Titel: Ueber Flammenschutzmittel; von A. Patera.
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CXX., S. 481
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CXX. Ueber Flammenschutzmittel; von A. Patera. Patera, über Flammenschutzmittel. Ueber diesen wichtigen Gegenstand ist unter dem obigen Titel vom Bergrath Patera in Wien eine kleine Schrift erschienen, welche die größte Beachtung verdient.Auf dieselbe wurde im polytechn. Journal, 1871, Bd. CXCIX S. 511 aufmerksam gemacht. Denn so großartig die Anstalten und Mittel sind, welche angewandt werden um dem bereits ausgebrochenen Feuer Einhalt zu thun, so wenig allgemeine Berücksichtigung haben bis jetzt die Bestrebungen gefunden, solche Unglücksfälle, durch welche so enorme Verluste an Hab und Gut und Menschenleben herbeigeführt werden, zu verhüten. Das Bedürfniß sie zu verhüten, liegt zunächst nahe bei der leichten Entzündlichkeit der Theaterdecorationen und der meisten Frauen-Kleiderstoffe. Patera gibt an, daß man die Anzahl der jährlich in England durch brennende Kleider Verunglückten auf mehr als 400 schätzt, und daß in Wien nach einem fünfjährigen Durchschnitt jährlich 21 Personen auf diese Weise durch Verbrennung verunglücken. Er erinnert ferner an den Brand der Kirche zu St. Jago im Jahre 1863, bei welchem in einer Viertelstunde mehr als 2000 Frauen ihren Tod fanden, indem eine Gasflamme einen Vorhang in Brand setzte und das Feuer sich durch die Kleider der Frauen weiter verbreitete. Oben an in Bezug auf Feuergefährlichkeit stehen ferner die Theater. Beim Brande des Theaters in Saragossa im Jahre 1787 verloren 600 Personen das Leben; bei dem Brande des Theaters in Quebeck im Jahre 1846 kamen über 500 Personen um. Im Jahre 1868 fingen in Turin die Kleider einer Tänzerin Feuer, welches sich auf die anderen Tänzerinnen fortpflanzte und wodurch zuletzt das ganze Theater in Asche gelegt wurde. Mit Berücksichtigung der in neuester Zeit erfolgten Brände sind in den letzten 109 Jahren 136 Theater vollständig abgebrannt, von welchen 51 auf die letzten 10 Jahre fallen. Es ist also klar, daß es eine Sache von großer Wichtigkeit ist, Mittel aufzufinden, durch welche die Entzündlichkeit leicht feuerfangender Stoffe verzögert oder vermindert werden kann. Nachdem der Verfasser den Verbrennungsproceß bei verschiedenen Stoffen (Leinen, Baumwolle, Holz) klar und gründlich erörtert hat, unterwirft er die bereits in Vorschlag gebrachten, die Entzündlichkeit verzögernden und die Verbrennung mit Flamme verhindernden Mittel einer näheren Betrachtung. Zu den schon laugst vorgeschlagenen und fast ganz vergessenen, gehört das von Fuchs empfohlene Wasserglas, mit dessen mit Kreide vermischter Lösung bei dem Neubau des 1823 abgebrannten Hoftheaters in München alles Holzwerk angestrichen wurde und welches der Verfasser selbst noch jetzt zu den besten Schutzmitteln für Holz rechnet. – Dann erwähnt er des von Versmann und Oppenheim vorgeschlagenen wolframsauren Natrons als eines dem Zweck sehr entsprechenden Mittels, welchem aber bei einer massenhaften Anwendung die zu große Kostbarkeit entgegenstehe. Auch das von denselben Chemikern vorgeschlagene schwefelsaure Ammoniak leiste gute Dienste, erfordere aber gewisse Vorsichten und sey daher in vielen Fällen unanwendbar. Nachdem er noch verschiedene andere, neuerlich empfohlene Mittel genannt und ihre Uebelstände bei der Anwendung hervorgehoben hat (die Alaune, Vitriole, Borax, Bittersalz, Salmiak u.s.w.), kommt er zu den von ihm selbst aufgefundenen und erprobten Flammenschutzmitteln, welche auch den übrigen Anforderungen: wohlfeil und leicht zugänglich zu seyn, in möglichst verdünnter Lösung zu wirken, die Stoffe nicht steif und schwer zu machen, die Farben nicht zu verderben, nicht riechend, nicht ätzend, nicht giftig zu seyn, vollkommen entsprechen. Nach seinen vielfachen belehrenden Versuchen, welche ausführlich beschrieben sind, hält Patera ein Gemenge von Borax und Bittersalz für ein Flammenschutzmittel, das dem wolframsauren Natron mindestens gleich zu stellen und dabei überall wohlfeil zu haben sey. Seine Wirkung beruht auf der Bildung der in kaltem und heißem Wasser unlöslichen borsauren Magnesia, welche die Fäden des Gewebes dicht umhüllt, und indem sie so die Entwickelung der brennbaren Gase sehr erschwert, das Umsichgreifen der Flamme verhindert. Das Mischungsverhältniß der Salze ist: 4 Theile Borax und 3 Theile Bittersalz. Die Salze werden erst kurz vor dem Gebrauch gemengt, weil sich sonst zu früh borsaure Magnesia bildet und ungelöst bleibt. 7 Loth des Salzgemenges werden in 20 bis 30 Loth warmen Wassers gelöst und in diese Lösung der zu imprägnirende Stoff trocken eingetaucht; er wird dann ausgerungen und getrocknet oder nöthigenfalls gebügelt. Ein zweites, nach seiner Versicherung vortreffliches Schutzmittel fand er in einem Gemenge von schwefelsaurem Ammoniak und Gyps, in verschiedenen Verhältnissen, je nachdem es für feinere oder gröbere Stoffe dienen soll. Beide Salzgemenge eignen sich für alle feineren und gröberen Stoffe, für Crepe, Tüll, Mousselin, Packleinwand, Holz und Stricke. In Betreff der Einzelheiten bei der Imprägnation verschiedener Stoffe mit den beiden Salzgemengen oder mit Wasserglas verweisen wir auf die kleine Schrift. (Annalen der Chemie und Pharmacie, 1872, Bd. CLXI S. 282.)