Titel: Boutard und Lassalle's Mechanismus, um die Arbeit der Kinder bei der Shawlweberei zu ersetzen; Bericht von Alcan.
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. VIII., S. 8
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VIII. Boutard und Lassalle's Mechanismus, um die Arbeit der Kinder bei der Shawlweberei zu ersetzen; Bericht von Alcan. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Februar 1873, S. 65. Mit Abbildungen auf Tab. I. Boutard und Lassalle's Mechanismus, um die Arbeit der Kinder bei der Shawlweberei zu ersetzen. Die Shawlweber verwenden zur Hülfeleistung an ihren Webstühlen Kinder in mehr oder weniger zartem Alter, öfters von kaum sechs Jahren, welche sie lanceurs nennen, weil dieselben die mit verschiedenfarbigem Garn versehenen Weberschiffchen in einer bestimmten Ordnung von einer Leiste zur anderen zu werfen haben. Die gekrümmte und anormale Lage, wozu diese anhaltende und ermüdende Beschäftigung die Kinder zwingt, hemmt ihre Physische Entwickelung in einem solchen Grade, daß sie später für den Militärdienst untauglich befunden werden. Nicht minder beklagenswerth ist der intellectuelle und moralische Zustand dieser jugendlichen Arbeiter, da von einem Unterrichte unter solchen Umständen nicht die Rede seyn kann, und die Umgebung, in welcher sie zu leben gezwungen sind, zur Hebung ihres sittlichen Zustandes nichts weniger als geeignet ist. Man hat diesem socialen Uebelstande durch Einführung rein mechanischer Hülfsmittel, z.B. der sogenannten Schußladen (battants lanceurs), sowie jener automatischen Webstühle mit vielfachen Schützen, welche bei Geweben von geringerer Breite Eingang gefunden, abzuhelfen gesucht, jedoch ohne Erfolg. Den HHrn. Boutard und Lassalle in Paris (21, rue d'Aboukir) war es vorbehalten, das vorgesteckte Ziel auf eine eben so einfache, als sinnreiche und rationelle Weise zu erreichen. Ohne irgend etwas an dem gebräuchlichen Webstuhl oder an der gewohnten Arbeitsweise zu ändern, beschränken sie sich darauf, dem Schützenkasten eine von dem Spiel der Lade unabhängige Bewegung, und jeder Schütze mittelst eines besonderen Schützenschnellers oder Schützentreibers (chasse-navette) einen elastischen Impuls zu ertheilen. Die Pfosten eines gewöhnlichen Webstuhles sind nämlich mit Coulissen ausgestattet, in welchen ein Kasten mit Zellen zur Aufnahme der Weberschützen auf- und niedersteigen kann. An den Boden dieses Kastens ist eine verticale Zahnstange befestigt, in deren Zähne die Triebstöcke eines kleinen vierseitigen Prismas, ähnlich demjenigen des Jacquardmechanismus, der Reihe nach eingreifen. Bei jeder Viertelsdrehung dieses Prismas wird der Kasten um einen Zahn, d.h. um eine dem Intervall zweier Schützenzellen entsprechende Strecke, gehoben. Erfolgt die Drehung des Prismas in entgegengesetzten: Sinne, so senkt sich der Kasten. Diese periodischen Drehungen des kleinen Prismas werden durch Hakenstangen hervorgebracht, welche abwechselnd mit den an jeder Seite des Prismas befindlichen Triebstöcken in Eingriff kommen. Die Bewegung der Hakenschienen selbst steht mit der Thätigkeit der Hebel, mit denen sie verbunden sind und die von einem Pedal aus regiert werden, im Zusammenhange. Die Transmission der Bewegung auf den Schützenschneller vermittelt eine Platine des kleinen Jacquardmechanismus, welche im richtigen Momente, d.h. unmittelbar nach Bildung des Faches, in Wirksamkeit tritt, so daß das Schußgarn Zeit hat, sich abzuwickeln. Auf den successiven und gleichzeitigen Wirkungen der Schütze und der Lade, verbunden mit der von seiner speciellen Anordnung an dem Ende einer federnden Stange herrührenden elastischen Thätigkeit des Schützenschnellers, beruht das Eigenthümliche und Interessante der Erfindung. Diesen durchaus nicht complicirten Anordnungen ist es zu verdanken, daß der gewöhnliche Shawlwebstuhl von nun an der Mitwirkung von Kindern nicht mehr bedarf. Ein einziger Weber reicht für denselben hin. Dabei zeigen die Resultate stets jene Regelmäßigkeit, welche man nur ausnahmsweise durch den Wurf aus freier Hand erzielen kann. Der Berichterstatter, welcher die modificirten Webstühle in den Ateliers der HHrn. Boutard und Lassalle arbeiten sah, konnte sich von den unverkennbaren Vortheilen dieses neuen Systemes überzeugen. Wenn dasselbe, wie zu erwarten steht, Verbreitung findet, so haben sich die Erfinder um ihren speciellen Industriezweig, sowie um die Gesellschaft überhaupt ein wesentliches Verdienst erworben. Fig. 1 stellt einen Shawlwebstuhl, an welchem der mechanische Schützenschneller angebracht ist, in der Frontansicht dar. Um das Verständniß des in Rede stehenden Apparates und seiner Beziehung zum Jacquardmechanismus zu erleichtern, ist in dieser Figur ein Theil der Organe des Webstuhles weggelassen; Fig. 2 ist die nämliche Ansicht nach einem größeren Maaßstabe, welche nur den unteren Theil des Webstuhles mit dem daran befestigten Apparate darstellt; Fig. 3 ist das Profil des Schützenkastens; Fig. 4 die Längenansicht des zur Bewegung des Schützenkastens dienenden Organes; Fig. 5 ein Querschnitt des letzteren nach der Linie I, II der Fig. 4, mit der Zahnstange des Schützenkastens; Fig. 6 ein anderer Querschnitt desselben nach der Linie III, IV der Fig. 4, mit den Hakenschienen welche seine periodischen Drehungen vermitteln. A ist das Gestell des Webstuhles, 15 ein Rahmen welcher mittelst Winkeleisen an das Gestell befestigt ist. C ist der Schützenkasten, welcher an einem über eine Rolle geleiteten Seil hängt, und durch ein Gegengewicht äquilibrirt ist. Er ist in mehrere Gefache oder Zellen abgetheilt, deren jede die Bestimmung hat, eine Schütze aufzunehmen. Jede dieser Schützen wird durch eine Federschiene an ihrer Stelle gehalten. D sind Schieber, an welche der Schützenkasten befestigt ist. Zur Führung derselben dienen die an das obere und untere Querstück des Rahmens befestigten Lager E. F ist ein an der hinteren Seite des Schützenkastens C angebrachter Einschnitt (Fig. 3), welcher dem Schützentreiber den Zugang zu jeder der Zellen gestattet. G ist eine am unteren Ende des Schützenkastens befestigte senkrechte Zahnstange. H ist das Organ, durch welches der Schützenkasten in intermittirend auf- oder niedersteigende Bewegung gesetzt wird. Dasselbe ist in einem Nahmen I gelagert, der selbst einen Theil des Gestelles B bildet. Es besteht aus einem Prisma von quadratischem Querschnitt, auf dessen jeder Seitenfläche ein kleiner Zahn K (Fig. 4 und 5) befestigt ist. Diese vier Zähne greifen abwechselnd in die Zahnstange des Schützenkastens, und heben oder senken ihn bei jeder Vierteldrehung des Prismas um einen Zahn der Zahnstange, d.h. um einen dem Intervall zweier Schützenzellen entsprechenden Raum. An das Prisma sind zwei Metallplatten L befestigt, welche an ihren vier Ecken durch vier Triebstöcke M (Fig. 4, 5 und 6) mit einander verbunden sind. Diese Triebstöcke werden abwechselnd von den Haken N, N' ergriffen, welche das Prisma nach der einen oder der anderen Richtung in Umdrehung setzen, und mittelst des Eingriffes der Zähne K in die Zahnstange G die Hebung oder Senkung des Schützenkastens veranlassen. oder- und unterhalb des Organes H (Fig. 2) ist eine Art Hämmer O, O angebracht, welche unter dem Einflusse dicker Drahtfedern P abwechselnd auf die Triebstöcke M drücken, um sie je nach der Richtung, in welcher sich der Apparat drehen soll, mit der einen oder der anderen der Hakenschienen N, N' in Eingriff zu bringen. Diese Hämmer sind mit Stielen versehen, welche in Querstücken des Rahmens B gleiten. Die Hakenschiene N' ist mit dem einen Ende eines gleicharmigen Hebels Q (Fig. 1 und 2) verbunden, von dessen anderem Ende eine Schnur in den Bereich des Arbeiters herabhängt und diesen in den Stand setzt die Hakenschiene aus freier Hand zu bewegen. Von der anderen Hakenschiene N läuft eine Schnur R nach dem Ende eines gleicharmigen Hebels S, S (Fig. 1), dessen Drehungsachse in einem an das Jacquardgestell befestigten senkrechten Träger gelagert ist. Mit dem anderen Ende dieses Hebels ist gelenkig eine verticale Stange T verbunden, auf deren oberes Ende eine an den Jacquardmechanismus U befestigte schräge Schiene drückt, wenn dieser Mechanismus niedersteigt, d.h. wenn der Arbeiter den Tritt frei läßt. Indem nun die Stange T abwärts gedrückt wird, hebt sie das andere Hebelende S in der Richtung des Pfeiles, mithin auch die an die Schnur R befestigte Hakenschiene N. In Folge dieser Bewegung vollführt das Prisma H eine Viertelsdrehung nach der Richtung des Pfeiles 1 (Fig. 6). Die Zahnstange G steigt daher in die Höhe und präsentirt dem Schützenschneller eine Zelle des Schützenkastens, welche die zu werfende Schütze enthält. V ist ein kleiner, mit der schrägen Schiene der Mechanik II verbundener Krummhebel, auf welchen zwei Drahtfedern in entgegengesetztem Sinne wirken. W, X bezeichnet eine aus zwei Theilen bestehende Verticalstange, deren oberer Theil X sich in eine Art Haken endigt, und mit dem unteren durch ein Scharnier verbunden ist, welches ihm in einer verticalen Ebene zu oscilliren gestattet. Der untere Theil W ist mit dem um Y' drehbaren Hebel Y verbunden, welcher mittelst einer über eine Rolle geleiteten Schnur den Schützenschneller Z in Thätigkeit setzt. Der Hebel Y kann nöthigen Falles mittelst einer an seinem linken Ende befestigten Schnur auch aus freier Hand in Bewegung gesetzt werden. Der Schützenschneller Z besteht aus einer horizontalen viereckigen Stange, welche auf einer mit dem Gestelle des Webstuhles verbundenen Console in Lagern gleitet. Eine große federnde Stange a, welche mit dem einen Ende an das Webstuhlgestell befestigt ist, mit dem anderen Ende gegen den hinteren Theil des Schützenschnellers sich lehnt, führt den letzteren jedesmal wieder an seinen Ort zurück, nachdem er in eine Zelle des Kastens gedrungen ist, um die darin befindliche Schütze fortzuschnellen. b ist eine kleine Stange mit einem Oehr, durch welches die verticale Stange W, X gleitet. Das linke Ende dieser Stange ist mit dem Jacquardgestell durch eine Drahtfeder verbunden, während das andere Ende eine Schnur c aufnimmt, welche über eine Rolle geleitet und an das linke Ende des neben dem Hebel Q angeordneten horizontalen Hebels d befestigt ist. Das rechte Ende des letzteren steht durch eine Schnur e mit der Jacquardmechanik in Verbindung. Aus vorstehender Einrichtung geht hervor, daß, wenn die Schnur e durch die Jacquardmechanik angezogen wird (was nur vorkommt wenn die Schützen geworfen werden sollen), auch der Hebel d die andere Schnur c anzieht. Dadurch wird die kleine Stange b genöthigt, den Haken der Stange W, X senkrecht über die schräge Schiene des Mechanismus U zu bringen, so daß in dem Augenblicke wo der Arbeiter das Pedal niedertritt, d.h. im Momente wo die Mechanik U in die Höhe geht, der von dieser Schiene ergriffene Haken die Stange W, X mitnimmt. Hieraus folgt, daß auch der Hebel Y, Y' in die Höhe geht, der mit ihm verbundene Schützenschneller Z in die betreffende Zelle des Schützenkastens dringt und die Schütze durch das von den Schäften gebildete Fach treibt. Wenn die Jacquardmechanik am Ende ihres Hubes angelangt ist, so macht der Krummhebel V in Folge der Wirkung seiner unteren, bei dieser Lage gespannten Feder, eine kleine Winkelbewegung, welche die schräge Schiene veranlaßt den Haken der Stange W, X loszulassen. Da nun die letztere nicht weiter zurückgehalten wird, so sinkt sie und mit ihr der Hebel Y, Y' herab, und der Schützentreiber Z zieht sich unter dem Einflusse der großen Feder a aus der Schützenzelle an seinen Ort zurück. Beim Niedersteigen der Jacquardmechanik, d.h. wenn der Arbeiter seinen Fuß vom Pedal zurückzieht, drückt die schräge Schiene, wie oben erwähnt, auf die Stange T, worauf der Hebel S durch Vermittelung der Schnur R. die Hakenschiene N hebt. Dadurch wird dem Prisma H eine Viertelsdrehung ertheilt, und der Schützenkasten gerade so weit gehoben, daß eine neue Zelle mit einer Schütze vor den Schneller Z zu liegen kommt u.s.w. f ist ein Hebel, welcher am unteren Theile des Rahmens B in einer Schere oscillirt. Das eine Ende dieses Hebels ist durch eine Schnur mit der Jacquardmechanik, das andere durch die Stangen g und einen Hebel h dergestalt mit den Hämmern O, O verbunden, daß, wenn der Schützenkasten an dem Ende seines verticalen Laufes angekommen ist, die Jacquardmechanik einen Zug auf den Hebel f ausübt, wodurch die Hämmer O gehoben werden, so daß nun der Schützenkasten vermöge seines eigenen Gewichtes herabsinken kann, um die Operation von Neuem zu beginnen.

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Tafel Tab. I
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