Titel: Das Glycyrrhizin oder der Lakritzensaft.
Autor: Grießmayer
Fundstelle: Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XXXVIII., S. 228
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XXXVIII. Das Glycyrrhizin oder der Lakritzensaft. Grießmayer, über das Glycyrrhizin. In der Süßholzwurzel, sowie in einigen anderen Wurzeln, ist eine Zuckerart enthalten, welche in Extractform in den Handel kommt. Der wirksame Bestandtheil dieser Extracte ist das sogen. Glycyrrhizin, ein gelbweißes Pulver von angenehm bittersüßem Geschmacke. Obwohl die vox populi sich vielfach dahin ausgesprochen hat, daß dieser Saft in die Brauerei Eingang gefunden hat und gar nicht selten zur Anwendung gelange, so wurde doch namentlich von theoretischer Seite aus immer bemerkt, daß diese Zuckerart nicht vergährungsfähig sey und daher dem Brauer auch als Surrogat nur sehr wenig nützen könne. Eine hierüber von mir angestellte und so eben geschlossene Untersuchung wird wohl dazu beitragen, die Sache etwas anders aufzufassen. Wenn man Glycyrrhizin in kaltem Wasser löst, worin es etwas schwer löslich ist, so erhält man eine gelbe, im auffallenden Lichte bräunliche Flüssigkeit von eigenthümlichem, an Schnupftabak erinnerndem Geruche. Erhitzt man diese Lösung, so entsteht zuerst ein feiner gelber Schaum, der nach kurzer Frist des Siedens wieder verschwindet. Die sich entwickelnden Dämpfe haben einen angenehm aromatischen Geruch. Das Glycyrrhizin ist ein Glucosid, das heißt durch Behandlung mit verdünnten Säuren in der Wärme wird es gespalten und in Glycyrretin und Zucker übergeführt. Wären nun in der Würze freie Säuren, wie z.B. Phosphorsäure oder Bernsteinsäure, so würden diese offenbar dazu dienen, beim Maischproceß oder auch beim Hopfenkochen eine solche Umwandlung zu erzielen. Wie aber, wenn nur neutrale Salze dieser Säuren, z.B. phosphorsaures Kali, in der Würze sind, würde dann wohl eine Umsetzung erfolgen? Zur Lösung dieser Frage kochte man in kaltem Wasser gelöstes Glycyrrhizin mit etwas phosphorsaurem Kali 10 Minuten und bekam nun wirklich die bekannte Zuckerreaction mit der Fehling'schen Lösung. Nach diesem Aufschlusse vermuthete ich, daß vielleicht das Sieden allein schon von Einwirkung auf den Proceß ist und in der That zeigte sich, daß eine Lösung, die ohne weiteren Zusatz einige Zeit gesotten hat, die alkalische Kupferlösung reducirt. Eine kalt gesättigte Lösung thut das freilich nicht, auch nicht beim Erhitzen mit dem Tartarat und daher kommt wohl der allgemein verbreitete Irrthum, daß das Glycyrrhizin auch bei 100° die Kupferlösung nicht reducire. Der Grund für dieses verschiedene Verhalten liegt offenbar darin, daß die Alkalinität der Kupferlösung die Spaltung des Glucosides verhindert. Nun entstand die Frage, ob der durch vorgehendes Sieden in Freiheit gesetzte Zucker auch wirklich vergähre. Zu diesem Behufe setzte man circa 400 K. C. der vorerst gekochten und dann auf die Zimmertemperatur (20° R.) abgekühlten Süßholzlösung mit 0,5 Grm. Faßhefe an. Nach circa 6 Stunden beobachtete man schon die Kohlensäureentwickelung und nach 3 Tagen war die Gährung vollendet. Der gebildete Alkohol wurde durch Destillation sowie durch die Lieben'sche Probe nachgewiesen: reichliche Ausscheidung von Jodoform, dessen Krystallform unter dem Mikroskope identificirt wurde. In der letzten Periode der Gährung trat ein ganz abscheulicher, fauliger Geruch auf, der natürlich in das Destillat überging. Nichtsdestoweniger zeigte die vergohrene Flüssigkeit keine Bakterien oder Vibrionen, weder Leptothrix noch S. exiguus, sondern den ganz gesunden Saccharomyces cerevisiae. Die Vermuthung liegt nahe, daß der niederträchtige Geschmack und Geruch gewisser Biere von solchen Schmierereien mit Lakritzen seinen Ursprung nimmt. Laboratorium der Augsburger Brauerschule. Dr. V. Grießmayer.