Titel: Ueber Explosionsversuche mit Dampfkesseln; von Prof. H. D. Thurston.
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. I., S. 1
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I. Ueber Explosionsversuche mit Dampfkesseln; von Prof. H. D. Thurston. Aus dem Journal of the Franklin Institute, Februar 1872, S. 89. Mit Abbildungen auf Tab. I. Thurston, über Explosionsversuche mit Dampfkesseln. Das Publicum sowohl, als auch Ingenieure von Fach haben seit der frühesten Geschichtsperiode der Anwendung des Dampfes zu gemeinnützigen Zwecken, ein sehr gerechtfertigtes Mißtrauen in den Dampfkessel gesetzt, in welcher Form derselbe auch auftrat. Und in der That, je größer unsere Vertrautheit mit diesem mächtigen Organe der Dampfmaschine ist, um so mehr wissen wir die Gefahr zu würdigen, welche dessen Gebrauch begleitet. Wer je einmal mit der Beaufsichtigung von Schiffsdampfmaschinen beauftragt gewesen ist, dem wird die stete Besorgniß und Verantwortlichkeit, welche Tag und Nacht schwer auf ihm lag, so lange die Maschine arbeitete, nicht so leicht aus dem Gedächtnisse schwinden, selbst wenn er das größte Vertrauen in die Umsicht und den Eifer der Personen setzen dürfte, welchen der Dampfkessel anvertraut war. Jene schrecklichen Unglücksfälle, wie derjenige welcher im verflossenen Sommer den „Westfield“ betraf, und die Epidemie von Explosionen, welche die wenigen letzten Monate so traurig kennzeichnen, haben die allgemeinen Besorgnisse von Neuem erweckt und verstärkt. Wir hoffen, daß diese Unfälle eine ernstere und einsichtsvollere Erforschung des fraglichen Gegenstandes und ein nachträgliches Gesetz zur Folge haben werden, welches die polizeiliche Aufsicht in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksamer unterstützt, als es zur Verhütung gefährlicher Explosionen bis jetzt der Fall gewesen. Schon während der letzten Jahre wurde eine Anzahl tüchtiger Ingenieure beauftragt, die näheren Umstände fast aller Dampfkessel-Explosionen in England zu erforschen und neuerdings sind auch in Amerika viele Fälle mit ähnlicher Sorgfalt und Einsicht untersucht worden. Eine Commission der erfahrensten und intelligentesten englischen Ingenieure hat ebenfalls vor Kurzem diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zugewendet, um zu bestimmen welches Gesetz zu empfehlen wäre, und in wie weit dasselbe voraussichtlich jener augenscheinlich so rasch wachsenden öffentlichen Gefahr abhelfen könnte. Die auf diesem Wege erlangten belehrenden Aufschlüsse erwiesen sich insofern als sehr nützlich, als sie zur Beseitigung mancher seltsamen und abenteuerlichen Theorien beitrugen. Nach Untersuchung vieler Hunderte von Dampfkessel-Explosionen kam man zu dem Schluß, daß diese Unfälle lediglich der Fahrlässigkeit oder Unwissenheit zuzuschreiben seyen, nie aber solchen Ursachen, welche nicht von Personen gewöhnlicher Intelligenz leicht begriffen werden können. Es scheint, daß die meisten Ursachen jetzt ergründet, daß sie nicht zahlreich sind und bei gehöriger Umsicht und Aufmerksamkeit leicht controllirt werden können. Immerhin bedarf es aber eines directen Beweises vorstehender Schlußfolgerungen, und ein solcher kann nur durch eine Reihe von Versuchen erzielt werden, bei denen man die Führung jenes Beweises direct im Auge hat. In diese Kategorie würde die Sprengung von Dampfkesseln gehören, wo möglich unter den Bedingungen einer wirklichen Explosion und unter sorgfältiger Beobachtung des Einflusses welchen die Aenderung dieser Bedingungen auf die Beschaffenheit und Stärke der resultirenden Wirkung ausüben würde. In der bezeichneten Richtung ist bis jetzt verhältnißmäßig wenig geschehen. Vor mehr als 35 Jahren stellte eine Commission des Franklin Institute in Philadelphia eine Reihe so ausgedehnter und genauer Versuche an, daß die Verbreitung ihrer BerichteDiese Berichte wurden aus dem Journal of the Franklin Institute, vol. XVII, vollständig mitgetheilt im Jahrgang 1836 des polytechn. Journals Bd. LXI S. 324 und 409, Bd. LXII S. 1 und 81. unter den Ingenieuren heutigen Tages eine öffentliche Wohlthat seyn würde. Diese Berichte, sowie auch die Abhandlung F. A. Paget über die Abnutzung der Dampfkessel,Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal mitgetheilt im polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXIX S. 89. und die kleine Schrift von E. B. Martin über Dampfkessel-ExplosionenRecords of Steam Boiler Explosions; E. B.Martin. London, 1871, E. a d F. N.Spon. sollten in der Bibliothek keines Ingenieurs fehlen. Die Versuche der Commission des Franklin Institute waren in kleinem Maaßstabe und an Constructionen angestellt worden, welche von denen der meisten Dampfkessel sehr abweichen. Obgleich nun die erlangten Aufschlüsse von unschätzbarem Werth waren, so blieb es doch wünschenswerth, die Versuche zu wiederholen, jedoch an Kesseln von voller Größe, wie sie bei Dampfschiffen, Eisenbahnen und in Fabriken in Gebrauch sind. Und diese Versuche sind von Francis B. Stevens zu Hoboken in New Jersey (Vereinigte Staaten von Amerika) planmäßig entworfen und unter seiner Leitung ausgeführt worden.Der Verfasser dieser Abhandlung docirt an Stevens ' Institute of Technology, Hoboken, N. J. Der Entwurf war schon seit Monaten fertig und auf die Anfrage des Hrn. Stevens' genehmigten die vereinigten Eisenbahn-Gesellschaften zu New Jersey in vollkommener Anerkennung der Wichtigkeit einer solchen Untersuchung sowohl ihnen als auf dem Publicum gegenüber, die Summe von 10,000 Dollars, um Hrn. Stevens in den Stand zu setzen, eine Reihe von einleitenden Versuchen anzustellen. Zugleich luden sie andere Eisenbahn-Gesellschaften und Dampfkesselbesitzer ein, in dieser Angelegenheit gemeinschaftlich mit ihnen vorzugehen und stellten ihre Werkstätten und Remisen für jede Anordnung welche sich im Verlauf des Unternehmens als nöthig oder wünschenswerth darstellen würde, zur Verfügung. Verschiedene alte Kessel waren kürzlich aus den Dampfern der vereinigten Gesellschaften herausgenommen worden. Diese wurden nun hydraulischem Drucke ausgesetzt, bis der Bruch erfolgte, dann wieder reparirt und so jeder mehreremale gesprengt, um auf diese Weise die schwächsten Stellen zu entdecken. Letztere wurden von Neuem verstärkt, so daß man schließlich stärkere Kessel hatte, als wie sie herausgenommen worden waren. Die Stellen, an welchen der Bruch erfolgte, und die Beschaffenheit des Bruches wurden bei jedem Versuche sorgfältig notirt. Hierauf erfolgte die Aufstellung der Kessel am Eingang des Hafens von New-York innerhalb einer großen zu ihrer Aufnahme hergerichteten Einfriedigung, eine schwierige Arbeit, welche aber mit Geschicklichkeit und ohne Unfall ausgeführt wurde. So wurden vier alte Schiffsdampfkessel nebst fünf neuen zu diesem Zweck gebauten Dampfkesseln ohne irgendwelche Beschädigung für die Versuche verfügbar. Endlich am 22. und 23. November 1871 wurden die zu beschreibenden Versuche angestellt. Eine große Anzahl von Ingenieuren etc. war eingeladen worden, den Versuchen beizuwohnen. Der erste in Angriff genommene Kessel war ein gewöhnlicher Kessel mit wiederkehrendem Feuerzug, Fig. 15. Der cylindrische Theil desselben hatte einen Durchmesser von 6 Fuß 6 Zoll und eine Länge von 20 Fuß 4 Zoll. Die Wanddicke betrug 1/4 Zoll, die ganze Länge des Kessels 28 Fuß. Der Schornstein hatte 4 Fuß äußeren und 32 Zoll lichten Durchmesser, und eine Höhe von 10 1/2 Fuß. Die beiden Oefen waren 7 Fuß lang und hatten flache Gewölbe. Es waren zehn untere Feuerzüge vorhanden, zwei von 16 und acht von 9 Zoll Durchmesser, und alle von 15 Fuß 9 Zoll Länge; ferner zwölf obere Züge von 8 1/2 Zoll Durchmesser und 22 Fuß Länge. Die Totaloberfläche des Rostes betrug 38 1/2 Quadratfuß, die Heizfläche 1350 Quadratfuß. Die Wasserräume waren 4 Zoll weit, und die Platten mittelst Schrauben-Stehbolzen in Zwischenräumen von 7 zu 7 Zoll gesteift. Dieser Kessel war im Jahre 1858 von Fletcher, Harrison und Comp. zu New-York für den Dampfer „Joseph Belknap“ gebaut worden und 13 Jahre im Dienst gewesen. Das letzte Certificat des Inspectors hatte 40 Pfund Dampfdruck gestattet. Der obere Theil des Kessels schien in gutem Zustande zu seyn. Die Gurtnähte an der unteren Seite des cylindrischen Theiles hatten nachgegeben und waren alle ausgebessert worden, ehe der Kessel aus dem Schiff genommen wurde. Die Wasserkammern zeigten sich bedeutend zerfressen. Im verflossenen September war der Kessel in Gegenwart mehrerer als Zeugen eingeladener Ingenieure dem hydraulischen Drucke unterworfen worden. Bei einem Drucke von 66 Pfund per Quadratzoll hatte er nachgegeben, indem die Stehbolzen durchgezogen worden waren. Er wurde reparirt, sodann ohne Bruch bis auf 82 Pfund Druck probirt und später einem Dampfdruck von 60 Pfund per Quadratzoll ausgesetzt. Bei dem Schlußversuch am 22. November wurde ein starkes Holzfeuer in dem Ofen angemacht, während das Wasser 12 Zoll über den Feuercanälen stand. Als der Dampfdruck 50 Pfd. zu übersteigen begann, zogen sich alle Anwesenden nach den ungefähr 250 Fuß von der Umfassung entfernten Manometern, deren Zuverlässigkeit bereits erprobt worden war, zurück. Es wurden folgende Dampfspannungen und Zeiten notirt: Zeit. Druck. Zeit. Druck. 2h00' Nachmittags 58      Pfund. 2h.25' Nachmittags 91 1/2 Pfund. 2.05           „ 68        „ 2.30           „ 91         „ 2.10           „ 78        „ 2.35           „ 91 1/2   „ 2.15           „ 87        „ 2.40           „ 91 1/2   „ 2.20           „ 91 1/2  „ 2.45           „ 91         „ 2.23           „ 93        „ 2.50           „ 90         „ Der Druck stieg sehr rasch, bis er ungefähr 90 PfundDie äußerste Stärke dieses Kessels, als er noch neu war, hatte wahrscheinlich ungefähr das Doppelte dieses Druckes betragen. erreichte, worauf sich an allen Theilen des Kessels Risse zeigten. Bei 93 Pfund entstand am unteren Theile des Schornsteines (bei A Fig. 15) ein sehr bedeutender Riß, und da die anderen kleineren Risse sich erweiterten, so strömte der Dampf rascher aus, als er erzeugt wurde. Der Druck verminderte sich allmählich, der Heizer löschte das Feuer aus, und das Experiment war zu Ende. Der zweite Versuch wurde mit einem schmalen Dampfkessel Fig. 16 angestellt, welcher zu dem besonderen Zweck construirt worden war, die wahrscheinliche Stärke der durch Stehbolzen gesteiften Oberfläche des „Westfield“-Dampfkessels zu bestimmen. Er hatte die Gestalt eines flachen viereckigen Kastens, war 6 Fuß lang, 4 Fuß hoch und 4 Zoll breit. Seine Seitenwände waren 5/16 Zoll dick, aus dem besten „Feuerkasten-Flantschen-Eisen“ der Abbot Iron Company. Die Breite des Wasserraumes betrug 3 3/8 Zoll. Die Nietbolzen längs der Ränder hatten 3/4 Zoll Durchmesser und standen 2 Zoll von einander ab. In genauer Nachahmung der Anordnung und Construction derjenigen Wasserkammer des „Westfield“ welche sich zwischen der hinteren Verbindung und dem hinteren Ende des Kessels befand, wurden beide Seitenwände in Zwischenräumen von 8 3/4 Zoll und 9 3/16 Zoll durch Schrauben-Stehbolzen zusammengehalten, deren Enden leicht übergenietet waren. Dieser flache Kessel, welcher auf 138 Pfund Druck probirt worden war, wurde bis auf 5/6 mit Wasser gefüllt, eingemauert und zu beiden Seiten dem Feuer ausgesetzt. Die steigende Dampfspannung ist in folgender Tabelle notirt: Zeit. Druck. Zeit. Druck. 3h18' Nachmittags   0 Pfund. 3h36' Nachmittags   51 Pfund. 3.20          „   4    „ 3.37           „   54    „ 3.21          „   5    „ 3.38           „   58    „ 3.22          „   7    „ 3.39           „   65    „ 3.23          „   9    „ 3.40           „   72    „ 3.24          „ 11    „ 3.41           „   78    „ 3.25          „ 13    „ 3.42           „   86    „ 3.26          „ 15    „ 3.43           „   94    „ 3.27          „ 18    „ 3.44           „ 100    „ 3.28          „ 20    „ 3.45           „ 110    „ 3.29          „ 23    „ 3.46           „ 117    „ 3.30          „ 27    „ 3.47           „ 126    „ 3.31          „ 30    „ 3.48           „ 135    „ 3.32          „ 34    „ 3.49           „ 147    „ 3.33          „ 38    „ 3.50           „ 160    „ 3.34          „ 44    „ 3.51           „ 165    „ 3.35          „ 49    „ Explosion. Bei einem Druck von etwas über 165 Pfund erfolgte eine heftige Explosion. Das Mauerwerk des Ofens flog nach allen Richtungen auseinander; ein Theil desselben wurde hoch in die Luft geschleudert und fiel zwischen den in der Nähe des Manometers befindlichen Zuschauern nieder. Die Seitenwände der explodirten Kammer waren mit ungeheurer Gewalt nach entgegengesetzten Richtungen geschleudert worden; die eine derselben riß ein Stück der hohen Einfriedigung ein, und fiel in beträchtlicher Entfernung in dem benachbarten Felde nieder; die andere traf einen in der Nähe befindlichen großen Kessel, schlug ein großes Loch hinein, prallte ab, und fiel nicht weit von demselben zu Boden. Beide Seitenwände zeigten sich beträchtlich gedehnt und 8 bis 9 Zoll tief schüsselförmig gebogen. Sämmtliche Stehbolzen waren, ohne zu brechen, und selbst ohne Zerstörung der Gewinde der äußeren oder inneren Schraube, herausgezogen. Letzteres ist zum Theil der großen Dehnung des Eisens, wodurch die Löcher erweitert wurden, theils einer Streckung des Metalles beim Herausziehen der Bolzen aus ihren Löchern zuzuschreiben. Linien gleichmäßiger Dehnung schienen durch ein eigenthümliches System krummer Linien angedeutet, welche die Oxydschichte an der inneren Fläche jeder Platte durchzogen und beinahe das Aussehen der sogenannten magnetischen Curven hatten. Diese eigenthümlichen Gebilde umgaben sämmtliche Stehbolzenlöcher. Der dritte Versuch fand am 23. November statt. Fig. 17 ist eine Ansicht des hierzu gewählten Kessels, welcher in die Kategorie der Röhrenkessel mit wiederkehrenden Feuerzügen gehörte. Er hatte keine unteren Feuerzüge; der Ofen und die Verbrennungskammer nahmen den ganzen unteren Theil ein. Die obere Kesseldecke war vollkommen flach und mit dem Boden durch sogenannte „Krähenfußstreben“ verbunden, welche einen Querschnitt von 2 Zoll Breite und 1/2 Zoll Dicke hatten, und der Länge des Kessels nach in Zwischenräumen von 12 und der Quere nach von 17 Zoll angeordnet waren. Jede Strebestange diente zur Verstärkung einer Fläche von 204 Quadratzoll. Die Wasserkammern waren durch einzöllige, in Zwischenräumen von 12 und 8 Zollen angebrachte Stehbolzen verstärkt. Die horizontalen Streben lagen 28 und 12 Zoll auseinander, und hatten 1 1/3 Zoll Durchmesser. Das einfach vernietete Kesselblech bestand aus „Nr. 3 Eisen.“ Der Kessel enthielt 384 Siederöhren von 2 Zoll Durchmesser und 12 Fuß Länge. Die Dampftrommel befand sich in der Mitte des Kessels, hatte einen Durchmesser von 6 Fuß und eine Höhe von 8 Fuß 8 Zoll. Dieser Kessel war im Jahre 1845 von T. F. Secor und Comp. gebaut worden und 25 Jahre im Betrieb gewesen. Als er herausgenommen wurde, gestattete das Certificat des Inspectors 30 Pfd. Dampfdruck. Im September war er der hydraulischen Probe unterworfen worden, wobei unter einem Drucke von 42 Pfd. per Quadratzoll eine Strebestange an der oberen Platte zerbrach. Bei 60 Pfd. Druck gaben 12 Streben nach, und gestatteten eine Entweichung des Wassers, welche jede weitere Steigerung des Druckes unmöglich machte. Die geborstenen Theile wurden sorgfältig reparirt und der Kessel abermals, und zwar diesesmal ohne Beschädigung, bis zu 59 Pfd. Druck probirt. Auch eine Dampfprobe bis zu 45 Pfd. Druck ließ ihn unbeschädigt. Bei dem Schlußversuch stand das Wasser 15 Zoll über den Siederöhren und blieb bis an's Ende auf diesem Niveau. Wie bei den vorhergehenden Versuchen wurde das Feuer mit so viel Holz, als frei im Ofen brennen konnte, angemacht und folgende Spannungen tabellarisch notirt: Zeit. Druck. Zeit. Druck. 12h21' Nachmittags 29 1/2 Pfund. 12h31' Nachmittags 48 1/2 Pfund. 12.23          „ 33 1/2    „ 12.32           „ 50          „ 12.25          „ 37 1/2    „ 12.33           „ 52          „ 12.27          „ 41          „ 12.34           „ 53 1/2     „ 12.29          „ 44 1/2    „ Explosion. Als die Spannung 50 Pfd. per Quadratzoll erreicht hatte, vernahm man ein Geräusch, wie vom Bersten einer oder mehrerer Strebebänder, und bei 53h2 Pfd. erfolgte die Explosion des Kessels mit furchtbarer Gewalt. Der ganze umschlossene Raum ward durch ungeheure Dampfmassen verdunkelt, die Luft mit fliegenden Fragmenten wie punktirt; das größte derselben, die Dampftrommel, erhob sich bis zu einer auf 200 bis 400 Fuß geschätzten Höhe und fiel in einer Entfernung von ungefähr 450 Fuß von ihrer ursprünglichen Stelle nieder. Das Getöse der Explosion glich dem Knall eines schweren Geschützes. Der Kessel war in viele Stücke zerrissen, und verhältnißmäßig wenige derselben sielen an den Ort, wo der Kessel gestanden, zurück. Die nämliche Verbiegung der durch Stehbolzen verstärkten Flächen, welche bei den vorhergehenden Versuchen notirt worden war, wurde auch hier beobachtet, und die Schrauben-Stehbolzen zeigten sich ohne Bruch und ohne Abstreifung ihrer Gewinde aus ihren Löchern gezogen. Die Strebestangen waren meistens an den Anschweißungsstellen gebrochen. Nachdem wir diese Versuche kurz beschrieben haben, wollen wir nun untersuchen, welche Stütze ihre Resultate für die bestehenden Ansichten sind, und in wie weit sie zur Erweiterung unserer Kenntnisse von den Ursachen und Bedingungen der Explosionen dienen. In dem ersten Versuch haben wir wahrscheinlich einen Beleg für das bei weitem am häufigsten vorkommende Verhalten der Dampfkessel, wenn sie einer übermäßigen Dampfspannung nachgeben. Der stufenweise sich steigernde Dampfdruck erzeugte einen Riß an der schwächsten Stelle des Kessels; dieser Riß dehnte sich nach den stärkeren Stellen hin aus, und wurde bald weit genug, um den Dampf eben so rasch entströmen zu lassen, als er erzeugt wurde. Da die Stärke des Metalles in der Richtung des Sprunges hinreichte, um einer ferneren Ausdehnung bei dem Maximum der erreichten Spannung zu widerstehen, so geschah sonst kein weiterer Schaden. Nach Ausbesserung der betreffenden Stelle wird der Kessel wahrscheinlich noch lange Zeit gute Dienste leisten können. Wenn Dampfkessel in Folge ihrer schwachen Construction oder in Folge übermäßiger Spannung nachgeben, so geschieht dieses in der Regel auf die so eben erwähnte Weise. Die Explosion ist der ausnahmsweise Fall. Der Häufigkeit, womit alte Kessel überall, in der Regel aber in der Nähe der Strebestangen Dampf entweichen lassen, und der scheinbaren Sicherheit, womit sie nach vielfacher Ausbesserung noch im Betrieb erhalten werden, ist wahrscheinlich die unter den (amerikanischen) Ingenieuren leider sehr verbreitete Ansicht zuzuschreiben, daß der Dampfdruck allein die Explosion nicht veranlassen könne, und daß der Dampfkessel, wenn er nur eine genügende Menge Wasser enthalte, vollkommen sicher sey. In dem zweiten und dritten Versuche haben wir eine Erläuterung der verhältnißmäßig seltenen Umstände, unter welchen Explosionen wirklich vorkommen. Beim zweiten Versuch handelte es sich um eine vollkommen neue Construction, bei welcher das Metall noch nirgends durch Corrosion geschwächt war. Da die Ränder längs der Niete überall gleichzeitig und sehr gleichmäßig nachgaben, so wurden beide Hälften vollständig getrennt, und mit der ganzen Kraft einer unverkennbaren Explosion weit hinweggeschleudert, obgleich Wasser in reichem Maaße vorhanden war, der Dampfdruck die bei Locomotiven häufig vorkommende Spannung nicht überstieg, und der Kessel selbst sehr kleine Dimensionen hatte. Das Herausreißen der Stehbolzen, ohne Bruch und ohne Abstreifung der Gewinde, war einer der interessantesten Punkte des Experimentes. Unter der sehr wahrscheinlichen Annahme, daß hier ein Beispiel durchschnittlich amerikanischer Praxis vorlag, erhalten wir für den gewöhnlichen Gebrauch die Formel: Textabbildung Bd. 204, S. 9 in welcher d den Abstand der Stehbolzen, t die Dicke der Platten, P die Dampfspannung und f den Sicherheitscoefficienten bedeutet, welcher letztere unter keinen Umständen weniger als 6 seyn darf. Aus obiger Formel ergibt sich: Textabbildung Bd. 204, S. 9 Die Einheiten des Maaßes sind Pfund und Zoll. Fairbairn fand auf empirischem Wege, daß der Durchmesser von Schrauben-Stehbolzen das Doppelte der Dicke der Kesselplatten seyn sollte, um ihre tensile Stärke gleich der Kraft zu machen, welche sie aus der Kesselwand zu ziehen strebt. Diese Stehbolzen sollten 7/8 Zoll Durchmesser haben; wegen der Corrosion könnte noch 1/4 Zoll zugegeben werden. Was den Abstand der Stehbolzen bei einem derartigen auf 40 Pfd. Druck berechneten Kessel anbelangt, so ist derselbe, wenn wir 6 als Sicherheitscoefficienten annehmen: Textabbildung Bd. 204, S. 9 Fairbairn hat gezeigt, daß durch ein geeignetes Uebernieten der Enden die Stärke der Stehbolzen um 14 Proc. vermehrt wird. Bei dem dritten, sowie bei dem zweiten Versuch ist es wahrscheinlich, daß die schwächsten Stellen sich gleichförmig über einen großen Theil des Kessels verbreitet hatten, entweder als schwächere Metallstrecken, oder als bedeutend corrodirte Flächen. Sobald die Strebebänder nachgaben. Platzte der Kessel an vielen Stellen auf einmal. Es wurde die Frage aufgestellt, ob keine Ueberhitzung des Wassers stattgefunden haben könne, ein Fall den zuerst Deluc beobachtet hat, und der seither durch Downy, Dufour und Andere untersucht worden ist, und ob die Heftigkeit der fraglichen Explosion nicht diesem Umstande zuzuschreiben sey. Wenn man sich indessen vergegenwärtigt, daß jene Experimentatoren es schwierig fanden, diese Bedingung bei metallenen Gefäßen mit kleinen Wassermengen einzuführen, und daß der Betrag dieses Ueberhitzens mit kleinen Quantitäten Wassers sehr gering ausfällt und in weit geringerem Grade wächst, als das Wasserquantum zunimmt, so dürfte es sehr zweifelhaft seyn, ob es möglich wäre, einen solchen Zustand im vorliegenden Falle herbeizuführen, wo Tonnen von Wasser den Inhalt eines plumpen Kessels bildeten und außerdem eine beständige Circulation durch das an dem einen Ende befindliche Feuer unterhalten wurde. Jedenfalls mußte die Quantität der auf diese Weise aufgespeicherten Wärme sehr gering gewesen seyn, selbst wenn ein solcher Ueberschuß vorhanden gewesen wäre. Wüßte man genau die Höhe, auf welche die Dampftrommel emporgeschleudert wurde, so könnte man leicht mit Sicherheit bestimmen, ob der bei 53 1/2 Pfund Druck befreite Dampf hinreichte, die genannte Wirkung hervorzubringen. Aus dem Resultate der Stevens'schen Versuche lassen sich nun folgende Schlußfolgerungen ziehen: 1) Tiefer Wasserstand, obgleich unzweifelhaft eine der Ursachen, ist jedoch nicht die einzige Ursache heftiger Explosionen, wie so häufig angenommen wird; es kann auch bei einem mit Wasser gut versorgten Dampfkessel eine sehr heftige Explosion eintreten. Letzteres wird schon in kleinem Maaßstabe durch die oben erwähnten Versuche der Commission des Franklin Institute bestätigt. 2) Ein im Allgemeinen als mäßig bezeichneter Dampfdruck kann bei einem schwachen, eine reichliche Quantität Wasser enthaltenden Dampfkessel, dessen Feuercanäle alle gut verwahrt sind, eine sehr heftige Explosion hervorrufen. Diese Thatsache ist unseres Wissens bisher noch nie durch directen Versuch nachgewiesen worden. 3) Ein Dampfkessel kann bei einer Dampfspannung explodiren, welche geringer ist, als der Druck, dem er bei der hydraulischen Prüfung mit dem besten Erfolge Widerstand geleistet hat. Der letzte Dampfkessel war bis auf 59 Pfund Druck probirt worden und explodirte nachher bei 53 1/2 Pfund. Diese schon früher von einigen Ingenieuren behauptete, aber im Allgemeinen bezweifelte Thatsache ist null direct bewiesen.Mehrere Fälle dieser Art, wiewohl sie nicht jedesmal von einer Explosion begleitet waren, sind dem Verfasser bekannt. Bei zwei Dampfkesseln der Detroit-Wasserwerke, welche die hydraulische Probe mit 38° C. warmem Wasser bis zu 200 Pfund ausgehalten, brachen bei der ersten Dampfprobe sämmtliche Strebestangen unter beziehungsweise 110 und 115 Pfund Dampfdruck. Der Kessel des Dampfers „Algonguin“ hatte die hydraulische Probe mit 150 Pfund Druck und kaltem Wasser bestanden; bei der Dampfprobe brach eine Strebestange bei 100 Pfund. Ein ähnlicher Fall ereignete sich vor einigen Jahren in New-York, wobei der Dampfkessel unter traurigen Umständen explodirte. Diese Unfälle haben wahrscheinlich ihren Grund in der Formveränderung des Dampfkessels bei sich ändernder Temperatur, wodurch irgend ein ohnedieß bereits geschwächter Theil einer unnatürlichen Spannung ausgesetzt wird. Es ist schließlich zu bemerken, daß man sich auf angeschweißte Strebestangen, sowie auf Schrauben-Stehbolzen welche an ihren Enden nicht mit Muttern versehen oder ganz gut übergenietet sind, durchaus nicht sicher verlassen kann. Diese höchst interessante und wichtige Reihe von Versuchen wird beim Wiedereintritt der warmen Jahreszeit fortgesetzt werden, und es ist zu hoffen daß der Congreß sich veranlaßt sehen wird, Vorkehrungen zu ihrer weiteren Ausdehnung zu treffen. Bei den bevorstehenden Versuchen beabsichtigt Hr. Stevens die Bedingungen der Explosion bei niedrigem Wasserstand zu ermitteln, ferner zu untersuchen, welche Wirkung ein plötzliches Oeffnen des Sicherheitsventiles auf einen bereits stark gespannten Dampfkessel ausübt, endlich zur Kontrolle derjenigen Versuche, welche die Explosion als eine Folge übermäßiger Spannung zu beweisen scheinen. Dampf von hohem Drucke in einen verhältnißmäßig schwachen Dampfkessel zu leiten, welcher kein Wasser enthält. Er hat überhaupt die Absicht, dieses weite Feld der Untersuchung so vollständig zu erforschen, als es Zeit und Mittel gestatten.

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