Titel: Fr. Siemens' patentirter Glasschmelzofen mit continuirlichem Betriebe.
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. VIII., S. 11
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VIII. Fr. Siemens' patentirter Glasschmelzofen mit continuirlichem Betriebe. Aus dem Engineering, November 1871, S. 304. Mit Abbildungen auf Tab. I. Siemens' Glasschmelzofen mit continuirlichem Betriebe. Bisher wurde der Glassatz zunächst in Häfen oder Wannen gefüllt, eingeschmolzen, geläutert etc. etc. und dann vollständig aufgearbeitet, wornach die Häfen oder Wannen wieder mit frischem Satze beschickt und der Proceß wiederholt wurde. Der dadurch bedingte intermittirende Betrieb der Oefen verursacht aber einen bedeutenden Zeitverlust. Bei der im Nachfolgenden beschriebenen verbesserten Einrichtung der Oefen fallen die Glashäfen weg, indem der Ofen selbst eine einzige, in drei gesonderte Abtheilungen oder Kammern getheilte Wanne bildet. Die unteren Theile dieser Kammern werden, den verschiedenen Stadien des Schmelzens entsprechend, mit Glassatz gefüllt, während in ihrem oberen Theile, unmittelbar über der Oberfläche des Glases, die Gasflamme circulirt, so daß der Satz nur von der Oberfläche her niedergeschmolzen wird. Dieser Wannenofen ist, wie schon bemerkt, in der Querrichtung mittelst Scheidewänden oder Brücken in drei Abtheilungen getheilt, deren erste zum Einschmelzen des Satzes bestimmt ist, während die zweite zum Läutern und die dritte zum Formgeben und Fertigmachen dienen. Der durch die hierzu angebrachte Oeffnung in die erste Kammer eingetragene Satz sinkt in Folge des allmählichen Einschmelzens nieder und tritt durch Oeffnungen, welche am Boden der ersten Brücke oder Scheidewand ausgespart sind, in verticale, in derselben angebrachte Canäle, in denen das flüssige Glas aufsteigt und dann über die Brücke hinweg in den oberen Theil der Läuterkammer fließt, wo es zur vollständigen Schmelzung und zur Läuterung kommt. Zuletzt tritt es, in ähnlicher Weise wie aus der zweiten Kammer, in die dritte Abtheilung vor die Arbeitsöffnung. Die für den Zutritt des erhitzten Gemisches von Luft und Gas bestimmten Oeffnungen sind an den Seiten jeder Kammer angebracht, so daß die Flammen durch die letzteren durchschlagen. Die erforderliche Temperatur wird in jeder Abtheilung durch einen geeignet regulirten Zufluß des Gasgemisches unterhalten, indem die Zuströmungsöffnungen verschiedene Dimensionen haben und überdieß von außen zugänglich sind, so daß der Zutritt der Luft auch von hier aus geregelt werden kann. Quer durch den Ofen hindurch ist noch eine Scheidemauer geführt, durch welche der Schmelzraum von den beiden anderen Ofenabtheilungen gänzlich abgesondert wird. Figur 13 stellt im Längsschnitt und Fig. 14 im Querschnitt den neuen Wannenofen dar. Die Wanne besteht aus den drei Abtheilungen A, B und C; der Raum A ist zur Aufnahme des Satzes bestimmt, B dient zum Läutern des Satzes, C ist der Arbeitsraum. A wird durch die am hinteren Ende des Ofens befindliche Oeffnung D mit dem Satze beschickt und ist von dem Raum B durch die Scheidemauer E getrennt; in letzterer ist eine Reihe von Canälen a, a angebracht, welche vom Boden der Abtheilung A aus in horizontaler Richtung unter dem Theile E der Scheidewand hindurchführen und dann in dieser Scheidewand senkrecht aufsteigen. Das geschmolzene Glas tritt, wie schon oben bemerkt wurde, vom Boden der Kammer A in den oberen Theil von B, wo es sich in Folge der an der Oberfläche herrschenden höheren Temperatur vollständig läutert, dann niedersinkt, und durch einen in der Brücke F angebrachten Canal in zur Verarbeitung vollkommen geeignetem Zustande in den dritten Raum C fließt. Mittelst Zügen werden die Scheidewände oder Brücken und Kammern zur Verhütung von Materialverlust auf der erforderlichen Temperatur erhalten. Die das erhitzte Gemisch von Luft und Gas aus den Regeneratoren I, I, I', I' zuführenden Canäle H, H, H', H' sind längs jeder Seite der Wanne angeordnet, so daß die Flamme durch die letztere hindurchstreicht. Mittelst dieser Einrichtung wird die Temperatur der verschiedenen Ofentheile in einer den verschiedenen Stadien des Glasmachens entsprechenden Weise geregelt, indem die Luft-Gascanäle für den Raum A, in welchem eine stärkere Hitze erforderlich ist, als in B, größere Dimensionen haben oder in größerer Anzahl vorhanden sind; um diesen Temperaturunterschied desto wirksamer zu unterhalten, ist A von den übrigen Theilen des Ofens durch die Scheidemauer L vollständig abgeschlossen. Die Temperatur des Arbeitsraumes C wird durch Regulirung des Zuges der Ofenesse controllirt, indem durch Verminderung desselben nothwendig eine stärkere Flamme über die Brücke F nach C hineinschlagen und aus den Arbeitsöffnungen M treten muß. Die wichtigsten Vortheile dieses continuirlichen Ofenbetriebes sind folgende: 1) Eine vermehrte Productionsfähigkeit, insofern die volle Schmelzhitze ohne Unterbrechung zur Anwendung gebracht werden kann, während nach der alten Methode beinahe die Hälfte der Zeit mit dem Kalt- und Heißschüren, dem Verarbeiten der Schmelze, dem Wiederanfeuern des Ofens etc. verloren geht. 2) Ersparung an Arbeit, da zum Betriebe des neuen Ofens nur die halbe Anzahl von Glasmachern erforderlich ist. 3) Größere Dauer der Wannen, bezüglich des die Stelle derselben vertretenden Ofens, – bedingt durch die Gleichmäßigkeit der Temperatur, welcher sie ausgesetzt sind. 4) Eine viel größere Regelmäßigkeit des Betriebes und eine gleichmäßigere Qualität des Productes. 5) Zur Fabrication von Fensterglas kann der Raum C so angeordnet werden, daß die an demselben stehenden Hauben- und Cylinderbläser die Anfänger bei ihrer Arbeit nicht hindern, ein Vortheil welchen der jetzt gebräuchliche besondere Ofen nicht darbietet. Die Ursache der größeren Dauerhaftigkeit der Wanne ist nicht allein darin zu suchen, daß der Ofen stets einer gleichmäßigen Temperatur ausgesetzt ist, sondern liegt auch darin, daß der rohe Glassatz nur in solchen Quantitäten in den Schmelzraum eingetragen wird, daß er weder mit, den Seiten, noch mit dem Boden des letzteren in Berührung kommt, daß dieser also weder plötzlich abgekühlt, noch von dem Satze angefressen wird. Ebenso ist in dem Arbeitsraume zur Formgebung und weiteren Verarbeitung des Glases eine nur mäßige Temperatur erforderlich. Jede der drei Kammern des Wannenofens wird der erforderlichen Temperatur in solcher Weise ausgesetzt, daß die Schmelze dem in den verschiedenen Stadien der Arbeit nothwendigen Hitzegrad unterworfen ist. Der Unterschied im specifischen Gewichte wird benutzt, um die Schmelze in den verschiedenen Kammern während der verschiedenen Arbeitsperioden getrennt zu erhalten. Beim Beschicken des Schmelzraumes mit den Rohmaterialien wird der hyalostatische Druck verwendet um die erforderliche ununterbrochene Weiterbewegung des geschmolzenen Glassatzes hervorzubringen. – Da dieser continuirlich betriebene Glasofen eine hohe und dabei gleichmäßige Temperatur erfordert, so wird für denselben der bekannte Siemens'sche Regenerativgasofen benutzt, welcher eine reine Flamme gibt und eine große Brennmaterialersparniß gewährt.

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