Titel: Das Fleischextract in der Wiener Weltausstellung; von Adolph Ott in Bern, gew. Mitglied der internationalen Jury und Berichterstatter von Section 4, Gruppe IV.
Autor: Adolph Ott
Fundstelle: Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XXIX., S. 146
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XXIX. Das Fleischextract in der Wiener Weltausstellung; von Adolph Ott in Bern, gew. Mitglied der internationalen Jury und Berichterstatter von Section 4, Gruppe IV. Ott, über das Fleischextract in der Wiener Weltausstellung. Dieser Artikel war dießmal nicht allein durch die Liebig Extract of Meat Company, sondern ebenfalls durch Häuser in San Antonio, Texas und Montevideo, sowie durch mehrere Fabriken in Australien repräsentirt. In der That ist es erfreulich zu sehen, wie sehr die Erzeugung des Fleischextractes zugenommen hat. Bedenke man nur, daß 1850 in der königl. Leib- und Hofapotheke in München kaum 1 Centner Fleisch, d.h. kaum der zehnte Theil eines Ochsen jährlich zu Extract verarbeitet wurde, während in Fray Bentos allein im letzten Jahre das Fleisch von 150,000 Rindern zu diesem Zwecke gedient hat. Zieht man in Betracht, daß von den anderweitigen, oben erwähnten Fabriken auch ganz bedeutende Quantitäten Fleischextracts in den Handel gebracht worden, so erscheint der Ausspruch Pettenkofer's, daß eine Zeit kommen werde, wo man es gar nicht mehr anders wissen wird, als daß in jeder ordentlichen Küche ein Topf mit Fleischextract seyn müsse, gerade so wie jetzt Pfeffer und Salz, nicht mehr so ganz ungerechtfertigt. Die geographische Reihenfolge einhaltend, wie sie in der Ausstellung zur Anwendung kam, beginnen wir mit Uruguay. Daselbst war das Fleischextract Buschenthal's aus den Fabriken der HHrn. Lucas Herrera y Obes y Comp. (vormals Buschenthal) in Montevideo ausgestellt. Das genannte Etablissement liegt in Mitte großer, zu demselben gehörender Waldungen, welche somit das Feuerungsmaterial fast umsonst liefern und verarbeitet täglich 200 Rinder theils zu Extract, theils zu Fleischconserven. Die Vertreter der genannten Firma geben an, daß, obwohl ihr Fleischextract im Allgemeinen, nach dem von Hrn. v. Liebig vor Jahren beschriebenen Verfahren fabricirt werde, die Fabricationsmethode des Buschenthal'schen Erzeugnisses in vielfacher Hinsicht verbessert worden sey. Nach Prof. Stökhardt in Tharand enthält es im Mittel nur 13,93 Proc. Wasser, dagegen 63,65 Proc. alkoholisches Extract. „Vergleicht man diese Gehaltszahlen,“ sagt Stökhardt, „mit denjenigen welche v. Liebig als Minimal- und Maximai-Zahlen für den Gehalt des Fray-Bentos-Extractes an Wasser wie an in Weingeist löslichen Bestandtheilen festgestellt hat, so findet man, daß das untersuchte Buschenthal'sche Extract bezüglich seines Wassergehaltes noch unter der Minimal-Grenze steht, bezüglich seines Gehaltes an alkoholischem Extract aber die Maximal-Grenze nahezu erreicht.“ Der Geruch ist kräftig und angenehm, der Geschmack rein, sein Stickstoffgehalt proportionell groß, überhaupt ist das genannte Extract dem Fray-Bentos-Fabricate völlig gleichzustellen. Den Preis betreffend, so stellt sich derselbe im Einzelverkauf per Pfund auf 11,50 Francs, en gros auf 8,75 Francs mit Rabatt. In der Gallerie der Vereinigten Staaten von Nordamerika befand sich das Fleischextract der Meat Extract Company in San Antonio, Texas. Dieselbe gibt an, auf eine Erzeugung von 200,000 Pfund eingerichtet zu seyn. Nach Jos. Ringl in Wien enthält das bezügliche Extract Wasser 16–21 Proc., Asche 18–22 Proc., in Alkohol lösliche Substanz 56–66 Proc. Dr. R. Fresenius gibt folgende Analyse: Wasser 19,68 Proc. Asche 21,08 darin 7,05 Proc. Phosphorsäure.1,86    „    Chlor. In Alkohol lösliche Substanz 59,76 In Aether lösliches Fett   0,16 Gesammt-Stickstoff-Gehalt   7,152 Stickstoffgehalt des in Alkohol löslichen Theiles   6,253 Das texanische Fleischextract enthält somit nur eine Spur Fett, welches in nur geringer Menge durch Ranzigwerden seine Haltbarkeit gefährden könnte, löst sich klar in Wasser und leistet auch in Bezug auf Geschmack und Geruch den Anforderungen vollkommen Genüge, welche man an ein gutes Fleischextract zu stellen berechtigt ist. Manche wollen die daraus bereitete Brühe auch von einem milderen Geschmack und angenehmeren Bratengeruch gefunden haben, als wie die ist, welche aus dem Fray-Bentos-Extracte erhalten wird. Der Preis stellt sich en gros pro Pfund auf 3,60 fl., en détail auf 4,10 fl. In den englischen Colonien hatten C. M. Bagot von Adelaide, Süd-Australien, und Robertson Brothers von Baffle Creek in Queensland Fleischextract ausgestellt.Hr. Prof. Schwarzenbach in Bern ist gegenwärtig mit der näheren Untersuchung dieser Fabricate beschäftigt und wird die Resultate s. Z. der Oeffentlichkeit übergeben. Nähere Angaben über die Ausdehnung der Fabrication fehlen. Die Liebig Extract of Meat Company brachte ihr Fabricat, da ihr General-Depôt sich in Antwerpen befindet, in der belgischen Abtheilung zur Schau. Bekanntlich war dieselbe die erste, welche Fleischextract im Großen darstellte, indeß ist die Geschichte dieser Gesellschaft zu bekannt, als daß wir für nöthig fänden, sie hier zu wiederholen;Eine treffliche Beschreibung der Fabriken dieser Gesellschaft findet sich Bd. III Nr. 1 von Springmühl's Allg. illustr. Weltausstellungs-Zeitung. genug wenn wir hervorheben, daß sie im letzten Jahre das Fleisch von 150,000 Stück Rindern zu Extract verarbeitete. Indeß sey von vornherein bemerkt, daß hierzu nicht alles Fleisch genommen wird, es dienen vielmehr nur die besten Stücke, daher denn die Fabrik, welche sich in Fray Bentos in Uruguay befindet, im Falle ist, jährlich 15–20 Ladungen gesalzenen und an der Luft getrockneten Fleisches (Tasajo) nach Brasilien und Cuba zu senden. Ueber den Verkauf von Extract in den letzten 6 Jahren, sowie über die Zahl der Schlachtungen erhielt Verfasser folgende Daten. Verkauf von Extract Schlachtungen: in 1867 145,746 Kil. ca. 40,000 Stück Vieh 1868 298,227 70,000 1869 360,190 83,000 1870 498,505 Kriegsjahr 90,000 1871 420,833 122,000 1872 456,236 150,000 Bezüglich der Verwerthung der Abfälle, so nimmt die obige Gesellschaft für sich in Anspruch, die einzige zu seyn, welche eine praktische Lösung dieser wichtigen Aufgabe gefunden hat. Bisher wurden sämmtliche Abfälle in die Flüsse geworfen und dadurch der Ursprung für die in den letzten Jahren in Buenos Ayres und Montevideo so heftig epidemisch aufgetretenen Krankheiten gelegt; jetzt werden durch die Verwerthung Europa aber werthvolle Düngemittel zur Verfügung gestellt. Außer Häuten, Talg, Hörnern, Sehnen, Nerven und Knochenasche kommt die Gesellschaft seit kurzer Zeit mit folgenden Erzeugnissen in den europäischen Markt: Knochenschrot zur Bereitung der Beinschwärze und Knochenkohle. – Knochenmehl. – Fleischmehl. Letztere Waare besteht aus zwei Marken, wovon die eine reich an Phosphorsäure, die andere an Stickstoff ist und sind mit ihr sehr befriedigende Versuche zur Schweinemästung gemacht worden. In der russischen Abtheilung fand man die wegen ihres Leimgehaltes gänzlich zu verwerfenden Bouillon-Tafeln ausgestellt, deren Erzeuger aber von der Jury aus uns unbekannten Gründen dennoch eine Medaille zuerkannt ward. –––––––––– Bekanntlich wurde der Liebig Extract of Meat Company vom Rathe der Präsidenten das Ehrendiplom der Weltausstellung zuerkannt. Folgendes ist die vom Verfasser obiger Abhandlung redigirte Motivirung, welche als Anhang hier einen Platz finden möge. „Die Darstellung und Einführung des Fleischextractes, woran sich mit dem Namen Liebig stets diejenigen der HHrn. Giebert und Max v. Pettenkofer knüpfen werden, ist insofern von der größten Bedeutung, als durch dasselbe, wenn auch nicht in demselben Maaße wie durch die Zufuhr von Getreide aus dem Westen der Vereinigten Staaten, Europa aus überseeischen Ländern neue und bisher unbenutzte Nahrungsstoffe zugeführt werden. Wie bedeutend die Fabrication von Fleischextract jetzt schon ist, läßt sich daraus ersehen, daß in Fray Bentos im Staate Uruguay im letzten Jahre das Fleisch von 150,000 Stück Rindern dazu verwendet wurde. Rechnet man hiezu die neu entstehenden, demselben Zwecke dienenden Etablissements, so erhöht sich diese Zahl bedeutend. Daß das Fleischextract, trotz der vielen Anfechtungen, die es erlitten hat, wirklich eine Lücke ausfüllt und eine große Zukunft vor sich hat, das beweist sein stets steigender Absatz. Vergegenwärtigen wir uns nur, daß vor 20 Jahren, in den ersten Anfängen zu dessen Fabrication kaum 1 Centner Fleisch in einem Jahre verarbeitet wurde, während jetzt in derselben Zeit die Heerden ganzer Provinzen dazu verwendet werden. In der That, im Fleischextract hat die Wissenschaft ein wichtiges Nahrungs- und Genußmittel aufgefunden, welchem sich in der neueren Zeit kaum ein zweites an die Seite stellen läßt.