Titel: Ueber die Ursache des Leuchtens und Richtleuchtens der Flammen; von Dr. R. Blochmann.
Fundstelle: Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XII., S. 46
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XII. Ueber die Ursache des Leuchtens und Richtleuchtens der Flammen; von Dr. R. Blochmann. Blochmann, über die Ursache des Leuchtens und Richtleuchtens der Flammen. Dr. R. Blochmann in Königsberg hat in den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CLXVIII S. 295–368, eine Abhandlung „über die Vorgänge im Inneren der nichtleuchtenden Flamme des Bunsen'schen Brenners“ veröffentlicht. Indem wir auf diese Abhandlung verweisen, theilen wir im Nachstehenden Dasjenige mit, was der Verfasser am Schluß derselben über die Ursache des Leuchtens und Nichtleuchtens der Flammen anführt. „Sauerstoff vermochte die mit Königsberger Leuchtgas gespeiste Flamme meines Bunsen'schen Brenners zwar nicht ganz zu entleuchten, aber er drückte die Leuchtkraft derselben bedeutend herab und erzeugte bald im Inneren des Brenners ein explosibles Gemisch, so daß die noch schwach leuchtende Flamme zurückschlug. Verhindert man das Zurückschlagen durch ein feines Drahtnetz, welches man über die Brennermündung stülpt, so kann man das Flämmchen leicht ganz entleuchten. Den entgegengesetzten Effect erreicht man bekanntlich, wenn man Leuchtgas unmittelbar vor der Verbrennung mit Sauerstoff mischt. Es ist dieß eines der glänzendsten Experimente. Gegenwärtig ist auch in Deutschland die Technik bemüht, dieses Phänomen für Beleuchtungszwecke auszubeuten. Man erhält dieses glänzende Licht sowohl, wenn man den Sauerstoff von außen, als auch, wenn man ihn von innen zur Flamme bringt, wenn man nur beide Gase erst unmittelbar vor der Verbrennung zusammentreten läßt. Von Bedeutung für den Effect ist das Verhältniß, in welchem beide zusammenkommen. Eine nach Art des Gebläsebrenners construirte Brennervorrichtung ist für diesen Versuch die einfachste. Während im Bunsen'schen Brenner Leuchtgas und Sauerstoff Zeit finden sich gleichmäßig zu mischen, diffundiren sie hier erst da in einander, wo die beiden concentrischen Ausströmungsöffnungen sich berühren. In dieser Zone beginnt die Verbrennung, die sich weiter nach oben fortsetzt, in dem Maaße, in welchem Leuchtgas und Luft in die Höhe steigen und ineinander diffundiren. Genügt die Menge von Sauerstoff, das Leuchtgas vollständig zu verbrennen, und findet die Sauerstoffzufuhr von außen statt, so können die Bestandtheile der Luft keinen wesentlichen Einfluß auf den Verbrennungsproceß ausüben. Landolt fand im Inneren der normalen leuchtenden Flamme in der halben Höhe bereits 66,6 Proc. Stickstoff. In jener Flamme können sich dagegen nur unbedeutende Mengen von Stickstoff vorfinden. Hier ist der Verbrennungsproceß ein concentrirterer; die Wärme, welche dort der inerte Stickstoff absorbirt, kommt hier dem leuchtenden Princip zu gute. Dieser Concentration des Verbrennungsprocesses ist jedenfalls die erhöhte Leuchtkraft solcher Flammen zuzuschreiben. Das Nichtleuchten einer durch ein für den Verbrennungsproceß inertes Gas entleuchteten Flamme beruht auf dem entgegengesetzten Proceß. Es ist augenscheinlich, daß hier das brennbare Gas in einem stark verdünnten Zustande zur Verbrennung gelangt, und daß bei derselben an der erweiterten Oberfläche der Flamme eine relativ viel geringere Menge brennbarer Bestandtheile mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung kommt. Anders ist es mit der Flamme des Bunsen'schen Brenners. Der Grund für das Nichtleuchten dieser Flamme ist in der inneren Verbrennungszone derselben zu suchen. In dieser inneren Verbrennungszone verbrennt bereits ein Theil des Leuchtgases, während der andere, größere Theil desselben hier zersetzt wird in Wasserstoff und Kohlenoxyd, Gase welche allein unter gewöhnlichen Umständen mit nichtleuchtender Flamme brennen. Jenseits der inneren Verbrennungszone sind sie durch die Verbrennungsproducte derselben und den von der beigemischten Luft übrig gebliebenen Stickstoff stark verdünnt; es ist daher nicht zu verwundern, daß die von den beiden Verbrennungszonen eingeschlossenen glühenden Gase nicht leuchten. Die Abnahme der Leuchkraft einer Flamme in Folge von Zumischung von Luft zum Leuchtgas vor der Verbrennung ist aber nicht proportional der zugemischten Luftmenge. Unter Umständen kann sogar ein geringer Gehalt an Luft auf die Leuchtkraft des Gases einen günstigen Einfluß ausüben. So veröffentlichten Silliman und Wurtz (Journal of Gaslighting, 1869 p. 762), daß New-Yorker Straßengas, welches 2 Proc. Luft enthielt, von derselben befreit eine im Durchschnitt von 1–2 (Max. 4) Kerzen verringerte Leuchtkraft zeigte. Daneben stellen sie eine Tabelle von Audouin und Bérard zum Vergleich auf, nach welcher Leuchtgas, mit 1 Proc. Luft gemischt, 6 Proc. der ursprünglichen Leuchtkraft 6 44 40 99 45 100 verlor. Sie bemerken hierbei, daß das amerikanische Leuchtgas ein sehr kohlenstoffreiches war, während das von den französischen Gelehrten untersuchte ein gewöhnliches Leuchtgas gewesen zu seyn scheint. Es dürfte nicht uninteressant seyn, noch einen Blick auf das Verhalten der in dem Leuchtgas enthaltenen Kohlenwasserstoffe in der Hitze zu werfen. Berthelot beobachtete, daß C, H⁴C = 12, O = 16.), der Einwirkung der Wärme ausgesetzt, eine merkwürdige Veränderung erleidet. Ein Theil desselben zerfällt in seine Elemente, während der andere, sehr beträchtliche Theil in C²H² umgewandelt wird. Anderswo theilt er die Bildung von C²H² aus C²H⁴ unter Abspaltung von H² mit. Das Verhalten des C²H² in der Hitze schildert er folgendermaßen. Wird reines C²H² bis zur dunkeln Rothgluth erhitzt, so entstehen durch polymere Condensation mehrerer Molecüle allmählich C⁶H⁶, C⁸H⁸ C¹ºH¹º u.s.w. Bei Gegenwart von Kohle zerfällt aber der Kohlenwasserstoff in seine Elemente. Durch N, C, O u.s.w. wird die Zersetzung nicht verhindert, sondern nur verlangsamt. Grubengas und Aethylen, die vorzüglichsten Kohlenwasserstoffe des Leuchtgases, zerfallen also, der Wärme ausgesetzt, fortgesetzt in Kohlenstoff und Wasserstoff; denn ein Theil des CH⁴ liefert die Kohle, deren Gegenwart die Zersetzung des entstehenden C²H² fordert. Dieses von Berthelot beobachtete Verhalten der Kohlenwasserstoffe in der Hitze vereinbart sich gut mit der Davy'schen Hypothese über die Ursache des Leuchtens der Flamme. Die schönen Versuche Frankland's haben dieselbe jedoch stark erschüttert. Frankland schreibt dichten glühenden Dämpfen das Leuchten der Flamme zu. Hiernach anzunehmen, daß Kohlenstoffdampf in der Flamme existire, steht aber in zu grellem Widerspruch mit den Eigenschaften des Kohlenstoffes, die wir bis jetzt kennen. Wir wissen aber auch noch nichts über die Druckverhältnisse im Inneren der Flamme, welche möglicher Weise nicht ohne Einfluß auf die Erklärung des Leuchtens sind. Barentin glaubte, daß der leuchtende Kern der Flamme einen gewissen Druck ausübe. Er veröffentlichte in einer Abhandlung „über das Ausströmen brennbarer Gase“ (Annalen der Physik und Chemie, Bd. CXCVII S. 183) einige Beobachtungen über die in gleichen Zeiten ausströmenden Leuchtgasmengen, je nachdem das Gas frei in die Luft oder angezündet dem Brenner entströmt. Bei verschiedenen Brennern, die er anwendete, fand er die Mengen des ausgeströmten Gases, wenn es brannte, 26 Proc., 33 Proc. u.s.w. geringer, als wenn es nicht brannte. Er erklärte diesen Unterschied so: „Wenn ein brennbares Gas ausströmt und angezündet wird, erhitzt sich der in der glühenden Hülle befindliche Gaskern und verzögert durch seine allseitige Expansion den Ausfluß des Gases.“ Mein Vater (Journal für Gasbeleuchtung, Bd. V S. 355) wies aber schon früher diese Erklärung zurück und setzte auseinander, daß der geringere Gasverbrauch seinen Grund lediglich in der Volumvermehrung habe, welche das Gas erleidet, indem es den erhitzten Brennerkopf passirt. Ueber die eigentliche Ursache des Leuchtens der Flamme sind wir also zur Zeit noch im Ungewissen, und es zeigt uns dieß von Neuem, daß noch nicht alle die Erscheinungen, welche sich täglich vor unseren Augen abspielen, ihrem innersten Wesen nach von uns erkannt sind.“