst beim Gebrauche geöffnet wird und ein Verderben des Natriums durch noch so langes Liegen nicht zu befürchten ist. Das Natrium entwickelt bei hinlänglicher Vertheilung so plötzlich und in solcher Menge Wasserstoffgas, daß die momentane Gasentwickelung zu jeglichen Sprengzwecken benutzt werden kann, wenn das Metall genügend zerkleinert und vor dem Gebrauche gegen Luft gut geschützt ist. Sowohl bei Bohrlöchern, welche feucht, oder mit fremden Gasen, die vor der Explosion des Sprengmittels durch den Zünder explodiren können, gefüllt sind, als auch besonders bei Sprengarbeiten unter Wasser ist das Natrium zu empfehlen, während bei Sprengungen in trockenen Bohrlöchern über Wasser andere Sprengmittel vorzuziehen sind. Textabbildung Bd. 201, S. 55 Ich wandte versuchsweise folgendermaßen construirte Patronen an, die meinen Erwartungen vollkommen entsprachen. Zwei, durch eine verhältnißmäßig starke Glasröhre verbundene Glaskugeln enthalten, die eine in kleine Stückchen zerschnittenes Natrium, die andere Wasser. Die Verbindungsröhre ist vorher mit einem geschmolzenen Salze ausgegossen, trennt also die beiden Kugeln vollständig von einander. Vor dem Gebrauche ist die Wasserkugel nach unten gerichtet, so daß kein Tropfen die Salzschicht berührt. Die Natriumkugel wird, bevor die an derselben befindliche Spitze zugeschmolzen wird, erhitzt, so daß sie einen luftverdünnten Raum umschließt. Die für das Wasser bestimmte Kugel hat ebenfalls eine Spitze, durch welche erst beim Gebrauche nach vorhergegangenem Erhitzen Wasser eingesogen wurde. Auf diese Weise wird auch der Transport solcher Patronen ohne Gefahr der Explosion möglich. Wird die Patrone umgekehrt mit der Wasserkugel nach oben in das Bohrloch gesenkt, so löst das Wasser die Salzschicht und stürzt nach Auflösung derselben in den luftverdünnten Raum der Natriumkugel, wodurch die Explosion erfolgt. Die Zeit, welche bis zur Detonation verstreicht, läßt sich aus der Länge der Salzschicht genau berechnen. Die Glaspatronen kann man leicht ganz mit einer Schicht galvanoplastischen Kupfers überziehen und ihnen große Festigkeit geben. Die Patronen versagten mir bei allen Versuchen niemals und übten bei geringer Menge angewendeten Natriums sehr kräftige Wirkungen aus. Textabbildung Bd. 201, S. 56 Bei Sprengungen unter Wasser genügen einfachere Patronen, indem man oft die Wasserkugel fehlen lassen kann. Der Endtheil eines dicken Glasrohres wurde mit einem geschmolzenen Salze gefüllt, in eine Spitze ausgezogen und zugeschmolzen. Oberhalb der Salzschicht wurde das Rohr erweitert, das Metall fein zerschnitten hineingefüllt, auch die andere Seite in eine Spitze ausgezogen und zugeschmolzen. Beim Gebrauche bricht man die Spitze an der Salzschicht ab und bringt die Patrone an ihren Bestimmungsort unter Wasser, worauf nach Lösung der Salzschicht, wie im ersten Falle die Explosion erfolgt. Textabbildung Bd. 201, S. 56 Beim Eissprengen, welches zur Vermeidung großer Verwüstungen an allen großen Flüssen fast alljährlich nothwendig ist, leisteten derartige Patronen bei mehrfachen Versuchen sehr gute Dienste; die Patrone wurde durch ein Bohrloch im Eise etwas zur Seite geschoben und die Explosion erfolgte ohne Knall stets zur berechneten Zeit. Mehr erreicht man noch durch folgenden Apparat, welcher jedoch sehr zerbrechlich ist. Eine dicke Glasröhre enthält 4–5 Röhren-Ansätze, welche mit dem Salze gefüllt werden. Das Hauptrohr enthält das Metall und ist an beiden Enden zugeschmolzen. Bei der Berührung mit Wasser dringt dasselbe nach Auflösung des Salzes durch alle Röhrenansätze, und wirkt somit auf eine große Menge Natrium zu gleicher Zeit. Diese Apparate erwiesen sich jedoch nicht als praktisch. Bei der Anwendung von Natriumzündern, um andere Sprengmittel zum Explodiren zu bringen, welche schon Prof. Fleck erwähnte, ist ein Versagen zu befürchten, wenn das Metall mit dem Sprengmittel längere Zeit in Berührung gewesen ist; es ist daher zu empfehlen, die Zünder in Glasröhren eingeschlossen, separat aufzubewahren. Die Natriummenge muß bei Zündern sehr gering seyn, da sonst eine Explosion des Zünders eintritt, ohne die der Patrone zu veranlassen. Auch Natriumamalgam läßt sich als Zündperle gebrauchen. Zu Kriegszwecken liegt die Verwendung des Metalles auf der Hand. Explosive Ballons, mit einer Glasspitze versehen, werden beim Abbrechen derselben durch darüber fahrende Schiffe in Folge des eindringenden Wassers detoniren und als selbstthätige Torpedos wirken. Der Nutzeffect des Natriums läßt sich leicht berechnen. Um 9 Gewichtstheile Wasser zu zersetzen, sind 23 Gewichtstheile Natrium erforderlich, und das Verbrennungsproduct besteht aus 31 Gewth. Natron und 1 Gewth. Wasserstoff. — Hat man z. B. 46 Gramme Natrium angewendet, so entwickeln diese mit 18 Grammen Wasser 2 Gramme Wasserstoff, welcher ein Volum von 22471,9 Kubikcentimetern einnimmt. Die verbrauchten 46 Gramme Natrium nehmen nur einen Raum von 44,7 K. C. ein, so daß also, wenn der Inhalt der explodirenden Kugel 50 K. C. beträgt, dieser um das 450fache vermehrt wird, daher auf die Wandungen der Kugel einen Druck von 450 Atmosphären, oder 6799½ Pfund auf den Quadratzoll ausübt. Die ungemein schnelle Oxydation des Natriums durch die Luft macht dasselbe, wie schon erwähnt, zu Zündhölzern und allen Zündwaaren, abgesehen von einigen Spielereien, unbrauchbar, besonders aber dann, wenn man, wie Fleck angab, andere Substanzen zumischt und es können sich daher auch Fleck's Versuche auf nur kurze Zeit nach Anfertigung des Präparates erstreckt haben. Das Zündgemisch erleidet eine doppelte Zersetzung, welche unvermeidlich ist, nämlich: 1) durch die Luft und besonders den Wassergehalt derselben, da ein Kautschuküberzug, wie jedes andere Schutzmittel keinen vollkommenen Schutz gewährt; 2) durch die eigene Masse. Die Zersetzung erfolgt auf Kosten des Schwefels im angewandten Schwefelantimon, der Salpetersäure im Salpeter, ja selbst der Kautschuk des Ueberzuges ist, wie ich mich überzeugte, der Zersetzung unterworfen. Wenn auch langsam, so schritt die Zersetzung doch unaufhaltsam vorwärts und bei mehreren Versuchen zündete nach drei Wochen kein Zündpräparat mehr, ja es war keine Spur metallisches Natrium mehr vorhanden. Bei der Anwendung zu Zündrequisiten treten noch mehrere andere Umstände, wie der hohe Preis, die Feuergefährlichkeit, die zur Zündung erforderlichen Apparate etc. hindernd in den Weg, so daß der Phosphor keinen Nebenbuhler im Natrium zu fürchten hat. Wichtig ist die Anwendung des Natriums zur Darstellung reinen Aetznatrons, wie auch zur Extraction des Goldes in Form von Natriumamalgam. Der Erfahrung muß anheim gestellt werden, ob das Natrium als Sprengmittel Wichtigkeit erlangen wird.