Titel: Ueber die Fabrication von Soda mittelst Baryt-Bicarbonat; von Dr. Georg Lunge.
Autor: Georg Lunge [GND]
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXXIX., S. 137
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XXXIX. Ueber die Fabrication von Soda mittelst Baryt-Bicarbonat; von Dr. Georg Lunge. Lunge, über die Fabrication von Soda mittelst Baryt-Bicarbonat. Nach des Verfassers Antritts-Rede als Präsident der Newcastle Chemical Society. Das im Folgenden zu beschreibende Verfahren war Gegenstand eines englischen Patentes, welches jedoch schon vor mehreren Jahren zum Gemeingut geworden ist, indem die drei Jahre nach Ertheilung des Patentes fällige neue Taxe nicht erlegt wurde. Das Verfahren war von praktischem Erfolge begleitet, nicht allein im Laboratorium, sondern auch in ziemlich großem Maaßstabe; es ist jedoch noch niemals als currente Fabrication in Gang gebracht worden. Die Ursache davon lag durchaus nicht in dem technischen Charakter des Processes, und hatte nichts mit seinem Erfolg oder Nicht-Erfolge zu thun, sondern war die Folge von Complicationen mit Theilnehmern an dem Patente und führte eben auch zum Aufgeben des Patentrechtes nach drei Jahren. Ich führe das nur darum an, weil Fachmänner es darnach leicht verstehen können, warum ich es unter solchen Umständen unterließ mein Verfahren durch Publication in weiteren Kreisen bekannt zu machen und daß nach Aufgeben des Patentes mir wenig Aussicht vorlag das Verfahren in fabrikmäßigem Maaßstabe auszuführen. Ich darf wohl annehmen daß in Ermangelung irgend welcher weiteren Publication, das Verfahren in dem Wuste englischer Patentbeschreibungen unbeachtet geblieben ist; ich fühle mich aber doch ermuthigt, ihm durch diese Anrede eine weitere Verbreitung zu verschaffen, in der Hoffnung daß wenigstens einige Züge davon Anregungen gewähren, und als Ausgangspunkte für anderweitige Erfindungen und Verbesserungen dienen können. Daß in anderen Beziehungen das Verfahren noch schwache Stellen darbietet, ist mir wohl bewußt und eine Kritik derselben nur erwünscht. Wenn ich somit das in dem Eingange meiner Anrede erwähnte Chaos von Vorschlägen noch vermehre, so geschieht dieß mit der Absicht, ein wenig mehr „schätzbares Material“ beizutragen, aus dem sich schließlich ein untadelhaftes Sodaverfahren herausschälen kann. Ich muß auch sofort bemerken, daß das Verfahren auch auf Kaliverbindungen anwendbar ist, was sich wohl schon von selbst versteht, und was ich auch wenigstens durch Laboratoriums-Versuche nachgewiesen habe. Die erste Idee zu meinem Verfahren kam mir durch einen Vorschlag von Prof. Rud. Wagner, dem rühmlichst bekannten Verfasser der in Deutschland veröffentlichten „Jahresberichte für chemische Technologie.“ Wagner hatte seit geraumer Zeit der Baryt-Industrie große Aufmerksamkeit geschenkt, und hatte es auch versucht dieselbe in den Kreis der Sodafabrication einzuführen. Es ist wohlbekannt, daß eine Lösung von schwefelsaurem Natron sich durch kohlensauren Baryt nicht vollständig in kohlensaures Natron umsetzen läßt, welches auch die Temperatur und der Concentrationsgrad seyn mögen. Wagner fand jedoch:Jahresbericht der chemischen Technologie für 1857, S. 104. daß die Wirkung von doppelt-kohlensaurem Baryt eine andere ist, und gründete darauf einen Vorschlag zur Umsetzung der schwefelsauren Salze von Kali und Natron in kohlensaure. Seine Vorschrift war die: kohlensauren Baryt in Wasser zu suspendiren, und durch die milchige Flüssigkeit Kohlensäuregas zu leiten, bis durch Bildung von Baryt-Bicarbonat eine klare Flüssigkeit entsteht, aus welcher durch Zusatz einer äquivalenten Menge von Glaubersalzlösung schwefelsaurer Baryt sich ausscheidet, während zugleich zweifach-kohlensaures Natron sich bildet. SpäterJahresbericht für 1864, S. 166 (publicirt nach Auffindung meines Verfahrens). fand er daß eine vollständige Ueberführung des kohlensauren Baryts in Bicarbonat zur Umsetzung des Natronsulfates nicht nöthig sey. Dr. Hofmann bemerkt in seinem Berichte über die internationale Ausstellung von 1862 mit Bezug auf diesen Vorschlag,Reports by the Juries, Class II, p. 32. daß Kuhlmann ihn im fabrikmäßigen Maaßstabe unausführbar gefunden, aber bessere Resultate erhalten habe, als er unter einem Drucke von vier oder fünf Atmosphären arbeitete. Augenscheinlich verfolgte Kuhlmann seine Versuche mit Wagner's Verfahren nicht viel weiter, weil ein solcher Druck sowohl schwierig als kostspielig in dem in der Sodafabrication gewöhnlichen, großen Maaßstabe zu erhalten wäre; aus diesem Grunde schon war es nicht wahrscheinlich daß das Verfahren in seinem damaligen Stadium das Leblanc'sche würde ersetzen können. Es gibt aber auch noch andere Schattenseiten von Wagner's Verfahren, welche jedem praktischen Fabrikanten auffallen und ihn von dessen Ausführung abhalten müssen. Die Lösung des Baryt-Bicarbonats ist unter allen Umständen eine sehr verdünnte, und dem entsprechend die daraus erhaltene von Natronbicarbonat; dieß würde dem Verfahren ganz verderbliche Verdampfungskosten im Gefolge haben. Nach Gmelin löst sich 1 Theil Baryt-Bicarbonat in 830 Theilen Wasser. Dieses Verhältniß ändert sich zum Besseren, aber bleibt jedenfalls noch sehr ungünstig, wenn man nach Wagner's späterem Vorschlage nur einen Theil des Baryts in Bicarbonat verwandelt; wie viel gibt er nicht an. Die vortheilhafte Wirkung eines hohen Druckes, wie sie von Kuhlmann beobachtet worden ist, läßt sich leicht erklären, da unter Druck das Baryt-Bicarbonat löslicher in Wasser wird. Abgesehen von den Unkosten für die Abdampfung erfordern so verdünnte Lösungen unverhältnißmäßig großen Raum und Anlagekosten zu ihrer Manipulation. Ferner ist es klar, daß ein bedeutender Theil der Kohlensäure unabsorbirt durch die Flüssigkeit streichen und verloren gehen wird, und ein ungemein ernstes Hinderniß für den Vorschlag ist es, daß die sämmtliche beschaffbare Menge von natürlichem kohlensaurem Baryt (Witherit) im Verhältniß zu der ungeheuren Ausdehnung der Sodafabrication ganz unbedeutend ist. So lange als der Vorschlag also nicht durch ein leichtes und billig auszuführendes Verfahren zur Wiedergewinnung des kohlensauren Baryts aus dem schwefelsauren vervollständigt war, mußte es unfruchtbar und nutzlos bleiben.Wagner selbst wird wohl eine solche Vervollständigung, durch welche sein Vorschlag erst zu einem praktisch ausführbaren werden kann, für nothwendig halten, und sein Verdienst, die erste Anregung zu dem Verfahren gegeben zu haben, ist völlig unbestreitbar. Bei Inbetrachtziehung dieser verschiedenen Uebelstände, und der Mittel zu ihrer Vermeidung, kam ich schließlich auf eine Combination von Reactionen, welche mir einen vollständigen Kreislauf zu bilden scheinen, und dadurch eine in ökonomischer Hinsicht ausführbare Lösung des Problemes gewähren würden, die Reaction zwischen Baryt-Bicarbonat und Glaubersalz nützlich zu verwenden. Zunächst begann ich damit, statt eine Lösung von Baryt-Bicarbonat zu machen und dieser Glaubersalz zuzusetzen, daß ich im Gegentheile eine starke Lösung des letzteren bei gewöhnlicher Temperatur machte, etwa 1 Theil Sulfat auf 12 Theile Wasser. In dieser Lösung suspendirte ich kohlensauren Baryt, aber nicht natürlichen Witherit, von dem ein großer Ueberschuß erforderlich gewesen wäre, sondern einen in weiterhin zu beschreibender Weise dargestellten Artikel. Durch diese Mischung ließ ich einen Strom von Kohlensäuregas streichen, welches in beliebiger Weise dargestellt werden kann, aber je reiner desto besser. Die dazu verwendeten Gefäße will ich „Umsetzungsgefäße“ nennen; sie müssen mit einer Rührwelle versehen seyn, sowohl um das Barytcarbonat immer suspendirt zu erhalten, als auch um den Gasstrom in möglichst kleine Blasen zu zertheilen. Für den letzten Zweck kann man auch jedes sonst übliche und passende Mittel anwenden.Ein sehr gutes Mittel zu diesem Zweck besteht z.B. darin, das Gas unter einem eingelegten Siebboden ausströmen zu lassen. Jedes Theilchen von kohlensaurem Baryt, sowie es in doppelt-kohlensauren verwandelt und damit löslich wird, muß sofort auf das in Lösung befindliche Natron-Sulfat wirken, mit dem Resultate daß sich doppeltkohlensaures Natron und schwefelsaurer Baryt bilden, das erstere natürlich in Lösung bleibend, der letztere als Niederschlag. Da mithin der doppelt-kohlensaure Baryt unmittelbar nach seiner Bildung continuirlich aus der Flüssigkeit entfernt wird, indem schwefelsaurer Baryt niederfällt, so ist die Flüssigkeit immer sofort wieder im Stande neues Baryt-Bicarbonat aufzunehmen, welches ebenfalls sofort wieder als Sulfat entfernt wird, und so geht die Reaction unaufhörlich weiter, bis nichts in Lösung bleibt als doppelt-kohlensaures Natron und etwaige lösliche Verunreinigungen des angewendeten Glaubersalzes. Der Niederschlag wird die demselben äquivalente Menge Barytsulfat, und einen etwaigen Ueberschuß an Barytcarbonat enthalten. Falls man künstlich dargestelltes, d.h. präcipitirtes Barytcarbonat anwendet, braucht man nicht mehr als die theoretische Menge davon zu nehmen; aber bei Anwendung von natürlichem Witherit muß man mindestens das Vierfache der theoretischen Menge nehmen. Eine sehr unbedeutende Quantität von Baryt-Bicarbonat kann ebenfalls in Lösung bleiben; aber dieselbe wird während der Eindampfung ganz entfernt, indem dabei das zweite Aequivalent Kohlensäure entweicht, und einfach-kohlensaurer Baryt niederfällt.Dieser Fall tritt natürlich nur ein, wenn man bis zur absolut vollständigen Zersetzung des Natronsulfats geht, was in den meisten Fällen nicht räthlich ist. Mein theoretisches Raisonnement wurde denn auch durch den Probirstein des Experimentes vollkommen bestätigt. Indem ich mit einigen wenigen Unzen anfing, und bis zu mehreren Centnern in einer Operation fortschritt, fand ich jedesmal daß ich alles schwefelsaure Natron in doppelt-kohlensaures umsetzen konnte, und wenn die Kohlensäure erträglich rein war und in einem starten Strome angewendet wurde, genügten drei bis vier Stunden zur Vollendung der Reaction. Ich arbeitete stets bei gewöhnlicher Temperatur und Luftdruck; aber beim Arbeiten in fortlaufendem, fabrikmäßigem Maaßstabe würde bei Anwendung meines Apparates in dem ersten Umsetzungsgefäße ein Ueberdruck von einer Atmosphäre existiren, welcher für die Operation entschieden von Vortheil seyn muß, ohne doch redenswerthe praktische Schwierigkeiten (im Dichten der Gefäße etc.) zu verursachen. In meiner Patentbeschreibung schloß ich natürlich alle möglichen Sachen ein, z.B. die Anwendung von Scrubbers statt der Umsetzungsbottiche mit Rührwelle; aber in der Praxis habe ich immer die letzteren angewendet, und halte sie noch immer für zweckentsprechender. Es braucht kaum der Erwähnung, daß man den Zeitpunkt der Beendigung der Reaction mit aller Leichtigkeit ermitteln kann, indem man eine Probe der Mischung aus einem Probirhahn entnimmt, aus derselben durch Absetzen oder Filtriren etwas klare Flüssigkeit gewinnt, und dann mit Chlorbaryum auf unzersetztes Natronsulfat reagirt. Auch ist es nicht nöthig, bei der Trennung des in Lösung befindlichen Natronsalzes und des im Niederschlag enthaltenen Barytsalzes durch Absetzen und Waschen zu verweilen, da diese Operation eine sehr leichte und um so einfachere ist, als der Niederschlag ein sehr schwerer und dichter ist. Unglücklicherweise läßt sich die Lösung von Natron-Bicarbonat kaum dazu verwenden, festes doppelt-kohlensaures Natron daraus darzustellen; mir wenigstens glückte dieß niemals, und so brachte ich denn die Lösung zur Eindampfung, wobei das zweite Aequivalent Kohlensäure frei wird und in einem Gasometer aufgesammelt, oder sonst irgendwie zur Verwendung gebracht werden kann. Der Verdampfungsrückstand wird geglüht, und stellt dann eine Soda von vollkommener Reinheit dar, vergleichbar an Farbe dem allerbesten raffinirten Sodasalz, und demselben überlegen durch die völlige Abwesenheit (abgesehen von Spuren) fremder Salze, wenn das Glaubersalz hinreichend rein gewesen ist. Alles Eisen wird selbstredend während der Operation durch den kohlensauren Baryt ausgefällt, und Thonerde, Kieselsäure oder niedere Schwefelungsstufen des Natriums würden überhaupt gar nicht in das Product gelangen. Die solchergestalt erhaltene Menge Soda ist die dem Sulfat theoretisch entsprechende; in meinen Experimenten erhielt ich zuweilen 99 1/2 Procent kohlensaures Natron von der aus dem angewendeten Sulfat mit Berücksichtigung seiner Verunreinigungen theoretisch berechneten Quantität. Es braucht kaum einer Erinnerung, daß bei Leblanc's Verfahren der Verlust an nutzbarer Soda bei aller Sorgfalt 12 bis 15 Procent von der theoretisch zu erhaltenden Menge beträgt, theilweise in Folge von mechanischen Verlusten oder von Verflüchtigung, aber meist in Gestalt von unzersetztem oder zurückgebildetem Sulfat, und von löslichen oder unlöslichen in dem Auslaugungsrückstand bleibenden Verbindungen. Ich muß an dieser Stelle bemerken, daß ein anderer continentaler Gelehrter, C. Brunner, unabhängig von mir, und ehe meine Patentbeschreibung veröffentlicht war, ebenfalls die Reaction von Kohlensäure auf ein Gemisch von Glaubersalzlösung und Barytcarbonat vorgeschlagen hat.Polytechn. Journal, 1865, Bd. CLXXVI S. 127. Es war mir natürlich ganz unbekannt daß Brunner zu gleicher Zeit mit mir solche Versuche anstellte; ich las seinen Aufsatz erst einige Zeit nachdem ich meine endgültige Beschreibung deponirt hatte, und ich muß sagen, daß, wenn ich ihn früher gesehen hätte, ich doch keine wesentliche Anregung daraus hätte entnehmen können. Brunner sagt sehr aufrichtig, daß er über den ökonomischen Werth seiner Methode nicht entscheide, und fordert Techniker auf, sich der Prüfung derselben zu unterziehen, und die letzteren werden schon ohne weitere Prüfung sehen woran sie sind, wenn sie folgenden Vorschlag Brunner's hören: man solle in Fällen wo natürlicher Witherit sich der Benutzung nicht darbiete, kohlensauren Baryt dadurch künstlich darstellen, daß man zuerst Schwerspath in Tiegeln mit Kohlenpulver und Harz reducire, und dann Kohlensäure in das Schwefelbaryum einleite, welche mit Hülfe von Salzsäure erzeugt sey, wobei er sehr naiverweise bemerkt, daß die sämmtliche bei der Herstellung des Glaubersalzes erhaltene Salzsäure nicht hinreiche um die nöthige Menge Kohlensäure zu gewinnen, daß aber die Technik Mittel genug besitze um das Deficit zu decken. Der bei der letzteren Reaction entweichende Schwefelwasserstoff verursacht ihm nicht einmal so viel Sorgen, um ihm ein einziges Wort darüber zu entlocken. Nach dem Gesagten brauche ich es kaum noch auszusprechen, daß Brunner's Vorschlag ganz und gar der eines Theoretikers ist, und wenn ich nicht meinen eigenen für wesentlich verschieden in dieser Hinsicht hielte, so würde es mir nicht einfallen, ihn vor diese (großentheils aus praktischen Sodafabrikanten bestehende) Versammlung zu legen. Ich muß ferner anführen, daß einige Zeit nachdem ich mein Patent genommen hatte, meine Aufmerksamkeit auf ein Patent gelenkt wurde, welches von Herbert Taylor schon im Jahre 1851 erlangt wurde: „als eine Mittheilung von einem (ungenannten) Ausländer.“ In seiner kurzen Beschreibung finden sich, unter einem ganzen Haufen anderweitiger Sachen, 5 oder 6 Zeilen, welche eine Andeutung derselben Reaction geben; aber erstens sind auch nicht die mindesten Einzelheiten gegeben, noch ist irgend welche Andeutung gemacht, in welcher Weise die Reaction als ein technischer Proceß verwirklicht werden kann, und zweitens beweist der Umstand, daß die Anwendung der Kohlensäure nur für wünschenswerth, nicht für nöthig erklärt wird, und die totale Ignorirung der Bildung und Rolle von zweifach-kohlensauren Salzen, daß die Sache in dem Geiste des unbekannten Erfinders nie über das Anfangsstadium hinausgekommen war. Es ist daher kein Wunder, daß Taylor's Angabe bis jetzt der Aufmerksamkeit selbst der fleißigsten Sammler von Materialien zur Geschichte der Sodafabrication entgangen ist, und ich mache denselben hiermit meine Aufwartung mit demselben. Es ist mir nicht bekannt, daß dieselbe Reaction irgendwo anders vorgeschlagen worden wäre. Brunner's ungemein einfache, wenn auch nicht sehr billige Methode der Kohlensäuredarstellung, führt mich dahin etwas über die Art und Weise zu sagen, in welcher ich selbst jenes Gas darzustellen vorschlug. Es ist augenscheinlich, daß es für das Verfahren um so besser ist, je reiner man das Gas darstellen kann. Wenn z.B. Ozouf's Verfahren zur Darstellung von reiner Kohlensäure in großem Maaßstabe ausführbar und hinreichend ökonomisch wäre (worüber mir nichts Näheres bekannt ist), so würde es sich sehr für mein Verfahren eignen. Ozouf schlägt bekanntlich vor, unreine, mit beliebigen Mengen von Luft, Stickstoff u. dgl. gemischte Kohlensäure in eine Lösung von gewöhnlichem kohlensaurem Natron zu leiten, wobei die fremden Gase entweichen, während die Kohlensäure zurückgehalten wird und doppelt-kohlensaures Natron bildet. Wenn die Absorption ihr Maximum erreicht hat, wird die Lösung abgezogen und durch eine frische ersetzt; die abgezogene Lösung wird in einem anderen Gefäße erhitzt, das zweite Aequivalent Kohlensäure ausgetrieben, durch Abkühlung von Wasserdampf befreit und dann für irgend einen passenden Zweck verwendet. Die rückständige Flüssigkeit ist wiederum eine Lösung von einfach-kohlensaurem Natron, und braucht nur abgekühlt zu werden, um sofort wieder zur Absorption von Kohlensäure tauglich zu seyn. Ich habe diese Methode nie praktisch ausgeführt und weiß nicht ob sie billig genug ist, aber ich bin der Ansicht, daß die unreine, wie in meiner Patentbeschreibung aus brennenden Kohks in Verbindung mit einem Kalkofen (nach Art der Saturations-Kohlensäure in Zuckerfabriken) erhaltene Kohlensäure, gemischt mit der beim Eindampfen des in der Hauptoperation erhaltenen Bicarbonats entweichenden Kohlensäure, hinreichend rein für alle Zwecke meines Verfahrens ist. Natürlich muß sie durch eine Luftpumpe in die „Umsetzungsgefäße“ getrieben, und vorher abgekühlt und gewaschen werden. Unter allen Umständen ist es ganz unmöglich, sämmtliche Kohlensäure in einem, oder auch in zwei Umsetzgefäßen zu absorbiren (ich wende deren immer zwei an, wovon eines um das andere als erstes dient), da, wie ich schon angeführt habe, es zu der im fabrikmäßigen Maaßstabe nöthigen schnellen Arbeit gehört, daß man einen starken und raschen Strom Kohlensäure anwende. Aber hier kommt nun eine Combination von Apparaten zu statten, welche ich zum Zwecke einer vollständigen Verwerthung der Kohlensäure ersonnen hatte. Hinter den Umsetzungsgefäßen und in höherem Niveau brachte ich geschlossene, aber nicht nothwendigerweise mit Rührwellen versehene Gefäße an, welche mit einer in sofort zu beschreibender Weise erhaltenen Lösung von Schwefelbaryum gefüllt werden. Wenn man zwei solcher Gefäße, eines nach dem anderen, anwendet, so wird sämmtliche Kohlensäure aus dem Gasgemisch entfernt und durch Schwefelwasserstoff ersetzt, während kohlensaurer Baryt als Niederschlag fällt. Wenn der ganze Inhalt des ersten Gefäßes in eine Milch von Wasser und Barytcarbonat verwandelt worden ist, so läßt man das Gemisch ablaufen, zunächst in einen Absetzbehälter, um einen Theil des klaren Wassers von dem dickeren Schlamme von Barytcarbonat ablaufen zu lassen, und der letztere wird dann in dasjenige von den „Umsetzungsgefäßen“ gelassen, welches gerade für eine frische Operation bereit ist. Die Niveau's sind entsprechend angeordnet. Selbstredend wird der Gasstrom jetzt so dirigirt, daß er zuerst durch das zweite Gefäß mit Schwefelbaryum streicht, während das erste eine frische Füllung von demselben erhält und jetzt als zweites zur letzten Absorption der Kohlensäure dient, bis Nr. 2 seinerseits fertig ist, und so fort. Statt geschlossener Gefäße, durch deren flüssigen Inhalt das Gas in Blasen unter Druck streicht, kann man auch Scrubber-ähnliche Thürme ohne Druck anwenden, und ich fand solche bei meinen Versuchen in der That für diesen Zweck viel eher verwendbar als für „Umsetzungsgefäße;“ aber in der Praxis ziehe ich doch die ersteren Gefäße (mit Druck) vor, da der anfängliche Druck unter allen Umständen nicht über eine Atmosphäre Ueberdruck zu steigen braucht, was nicht allein mit Leichtigkeit technisch zu erreichen, sondern auch für die Reaction von Vortheil ist. Es ist klar, daß wir schließlich in dem entweichenden Gasgemisch keine Kohlensäure mehr haben, sondern Schwefelwasserstoff gemischt wesentlich mit sehr bedeutenden Mengen von Stickstoff. Ich muß es aufrichtig sagen, daß ich immer die größte, und fast die einzige wesentliche Schwierigkeit meines Processes darin gefunden habe, was mit einem so stark verunreinigten Schwefelwasserstoff zu thun sey. Ich versuchte, aber vergeblich, Kopp's Verfahren ihn mit beschränktem Luftzutritt zu verbrennen, um Wasser und Schwefel zu erhalten; ihn zu schwefliger Säure zu verbrennen, zum Zwecke der Schwefelsäurefabrication, schien ganz nutzlos auch nur zu versuchen, nach den allerseits über die Unrentabilität dieses Verfahrens gemachten Erfahrungen. Ich schlug ferner vor, ihn in Reinigungskästen gleich denjenigen der Gasfabriken durch Eisenoxydhydrat zu absorbiren; doch wäre auch dieses von sehr problematischer Rentabilität und würde jedenfalls einen enormen Apparat erfordern; Endlich, als das am zweckdienlichsten Scheinende, schlug ich vor, das Gas durch eine Mischung von Chlorbereitungs-Rückstand (saures Manganchlorür) und Kalk zu leiten, mit hinreichendem Ueberschusse des letzteren, um alles Mangan niederzuschlagen, und mit Wasser zu einem dünnen Schlamme aufgerührt; als Resultat würde sich die Absorption des Schwefelwasserstoffes und die Bildung von Mangansulfür ergeben, welches man durch Rösten in Mangansulfat überführen und dann wieder statt frischen Chlorrückstandes gebrauchen könnte. Auf jeden Fall ist für diesen Zweck Mangan oder selbst Zink dem Eisen vorzuziehen, da die Sulfüre des ersteren sich mit Leichtigkeit durch Calciniren in schwefelsaure Salze verwandeln lassen, während Eisensulfür sich nicht leicht würde anders behandeln lassen als daß man (nach hinreichender Anreicherung) den Schwefel zu schwefliger Säure verbrennt und in Bleikammern leitet; das im Rückstande bleibende Eisenoxyd müßte dann wieder in Salzsäure oder Schwefelsäure aufgelöst werden, was viel zu theuer käme. In der Praxis (übrigens nur im kleinen) fand ich daß eine Mischung von Chlormanganlösung und Kalk den Schwefelwasserstoff mit Leichtigkeit absorbirte; aber ich kam in meinen Versuchen nie so weit, das Absorptionsmittel durch Trocknen und Calciniren des Mangansulfürs wieder zu gewinnen. Dieser letzte Theil meines Verfahrens ist mithin nur theoretisch, aber ich kann mir nicht denken daß gerade dieser (das Wiedergewinnen des absorbirenden Mangansalzes) erhebliche praktische Schwierigkeiten bieten würde. Selbstredend entging es mir nicht, daß der Schwefel bei dem letztbesprochenen Verfahren ebenso wie bei Leblanc's VerfahrenBei den besten Wiedergewinnungs-Verfahren des Schwefels aus dem Sodarückstand erhält man bekanntlich in der Praxis kaum ein Drittel des Schwefels wieder, und mit solchen Kosten daß wohl Wenige sich darauf einlassen würden, wenn es nicht die Unschädlichmachung der Sodarückstände gälte. In England gilt das im Text Gesagte noch viel mehr als in Deutschland, da die allermeisten Fabriken dort gar keinen Versuch zur Wiedergewinnung des Schwefels machen. verloren geht; denn bei Wiederholung der Operation wird der Kalk in Gyps übergehen, und somit der Schwefel aus dem Kreise nutzbar zu machender Producte entfernt. Die nach der Calcination dann entstehende Mischung von Gyps und Mangansulfat würde mit Wasser behandelt werden müssen, um das letztere von dem unnützen Gyps zu trennen. In alledem ist Nichts, was schwierig in der Ausführung aussieht; aber ich muß es wiederholen daß dieses Verfahren zur Wiederbelebung des Absorptionsmittels für Schwefelwasserstoff noch des praktischen Beweises bedarf, welchen ich dafür nicht beibringen kann, und es läßt sich nicht leugnen daß dieser Umstand meinem ganzen Processe einen guten Theil seines Werthes in den Augen von Fachmännern benehmen muß, da der entwickelte Schwefelwasserstoff nothwendigerweise ein Aequivalent der sämmtlichen producirten Soda ist, und das Absorptionsmittel daher in der Fabrikpraxis wiederbelebt werden muß. Die Nothwendigkeit wird um so zwingender seyn, wenn die gegenwärtige Vergeudung von Chlormangan, in Gestalt von Chlorbereitungs-Rückständen, durch allgemeine Einführung des Weldon'schen oder Deacon'schen Verfahrens aufgehört haben wird; aber selbst unter den gegenwärtigen Umständen produciren manche Sodafabriken überhaupt gar keinen Chlorrückstand und keine einzige Sodafabrik, welche die Hauptmenge ihres Sulfates zu Soda verarbeitet, kann eine der letzteren äquivalente Menge Chlormangan erhalten. Ich habe die Absorption des Schwefelwasserstoffes durch Kupferlösung, nach Gibb und Gelstharp Polytechn. Journal, 1872, Bd. CCIV S. 308. oben gar nicht angeführt, weil dieses Verfahren augenscheinlich auf ganz specielle Fälle beschränkt ist – im Wesentlichen aber auf den Fall, wo die Reaction nicht Mittel sondern Zweck ist. Der Schwefel geht dabei übrigens auch verloren, und zwar in der sehr lästigen Form von schwefliger Säure, welche aus den Schornsteinen der Kupfersteinöfen entweicht. Der letzte Theil meiner Aufgabe ist die Behandlung der in die Reaction eingehenden Barytverbindungen. Der in den „Umsetzungsgefäßen“ niederfallende schwefelsaure Baryt wird meist zu sehr durch das im gewöhnlichen Glaubersalz vorkommende Eisen gefärbt seyn, um als blanc fixe verkauft werden zu können, welcher Artikel ja nur in ganz weißem Zustande brauchbar ist; auf alle Fälle ist die Consumtion von blanc fixe viel zu unbedeutend, um als Unterlage für ein Sodaverfahren dienen zu können. Der schwefelsaure Baryt muß also jedenfalls wieder in kohlensauren übergeführt werden, was sich praktisch nur durch das Zwischenstadium von Schwefelbaryum ausführen läßt. Den Ausgangspunkt für das Ganze würde selbstredend natürlicher Schwerspath bilden, und dasselbe Mineral, welches ja hinreichend gemein und billig ist, würde auch für alle Barytverluste einstehen müssen, welche durch unvollständige Reduction, Leckaye u.s.w. entstehen. Früher pflegte die Reduction von Schwerspath zu Sulfit kaum für einen wirklichen Groß-Fabricationsproceß angesehen zu werden; für die Operation wurden Tiegel oder Retorten vorgeschrieben, und wir haben gesehen wie Brunner, gleich den meisten Anderen, ein so kostspieliges Material wie Harz dabei verwendet. Ich habe mich indessen durch viele Operationen, ausgeführt in einem Ofen von der Größe eines gewöhnlichen (englischen) Sodaofens, überzeugt, daß die Reaction sehr leicht auf der Sohle eines Flammofens ausgeführt werden kann, besonders wenn der Sauerstoff der Luft so gut wie möglich durch eine tiefe Kohlenschicht in der Feuerung, und durch gut schließende Arbeitsthüren möglichst abgehalten wird. Man bedarf nur einer Mischung von fein gemahlenem Schwerspath mit nicht backendem Kohlenstaub; wenn die Kohle bäckt, so verhindert dieß eine vollkommene Reaction indem dann einzelne Theilchen Schwerspath eingehüllt werden. Natürlich ist häufiges Durcharbeiten nothwendig, und nirgends wäre ein rotirender Ofen mehr am Platze als hier. Ich fand, daß man in dem Flammofen bis 90 Proc. Baryt reduciren konnte; im Durchschnitt wurden jedoch nur 80 Proc. erhalten. Der unreducirte Schwerspath ist jedoch nicht verloren, da er beim Auslaugen der Masse zurückbleibt und bei einer folgenden Operation zugesetzt wird. Die reducirte Masse wird in eiserne Karren ausgezogen und geschwind zugedeckt, bis sie abgekühlt ist; sie wird dann in einem geschlossenen, am besten mit Rührwelle versehenen Apparate ausgelaugt, und die resultirende Lösung von Schwefelbaryum wird zur Production von kohlensaurem Baryt mit Hülfe der aus den Umsetzungsgefäßen (unabsorbirt) entweichenden Kohlensäure verwendet, wie es oben beschrieben worden ist. Da die Beschickung nie zum Schmelzen kommt und die erforderliche Hitze nur eine mäßige ist, so ist die zerstörende Wirkung auf die Ofensohle nur gering, und auch die Absorption von Baryt in derselben nur sehr unbedeutend. Gerade in dieser Operation fand ich durchaus keine Schwierigkeit; die Reduction von Schwerspath in Flammöfen wird in einigen continentalen Fabriken für specielle Zwecke schon regelmäßig ausgeführt und ich fand die Operation viel leichter als ich sie selbst mir vorgestellt hatte.Man vergl. auch meinen Aufsatz im Jahrg. 1871 Bd. CCII S. 76. Um eine klarere Idee von meinen vielleicht etwas complicirt erscheinenden Vorschlägen zu geben, will in dieselben in wenigen Worten recapituliren. Kohlensäuregas, so reichhaltig und rein als möglich dargestellt, wird durch eine Reihe von geschlossenen Gefäßen gepreßt, von denen die ersten („Umsetzungsgefäße“) eine Lösung von Glaubersalz und gefälltem kohlensaurem Baryt enthalten; die nächsten Gefäße sind höher aufgestellt und enthalten Schwefelbaryum; das daraus entweichende Gas, welches an Stelle von Kohlensäure Schwefelwasserstoff enthält, wird in der oben beschriebenen Art und Weise behandelt. Die Operation producirt in den „Umsetzungsgefäßen“ einen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt (welcher später zu Sulfid reducirt und dessen Lösung in die höher stehenden Gefäße chargirt wird) und eine Lösung von doppelt-kohlensaurem Natron (welches zur Trockne eingedampft wird und feste Soda und gasförmige Kohlensäure ergibt). Dieselbe Operation producirt mit Hülfe der unabsorbirten Kohlensäure in den höher stehenden Gefäßen die Umwandlung von Schwefelbaryum in kohlensauren Baryt, welcher zu Schlamm aufgerührt in die „Umsetzungsgefäße“ einlaufen gelassen wird, und dort für eine frische Operation dient. Bevor ich schließe, bleibt es meine Aufgabe (namentlich nach dem, was ich über die Vorschläge Anderer geäußert habe), etwas über den ökonomischen Werth des Verfahrens zu sagen. Ich will nicht viel über die Anlagekosten reden, weil diese nicht die Hauptsache sind. Sie würden freilich höher als sie in gewöhnlichen Sodafabriken ausfallen; dafür würden aber die Reparaturkosten geringer seyn, in Anbetracht der so verschiedenen Ofenarbeit. Viel wichtiger ist es, die Gestehungskosten in Betracht zu ziehen. Ich kann nicht behaupten daß mein Verfahren es gestattet eine gegebene Menge Glaubersalz eben so billig aufzuarbeiten als Leblanc's Verfahren; denn die Reduction des Barytsulfates wird beinahe ebenso viel Arbeit und Kohlen als die Arbeit im Sodaofen kosten; der Verlust an Baryt, wenn auch gering, kommt immerhin in Betracht, und Kohlensäure kann man nicht umsonst haben, selbst wenn man sie von einem mit Kohks geheizten Kalkofen entnimmt; was man an Kreide in der Sodamischung Leblanc's erspart, würde durch den Verlust an Kalk für die Absorption des Schwefelwasserstoffes aufgewogen werden. Arbeitslohn würde unbedingt höher kommen als bei Leblanc's Verfahren, obwohl keine so theure und schwierige Arbeit wie die am Sodaofen dabei ist. Aber gegen diese Schattenseiten muß man folgende sehr wesentliche Vorzüge halten: statt wie beim gewöhnlichen Sodaprocesse, 12 bis 15 Proc. der Soda zu verlieren oder in unbezahlbarer Form zu erhalten, gewinnt man sie so gut wie ganz, wie ich praktisch bei meinen Versuchen erwiesen habe, und wie es auch leicht erklärlich ist; zweitens ist alle erhaltene Soda chemisch rein, mit Ausnahme des durch das Glaubersalz eingeführten Chlornatriums; unter keinen Umständen kann sie schwefelsaures, schwefligsaures oder unterschwefligsaures Natron oder Thonerde, Kieselsäure und Eisen enthalten, da sie auf nassem Wege erhalten und nur in einem Ofen getrocknet wird. Alles gewonnene Product ist mithin an Qualität der besten raffinirten Soda gleich, wie sie im Handel als „calcinirte Krystalle“ bekannt ist. Wenn also, wie ich oben sagte, mein Verfahren es nicht gestattet eine gegebene Menge Glaubersalz ebenso billig aufzuarbeiten als Leblanc's Verfahren, so ist auf der anderen Seite das erhaltene Product viel bedeutender in Quantität, und viel werthvollen in Qualität. In meiner Meinung, welche natürlich der Kritik der praktischen Fachmänner unterliegt, überwiegen die erwähnten Vorzüge bei weitem alle angeführten und andere kleinere Schattenseiten, vorausgesetzt daß die Schwefelwasserstoff-Schwierigkeit befriedigend gelöst werden kann. Daß trotz dieser meiner Meinung ich bis jetzt keine Gelegenheit gehabt habe meinen Vorschlag im Großen in's Leben zu setzen, liegt an sich meiner persönlichen Controlle entziehenden Gründen, und beweist nichts für oder wider. Ich habe es daher nicht für unangemessen gehalten meinem Vorschlag durch diese Anrede größere Publication zu geben, da er als Ganzes oder theilweise vielleicht doch in anderen Händen Erfolg haben kann.