Titel: Ueber einige Anwendungen des Schwefelkohlenstoffes; von H. Haedicke, Marine-Ingenieur in Kiel.
Autor: H. Haedicke
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. CX., S. 427
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CX. Ueber einige Anwendungen des Schwefelkohlenstoffes; von H. Haedicke, Marine-Ingenieur in Kiel. Mit Abbildungen auf Tab. IX. Haedicke, über einige Anwendungen des Schwefelkohlenstoffes. Der Schwefelkohlenstoff (CS2), eine helle, flüchtige, knoblauchartig riechende Flüssigkeit vom specifischen Gewicht 1,27 hat unter anderen zwei Eigenschaften, welche ihn vor vielen anderen Fllüssigkeiten wesentlich auszeichnen: er verdampft sehr leicht, bildet schon bei 47° C. Dämpfe von der Spannung einer Atmosphäre und besitzt eine intensive Auflösungskraft für Fette. Die erstgenannte Eigenschaft wurde schon vor circa 20 Jahren benutzt um eine Maschine zu treiben. Der Gedanke, anstatt 100° nur 47° zur Erzeugung einer Spannung von einer Atmosphäre zu brauchen, lag der Folgerung zu nahe, daß dieß zu einer motorischen Verwendung günstig sey, als daß er nicht hätte ausgeführt werden sollen. Es geschah dieß mit bedeutenden Erwartungen über den großen damit zu erzielenden Vortheil im Betreff der Brennmaterial-Ersparniß. — Die Uebelstände dieser Anwendung sowie die Gründe für eine beträchtliche Reduction jener Erwartungen, sind jedoch ebenfalls bei Zeiten an das Licht gezogen worden. Abgesehen von den durch Undichtheiten entstandenen Verlusten, welche bei dem verhältnißmäßig kostbaren Material nicht unerheblich seyn dürften, hat der Schwefelkohlenstoff noch die unangenehme Eigenschaft einer ungemein leichten Entzündlichkeit, so daß er bei den an einer Maschine nur schwer zu vermeidenden Undichtheiten als außerordentlich feuergefährlich zu betrachten ist.Trotzdem will der Verfasser die vortheilhafte Verwendung des Schwefelkohlenstoffes zur Triebkraft unter gewissen Verhältnissen und bei zweckentsprechender Construction nicht in Abrede stellen. Es ist hierüber, sowie über andere Eigenschaften bereits in früheren Jahrgängen dieses Journals (u. A. im Jahrgang 1858, Bd. CXLVIII S. 268) berichtet worden. Gleichzeitig ist auch der ferneren wichtigen Eigenschaft desselben, der Auflösungskraft für Fette, gedacht worden (man s. Jahrg. 1857, Bd. CXLVI S. 433), und ein Verfahren angegeben, welches diese zur Extraction von Wolle, Knochen, ölhaltigen Samen etc. benutzen läßt. Dieses letztere hat in der Neuzeit eine bedeutende Vervollständigung erfahren, und sind es besonders C. O. Heyl und Dr. Braun in Berlin, welche diese Methode zu einer großen Vervollkommnung gebracht haben. Wenn auch die Fabrication des Rüböles auf directem Wege der Extraction nicht mit dem älteren Verfahren des Pressens trotz der bedeutend größeren Extractivkraft des ersteren concurriren konnte, so ist doch unter der intelligenten Leitung der genannten Fabrikanten die Verwendung des Schwefelkohlenstoffes zur Extraction anderer Samen — Palmkerne — sowie von Putzwolle, Lappen etc. zu einer großen Bedeutung gelangt, und die Verbreitung welche dieselbe auch bereits in anderen Ländern — England, Ostindien — gefunden hat, dürfte als bester Beweis hierfür anzusehen seyn. Die mangelhafte Auspressung des Rübsensamens vermittelst der hydraulischen Pressen — über die neueren, vollkommeneren derselben sehe man das Handbuch der chemischen Technologie von Bolley — auch der Keilpressen und Kurbelpressen (Bessemer und Heywood in London), welche selbst bei viermaligem Schlagen immer noch 6 Procent, gewöhnlich aber 10, sogar 15 Proc. Oel zurückläßt, da sich die Kosten des öfteren Schlagens nicht rentiren, hat schon seit längerer Zeit auf die Anwendung des Schwefelkohlenstoffes zur secundären Extraction des schon gepreßten Samens (Oelkuchen) geführt, und ist der Vorschlag dazu s. Z. von Seyffert und Deiß ausgegangen. Einige Angaben hierüber findet man in Muspratt's Chemie (Artikel „Fette“). Es wird hiernach der ölhaltige Same durch Schwefelkohlenstoff ausgelaugt, und letzterer, mit Oel beladen, abdestillirt. Um den Samen selbst von Schwefelkohlenstoff zu befreien, wird Wasser von oben in die betreffenden Gefäße eingelassen, und soll so der Extractstoff von oben nach unten verdrängt werden. Diese Methode hat jedoch für Oelkuchen einen wohl nur schwer zu überwindenden Nachtheil, welcher allerdings bei Wolle etc. fortfällt. Ist der Same in der vorhergehenden Presse oder den Steinen einigermaßen gequetscht worden, so bildet er bei dem nachherigen Durchlassen des Wassers in Folge seines bedeutenden Stärkegehaltes einen Brei, der das vollständige Austreiben des Schwefelkohlenstoffes mindestens sehr erschwert, und jedenfalls Verluste des letzteren, sowie auch betreffs der Schmackhaftigkeit des Rückstandes, welcher als Viehfutter verwerthet wird — und diese Verwerthung muß sehr in den Vordergrund gestellt werden — Nachtheile mit sich bringt. Wie diese Schwierigkeiten und Nachtheile bei Anwendung von Wasser zum Verdrängen des Schwefelkohlenstoffes überwunden werden, ist dem Verfasser unbekannt, da derselbe nicht Gelegenheit gehabt hat, diese Art der Fabrication näher kennen zu lernen. Sie haben ihn jedoch dazu gebracht, einen anderen Weg einzuschlagen, welcher recht gute Resultate gibt. Derselbe besteht im Princip darin, den Schwefelkohlenstoff aus dem Samen durch Wärme und Dampf zu verdrängen. Diese bereits im Jahre 1869 auf experimentellem Wege — das jedesmal extrahirte Quantum des Samens betrug 25 Pfund — bewährt gefundene Methode ist die folgende : Der zu einem gröblichen Pulver zerstoßene Oelkuchen wird in ein gußeisernes, mit einem Dampfmantel versehenes Gefäß A, Fig. 6, geschüttet. Dasselbe enthält einen doppelten Boden, welcher durch eine Art Rost mit Tuchbedeckung abgegrenzt ist. Aus dem hochgelegenen Reservoir B wird der Schwefelkohlenstoff von unten her durch das Rohr a, b eingelassen, so lange bis an einer am Abflußrohr angebrachten Glasröhre c die Füllung beobachtet werden kann. Nachdem der Oelkuchen eine Viertelstunde der Extraction ausgesetzt worden ist, wird aus dem Reservoir B frischer Schwefelkohlenstoff nachgelassen, und so der mit Oel gesättigte nach oben hin verdrängt. Dieß geschieht so lange, bis man an der Färbung der die Glasröhre passirenden Flüssigkeit erkennen kann, daß die Extraction genügend vor sich gegangen ist. Diese Operation wird sehr langsam bewerkstelligt, nach Maaßgabe der Verdampfung welcher der ölhaltige Schwefelkohlenstoff in dem nächstfolgenden Behälter C ausgesetzt wird. Derselbe ist ebenfalls mit einem Dampfmantel versehen und enthält eine Anzahl von convexen Tellern und concaven Ringen (Fig. 7 und 8), welche mit spiralförmigen Streifen von Weißblech versehen sind. Es muß sonach die durch den Deckel vermittelst des Rohres c, d eingeleitete und auf den obersten Teller tropfende Flüssigkeit von der Mitte nach Außen einen spiralförmigen Weg durchlaufen, und wird so auf den Rand des obersten Ringtellers geführt. Von diesem gelangt sie auf einem ähnlichen Spiralwege zur Mitte des folgenden Tellers u. s. w., hat also, bevor sie den Boden des Gefäßes erreicht, einen bedeutenden Weg zu durchlaufen. Durch eine vermittelst des Dampfrohres e, f, g und des Dampfmantels hervorgebrachte entsprechende Erwärmung wird die Flüssigkeit auf diesem Wege von dem Schwefelkohlenstoff befreit und langt als mehr oder weniger reines Oel unten an. Durch einen nochmaligen Weg dieser Art in einem zweiten Gefäß und nachheriges Filtriren etc. ist man im Stande, ein brauchbares Product zu erhalten. Der auf diese Weise abgetriebene Schwefelkohlenstoff gelangt durch das Rohr h, i in den Condensator. — Hat man den ölhaltigen und abtreibwerthen Schwefelkohlenstoff aus dem Cylinder A entfernt, so stellt man die Verbindung zwischen diesem und dem Reservoir B ab, öffnet den kleinen oben angebrachten Hahn k und zu gleicher Zeit den am Ablaßrohr befindlichen Hahn l, und läßt so allen nicht mechanisch zurückgehaltenen Schwefelkohlenstoff zur Rückfüllung in das Reservoir ab. Es handelt sich nun darum, den letztgenannten Theil der Extractflüssigkeit zu entfernen, was eigentlich den wichtigsten Theil der Operation bildet. Man läßt langsam Dampf in den Mantel des Füllcylinders (A) und erwärmt so die ganze Masse mit dem darin enthaltenen Schwefelkohlenstoff nach Maaßgabe des Luft-Manometers, welches sich auf dem Deckel des Cylinders befindet. Hierdurch wird der allergrößte Theil des noch in dem Samen enthaltenen Schwefelkohlenstoffes vertrieben, welcher durch das Rohr c, d, h, i nach dem Condensator (nach entsprechender Stellung der Hähne d und h) gelangt. Läßt der Druck nach, so gibt man endlich von unten directen Dampf, welcher alsbald die ganze Masse durchdringt und die letzten Spuren des Schwefelkohlenstoffes mit sich nimmt. Man beobachtet dieß sowohl am Manometer, als auch namentlich an der Temperatur des Abzugrohres c, i. Es muß diese während der ganzen Operation eine gut handwarme seyn, während sie sich zu Ende derselben bis zur Dampfhitze steigert. Ist dieser Moment eingetreten, so überzeugt man sich durch Oeffnen des Hähnchens k vermittelst des Geruches noch einmal von der Reinheit des Dampfes, stellt den Hahn bei c ab und bläst nun mittelst des Hähnchens k kräftig durch. Nach einiger Zeit kann man den Deckel abnehmen, und den nunmehr fest zusammenbackenden Kuchen, z. Th. noch mit Hülfe des nachpressenden Dampfes, herausnehmen. Derselbe gewinnt mit dem Abkühlen an Härte, indem die durch den Dampf aufgequollene Stärke als Klebstoff wirkt, und gibt ein wohlschmeckendes und vom Vieh gern und ohne Widerstreben angenommenes Futter. Der mehrmals genannte Condensator bestand bei den letzten Versuchen in einem Kübel D, welcher vermittelst eines in der Nähe befindlichen hochgelegenen Bassin's von unten her gefüllt und von oben her abgelassen werden konnte, so daß eine fortwährende von unten nach oben gehende Circulation um die Kühlschlange erhalten wurde. Der condensirte Schwefelkohlenstoff strömte frei aus dem Ende der Schlange heraus, und sammelte sich auf dem Boden des Gefäßes an, von wo er vermittelst eines einfachen Hebers behufs weiterer Verwendung abgelassen werden konnte. Der soeben beschriebene Versuchsapparat müßte natürlich, wenn auch im Princip festgehalten, für eine fabrikmäßige Darstellung gänzlich geändert werden. Besonders würde eine absolut bequeme Verschlußvorrichtung der Füllcylinder anzubringen und die Einrichtung zu treffen seyn, daß der schon ölbeladene Schwefelkohlenstoff des einen Cylinders noch in einen zweiten geleitet werden könne, um eine möglichst hohe Abtreibwürdigkeit zu erlangen. Außerdem muß die zum Abführen der Schwefelkohlenstoffdämpfe dienende Leitung mit einem entsprechend zu construirenden Luftventil versehen werden, um die sonst ungemein leicht auftretende Luftleere zu vermeiden etc. Eine Anlage wie die soeben beschriebene, würde selbstverständlich nur da rentabel seyn, wo zunächst eine sichere, continuirliche Bezugsquelle genügend ölhaltiger Kuchen, und vor allen Dingen eine dauernde, sichere Abnahme der entölten Kuchen in Aussicht steht. Ob sich irgendwo Verhältnisse finden, welche diese Bedingungen erfüllen, mag dahin gestellt seyn. Thatsache aber ist, daß die Methode einen wohlschmeckenden Kuchen nebst entsprechendem Oelertrag liefert. — Die Nahrhaftigkeit des Kuchens darf wohl kaum angezweifelt werden. Denn der Oekonom erhält in dem ihm gelieferten Centner des entölten Productes anstatt des entzogenen Oeles ein gleiches Gewicht des Kuchens selbst, welcher zu einem gar nicht unbeträchtlichen Theil aus Stärke besteht; und die Erfahrung müßte lehren, ob der etwa durch Extraction des Oeles entstandene Verlust nicht aufgewogen wird durch die Schmackhaftigkeit des Productes und die Bereitwilligkeit mit welcher das Vieh dasselbe annimmt, abgesehen von dem scharfen Geschmack, den die Fütterung mit Oelkuchen nach dem Urtheil vieler Landwirthe der Milch ertheilt. Selbstverständlich läßt sich der genannte Apparat ebenso gut zur Extraction von Putzwolle sowie überhaupt aller solcher ölhaltiger Stoffe verwenden, welche mit Schwefelkohlenstoff ausgelaugt und ohne Schaden der Einwirkung von Wasserdämpfen ausgesetzt werden können. Anmerkung. Nach Einsendung dieses Referates an die Redaction dieses Journals erschien in diesem Bande S. 165 (zweites Juliheft 1871) ein Aufsatz des Hrn. Dr. Herm. Vohl in Cöln nebst der Beschreibung eines Apparates zur Extraction mittelst Canadols. Die darin enthaltenen Bemerkungen führten den Referenten auf die schon früher über dieses Thema erschienenen Artikel, welche sich ihm in Folge einer mehrjährigen Reise in das Ausland entzogen hatten. Es ergibt sich daraus, daß das oben angegebene Verfahren nur wenig Neues voraus hat, vielmehr mit dem in Bd. CLXXXI S. 237 dieses Journals veröffentlichten Verfahren des Hrn. C. O. Heyl in Moabit bei Berlin im Wesentlichen übereinstimmt. Trotzdem hofft der Referent, daß die angegebene Specification für Manchen von Interesse seyn wird, um so mehr, als dieselbe die allerdings nicht seltene Erscheinung zeigt, wie von verschiedenen Seiten verfolgte Wege zum selben Ziele führen. — Ohne auf die Frage: ob Schwefelkohlenstoff, ob Canadol, näher einzugehen, möge in dieser Beziehung auf die hierüber bereits veröffentlichten Arbeiten und Erfahrungen (man s. dieses Journal Bd. CLXXXI S. 237; Bd. CLXXXII S. 319; Bd. CLXXXIII S. 254; Bd. CLXXXIV S. 362; Bd. CLXXXV S. 453; Bd. CCI S. 165) verwiesen seyn.

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