Titel: Eine Verwendung des Thonerdenatrons in den Baumwolldruckereien.
Autor: A. Kielmeyer
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LII., S. 203
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LII. Eine Verwendung des Thonerdenatrons in den Baumwolldruckereien. Ueber Verwendung des Thonerdenatrons in den Baumwolldruckereien. Eine der Ausgaben, welche in den Druckfabriken wie eine drückende Steuer nur mit Widerstreben getragen werden, ist die der sogenannten Mitlaufer. Dieselben müssen eigens für die Druckereien sehr stark gewoben werden, erhalten eine Länge von 250 Meter und eine Breite, welche die der gebleichten Druckwaare um circa 4 Zoll übertrifft. Beim Druck gehen sie zwischen dem Woll- oder Kautschuk-Tuch einerseits und dem Druckcattun andererseits, um zunächst die durch letzteren durchschlagende Druckfarbe aufzunehmen, und müssen deßhalb, um zu trocknen, einen Theil des Hitzkastens passiren. Ihr Zweck ist also, dem Druckcattun eine ganz reine, zugleich aber auch möglichst ebene, egale und zugleich elastische Unterlage zu bieten. Je nach der Schwere des Musters kann ein Mitläufer 1, 2 und 3mal benutzt werden, ehe eine Reinigung nothwendig ist. Die Manipulation des Reinigens wird in den Fabriken verschiedentlich ausgeführt, d.h. sie wird meist als etwas Nebensächliches, den Betrieb Störendes behandelt, wie sie auch in der That wegen des großen Volumens der Mitlauferstücke mit mancherlei Umständlichkeiten verknüpft ist. Man kann rechnen, daß ein solches Stück circa 2500 Stück Cattunen à 50 Meter als Unterlage dienen kann, und daß die jährliche Ausgabe für Mitlaufer bei einer Production von 100,000 Stück à 50 Met. sich auf 10,000 fl. südd. Währ. beläuft. Die Höhe dieser Ausgabe hat wohl die meisten Fabriken, welche zu rechnen gewohnt sind, zu dem Entschluß gebracht, die zum Druck bestimmten rohen Baumwollstücke nach dem Sengen, ehe sie in die Bleiche gegeben werden, als Mitlaufer zu benützen, trotz der zum Theil begründeten Opposition der Druckermeister. Nur für den Druck von Anilinschwarz war man genöthigt, die bisherigen, eigens gewobenen Mitlaufer beizubehalten, weil die vom Anilinschwarz beschmutzten rohen Stücke durch die nachfolgenden Operationen der Bleiche nicht vollkommen rein hergestellt werden konnten und auch weil die Festigkeit des Fadens Noth gelitten hatte. In englischen Fabriken hat man sich zwar in der Weise geholfen, daß man hinter den Druckmaschinen eine Vorrichtung angebracht hat, welche die rohen für Anilinschwarz als Unterlage 1mal benützten Stücke unmittelbar von der Maschine in kaltes Wasser führte, um so die Entwickelung des Schwarz auf der rohen Waare zu verhindern. Allein nicht überall hat man Gelegenheit und Räumlichkeit für eine solche Vorrichtung, ich war deßhalb genöthigt ein anderes Auskunftsmittel zu finden. Ich benütze nun schon seit einiger Zeit mit Vortheil das Thonerdenatron, welches jetzt im Handel leicht und billig zu bekommen ist, indem ich dasselbe mit dunkelgebrannter Stärke verdickt als Papp unter Anilinschwarz drucke. Der alkalische Theil dieser Druckfarbe wirkt unter Anilinschwarz wie eine Aetzfarbe, indem bei alkalischer Reaction eine Entwickelung des Schwarz unmöglich ist; gleichzeitig scheidet sich, wo Schwarz und Thonerdenatron zusammentreffen, festes Thonerdehydrat aus und wirkt so als Reserve, indem es jede unmittelbare Berührung des Schwarz mit der Baumwollfaser abschneidet. Es liegt auf der Hand, daß dieser Aetz-Reserve-Papp unter Anilinschwarz bei geeigneter Zusammensetzung und Behandlung noch als dritte Function die eines rothen Mordants übernehmen kann. Doch beschränke ich mich für heute darauf zu zeigen, wie sich die obigen Betrachtungen über das Thonerdenatron im Großen benützen lassen, um rohe Baumwollstücke zu präpariren, daß sie als Mitlaufer beim Anilinschwarzdruck dienen können, indem ich gleichzeitig beifüge, daß Versuche, solche Waare mit kohlensaurem oder essigsaurem Natron zu grundiren, nicht zum Ziel geführt haben. Beide Salze wirken durch ihren Alkaligehalt hemmend auf die Entwickelung des Anilinschwarz, aber sie können nicht zugleich als Reserve wirken, sie können nicht verhindern, daß ein Theil der durch den Druckcattun gedrungenen Farbe sich an die Baumwollfaser der Unterlage legt und zum vollen Schwarz entwickelt. Die für Anilinschwarzläufer bestimmte rohe Waare wird nach dem Sengen auf einer Grundirmaschine zweimal durch eine kalte Lösung Thonerdenatron von 4 bis 5° Baumé genommen. Man läßt die Waare 2 Stunden aufgerollt liegen, damit das Thonerdenatron möglichst gleichmäßig durch das Gewebe sich vertheilt, und trocknet dann auf dem Cylinder. Ein Stück à 50 Meter braucht für 5 kr. (südd. W.) Thonerdenatron und kann für leichte Muster z.B. Hemdemuster 2 bis 3mal als Unterlage dienen. Dann wird es mit den übrigen rohen Stücken, welche für andere Druckfarben als Laufer gedient haben, vor der eigentlichen Bleiche gewaschen, in Salzsäure à 2° Baumé gelegt und nochmals gewaschen. Nachdem dieses Procedens für die übrigen Laufer längst in den Fabriken adoptirt worden ist, so kommt nur noch die Operation des Grundirens in Anschlag, und diese dürfte gewiß nicht höher zu stehen kommen, als die umständlichen Manipulationen des Reinigens der alten, eigens gewobenen Mitlaufer. Für schwere Muster, z.B. Streifen, kann die präparirte Waare nur einmal als Laufer dienen und für ganz schwere Waare, wie Tüchel mit Anilinschwarzboden muß die Grundirungsflüssigkeit zu 10° Baumé genommen werden. Nach der fertigen Bleiche sieht man an solchen Stücken nicht das Geringste von dem Schwarzmuster, dem es als Unterlage diente, auch nicht an den Leisten der Waare; das Weiß ist ebenso schön wie bei anderen gebleichten Stücken, auch hat meine anfängliche Befürchtung, es möchte Thonerdehydrat im Gewebe zurückbleiben und später zum Einfärben Veranlassung geben, sich durchaus nicht bestätigt. Man kann die Waare vielmehr zu jedem beliebigen Fabrikationsartikel verwenden. Dagegen habe ich noch eine andere Beobachtung gemacht, daß das Anilinschwarz bei weißer Waare, welche auf so präparirten Laufern bedruckt wurde, sich auf der Rückseite des Gewebes viel schwächer entwickelte, als beim Druck mit unpräparirten Unterlagen, während gleichzeitig das Schwarz auf der Vorderseite vollkommen satt entwickelt war. Jedes Anilinschwarz, auch nach der besten Vorschrift gearbeitet, muß die Festigkeit des Fadens alteriren, und zwar um so mehr, je mehr es denselben von allen Seiten angreifen kann: hier aber kommt die feuchte Rückseite der Druckwaare in vorübergehende Berührung mit dem Thonerdenatron der Unterlage, nimmt einen Theil des letzteren in sich auf, wodurch für diese Seite des Fadens ein gefährlicher Ausgang der chemischen Reaction ausgeschlossen ist. Hierin ist aber zugleich eine Garantie für die relative Festigkeit des ganzen Gewebes enthalten. Dr. A. Kielmeyer.