Titel: Einiges über den Bessemerproceß; von Dr. F. Keßler.
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CIV., S. 436
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CIV. Einiges über den Bessemerproceß; von Dr. F. Keßler. Keßler, über den Bessemerproceß. Im verflossenen Jahre hatte ich Gelegenheit, mehrere Analysen der chemischen Vorgänge des Bessemerprocesses anzustellen. Da in dieser Beziehung bisher nur Weniges in die Oeffentlichkeit gelangt ist und die von mir erlangten Resultate in einigen Punkten von den bisher bekannt gewordenen abweichen, auch Neues darbieten, so halte ich es für angemessen, dieselben hier mitzutheilen. Zur Vergleichung stelle ich voran die Resultate der beiden einzigen anderen Untersuchungen ähnlicher Art, welche sich in den Wagner'schen Jahresberichten über die Leistungen der chemischen Technologie angeführt finden. Die erste von Kupelwieser Polytechn. Journal Bd. CLXXXV S. 30. auf dem Neuberger Werk in Steyermark 1866 angestellte Untersuchung ergab: I. II. III. IV. V. Graphit 3,180 Kohlenstoff 0,750 2,645 0,949 0,087 0,234 Silicium 1,960 0,443 0,112 0,028 0,033 Phosphor 0,040 0,040 0,045 0,045 0,044 Schwefel 0,018 Spur Spur Spur Spur Mangan 3,460 1,645 0,429 0,113 0,139 Hier bezeichnet I. die Zusammensetzung des Roheisens, II. eine Probe am Ende der ersten Periode, welche 28 Minuten dauerte, III. nach Ende der zweiten Periode von 7 Minuten Dauer, IV. nach weiteren 3 Minuten, und V. das fertige Metall, erhalten nach Zusatz von 3 Ctr. Roheisen zu 62 Ctr. ursprünglicher Charge. Nach den obengenannten wird zuerst wieder 1871 berichtet über eine Reihe von Proben, welche von Snelus Polytechn. Journal Bd. CC S. 25. mit Dowlais Eisen angestellt wurden. I. II. III. IV. V. Graphit 2,09 Kohlenstoff 1,20 2,127 1,55 0,097 0,566 Silicium 1,952 0,795 0,635 0,020 0,036 Phosphor 0,048 0,051 0,064 0,067 0,055 Schwefel 0,014 Spur Spur Spur Spur Mangan 0,086 Spur Spur Spur Spur Hier dauerte die ganze Charge nur 13 Minuten und während I. das Roheisen, V. das fertige Metall bezeichnen, sind die Proben II. – IV. um 6, 9, resp. 13 Minuten nach Beginn des Blasens genommen. In den von mir ausgeführten Analysen, welche zwei Processe in einem norddeutschen Hüttenwerke betrafen, stellte sich der Gang folgendermaßen dar: I. II. III. IV. V. VI. Graphit 2,41 0,75 0,02 0,02 0,01 0,02 Kohlenstoff 0,62 2,42 3,17 1,59 0,18 0,19 Silicium 2,41 1,26 0,27 0,03 0,01 0,16 Phosphor 0,130 0,140 0,135 0,130 0,140 0,150 Schwefel 0,024 0,010 0,007 0,013 0,023 0,021 Mangan 2,45 0,70 0,19 0,12 0,06 0,22 Ueber die Zeit, in welcher die Proben II. – V. der Zwischenproducte genommen wurden, vermag ich nichts Näheres anzugeben. Eine andere Untersuchung ergab: I. II. III. IV. V. VI. Graphit 2,52 0,14 0,04 0,01 0,00 0,00 Kohlenstoff 1,06 3,65 3,53 2,47 0,29 0,45 Silicium 1,875 1,200 0,648 0,067 0,021 0,083 Phosphor 0,100 0,106 0,096 0,097 0,109 0,104 Schwefel 0,372 0,069 0,061 0,077 0,113 0,080 Mangan 1,04 0,23 0,08 0,06 0,05 0,34 Hier bezeichnet I. Eisen vom Kupolofen, II. Probe nach 4 Minuten, III. beim Beginn der zweiten Periode, IV. aus der Mitte der zweiten Periode, V. vor dem Einlassen des Spiegeleisens, VI. das fertige Metall. Ein auffallender Unterschied zwischen den früher untersuchten und den von mir mitgetheilten Processen besteht zunächst darin, daß bei letzteren die Gesammtmenge des Kohlenstoffes (in Folge der lebhaften Oxydation anderer Bestandtheile) im Anfange relativ zunimmt, gerade wie dieß bei den von Calvert und Johnson 1857 untersuchten Vorgängen im Puddelofen, über welche außerdem auch nicht viel bekannt ist, stattfindet. Erst nachdem das Silicium beinahe verschwunden ist, beginnt auch der Kohlenstoff oxydirt zu werden. Ueber den Phosphorgehalt läßt sich mit allerdings nur geringer Wahrscheinlichkeit übereinstimmend aus meinen beiden Reihen folgern, daß derselbe in den mittleren Stadien des Processes einigermaßen vermindert wird, wogegen er sich im Anfang, wohl durch vorzugsweise Oxydation anderer Bestandtheile, relativ und zum Schluß, durch die aus der Schlacke eintretende Reduction, absolut vermehrt, so zwar, daß der Phosphorgehalt des Endproductes wieder über dem des Roheisens steht – welches Gesammtresultat ja auch durch viele andere Versuche bereits ermittelt ist. Endlich tritt als bisher noch nicht bekannt aus meinen Analysen das Verhalten des Schwefels hervor. Dieser zeigt im Anfang eine rapide Abnahme, während sein Gehalt von den mittleren Stadien des Processes bis zum Einsatze des Spiegeleisens wieder zunimmt. Offenbar beruht dieß nur darauf, daß ein Theil des Schwefels in der Schlacke als Schwefelmetall gelöst bleibt und in den späteren Stadien aus der Schlacke in und durch das Eisen reducirt wird. Es geschieht hier also keineswegs das, was Wedding beim Herdfrischproceß wenigstens annimmt: daß der Schwefel zu schwefliger Säure verbrenne. Dagegen läßt sich eine Analogie mit dem Puddelprocesse nachweisen, in dem hierbei nie fehlenden Schwefelgehalt aller, selbst noch der Schweißofen-Schlacken. Leider war es mir nicht möglich, dieses Verhalten des Schwefels, welches ich anfangs nur für scheinbar, d.h. auf Fehlern der analytischen Methode, oder auf dem Einfluß des gebundenen Kohlenstoffes beruhend hielt, zu verificiren durch Untersuchung der Schlacken, da mir solche nur bei der ersten Reihe zu Gebote gestanden hatten und ich dieselben, um sie von dem darin vertheilten Eisen zu befreien, nach der Behandlung mit dem Magnet noch mit Bromwasser digerirt hatte – wobei also wahrscheinlich die vorhandenen Sulfide nicht intact geblieben waren. Im Allgemeinen scheint mit ziemlicher Bestimmtheit diese Veränderung des Schwefelgehaltes von der Oxydation des Mangans abzuhängen. Nur so lange als dieses Metall dem Eisen entzogen wird, sinkt der Schwefelgehalt. Ist aber das Eisen manganfrei, so beginnt die Reduction des Schwefels aus der Schlacke. Endlich tritt nach dem Zusatze des manganhaltigen Spiegeleisens und erneuertem Blasen wieder die Abnahme des Schwefels auf. In Kürze könnte man sagen: der Mangangehalt des Eisens unterstützt die Entschwefelung desselben – eine Thatsache, die auch für den Herdfrischproceß, aber aus anderweitigen Gründen von Wedding theoretisch abgeleitet ist. Könnte man im Bessemerproceß, wie im Frischherde und dem Puddelofen die anfänglich sich bildenden Schlacken absondern, so würde man auch besser, als es bisher gelungen ist, schwefelhaltige Eisensorten hier verarbeiten können.