Titel: Ueber das Luftschiff des Ingenieurs Dupuy de Lôme und die am 2. Februar 1872 mit demselben unternommene Probefahrt.
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CX., S. 439
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CX. Ueber das Luftschiff des Ingenieurs Dupuy de Lôme und die am 2. Februar 1872 mit demselben unternommene Probefahrt. Nach den Comptes rendus, t. LXXIV p. 337; Februar 1872. Mit Abbildungen auf Tab. VIII. Ueber die Probefahrt mit dem Luftschiff des Ingenieurs Dupuy de Lôme. Am 29. October 1870, während der Belagerung von Paris durch die deutschen Truppen, war der Ingenieur Dupuy de Lôme mit der Ausführung eines lenkbaren Aerostaten nach den in den Sitzungen der Akademie der Wissenschaften vom 10. und 17. October vorgelegten Plänen beauftragt worden. Ohne sich die Schwierigkeiten zu verhehlen, welche sich dem Bau des Luftschiffes in dem belagerten Paris mit seiner darniederliegenden Industrie entgegenstellten, übernahm er diese Mission. Allein es gelang ihm nicht, die Arbeit noch während der Belagerung zu vollenden. Unübersteigliche Hindernisse, wie der Aufstand vom 18. März, die zweite Belagerung und andere Zwischenfälle verzögerten die Vollendung des Apparates dergestalt, daß die Versuche erst im December vorigen Jahres in einem durch den Kriegsminister zur Verfügung gestellten Local des Fort-Neuf zu Vincennes vorbereitet werden konnten. Anknüpfend an die im polytechn. Journal Bd. CCII S. 321 (zweites Novemberheft 1871) mitgetheilte Abhandlung des Herrn Springmann: „die Luftschifffahrt auf ihrem heutigen Standpunkte,“ worin der Leser das fragliche System als Project bereits näher besprochen findet, haben wir zuvörderst zu berichten, daß bei der Ausführung desselben Dupuy de Lôme sich bewogen fand, unter Beibehaltung des seitherigen Principes, einige wichtige Veränderungen vorzunehmen. Fig. 1 gibt eine schematische Ansicht des Aerostaten nach seiner Ausführung. Die horizontale Holztraverse zwischen dem Ballon und der Gondel wurde weggelassen und statt der Vierflügeligen Propellerschraube eine zweiflügelige mit einem Durchmesser von 8 statt 9 Metern und einem Steigungsverhältniß von 1/10 am Mittelpunkte der Wirkung adoptirt. Ferner wurde die Schraube an dem hinteren Theile der Gondel so angeordnet, daß sie, ohne Transmission mittelst Ketten oder Riemen, direct in Thätigkeit gesetzt werden konnte. Diese Anordnung führte den Erfinder auf ein neues, hinsichtlich der Stabilität des in horizontaler Richtung oblongen Ballons sehr wichtiges Aufhängungssystem der Gondel, auf welches wir zurückkommen werden. Der im Inneren des Ballons unten angebrachte kleine Ballon oder Luftsack (ballonet) steht durch einen Schlauch mit einem in der Gondel aufgestellten Ventilator in Verbindung und ist mit einem nach Außen sich öffnenden, durch eine Feder regulirbaren Sicherheitsventil versehen. Mit Hülfe dieses Ventilators ist ein an einer Kurbel arbeitender Mann im Stande, den kleinen Ballon in 15 Minuten mit Luft zu füllen. Bei der normalen Zahl von 20 Kurbeldrehungen per Minute machen die Ventilatorflügel 500 Umdrehungen in der Minute. Um den Luftwiderstand in der Richtung der horizontalen Achse des Ballons möglichst zu vermindern, gab der Erfinder, nach dem Beispiele mehrerer seiner Vorgänger, dem Ballon die Gestalt desjenigen Rotationskörpers, welcher durch die Umdrehung eines Kreisbogens um seine Sehne entsteht, wobei die Länge der letzteren ungefähr das 5fache der Pfeilhöhe des Bogens ist. Die Hauptdimensionen des Aerostaten, welche in der Ausführung von dem ursprünglichen, a. a. O. im polytechnischen Journal mitgetheilten Projecte mehrfach abweichen, sind folgende: Länge von einer Spitze zur anderen 36,12 Met. Durchmesser im stärksten Querschnitt 14,84   „ Totalhöhe des Aerostaten vom höchsten Punkte bis zum Kiel der Gondel 29,12   „ Länge des aus Korbgeflecht bestehenden Theiles der Gondel. 6,5   „ totale Länge derselben. 12,6   „ Breite derselben 3,26   „ Abstand der Schraubenwelle von der horizontalen Hauptachse des Ballons 20,45   „ Kubikinhalt des Ballons 3454,00 Kubikmet.         „           „   Luftlackes 345,4       „ Bei entleertem Luftsack beträgt die Steigkraft des Ballons 3799 Kilogrm., bei aufgeblasenem 3419 Kilogrm. Der Erfinder bedient sich zweier concentrischer Stricknetze, welche beide von einem nach den nämlichen Schablonen wie der Ballon construirten Mantel M, S, M herabhängen, der, vom horizontalen Meridian M, M gerechnet, die Stelle des die obere Hälfte des Ballons umgebenden gewöhnlichen Netzwerkes vertritt. Das äußere Netz d, d, d...., welches die Gondel trägt, ist längs dieses Meridians mit dem Saum des Mantels auf eine Weise verbunden, welche den Zug sämmtlicher Stricke gleichmäßig über den Stoff vertheilt. Das innere Netz, welches der Erfinder das Toppenantnetz (filet de balancine)Toppenants (balancines) heißen in der Seemannssprache die Taue an welchen die Raaen hängen, und durch welche diese ihre horizontale oder geneigte Stellung erhalten. nennt, ist auf gleiche Weise an den Mantel befestigt. Dasselbe hebt sich jedoch vom Ballon, ungefähr in 3/4 seiner Höhe, in tangentialer Richtung ab, und bildet unterhalb desselben einen Kegel ABC, dessen Spitze C sich zwischen Ballon und Gondel in der die beiden Mittelpunkte verbindenden Verticalachse befindet. Die Spitze dieses Kegels ist es, von welcher die Stricke oder Toppenants t, t, t... nach der Gondel hinabgehen. Das Steuerruder r besteht aus einem unterhalb des Ballons an seinem hinteren Ende angebrachten dreieckigen, 5 Meter hohen Segel von 5 Quadratmeter Oberfläche, dessen Basis eine 6 Meter lange horizontale Stange bildet, welche an ihrem einen Ende um einen Zapfen drehbar ist. Zur Handhabung des Steuerruders gehen von demselben zwei Leinen nach dem Vordertheil der Gondel in den Bereich des Steuermannes hinab, der einen an die Gondel befestigten Compaß vor sich hat. Der mittlere Theil der Gondel besteht aus Korbgeflecht und ist 6,5 Meter lang, also lang genug, um bequem 14 Personen und die verschiedenen Apparate aufzunehmen, d.h. die Kurbelwelle mit 8 Mann, den Ventilator und den Mann welcher ihn in Bewegung setzt, ferner den Steuermann, die Person welche den Ballast und diejenige welche die Ventile, das Schleppseil und den Anker besorgt, endlich die beiden Personen von denen die eine mit der Leitung der Fahrt und den Beobachtungen betraut ist, während die andere den Curs auf der Karte notirt. Unterbäume aus Bambus bilden vorn und hinten die Verlängerung der Gondel. Die Propellerschraube wird direct von der Gondel getragen, und um sie vor der Abfahrt und beim Landen aus dem Bereich des Erdbodens zu bringen, so läßt sich ihre Achse, wie die punktirten Linien zeigen, mittelst einer Winkelbewegung um einen Zapfen in die Höhe richten. Die Kurbeln der eisernen gekröpften Welle sind so angeordnet, daß der Schwerpunkt jener 4 oder 8 Mann während der Drehung ziemlich unveränderlich bleibt. Der Firniß, womit der aus weißem Seidentaffet auf das Sorgfältigste angefertigte Ballon auf der Innenseite überzogen ist, wird nach Vorschrift des Hrn. Troost, Professor der Chemie an der École normale auf folgende Weise präparirt. Man bereitet zunächst eine Auflösung A von: reiner Gelatine    100 Gewichtstheile Glycerin 100 Holzessig 600 ––– 800 Gewichtstheile indem man in der Wärme im Wasserbad die Gelatine im Holzessig auf löst und das Glycerin ebenfalls unter Erwärmung zusetzt. Hierauf bereitet man eine andere Lösung B aus: Gerbstoff (Tannin) 100 Gewichtstheile Holzessig 600 ––– 700 Gewichtstheile Man gießt unter sanftem Umrühren mit einem Holzspatel die warme Flüssigkeit A in B. Das Ganze kocht man dann im Wasserbad wenigstens eine Stunde lang, wobei man allmählich so viel Holzessig zusetzt, daß das Volumen der Masse unverändert bleibt. Dieser Firniß wird mittelst eines Pinsels warm aufgetragen. Eine Lage desselben trocknet leicht innerhalb 24 Stunden. Mit drei Lagen erhält man einen für das Wasserstoffgas undurchdringlichen Stoff. Das Totalgewicht des an der Oberfläche der Erde mit der Steigkraft im Gleichgewicht angenommenen Aerostaten beträgt 3799 Kilogrm. inclusive Gondel, Stricknetz, Maschinerie und Instrumente, 14 Personen Bemannung, Gepäck, Lebensmittel und 600 Kilogrm. Ballast. Statt des zur Füllung gebräuchlichen Leuchtgases bedient sich Dupuy de Lôme des durch die Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure auf Eisenfeilspäne erzeugten Wasserstoffgases, welches er durch einen Wasch- und einen Trockenapparat leitet. Behufs der zu unternehmenden Probefahrt hatte er zwei „Batterien,“ jede zu 40 Fässern, aufgestellt, welche, abwechselnd in Betrieb gesetzt, bei jeder Operation 500 Kubikmeter Wasserstoffgas liefern sollten. Es waren demnach zur Erzeugung der zur Füllung des Aerostaten nothwendigen 3450 Kubikmeter sieben Operationen erforderlich. Die vom Minister des öffentlichen Unterrichts ernannte Kommission hatte sich am 8. Januar zur Besichtigung und Untersuchung des Aerostaten nach Vincennes begeben, wo derselbe in der Reitbahn des Fort-Neuf untergebracht war. Wegen des während des ganzen Januar herrschenden schlechten Wetters konnte mit der Füllung des Ballons erst am 30. Januar der Anfang gemacht werden. Diese Operation ging mit bestem Erfolg von statten. Die mit einem kleinen Probeballon gemessene Steigkraft des Gases wurde zu 1120 Grammen per Kubikmeter gefunden. Da es nicht gerathen war, bei Nacht zu arbeiten, so dauerte die vollständige Füllung drei Tage, d.h. bis zum Abend des 1. Februar. Die ganze Nacht vom 1. auf den 2. Februar wurde der Ballon aufgebläht erhalten. Am Morgen des 2. Februar ließ man ihn bis zu einer gewissen Höhe sich erheben, um die Gondel mit dem Stricknetz, Steuerruder, Ventilatorschlauch u.s.w. an ihren Ort bringen zu können. Um 9 Uhr wurde die Verbindungsröhre zwischen dem Ballon und dem Gaserzeugungsapparat abgenommen. Inzwischen hatte sich ein ziemlich starker Wind in südlicher Richtung erhoben; die Bulletins des meteorologischen Bureau's des Observatoriums lauteten nichts weniger als günstig. Tags zuvor hatten sie ein Fallen des Barometers in Paris, aus dem ganzen Norden von Frankreich Südwind, in der Manche Südwestwind angezeigt. Am 2. Februar war der Himmel bedeckt, Regen bevorstehend; in Paris und in der Manche blies ein ziemlich starker Südwind, in Holland war das Barometer gefallen. Ungeachtet der Schwierigkeiten welche der stoßweise blasende Wind der Aufstellung der Gondel und ihres Zugehöres entgegensetzte, und im vollen Vertrauen zu den Anordnungen welche die Landung mit diesem Aerostaten erleichterten, entschloß sich Dupuy de Lôme zur Auffahrt. Unter dem Einflusse eines starken Windstoßes, welcher dem Ballon eine Drehung ertheilte, und in dem Momente wo die noch nicht vollständig eingehängte Gondel bereits mit beträchtlichem Ballaste beladen war, ereignete es sich, daß die vorn an die Tragbäume befestigten Hängeseile auf die letzteren einen seitlichen Zug ausübten, wobei die Gondel nicht so nachgeben konnte, wie es bei vollständiger Aufhängung der Fall gewesen wäre. Dadurch wurde eine der hinteren Bambusstangen des Untergestelles verbogen und eine der vorderen Tragstangen zerbrochen. Zwar wurde diese Havarie rasch reparirt, aber der hintere Träger der Schraube blieb ein wenig verbogen, so daß die Drehung der Schraubenwelle einen anomalen Widerstand fand. Indessen war dieser Uebelstand nicht von der Art, daß die Probefahrt deßwegen hätte vertagt werden sollen. Die Gondel wurde daher vollständig eingehängt, und die Propellerschraube an das Ende ihrer Welle befestigt, ebenso wurden die Toppenants an Ort und Stelle gebracht. Jedes Mitglied der 14 Köpfe starken Bemannung begab sich an seinen Posten. Nachdem der aus Sandsäcken von 15 und 10 Kilogrm. Gewicht bestehende und 650 Kilogrm. wiegende Ballast in der Gondel gehörig vertheilt war, befand sich der Ballon mit der Steigkraft im Gleichgewicht. Jetzt wurden 10 Säcke von 15 Kilogrm. aus der Gondel entfernt, wodurch auf Seiten der Steigkraft ein Ueberschuß von 150 Kilogrm. über das Gewicht des Aerostaten entstand. Auf ein gegebenes Zeichen wurden die Stricke, welche den Ballon noch hielten, losgelassen, worauf sich der Aerostat rasch erhob. Es war gerade 1 Uhr im Momente der Abfahrt, der Barometer stand auf 755 Millimeter und der Wind blies stark aus Süden bei einer Temperatur von 8° C. Nach Verfluß einiger Minuten wurde die Achse der Propellerschraube auf ihr Lager herabgelassen und durch die acht Mann anfangs langsam, dann schneller in Bewegung gesetzt. Das Steuerruder wurde erst nach der rechten, dann nach der linken Seite gedreht und hierauf in der diametralen Ebene gehalten, um zu sehen in wie weit der Aerostat ihm gehorchte. Und in der That, sobald die Rotation der Schraube erfolgte, machte sich der Einfluß des Steuerruders augenblicklich in dem gewünschten Sinne bemerkbar, zum Beweis daß der Aerostat rücksichtlich der umgebenden Luft eine eigene Geschwindigkeit hatte. Am Vordertheil der Gondel war ein mit vier leichten Flügeln ausgestattetes Anemometer angebracht. Dieses stand still, sobald die Propellerschraube außer Gang gesetzt wurde, und drehte sich, sobald man die letztere arbeiten ließ, zum Beweis daß der Aerostat unter dem Einflusse seines Motors eine eigene Geschwindigkeit hatte. Die Richtung des Schiffsschnabels wurde wie bei jedem anderen Fahrzeug mittelst einer an die Gondel befestigten Bussole bestimmt, deren Strich parallel zur großen Achse des Ballons lief. Um den Lauf des Aerostaten rücksichtlich des Erdbodens zu bestimmen, bedient sich Dupuy de Lôme des Compasses einer Ruderbarke, an dessen einer Seitenfläche er ein Bretchen parallel zu der durch den Compaßstrich gehenden Verticalebene befestigt. Die schmale Kante dieses Bretchens ist schwarz und die verticale Fläche weiß angestrichen. Auf diese Weise kann man sich leicht vergewissern, ob die Visirlinie in der erwähnten Verticalebene liegt. Was die Verticalität dieser Ebene anbelangt, so resultirt sie natürlich von der Aufhängung der Bussole, welche man frei in der Hand hält. Indem der Beobachter irgend ein unter ihm dahinziehendes Object der Erdoberfläche fixirt, dann das Bretchen in die Richtung dieses Objectes dreht, wenn es sich aus der Verticalebene entfernt, liest er direct auf der Bussole die Richtung der Route mit Bezug auf die Erde ab. Bei Gelegenheit derselben Beobachtung läßt sich auch die Geschwindigkeit des Aerostaten als Function seiner Höhe über der Erde auf folgende Weise ermitteln. An die Verticalfläche des Bretchens sind drei Nadeln befestigt, welche die Spitzen eines Dreieckes bilden, dessen Höhe doppelt so groß ist, als seine horizontale Basis. Mit Hülfe einer Secundenuhr merkt man sich den Moment in welchem das erwähnte Object in der Richtung derjenigen Dreieckseite, welche dem Höhenperpendikel am nächsten liegt, sich befindet, und nachher den Moment wo das nämliche Object die durch die andere Dreiecksseite gehende Visirlinie passirt. Die zwischen dem Durchgang des Objectes durch beide Visirlinien verflossene Secundenzahl gibt die Zeit an, in welcher der Aerostat rücksichtlich des Erdbodens eine Strecke gleich der Hälfte seiner Höhe über der Erde zurückgelegt hat.Diese Methode beruht auf folgendem einfachen geometrischen Princip: ABC, Fig. 2, sey das Nadeldreieck, dessen Höhe BD das Doppelte der horizontalen Basis AC ist; G ein Object der Erdoberfläche MN, welches mit der als horizontal vorausgesetzten Bewegungsrichtung BB' der Gondel in einer Verticalebene liegt, und eben in die durch beide Nadeln A und B gehende Visirlinie getreten ist. Dieser Zeitpunkt wird mittelst der Secundenuhr notirt, ebenso der Moment wo das Dreieck in die Lage A'B'C' gelangt und das Object G in die Visirlinie der anderen Dreiecksseite B'C' tritt. Innerhalb der zwischen beiden Beobachtungen verflossenen Zeit hat alsdann der Aerostat einen Weg BB' zurückgelegt, welcher halb so groß ist, als die Höhe GK des Ballons über der Erde, weil sich wegen Aehnlichkeit der Dreiecke BB'G und ABC offenbar verhältBB' : GK = AC : BD = 1 : 2. Die Höhen, in welchen der Aerostat über der Erde schwebte, wurden mit einer im Hinblick auf die Natur des Versuches hinreichenden Genauigkeit auf dem Zifferblatt eines Aneroidbarometers direct abgelesen. Zur Beobachtung bediente man sich eines gewöhnlichen Thermometers von mittlerer, aber für den vorliegenden Zweck genügenden Empfindlichkeit. Der größeren Einfachheit wegen wurden sämmtliche Richtungen der Fahrt, sowie diejenigen des Vordertheiles der Gondel auf den magnetischen Meridian bezogen und notirt. Die Abfahrt war, wie erwähnt, um 1 Uhr erfolgt. Die verschiedenen in der ersten Viertelstunde gemachten Evolutionen dienten nur zur vorläufigen Prüfung der Leistungsfähigkeit der Apparate. Um 1 Uhr 15 Minuten begannen die eigentlichen Beobachtungen, welche in gewissen Intervallen bis 2 Uhr 35 Min. mit und ohne Bewegung der Schraube fortgesetzt wurden, wobei stets die Höhe des Aerostaten über der Abfahrtstelle, die Temperatur, die Richtung der Fahrt, die eigene Geschwindigkeit des Aerostaten, die Zahl der Schraubenumdrehungen per Minute und die Geschwindigkeit bezüglich der Erde notirt wurden. Um 2 Uhr 35 Min. schickte die Gesellschaft sich an, den Aerostaten auf die Erde herabzulassen, und präcis 3 Uhr landete sie in der Nähe von Mondécourt. Was die näheren Umstände dieser Landung und die wichtigsten Resultate der Expedition überhaupt anbelangt, so sind diese in folgendem Berichte des Hrn. Dupuy de Lôme enthalten, den wir von hier an wörtlich mittheilen: „Es scheint mir interessant, hier einer Thatsache zu erwähnen, ohne daß ich derselben eine besondere Wichtigkeit beilegen will, die jedoch immerhin geeignet ist, mein Vertrauen zu rechtfertigen, das ich in die oben bezeichnete Methode, die Richtungen der Fahrt und die Geschwindigkeiten zu messen, setze. Um 1 Uhr 15 Min. hatten wir nämlich nach bestem Wissen unseren Punkt auf der Generalstabskarte notirt; leider war es mir in diesem Momente nicht gelungen, auf der Erde den bereits zu weit entfernten Hof des Fort-Neuf von Vincennes wieder zu finden. Wie dem auch sey, Hr. Zédé verzeichnete von dem neuen Punkte aus die Richtungen und Geschwindigkeiten, welche ich ihm dictirte, und als wir, im Begriffe zu landen, uns fragten, wie wohl das Dorf, über dem wir eben hinwegsegelten, heißen möge, antwortete Hr. Zédé im Vertrauen auf seine in die Karte eingetragene Route, es müsse Mondécourt an der Grenze der Departements der Oise und der Aisne seyn. Dieses bestätigten gleich darauf die Dorfbewohner, als wir sie, über ihren Köpfen hinwegfahrend, nach dem Namen der Ortschaft fragten, indem sie uns den Namen Mondécourt zuriefen.“ „Die Landung ging trotz des starken Windes, ohne den geringsten Stoß, mit vollständigem Erfolg vor sich, in Folge der Gestalt des Ballons, welcher, sobald das Schleppseil einige Zeit auf dem Boden geschleift hatte, sich gegen den Wind stellte, und in Folge der Wahl des Befestigungspunktes dieses Seiles sowie des Ankerseiles in der Nähe der Spitze des Ballons. Wir sahen uns bald von Landleuten umringt, welche uns behülflich waren, die Gondel zu halten, während wir den Ballon durch das geöffnete Ventil entleerten. Um 3 Uhr 15 Min. wurde die Schraube, das empfindlichste Organ der ganzen Construction, ohne beschädigt zu werden, aus ihren Lagern gehoben und aus der Gondel geschafft. Um 6 Uhr war der Ballon sammt Mantel und Stricknetz zusammengelegt und einstweilen unter einer Plane geborgen, bis das Ganze auf zwei inzwischen bestellten zweiräderigen Baumwagen nach der nächsten Eisenbahnstation geschafft werden konnte, um dann weiter nach Paris dirigirt zu werden.“ „Um auf einige wichtige Thatsachen bei dieser Versuchsfahrt zurückzukommen, muß ich vor Allem bemerken, daß die Stabilität der Gondel in Folge der neuen Aufhängungsmethode eine vollkommene war; es zeigte sich während der Thätigkeit von acht an der Schraubenwelle arbeitenden Männern nicht die geringste Schwankung, und es konnten mehrere Personen auf einmal sich leicht nach der linken oder rechten Seite der Gondel nach vorn oder hinten begeben, ohne daß man eine größere Schwankung, als auf dem Parquet eines Salons wahrgenommen hätte.“ „Wenn der Schwerpunkt augenscheinlich seine Lage änderte, so hatte dieses eine Aenderung von einem Bruchtheile eines Grades in der Verticalebene des ganzen Systemes zur Folge, ohne daß es jedoch möglich gewesen wäre eine Bewegung der Gondel rücksichtlich des Ballons oder etwas Aehnliches wie die Schwankungen einer Barke wahrzunehmen, deren Bemannung ihren Ort wechselt.“ „Was die Erhaltung der Horizontalität der Längenachse des oblongen Ballons anbelangt, so lieferte die Erfahrung auch hier den schlagendsten Beweis. Bei dem mit leichtem Gas gefüllten Ballon ist an sich kaum ein Grund vorhanden, warum diese Horizontalität Gefahr laufen sollte, eben so wenig, wenn der kleine Ballon mit atmosphärischer Luft gefüllt ist und also das an Volumen abnehmende Wasserstoffgas ersetzt. Der für die Stabilität kritische Umstand, welcher unvermeidlich eine unstatthafte Abweichung der großen Achse eines oblongen Ballons aus der horizontalen Lage herbeiführen würde, wenn dieser nicht mit einem System, analog demjenigen meines Toppenantnetzes ausgestattet wäre, dieser Umstand ist ein partielles Schlaffwerden des Ballons.“ „Da ich das vollständigste Vertrauen in mein Aufhängungssystem setzte, zögerte ich nicht, einen Versuch anzustellen. Während wir uns aus der zuletzt erreichten Höhe von 1020 Meter herabließen, bekam der Ballon bald an seiner unteren Seite Falten. Jetzt wäre also der Zeitpunkt gewesen, den Ventilator in Thätigkeit zu setzen, um den Luftsack im Inneren des Ballons aufzublähen. Ich wartete jedoch mit dieser Operation, bis wir auf 600 Meter Höhe herabgesunken waren. Die Verminderung des Volumens und die Falten am Ballon traten jetzt sehr deutlich hervor und es war interessant zu beobachten, wie die Toppenants jedes Ende des Ballons in horizontaler Lage hielten, sobald dasselbe die Neigung zeigte aus dieser Lage sich zu erheben.“ „Nun erst ließ ich den Ventilator arbeiten, um nicht mit allzuschlaffem Ballon zur Erde zu gelangen. Da aber das Volumen des Luftsackes die Reduction des Gasvolumens nur für ein Sinken um 866 Meter ausgleichen konnte, so erreichten wir den Boden mit ziemlich starken Längsfalten an der unteren Seite des Ballons. Dieser Umstand hatte jedoch Nichts auf sich, da jetzt vom Steuerruder weiter kein Gebrauch gemacht wurde, indem wir die Schraube in Gang setzten und uns auf die Wirkung des Schleppseiles verließen, um uns gegen den Wind zu stellen.“ „Zur Vervollständigung des Berichtes über diese Probefahrt erübrigt nur noch zu erwähnen, daß, nachdem wir mit vollständig aufgeblähtem Ballon und zusammengeklapptem Luftsack mit einer Steigkraft von 150 Kilogrm. aufgestiegen waren, 300 Kilogrm. Ballast ausgeworfen werden mußten, um uns auf eine Höhe von 1020 Meter zu erheben. Ein Gasverlust durch die Poren des Stoffes während der Versuchsdauer von zwei Stunden war kaum bemerkbar, und wir hätten uns, wenn es in unserer Absicht gelegen wäre, noch sehr lange in der Luft aufhalten können.“ „Die durch die Versuchsfahrt vom 2. Februar erlangten Resultate lassen sich in Folgendem zusammenfassen: 1) gesicherte Stabilität, ungeachtet der oblongen Form, in Folge des Toppenant-Netzsystemes; 2) Erhaltung der Form mit Hülfe des Luftsackes: 3) Fähigkeit, den Vordertheil der Gondel, wenn die Schraube arbeitet, in einer beliebigen Richtung zu halten, ungeachtet einigen Gierens (embardées), welches größtentheils der Unerfahrenheit des Steuermannes zuzuschreiben ist; 4) eine nicht zu unterschätzende Geschwindigkeit bezüglich der umgebenden Luft vermittelst der durch acht Mann getriebenen Schraube, eine Geschwindigkeit welche sich bei 27 1/2 Umdrehungen per Minute auf 2,82 Meter per Secunde oder auf 10 1/4 Kilometer (1 1/3 Meilen) per Stunde belief; 5) das Verhältniß der eigenen Geschwindigkeit des Aerostaten zum Producte aus der Steigung der Schraube und der Zahl ihrer Umdrehungen ist 76: 100. In meinem früheren Exposé hatte ich dieses Verhältniß zu 74:100 angegeben. Der Totalwiderstand des Aerostaten, verglichen mit dem der Schraube, ist demnach etwas geringer, als ich ihn geschätzt hatte; 6) die 8 Mann, welche erforderlich waren, um 27 1/2 Umdrehungen per Minute zu erzielen, entwickelten im Mittel eine Arbeit, von der ich zwar nicht das genaue Maaß habe, die ich jedoch nicht höher als zu 60 Kilogrammmeter schätze, namentlich in Anbetracht der oben erwähnten anomalen Reibung der Schraubenwelle in ihren Lagern.“ „Könnte man die Gefahr beseitigen, welche eine Dampfmaschine darbietet, die von einem mit Wasserstoffgas gefüllten Ballon getragen wird, so würde man eine solche von 8 Pferdekräften anwenden. Diese würde dann das Gewicht der 7 Mann repräsentiren, um welche man die Schiffsmannschaft vermindern könnte, indem man statt jener zur Umdrehung der Schraube verwendeten 8 Mann nur einen Maschinisten brauchte. Die Arbeit der bewegenden Kraft wäre alsdann 600 Kilogrammmeter, also 10mal größer, und die am 2. Februar erlangte Geschwindigkeit von 10 1/4 Kilometer per Stunde würde mit dem nämlichen Aerostaten sich auf 22 Kilometer (circa 3 Meilen) per Stunde steigern. Man erhielte somit einen Apparat, mit welchem man im Stande wäre, nicht nur bei gewöhnlichen Winden um einen beträchtlichen Winkel vom Windstrich abzuweichen, sondern auch bezüglich der Erde oft nach beliebigen Richtungen zu steuern.“ A. P.