Titel: Der hydrostatisch-galvanische Gas-Anzünder von Professor Dr. Klinkerfues.
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CXIII., S. 451
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CXIII. Der hydrostatisch-galvanische Gas-Anzünder von Professor Dr. Klinkerfues. Aus dem Journal für Gasbeleuchtung, 1872 S. 9. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Klinkerfues' hydrostatisch-galvanischer Gasanzünder. Wir haben im Jahrg. 1871 des Journals für Gasbeleuchtung S. 514 eine Mittheilung über den hydrostatisch-galvanischen Anzünder von Prof. Dr. Klinkerfues gebracht, die wir dem amerikanischen Patent des Erfinders entnommen hatten.Im polytechn. Journal Bd. CCII S. 90. Jene Beschreibung ist jedoch unvollständig, und der Apparat hat neuerdings wesentliche Verbesserungen erfahren. Wir kommen deßhalb nochmals darauf zurück, und benutzen zur Erläuterung unserer Beschreibung die Zeichnungen, welche uns zu diesem Zweck vom Erfinder mitgetheilt worden sind. Zum Anzünden von Gas ist das Platin schon öfter benutzt worden, und zwar in seinem schwammigen oder pulverförmigen Zustand; wenn man jedoch etwa den Döbereiner'schen Apparat ausnimmt, so hat man einen eigentlichen Erfolg niemals erreicht. Die angewandten Formen des Platins sind bei dem oftmaligen Gebrauche desselben zu leicht Veränderungen unterworfen, welche es unbrauchbar machen. Auch ist frisch bereiteter Platinschwamm gar nicht geeignet, gewöhnliches Leuchtgas zu entzünden. Prof. Dr. Klinkerfues hat den Versuch gemacht, statt des Schwammes Platindraht anzuwenden, und hat die Temperatur ermittelt, bei welcher derselbe im Stande ist Leuchtgas zu entzünden. Ein solcher Draht wurde zwischen den Polen einer schwachen Zink-Kohlen-Batterie eingeschaltet, und war selbst im Dunkeln noch nicht sichtbar glühend, als er schon das Gas entzündete. Diese Eigenschaft des Drahtes und andererseits der hydraulische Abschluß des galvanischen Stromes sind nun die wesentlich charakteristischen Momente des Apparates, welchen Professor Dr. Klinkerfues zum Anzünden der Gaslampen construirt hat. Würde ein stärkerer galvanischer Strom nöthig seyn, so würde die Wirksamkeit der Batterie sehr rasch erschöpft werden, und es würde unmöglich seyn, den Apparat Monate lang ohne Erneuerung der Füllung zu benutzen. Die Herstellung und Unterbrechung des Stromes auf hydraulischem Wege ergibt dabei das bequemste Mittel um die katalytische Wirkung momentan herzustellen, und dieselbe dann sofort behufs Ersparniß an Material wieder zu unterbrechen. Der Apparat zum Anzünden der Gaslampen ist in Fig. 12 im Verticaldurchschnitt abgebildet. Derselbe besteht aus einem dünnen Glasgefäß a mehrere Zoll hoch, welches am Boden geschlossen und oben mit einem Deckel b in der. Art versehen ist, daß derselbe über den Ring a¹ luftdicht aufgeschraubt ist. Zur besseren Dichtung ist ein Futter von Kautschuk b¹ untergelegt. An dem Deckel sind die beiden Elemente aus Zink und Graphit c und d befestigt. Man kann ihnen die Form flacher Platten geben, allein es hat sich als vortheilhaft herausgestellt, ein röhrenförmiges durchlöchertes Stück Zink c, und ein cylindrisches Stück Graphit d anzuwenden. Auf dem Deckel befinden sich die beiden Elektroden e, mit dem dieselben verbindenden Stück Platindraht f. Die Elektroden bestehen aus zwei Messingstäben, von denen der eine direct in den Metalldeckel b eingeschraubt ist, während der zweite in einer Umhüllung von Kautschuk b² durch den Deckel hindurch geht, und von diesem isolirt ist. Der Platindraht f wird von zwei Klemmhülfen g gehalten. Jede derselben besteht aus einem kleinen Röhrchen, welches über den Stab übergeschoben ist, und mittelst einer Spiralfeder gegen den Kopf des Stabes gedrückt wird. Man kann den Platindraht herausnehmen, indem man das Röhrchen mit den Fingern abwärts drückt. Die Flüssigkeit h, womit der Apparat gefüllt wird, besteht aus der bekannten Mischung von doppelt-chromsaurem Kali und verdünnter Schwefelsäure, welche sehr lange Zeit wirksam bleibt. Die beste Mischung besteht aus 3 Gewichtstheilen doppelt-chromsaurem Kali, 4 Gewichtstheilen käuflicher englischer Schwefelsäure und 18 Gewichtstheilen destillirtem Wasser. Sollen die Apparate einer Kälte von mehr als – 10° R. ausgesetzt werden, so empfiehlt sich folgende Mischung: 2 Gewichtstheile doppelt-chromsaures Kali, 4,5 Gewichtstheile Schwefelsäure und 18 Gewichtstheile Wasser. Diese Mischung gefriert bei – 20° R. noch nicht. Um nun mit diesem einfachsten Apparat Gasflammen anzuzünden, ist nur nöthig, daß man denselben so weit neigt, bis die Flüssigkeit die Zink-Kohlen-Elemente berührt, und daß man dann den Platindraht mit dem aus dem Brenner ausströmenden Gase in Berührung bringt. So lange der Apparat vertical steht, werden die Elemente nicht von der Flüssigkeit berührt, es findet also kein galvanischer Strom und kein Verbrauch an Material statt. So lange die Mischung verhältnißmäßig frisch ist, wird der Platindraht so weit rothglühend, daß ein Papierstreif, der in Chlorkalium getränkt ist, daran zum Brennen kommt.Der Erfinder hat den Apparat auch in der Art construirt, daß man mit demselben solche Flammen entzünden kann, die man mit der Hand nicht erreichen kann. Diese Modification des Apparates ist in unserer Quelle nach beigegebenen Zeichnungen beschrieben. Eine Schattenseite für die Ausführung derselben besteht jedoch nach Aussage des Erfinders darin, daß die Beschaffenheit der Kautschukröhren für diesen speciellen Zweck viel zu wünschen übrig läßt. A. d. Red. Die wichtigste Modification der Erfindung ist unstreitig der Apparat für das Anzünden der Straßenflammen, wie er in den Figuren 13 bis 15 dargestellt ist. Für die Zwecke der Straßenbeleuchtung ist es vor allen Dingen nöthig, daß das Oeffnen und Absperren des Gaszuflusses, welches bis jetzt durch die einzelnen Anzünder geschieht, auf andere Weise eingerichtet wird, denn die ganze Erfindung eines selbstthätigen Anzündens würde keinen Werth haben, wenn man damit nicht auch den selbstthätigen Verschluß verbinden würde. Professor Klinkerfues benutzt zu diesem Zweck einen hydraulischen Verschluß, der mittelst einer geringen Druckveränderung hergestellt und aufgehoben wird. Jede Straßenlaterne bekommt ihren eigenen Apparat, und mittelst kleiner Druckveränderungen werden in der Flüssigkeit, womit der Apparat gefüllt ist, Niveaudifferenzen hergestellt, deren eine das Oeffnen des Gaszuflusses, die andere das Anzünden des Gases bewirkt. Das Gefäß a, welches vorzugsweise aus Glas gemacht wird, enthält eine cylindrische Röhre l, welche sich unten zu einem Cylinder l¹ von mehr als dem dreifachen Durchmesser erweitert. Die beiden galvanischen Elemente c und d sind in Form von Ringen construirt, und mit dem Deckel b in folgender Weise verbunden. Das Zinkelement c ist an einem Messingdraht e⁴ befestigt, der mit einem Kautschukröhrchen b⁷ umgeben ist. Der Draht ist durch den Deckel b nach oben hindurchgeführt, dort durch eine Kautschukpackung vom Deckel isolirt, steht dagegen in metallischem Contact mit der Messingscheibe e⁵, auf welcher eine der beiden Elektroden e aufsitzt. Die andere Elektrode e ist direct auf dem Deckel b befestigt. Das obere Ende des Drahtes e⁴ ist mit Gewinde versehen und wird durch eine Mutter e⁷ gehalten, mittelst deren man die Höhe des Zinkelementes c reguliren kann. Das Kohlenelement d liegt frei auf dem unteren erweiterten Ansatz des Bleirohres l auf. Der Platindraht f¹ ist spiralförmig gewunden, wie in Fig. 14 dargestellt, und wird durch folgende Vorrichtung gehalten: Ueber den Draht e ist eine Messinghülse e¹ geschoben, die unten auf einer Spiralfeder aufsitzt, und von dieser gegen den oberen Knopf e² gedrückt wird, wobei sie den Platindraht festklemmt. Will man den Platindraht herausnehmen, so braucht man nur die Hülse e¹ mit den Fingern niederzudrücken. Das Gefäß a hat unten eine Vorrichtung, durch welche es auf das Brennerrohr der Straßenlaterne aufgeschraubt wird, die aber in der Zeichnung nicht angegeben ist. Das Rohr m, welches das Gas zum Brenner m¹ führt, reicht in dem Rohr l so hoch hinauf, daß die Oeffnungen durch welche das Gas austritt immer über dem Niveau der Füllflüssigkeit liegen, und es ist mit einem etwas weiteren Rohr m² umgeben, welches oben geschlossen und unten offen ist. Die Stellung des Rohres m², resp. seines unteren Randes kann mittelst einer Schraube regulirt werden, welche inwendig im Rohr m² an dessen oberem Theile befestigt ist, und welche sich im oberen Theile des inneren Rohres m auf- und abschrauben läßt. Die Function des Apparates ergibt sich nun in folgender Weise: Wenn das Gas unter dem Tagesdruck in den Röhren steht, wenn also der geringste Druck vorhanden ist, und weder ein Ausströmen des Gases noch ein Anzünden desselben stattfinden darf, so nimmt die Flüssigkeit in dem Apparat ungefähr den Stand ein, welcher durch die Linien hh¹ angegeben ist. Die Unterkante des Rohres m² steht unter dem Niveau der Flüssigkeit, es kann also eine Gasausströmung aus m nicht stattfinden, das Zinkelement c ist andererseits über dem Niveau der Flüssigkeit, der galvanische Strom ist somit unterbrochen. Diesen Zustand kann man nun in dem Apparat den bestehenden Verhältnissen angemessen reguliren. Je nach dem bestehenden niedrigsten Tagesdruck, resp. der Niveaudifferenz hh¹ kann man das Zinkelement c und das Rohr m² höher oder niedriger schrauben. Wird nun der Druck verstärkt, so gelangt man zur zweiten Function des Apparates, welche darin besteht, daß der Gasstrom zum Brenner frei gemacht werden muß, daß aber ein Entzünden nicht stattfinden darf. Bei der Verstärkung des Druckes wird das Niveau h¹ bis unter die Unterkante des Rohres m² hinabgedrückt, das Niveau h dagegen gehoben; die Hebung von h ist aber wegen des viel größeren Querschnittes des äußeren Ringes weit geringer, als die Senkung von h¹; das Zinkelement c berührt also die Flüssigkeit noch nicht, während die Unterkante von m² frei geworden ist. Dieser Zustand ist derjenige, welcher für den gewöhnlichen Abenddruck berechnet ist; man kann ihn durch die betreffenden Schrauben wieder nach Bedarf reguliren. Die dritte Function des Apparates, welche allerdings der Zeit nach zwischen den beiden vorhergehenden liegen muß, besteht darin, daß das Gas ausströmen und sich entzünden muß. Dieser Function entspricht der stärkste Druck, in der Praxis ein Extradruck von etwa 2 Millimetern. Bei diesem Druck wird die Flüssigkeit in den unteren erweiterten Theil von l, d.h. in den Theil l¹ hinabgedrückt, und da sich hier der Querschnitt so wesentlich vergrößert, so tritt jetzt das umgekehrte Verhältniß von vorher ein, es sinkt nämlich der untere gedrückte Flüssigkeitsspiegel verhältnißmäßig langsam, während der obere gehobene schneller steigt, resp. es erreicht die Flüssigkeit schon bei einer verhältnißmäßig geringen Druckerhöhung das Zinkelement c und der galvanische Strom ist hergestellt. Hält man die oben beschriebenen drei Functionen des Apparats fest, so versteht man, daß man sie durch Herstellung von verschiedenem Druck ganz in der Hand hat. Der Tagesdruck wird als bekannte Größe der Construction in so fern zu Grunde gelegt, als man das Rohr m² so stellt, daß bei dem Tagesdruck noch ein sicherer hydraulischer Schluß für die Gaszuführung besteht. Der Abenddruck, welcher ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden muß, plus einer weiteren geringen Extradruckhöhe von vielleicht 2 Millimetern, bezeichnet die andere Grenze für die Verhältnisse der Construction, indem das Zink-Element auf solche Höhe gestellt wird, daß bei diesem Druck dasselbe in die Flüssigkeit eintaucht, und die Entzündung vor sich geht. Läßt man endlich den Extradruck fallen, so hört die Berührung der Zinkplatte mit der Flüssigkeit auf, der Gaszufluß bleibt geöffnet, und die Flamme brennt ungestört fort. Wären der Tagesdruck und der Abenddruck in einer Stadt das ganze Jahr hindurch constante Größen, so dürfte man hoffen, daß der allgemeinen Einführung des Klinkerfues'schen Apparates kaum irgend ein wesentliches Hinderniß entgegenstehen dürfte. Der Apparat ist einfach, ließe sich auch ohne Zweifel noch weiter vereinfachen, die Flüssigkeit verdunstet und verbraucht sich sehr langsam, sie friert nicht im Winter, und auch die Herstellung eines Extradruckes von etwa 2 Millimetern für einen Augenblick behufs des Anzündens würde für die Privatbeleuchtung nicht störender seyn, als es jetzt jedesmal die Erhöhung des Druckes beim Beginn der Beleuchtung ist. Die wesentlichste Schwierigkeit, welche für die Praxis noch überwunden werden muß, liegt in den Druckschwankungen, die durch die Verschiedenheit der Consumverhältnisse bedingt und vorläufig noch nicht zu vermeiden sind. Um beispielsweise am Ende einer Leitung, resp. an den ungünstigsten Punkten der Stadt einen Druck von 10 Linien Wassersäule aufrecht zu erhalten, soll im Sommer auf der Anstalt ein Druck von 15 Linien genügen; im Winter dagegen, wo der Consum in der Stadt etwa das Dreifache beträgt, sollen 24 Linien Druck auf der Anstalt erforderlich seyn. Dadurch entsteht also schon eine wiederkehrende Schwankung im Abenddruck von 24 – 15 = 9 Linien von der Fabrik aus, und diese Schwankung setzt sich in stets abnehmendem Grade durch die ganze Stadt fort, bis zu den ungünstigsten Straßen derselben, wo der constante Druck erhalten werden soll. Hierzu kommen nun weiter die allabendlichen Schwankungen welche mit dem successiven Anzünden und Auslöschen der Flammen zusammenhängen, und die ganz unregelmäßigen Schwankungen welche dadurch entstehen, daß zufällig auf den verschiedenen Punkten der Stadt mehr oder weniger Locale beleuchtet sind, und die sich am bedenklichsten bei größeren Festlichkeiten etc. zu erkennen geben. Der Erfinder sucht nun einem großen Theil dieser Schwierigkeiten durch eine Vervollkommnung seines Apparates zu begegnen, indem er denselben so einrichtet, daß wenn die Flamme anfangs einmal durch einen Maximaldruck angezündet ist, der Druck dann beliebig bis fast zum Tagesdruck zurückgehen darf, ohne daß diese Schwankungen den Gaszufluß abschließen oder überhaupt einen Einfluß auf den Apparat haben. Wir sind leider noch nicht in der Lage, über diese Verbesserung genauere Mittheilung machen zu können, allein es liegt auf der Hand, daß wenn man es nur mehr mit zwei äußersten Druckgrenzen, einem niedrigsten und einem höchsten, zu thun haben wird, die Sache schon bedeutend praktischer erscheint. Auch über die Apparate welche der Erfinder construirt hat, um Kronleuchter oder sonstige größere Beleuchtungskörper anzuzünden, wollen wir hier uns nicht weiter verbreiten. Wir wollen nur noch erwähnen, daß eine Fabrik von C. G. Müller und Comp. in Hannover am 1. Januar d. J. eröffnet werden sollte, um die Klinkerfues'schen Apparate fabrikmäßig zu erzeugen, und daß der Preis eines Apparates sich nach Mittheilung des Erfinders auf circa 4 Thlr. stellen dürfte. Dr. N. H. Schilling.

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