Titel: Spodium-Erzeugung mit Verwerthung der Nebenproducte nach dem Patente Fr. Sebor in Prag.
Autor: Fr. Sebor , Fr. Sebor
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LXXXVIII., S. 351
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LXXXVIII. Spodium-Erzeugung mit Verwerthung der Nebenproducte nach dem Patente Fr. Sebor in Prag. Sebor, über Spodium-Erzeugung mit Verwerthung der Nebenproducte. Die Erzeugung der Knochenkohle geschieht noch meist in gußeisernen oder thönernen Töpfen, die eine enorme Regie erheischen, abgesehen davon, daß die werthvollen Ammoniakverbindungen in die Luft gehen und die Umgegend verpesten. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei dieser Manipulation der Erzeugung der Knochenkohle, durch Brennen der Knochen in Töpfen, die in Flammöfen erhitzt werden, viel Brennmaterial durch Anheizen und Auskühlenlassen unnütz verschwendet wird. Bei den jetzigen Handelsconjuncturen und Geschäftsverhältnissen muß ein jeder calculirende Industrielle auf einen möglichst rationellen Betrieb, der bei verhältnißmäßig geringer Regie auch die größtmögliche Ausnützung der Abfälle ermöglicht, bedacht seyn. Es wäre daher wünschenswerth, wenn auch der Knochenbrennerei mehr Aufmerksamkeit zugewendet würde, als es bisher der Fall war. Welche Vortheile gewährt die Ausnützung der Abfälle beim Brennen der Knochen dem Zuckerindustriellen oder speciell dem Spodiumerzeuger? Es ist eine längst bekannte Thatsache, daß die Knochen bei der trockenen Destillation, resp. beim Brennen, Knochenkohle, und als Destillationsproducte Ammoniak (zumeist als kohlensaures Ammoniak), Thieröl (oleum cornu cervi), und besonders die fetteren Knochen ein ausgezeichnetes Gas liefern. Die Qualität und Quantität der gewonnenen Producte ist durch die sehr variable Qualität der Knochen bedingt. Compactere, d. i. Kernknochen, liefern mehr und bessere Knochenkohle, dagegen weniger Ammoniak, Oel und Gas; leichtere Knochen dagegen schlechtere Knochenkohle, mehr Ammoniak und Gas. Ich lasse hier einige Data, die mir zu Gebote standen, folgen: a) Von 9000 Pfd. Pferdeknochen wurden erhalten 4980 Pfd. Knochenkohle und 1380 Quart ammoniakalische Flüssigkeit von 1,011 specifischem Gewicht. – – b) 69,50 Ctr. vollkommen getrocknete Rindskopfknochen gaben 40,00 Centner Knochenkohle, 145 Pfd. rohes Oel; das gewonnene ammoniakalische Wasser, mit Salzsäure neutralisirt, wovon 583 Pfd. verbraucht wurden, lieferte 275 Pfd. weißen krystallisirten Salmiak. (Stieren.) c) 250 Kil. Horn gaben 75 Kil. Kohle, 125 Kil. Auflösung des kohlensauren Ammoniaks von 12–15° Baumé und 40 Kil. Thieröl (Dumas.) Aus der Differenz der gewonnenen Producte, als Knochenkohle + Oel + ammoniakalisches Wasser, und der angewendeten Knochenmenge kann die erzeugte Gasmenge leicht approximativ berechnet werden und beträgt 10–20 Gewichtsprocente; seine Qualität gleicht bei fetteren Knochen nahezu jener des Oelgases. Um die Producte der trockenen Destillation der Knochen entweder zu gewinnen, oder wegen des unangenehmen Geruches zu verbrennen, wurden mit mehr oder weniger Erfolg verschiedene Oefen construirt und wieder verworfen. So werden z.B. in England meist Retortenöfen mit gußeisernen Retorten angewandt, die ammoniakalischen Producte aufgefangen und die Gase verbrannt. Der Knochenbrennofen von Gits und du Rieux zeichnet sich durch viele Vorzüge aus, ob zwar sich gegen seine Absorptionsmethode des Ammoniaks durch Schwefelsäure und Saugen der Gase mittelst der Luftpumpe viel einwenden ließe. 1. Ist der Betrieb einer Luftpumpe mit pecuniären Auslagen verbunden; 2. dürfte ein Weißbrennen der Knochen oft vorkommen, denn die Menge der sich entwickelnden Gase entzieht sich jeder Berechnung; z.B. entwickelt sich beim gleichmäßigen Gange der Luftpumpe nur etwas weniger Gas in den Retorten, so saugt die Pumpe atmosphärische Luft ein, welchen Uebelstand man erst an dem abgezogenen, theils grau, theils weiß gebrannten Spodiumbemerkt. Die Spodiumöfen von Poduska sind ein bedeutender Fortschritt gegenüber den Topföfen, gewähren jedoch keine Vortheile in Bezug auf die Wiedergewinnung der Ammoniakproducte. Die Anwendung der Thonretorten ist sehr rationell, liefert eine schöne Knochenkohle, und die Regieauslage für Kohle und der Ersatz der unbrauchbar gewordenen Retorten ist im Verhältnisse zu den alten Flammöfen mit Töpfen um 2/3 geringer. Bereits vor 6 Jahren versuchte ich eine rationelle Verwerthung dieser Nebenproducte der Knochendestillation durchzuführen, was mir auch nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten der technischen Durchführung derart gelang, daß in Oesterreich bereits nicht nur die meisten Spodiumfabriken dieses Verfahren adoptirt, sondern auch sehr viele Zuckerfabriken dasselbe eingeführt haben, wie wir weiter berichten wollen. Von nicht geringer Wichtigkeit ist diese Angelegenheit für Zuckerfabriken, welche mit Gasanstalten verbunden sind. Die Vortheile, die dem Zuckerindustriellen hierdurch geboten werden, sind: 1. ein tadelloses, unverfälschtes Spodium, wie er selbes im Handel zu beziehen selten die Gelegenheit haben wird; 2. die Gewinnung von Leuchtgas von ausgezeichneter Qualität, da dasselbe meist aus Oelgas besteht; 3. die Gewinnung von kohlensaurem Ammon, welches entweder auf ein anderes Ammoniaksalz oder Salmiakgeist verarbeitet, oder als ein sehr werthvolles Düngungsmaterial in der Form von schwefelsaurem Ammoniak in eigener Oekonomie verwerthet werden kann. Durch die Verwerthung dieser Nebenproducte der Knochenbrennerei sind die Selbsterzeugungskosten des Spodiums auf ein Minimum reducirt. Hr. Dr. Weiler, Chemiker des böhm. Zuckervereines in Prag, spricht über dieses Verfahren in seiner Begutachtung Folgendes aus: „Ich kann mit dem besten Gewissen meine Ansicht dahin aussprechen, daß die von Hrn. Sebor eingeführte und bereits längere Zeit im Gange befindliche Condensation der Ammoniakdämpfe eine äußerst vollständige und gelungene sey, so daß ohne den Druck in den Retorten unnütz zu vermehren, nur sehr geringe Mengen von Ammoniak mit dem Leuchtgase austreten. Die Trennung der Oele von der Rohlauge, resp. von der Auflösung von kohlensaurem Ammon, ist sehr rationell und leicht durchführbar. Auf die Verarbeitung der Rohlaugen auf Salmiakgeist übergehend, welcher für den technischen Gebrauch vollkommen geeignet ist, kann ich den von Hrn. Sebor construirten Apparat als neu, eigenthümlich und höchst sinnreich, sowie die angewendete Arbeitsmethode als eine vollkommen rationelle bezeichnen und zwar um so mehr, als dieselbe eine qualitativ und quantitativ befriedigende Waare liefert, wobei die Regie und Materialienkostenauslage verhältnißmäßig unbedeutend ist, und daher diese Methode die Aufmerksamkeit der Industriellen auf sich zu lenken mit vollem Rechte wohl geeignet erscheint.“ Wir begnügen uns im Nachstehenden die im gewöhnlichen Betriebe erzielten Resultate zweier Spodiumfabriken aufzuführen. A) 5220 Pfd. Knochen, wovon 2700 Pfd. ausgesottene Knochen mit 14 Proc. Wassergehalt, 2520 Pfd. gewöhnliche Feldknochen, gaben in zwei Retorten-Oefen à 18 und à 14 Retorten binnen 12 Stunden gebrannt, wobei der erste Ofen fünfmal, der zweite sechsmal entleert wurde, bei einem Verbrauch von 11 Ctr. Kleinkohle = 21,1 Proc. Brennstoffaufwand: 3175 Pfd. unsortirtes Spodium = 60,99 Proc.   587 Pfd. ammoniakalische Rohlauge und Thieröl = 11,24 Proc. enthaltend:   142 Pfd. Thieröl =   2,72 Proc.   445 Pfd. Ammoniakwasser =   8,52 Proc. von 1,065 specif. Gew. mit 6,22 Proc. Ammoniakgehalt (NH³.) B) Binnen 24 Stunden wurden auf 9 Retorten in 4 Bränden gebrannt à 1755 Pfd. à 1688 Pfd. à 1683 Pfd. à 1647 Pfund im Ganzen 6773 Pfd. Knochen, woraus 3980 Pfd. unsortirtes Spodium resultirten. Dieselbengaben: 566 Pfd. = 8,35 Proc. Ammoniakwasser von 15° Baumé mit 10 Proc. Ammoniakgehalt; 120 Pfd. Thieröl = 1,78 Proc. Als Brennstoff kamen zur Verwendung 2030 Pfd. Staubkohle von sehr geringer Qualität, wobei die Spodiumfabrik ausdrücklich constatirt, daß der von mir construirte Spodiumofen während einer früheren Periode, wo besseres Brennmaterial zur Anwendung gelangte, pro 24 Stunden 5 Brände = 85 Ctr. Knochen leistete. Ferner wurden auf den vorhandenen zwei Kochkesseln am Ofen, ohne Anwendung eines weiteren Brennstoffes pro 24 Stunden 100 Ctr. Knochen ausgekocht und entfettet. Im Jahre 1869 wurde mein Verfahren zuerst in der Duxer Zuckerfabrik eingeführt, welche sich nachstehend darüber äußerte: Dux, am 4. December 1869. Herrn Franz Sebor in Prag (1491 – II.). Die gefertigte Direction der Duxer Zuckerfabriksgesellschaft bestätigt Ihnen hierdurch mit Vergnügen, daß sich der von Ihnen in hiesiger Fabrik eingeführte Apparat zur Erzeugung von Spodium mit gleichzeitiger Benützung des daraus gewonnenen Leuchtgases zur Beleuchtung der Fabrik und der Stadt Dux, sowie die Gewinnung der Ammoniakproducte zu ihrer ganzen Zufriedenheit bewährt hat. Der erste Probeversuch ergab aus 900 Pfd. Knochen bei 1400 Kubikfuß Leuchtgas, 62 Proc. Spodium, und Ammoniakwasser enthaltend 13 Pfd. Stickstoff. Sollte Ihnen bezüglich Ihrer Anlage noch irgend welche Auskunft erwünscht seyn, so wird Ihnen die gefertigte Direction jederzeit damit zu Diensten stehen, und zeichnet inzwischen mit aller Achtung per Direction der Zuckerfabriksgesellschaft: Christenm. p. Seit dieser Zeit hat sich das Verfahren ungemein schnell eingebürgert, was wohl den besten Beweis für dessen Lebensfähigkeit liefert; wir können außer der Duxer Zuckerfabrik noch nachstehende Etablissements, die meinen Ofen sammt Verwerthung der Nebenproducte eingeführt haben, aufführen: Die Zuckerfabriken Wodolka, Pardubic, Chrudim, Protivin, Iicin, Swojsic, Zlonic, Zleb, Hrochov Teynic, Predmeric; die Spodiumfabriken: F. C. Grillo in Roztok, Mich. Schmidt in Ottakring, A. Hartmann in Kuttenberg, W. Weber in Königgrätz, J. Weidenhoffer in Deutschbrod, Röthlingshofer in Drozdov, Actienspodiumfabrik in Elbe-Teynitz, ferner jene in Brody. Im Bau begriffen: in den Zuckerfabriken in Libeznitz, Züttlingen (Württemberg), in der großen Spodiumfabrik und Gasanstalt bei der Zuckerraffinerie in Genua (Italien). Projectirt: bei den Zuckerfabriken in Selowitz, Pohrlitz, bei der Fürst Paar'schen Knochenstampferei in Bechyn. Indem ich nachstehend einige Gutachten von Zuckerfabriken beifüge, muß ich die HHrn. Interessenten noch auf die zahlreichen Verhandlungen über diese Frage in den diversen Generalversammlungen der Zuckerindustrie-Vereine verweisen (vide davon die stenographischen Berichte). Swojschitz, am 21. Januar 1871. Hrn. Franz Sebor in Prag. Es macht mir ein besonderes Vergnügen, Ihnen hiermit zu constatiren, daß Ihr Knochenverbrennungsofen, der nun seit 26. v. Mts. in Thätigkeit ist, sich ganz vorzüglich bewährt. Die Bedienung desselben ist einfach, das Spodium von ganz vorzüglicher Qualität und die Ausbeute recht genügend. In dem 2ten Retortenofen werden täglich 1088 Pfd. Knochen gebrannt und davon im Durchschnitt 690–700 Pfd. schönes Spodium gewonnen, sohin circa 64 Proc. Das Gas brennt prächtig unter dem Roste und hilft sehr viel heizen, und es werden nur 700 Pfund Kohlen verbraucht (pro 24 Stunden). Die Ammoniaklauge fließt aus dem Condensator mit 7° Baumé ab, die nach ihrer Angabe mit Schwefelsäure neutralisirt und eingedampft, täglich 80–90 Pfd. Krystalle von schwefelsaurem Ammoniak gibt. Anfangs dauerte diese Krystallisation sehr lange, da die ungeschickten Leute zu viel nachgossen und die Krystallisation verhinderten; jetzt geht diese regelmäßig vor sich. Die Berechnung ergibt sich aus Obigem von selbst und ich will nur hervorheben, daß Ihr Verdienst in dieser Sache, welche von national-ökonomischer Wichtigkeit ist – besonders anzuerkennen ist. Graf Althann'sche Zuckerfabrik Karlsthal bei Swojschitz. Westermeier, Verwalter.  Chrudim, am 24. Februar 1872. Hrn. Fr. Sebor. In Beantwortung Ihres Briefes übersenden wir Ihnen ein Muster des in Ihrem Ofen erzeugten Spodiums. Wir haben bis jetzt circa 300 Ctr. Spodium von ausgezeichneter Qualität erzeugt, obzwar wir die Knochen nicht überklauben und nicht auskochen. Wie Ihnen bekannt, haben wir in unserem Ofen bloß 2 Retorten, und werden die dritte Retorte gleich nach beendigter Campagne aufstellen. Die Knochen sind in drei Stunden vollständig ausgebrannt und obzwar wir ungebrochene Knochen brennen, erzielen wir per Retorte 40–45 Pfund gebrannte Knochen, daher in zwei Retorten 80 bis 90 Pfd. oder in 24 Stunden 6–7 Ctr. Spodium. Bei drei Retorten und bei gebrochenen Knochen hoffen wir das doppelte Quantum zu erzielen. Die Heizung geschieht mit Gaskohks von unseren Steinkohlengasöfen, und das Ausbrennen ist vollständig. Ueberhaupt ist der ganze Vorgang sehr gut und dabei keine Arbeit, da dieselben Arbeiter, welche die Gasanstalt bedienen und die überhaupt unumgänglich nothwendig sind, für eine geringe Entschädigung auch diese Arbeit besorgen. Die Retorten sind vollständig conservirt; bezüglich der erzeugten Menge Gas war es mir in der Campagne nicht möglich dieselbe genau zu constatiren, ich werde dieselbe jedoch nach beendigter Campagne genau untersuchen lassen. Achtungsvoll Direction der Actien-Zuckerfabrik. Fr. Urbánek.  Actien-Zuckerfabrik in Pardubitz: Pardubitz, am 9. April 1873. Wohlgeboren Hrn. Franz Sebor, Prag. In Beantwortung Ihres Briefes vom 30. März l. J. theile ich Ihnen mit, daß mich Ihr Verfahren der Spodiumerzeugung zufriedenstellt, da ich nach demselben bereits das dritte Jahr für die Pardubitzer Zuckerfabrik brauchbares und gutes Spodium erzeuge. – Die Gase aus den Retorten gebrauche ich zum Heizen des Ofens. Ich halte es für vortheilhaft, die Knochen zu sortiren, und nur die festen Knochen zum Spodiumerzeugen zu benützen. Jos. Pfleger m. p.  Mit Hinweisung auf diese günstigen Resultate, die ich mit meiner Einrichtung erzielt habe, erübrigt mir nur die Bemerkung: 1. Das erzielte Spodium ist sehr kohlenstoffreich und läßt in Bezug auf die Qualität nichts zu wünschen übrig, so daß die Fabrik stets ein vortreffliches Product zu ihrer Disposition hat. 2. Durch die rationelle Verwerthung der Nebenproducte reducirt sich der Gestehungspreis des Spodiums auf ein Minimum. 3. Die Einrichtung läßt sich in jeder bestehenden Gasanstalt oder Spodiumfabrik ohne besondere Schwierigkeiten anbringen, selbst wenn dieselbe bereits im Betriebe ist. Prag, am 7. Juni 1873. Fr. Sebor m. p.