Titel: Ueber Mehlexplosionen in Mühlen.
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CXIII., S. 486
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CXIII. Ueber Mehlexplosionen in Mühlen. Aus dem Engineer, August 1872, S. 146. Ueber Mehlexplosionen in Mühlen. Am 9. Juli d. J. wurde eine große Mahlmühle bei Glasgow durch Feuer zerstört. Die Ursache der Katastrophe war eine im Exhaustor entstandene Explosion, welche sich durch die verschiedenen Gänge der Mühle, ähnlich den schlagenden Wettern in einer Steinkohlengrube, fortgesetzt und das Holzwerk in Brand gesteckt hatte. Der Vorfall erregte einiges Aufsehen, nicht wegen Neuheit der Erscheinung, denn Beispiele von Mehlexplosionen sind bekannt,Man vergleiche polytechn. Journal Bd. CCIV S. 78; erstes Aprilheft 1872. sondern wegen der ungewöhnlich großen Bedeutung des Unfalles. Nach dem Berichte von Prof. M. Rankine und Dr. Macadam, welche im Auftrage der betreffenden Feuerversicherungsgesellschaft den Fall näher untersuchten, war die erste Veranlassung der Explosion das zufällige Aufhören der Speisung eines Mahlganges; die Mühlsteine erhitzten sich und gaben Funken. Dadurch wurde der feine Mehlstaub, womit die Luft in den Exhaustionscanälen geschwängert war, entzündet. Diese plötzliche Entzündung des in der Luft verbreiteten äußerst brennbaren Staubes erzeugte eine sehr hohe Temperatur in den gasförmigen Verbrennungsproducten, welche nothwendig von einer gewaltigen, den Charakter einer Explosion tragenden Steigerung des Druckes und des Volumens begleitet war. Die erste Wirkung dieser Explosion war die Sprengung des Exhaustorkastens und die Verbreitung von Staub und Flamme durch die ganze Mühle, worauf unmittelbar eine zweite Explosion folgte, durch welche die Mühle in Trümmer gelegt und das Holzwerk in Flammen gesetzt wurde. Nach der Vermuthung der Experten wurden die Kornspeicher theils durch die längs der Gänge sich verbreitenden Flammen, theils durch brennende Stoffe, welche durch das Oberlicht herabfielen, in Brand gesetzt. Es waren keine explosiven oder sonstigen fremdartigen Stoffe bei der Fabrication des Mehles in Anwendung gekommen und die Dampfkessel zeigten sich unbeschädigt. Weder die Eigenthümer der Mühle, noch irgend einen ihrer Bediensteten trifft ein Vorwurf. Prof. Rankine und Dr. Macadam stellten directe Versuche an, um sich bezüglich der Entzündbarkeit und Explosionsfähigkeit der Mischung von Luft und Mehlstaub zu vergewissern. Sie haben ferner durch Rechnung gefunden, daß, wenn die zur Erzeugung einer Explosion geeignetsten theoretischen Verhältnisse genau eingehalten werden, der Druck der resultirenden gasförmigen Producte, wenn sie in einem begrenzten Raum eingeschlossen sind, plötzlich ungefähr 8 Atmosphären gleich wird. Diese theoretischen Bedingungen mögen zwar im vorliegenden Falle nicht genau stattgefunden haben; daß aber ein sehr großer Druck von zerstörender Gewalt erzeugt worden war, unterliegt keinem Zweifel. Nun entsteht die natürliche Frage, welche Vorsichtsmaßregeln in Zukunft gegen derartige Unfälle oder zur Milderung ihrer zerstörenden Wirkungen zu ergreifen sind. Dieses Problem scheint kein sehr schwieriges zu seyn. Die Gefahr liegt nicht in dem Proceß des Mahlens selbst, sondern in dem Aufstören des gefährlichen Mehlstaubes. So lange die Operation des Mahlens auf die einfache Weise vor sich geht, welche in kleinen Mühlen, die nicht mit Exhaustoren arbeiten, befolgt wird, kann nur eine geringe Menge Staub entzündet werden. Anders aber ist es bei Einführung des Saugsystemes, wo der feine Mehlstaub in einen Saugkasten gezogen wird. Da muß die von den Steinen ausgehende Entzündung unvermeidlich mehrere ernstliche Explosionen veranlassen, und wo mehrere Mahlgänge mit dem nämlichen Saugapparat in Verbindung stehen, da steigert sich die Gefahr auf eine höchst bedenkliche Weise. Es ist daher zu empfehlen, alle Behälter, wie Saugkammern, Heizräume, Ventilatoren u.s.w. in denen sich der Staub ansammelt, leicht zu construiren und außerhalb des Gebäudes anzuordnen, damit eine etwaige in denselben vorkommende Explosion sich frei ausbreiten kann, ohne in die Mühle zurückzuschlagen. Der Bericht enthält außerdem den Wink, das bekannte Princip, wornach eine Flamme erlischt, die man über eine große Abkühlungsoberfläche streichen läßt, auch hier anzuwenden, und den Staub durch eine Anzahl metallener Röhren, anstatt durch einen hölzernen Canal, zu leiten. Dabei wird aber des Umstandes erwähnt, daß kalte Oberflächen die Feuchtigkeit der Luft condensiren, und daß daher das Röhrensystem möglicherweise durch kleisterartige Ablagerungen verstopft werden könnte. Nackte Lichter sollten in einer staubigen Atmosphäre nicht geduldet werden, und alle Gasflammen durch ein Drahtgewebe geschützt seyn. Da ferner die Gefahr der Ablösung stark erhitzter Partikelchen von den Steinen durch Einführung von Nägeln und Eisenstückchen mit dem Korn erhöht wird, so ist die allgemeine Anwendung von Magneten zum Sammeln dieser metallischen Eindringlinge sehr zu empfehlen.