Titel: Zur Geschichte der Wiedergewinnung des Schwefels aus Soda-Rückständen. (Erwiederung.)
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CXVIII., S. 474
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CXVIII. Zur Geschichte der Wiedergewinnung des Schwefels aus Soda-Rückständen. (Erwiederung.) Zur Geschichte der Wiedergewinnung des Schwefels aus Soda-Rückständen. Im Jahrgang 1871 dieses Journals, Bd. CCII S. 266, hat Herr Louis Mond unter dem Titel: „Zur Geschichte der Wiedergewinnung des Schwefels aus Sodarückständen“ eine Erklärung veröffentlicht, in welcher Er eine auf denselben Gegenstand bezügliche, im Jahresbericht für Chemie, Jahrgang 1868, S. 926 enthaltene und aus diesem auf den Wunsch des Herrn Dr. Guckelberger in den technologischen Jahresbericht von R. Wagner für 1870, S. 164 übergegangene Note, die den Inhalt einer von Herrn Scheurer-Kestner verfaßten Schrift resumirt, als beleidigend und verläumderisch und zugleich als entstellten, nur angeblichen Auszug bezeichnet. Herr Mond hat dem Verleger des Jahresberichtes für Chemie einen Abdruck dieser Erklärung zugehen lassen, in Begleitung eines vom 2. December 1871 datirten, an die Redaction gerichteten Schreibens, in welchem Er die Ansicht ausspricht, daß die fragliche Note in den Bericht aufgenommen worden sey, ohne daß der Herausgeber sie beachtet oder ihren verläumderischen Charakter erkannt habe, und worin Er zugleich um die Berücksichtigung dieser Seiner Erklärung ersucht. Nachdem ich nun durch den Hrn. Verleger in den Besitz dieser beiden Documente gelangt bin, durch die ich von der Sache erst Kenntniß erhalten habe, halte ich es als Verfasser jener Note und im Interesse der Wahrheit für meine Pflicht, die Erwiederung auf Hrn. Mond's Erklärung nicht bis zur jährlichen Berichterstattung zu verschieben, sondern die Behauptungen desselben durch eine ausführliche Darlegung des Sachverhaltes schon jetzt auf ihren wahren Werth zurückzuführen. 1) Was zunächst die Meinung des Hrn. Mond angeht, daß die fragliche Note die Ansicht ihres Verfassers ausdrücke und in der Absicht geschrieben sey. Ihn zu verläumden, so kann diese Meinung nur in einer großen Befangenheit und einer noch größeren Unkenntniß des Jahresberichtes ihren Grund haben. Die Bearbeiter dieses Repertoriums betrachten eine rein objective Behandlung ihres Gegenstandes als ihre erste Pflicht. Indem sie dem Leser durch den Hinweis auf Früheres und Verwandtes die zur Kritik nöthigen Elemente liefern, verzichten sie darauf, diese selbst zu üben oder eine Ansicht auszusprechen. – Sollte vielleicht die in der Note angewandte directe Redeweise Hrn Mond irregeführt haben, so übersah Er dabei, daß diese im Jahresbericht für Chemie im Allgemeinen üblich ist, um nach der Nennung des Autors und des Gegenstandes das Resultat der Untersuchung kurz darzulegen, wobei doch selbstverständlich der Bearbeiter nur für die Treue des Auszuges und nicht für die Richtigkeit der Thatsachen verantwortlich seyn kann. Ein persönliches Motiv hat mich daher hier so wenig wie in irgend einem anderen Falle beeinflußt und konnte dieß um so weniger, als ich dem technischen Betrieb und den betheiligten Personen ferne stehe. Dagegen glaubte ich allerdings die Schrift des ebenso als Schriftsteller wie als praktischer Fachmann geachteten Hrn. Scheurer-Kestner nicht übergehen zu dürfen, weil in derselben Angaben enthalten sind, die ich bis dahin in keiner von Hrn. Mond's Veröffentlichungen angetroffen hatte. Die Thatsache, daß die Oxydation der Rückstände so geleitet werden kann, daß ein Aequivalent Säure mehrere Aequivalente Schwefel ohne Gasentwickelung abscheidet, ist nach Hrn. Scheurer-Kestner nicht durch Hrn. Mond, sondern durch Hrn. Guckelberger festgestellt worden, in dessen Auftrag und unter dessen Leitung Hr. Mond sich in der Fabrik zu Ringkuhl während längerer Zeit an den zu diesem Zweck unternommenen Versuchen betheiligt hat. Es war daher für mich ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber Hrn. Guckelberger, dessen Name in der Chemie einen guten Klang hat, dessen Bereitwilligkeit, die Interessen der Wissenschaft in uneigennütziger Weise zu fördern, den Chemikern bekannt ist und der bis dahin Nichts über Seinen Antheil an diesen Untersuchungen veröffentlicht hatte, diese Angaben nicht zu verschweigen. Die Note hat aber nur die wissenschaftliche Grundlage zum Gegenstand und es ist darin das Verdienstliche von Hrn. Mond's Patenten nicht angefochten, weil 1) das befriedigende Endresultat von Hrn. Guckelberger's Versuchen erst im Jahre 1862 erreicht worden ist, Herrn Mond's erstes Patent aber vom December 1861 datirt; 2) weil Jedermann weiß, daß zwischen der Feststellung eines verwerthbaren Principes und einem technischen, in den Details ausgebildeten und ökonomischen Verfahren ein bedeutender Schritt zu thun bleibt; und 3) weil mir der Zusammenhang aller dieser Bestrebungen nicht bekannt war. Der die Note beginnende Satz, daß die Angaben des Hrn. Scheurer-Kestner theilweise auf Privatmittheilungen beruhen, beweist, wie ich glaube, zur Genüge, daß es meine Absicht nicht seyn konnte, diese Angaben als geschichtliche und absolute Wahrheit hinzustellen, insofern diese nur aus der Discussion hervorzugehen pflegt. Wollte Hr. Mond eine Berichtigung geben, und zwar so weit das Princip, nicht aber die Ausführung im Großen oder Details in Betracht kommen, so standen und stehen Seinen Angaben, auf die ich lange gewartet habe, die Spalten des Jahresberichtes ganz in derselben Weise offen, wie den entgegenstehenden. Herr Mond war zu einer eventuellen Berichtigung durch Hrn. Scheurer-Kestner sogar ausdrücklich eingeladen, insofern der Letztere auf der vierten Seite Seiner Abhandlung Folgendes sagt: C'est pourquoi aussi nous avons l'espoir de faire une chose utile en recherchant les origines des procédés de régénération du soufre des mares de soude, dans un moment où, le résultat étant atteint, les inventeurs peuvent encore fournir eux-mêmes les éléments propres à établir la vérité.“ – Mit der Behauptung, gegentheilige Angaben seyen Verläumdungen, wird dagegen Nichts berichtigt und Nichts erklärt.Erst in einem Vortrage des Hrn. Mond vom 6. Mai 1869, der unter dem Titel: On the recovery of Sulphur from Alcali Waste, London 1869, als Flugschrift gedruckt wurde, und den ich der Güte des Hrn. Prof. Kekulé verdanke, finde ich den Namen des Hrn. Guckelberger erwähnt. Nach der darin gegebenen Darlegung hat Hr. Guckelberger bei der Sache nahezu nichts Anderes gethan, als sich die Gedanken, Vorschläge und Pläne des Hrn. Mond anzueignen. Auch das von Hrn. Mond angeführte Zeugniß, über dessen Bedeutung ich nicht zu urtheilen habe, scheint nicht zu beweisen, was es beweisen soll, insofern nach dem Wortlaut desselben Hr. Mond im Jahre 1862 erst dahin gelangt war, die Hälfte des Schwefels der oxydirten Rückstände zum Theil in der Form von Schwefel, zum Theil als schweflige Säure abzuscheiden, während nach Herrn Scheurer-Kestner die Versuche des Hrn. Guckelberger im Jahre 1862 zur Zersetzung der Lauge ohne Gasentwickelung geführt haben. – Wenn Hr. Mond ferner sagt, daß die Daten der verschiedenen Patente Jedem die ausreichendsten Mittel zur Feststellung der Wahrheit geben, so übersieht Er, daß diese Daten in meiner Note enthalten sind. Man kann daher wohl fragen, welches Verständniß Hr. Mond bei den Lesern des Jahresberichtes voraussetzt, indem Er mir die Behauptung unterschiebt, Er habe im December 1861 ein Verfahren patentirt, welches Hr. Guckelberger im Jahre 1862 zum Abschluß gebracht hat. 2) Nicht minder ungegründet ist die Annahme des Hrn. Mond, als sey die fragliche Note ohne Vorwissen oder Beachtung des damaligen Herausgebers gewissermaßen in den Bericht eingeschwärzt worden. In der Erwartung, daß Hr. Mond eine Erwiederung auf jene im Februar 1868 veröffentlichte Abhandlung geben würde, habe ich vielmehr das Manuscript bis zum letzten Augenblick zurückgehalten und bei der Absendung durch Schreiben vom 14. April 1870 den Herausgeber ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, indem ich es Seinem Urtheil anheimstellte, ob die Schrift von Hrn. Scheurer-Kestner vielleicht nur zu erwähnen sey. Ich bin demnach auch von dieser Seite ohne alle Schuld. 3) Es bleibt nun als wesentlichster Punkt die schwere Anklage, daß ich – „durch Verstellung und Ausschmückung verschiedener Stellen des genannten Scheurer-Kestner'schen Aufsatzes, welche im Original in ganz anderer Reihenfolge und in ganz anderem Zusammenhang „vorkommen“ – mich einer Fälschung schuldig gemacht habe. Es ist zu bedauern, daß Hr. Mond sich zu einem solchen Ausspruch hat hinreißen lassen, obschon Er, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, den Originalartikel offenbar gar nicht gelesen hat. Derselbe war mir zum Zweck der Berichterstattung in einem Separatabdruck aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse (Imprimerie de L. L. Bader) zugestellt und von mir nach der Benutzung wieder zurückgegeben worden. Die Abhandlung trägt den Titel: Mémoire sur la régénération du soufre des marcs de soude, par M. A. Scheurer-Kestner, und das Motto: Suum cuique.“ Sie füllt 17 1/3 Seiten, beginnt mit dem Satz: Depuis soixante-quinze ans la soude est préparée par le procédé que nous devons à Nicolas Le Blanc; und schließt: Nous nous trouverons ainsi affranchis d'une partie du tribut que nous étions obligés de payer à la Sicile.... Die Besprechung der Sodarückstände beginnt Seite 5 mit der Anführung früherer Versuche. Seite 11 werden die drei Punkte hervorgehoben, welche noch zu erledigen waren (Zeile 9–15 meiner Note); Seite 12 werden die Daten der verschiedenen Patente angeführt und hierauf der Antheil des Hrn. Dr. Guckelberger besprochen. Gegenüber dem Angriff des Hrn. Mond möge es mir nun erlaubt seyn, die ganze Stelle (S. 12, 13, 14) hier wiederzugeben (Zeile 16–35 meiner Rote). Ce procédé (Schaffner's Verfahren) avait d'abord été mis en pratique à Aussig même, par M. Schaffner, qui l'avait cédé à l'usine de Stolberg. Vers la même époque, M. Mond s'occupait de ce sujet, comme cela résulte de son Brevet pris en 1863. – Ayant appris, que la position de notre ami, M. le professeur Buff, de Giessen, le mettait à même de nous donner des renseignements précis sur l'époque à laquelle a commencé l'exploitation de ce nouveau procédé, et sur les personnes qui ont pris part aux premières recherches faites dans la nouvelle voie, nous nous sommes adressé à lui. Nous devons à son extrême obligeance des détails qui offrent le plus grand intérêt. M. Buff nous a écrit: Je sais que M. Guckelberger, chimiste de la fabrique de Ringkuhl, cherchait en 1858 à régénérer le soufre des marcs de soude; mais les résultats obtenus ne furent pas très satisfaisants. De 1859 Durch einen Durckfehler steht im Original 1851–1861; derselbe war im übersandten Separatabdruck corrigirt. à 1861 M. Mond poursuivit ces recherches sous la direction de M. Guckelberger. Ces recherches avaient surtout pour but de répondre à cette question: Quelle doit être la durée de l'exposition à l'air des marcs de soude, en couche mince, à l'état sec et humide, pour obtenir la plus grande quantité d'hyposulfite? Voici quelques notes extraites du journal de la fabrique et écrites de la main de M. Mond : Les résidus de soude renferment les quantités suivantes de soufre, à l'état d'hyposulfite: Marcs secs Marcs humides Après 14 jours d'exposition           2,6%    2,5%   4 semaines   4,0 4,5   6 idem 12,0 1,0 10 idem   1,0 0,0 A cette époque on obtenait peu de soufre et l'acide sulfureux était perdu.... Réduit à ses propres forces par le départ de M.Mond, M.Guckelbergercontinua ses recherches malgré ses nombreuses occupations, et ne tarda pas à remarquer, que, lorsque les marcs sont accumulés en tas d'un certain volume, au lieu d'être étalés, il se produit une élévation de température, et que cette élévation de température favorise singulièrement la transformation cherchée. Il reconnut également, qu'on évite de cette manière l'oxydation trop prompte des composés sulfurés du calcium. On parvint, de cette manière, à préparer des composés nedégageant ni acide sulfhydrique, ni acide sulfureux par l'action des acides avec précaution.... Vers la fin de 1862 M.Mondfit encore un séjour de quelque temps dans la fabrique de Ringkuhl; mais ce n'est qu'en 1864 que l'usine de Ringkuhl commenca à produire du soufre régénéré, quoique le principe eût été reconnu dès 1862, et qu'il se fût répandu peu à peu par les communications verbales des chimistes. C'est pour cette raison, sans doute, que M.Guckelbergerpasse en Allemagne pour l'inventeur de la théorie du nouveau procédé, quoiqu'il soit constant que M.Schaffnerait régénéré du soufre industriellement avant M.Guckelberger. – So weit der Brief von Professor Buff. Herr Scheurer-Kestner fährt fort (S. 13): MM. Guckelberger et Schaffner sont donc les inventeurs du procédé de régénération du soufre, reposant sur l'oxydation des marcs par l'air, et le traitement du produit par les acides (Zeile 15 meiner Note). Nun folgt ein Brief von Hrn. Schaffner und Bemerkungen über dessen Verfahren (S. 14 u. 15; Zeile 36–38 meiner Note), das zwar erst 1865 in England (1863 in Oesterreich) patentirt, aber schon 1862 in großem Maaßstabe angewandt wurde. Seite 16 werden die älteren Versuche von Losh (1852) über die Oxydation der Rückstände durch Luft, und diejenigen von Hrn. Guckelberger und Schaffner verglichen. Dann heißt es: Enfin M. Mond. d'Utrecht, a pris différents brevets pour des modifications apportées aux procédés que nous avons décrits. On trouve les détails suivants dans une note publiée par M. Mond dans le Numéro de Juillet dernier de Chemical News. Folgt ein Auszug aus Chem. News, vol. XVI p. 27, worauf Bemerkungen über das Verfahren von Dieuze und allgemeine Betrachtungen den Schluß bilden. Es ist nun selbstverständlich, daß ich das Mond'sche Verfahren nicht nochmals in die Note auszunehmen hatte, da es schon im Jahrgang 1867, S. 901 des Jahresberichtes beschrieben war und wegen der abermaligen Veröffentlichung des Hrn. Mond in Chem. News vol. XVIII p. 157 in eben dem Texte wieder erwähnt wurde, an welchen sich die Note anschließt. Ich gab daher nur die Daten, welche Hr. Mond als die ausreichendsten Mittel zur Feststellung der Wahrheit betrachtet, führte aber die Mond'schen Patente nach Hrn. Guckelberger und nicht nach Hrn. Schaffner an, weil mit des Letzteren Verfahren das Seinige nur wenig Analogie hat. Der Zusatz (Oxydation in dünnen Lagen) sollte über den Unterschied des ersten Patentes vom zweiten orientiren, weil jenes erste Patent nicht in den Jahresbericht aufgenommen worden ist. Dieß allein könnte es seyn, was Hr. Mond als Verstellung und Ausschmückung bezeichnet. Der aufmerksame Vergleich der citirten Stellen des Originals zeigt aber unwiderleglich, daß ich die dort angeführten Thatsachen, so weit sie sich auf die Grundlage des Regenerationsverfahrens beziehen, genau und zwar in demselben inneren Zusammenhang, wie sie der Verfasser gab, ohne Entstellung, ohne irgend einen Zusatz und mich möglichst an den Wortlaut des Originals anschließend, wiedergegeben habe und daß daher die entgegenstehende Behauptung des Hrn. Mond vollständig aus der Luft gegriffen ist. Von keinem anderen Bestreben geleitet, als den Ansprüchen Aller gerecht zu werden, habe ich damals so wenig wie jetzt daran gedacht eine Ansicht zu äußern und würde der Erste seyn es zu beklagen, wenn ich durch die Fassung des Artikels bei unbefangenen Lesern den Eindruck eines eigenen Urtheilsspruches oder einer Insinuation hervorgerufen hätte. Nur die Betheiligten Selbst sind in der Lage, das vorhandene Dunkel aufzuhellen. – Uebrigens erkläre ich zum Schluß, daß ich auf weitere Erörterungen über diesen Gegenstand nicht eingehen werde. Bonn, den 26. Februar 1872. Theophil Engelbach.