Titel: Die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. A. Kielmeyer.
Autor: A. Kielmeyer
Fundstelle: Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LVIII., S. 302
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LVIII. Die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. A. Kielmeyer. Kielmeyer, über die Colorie der Wolle u. Baumwolle, ihre Droguen u. Maschinen auf der Wiener Weltausstellung. I. Wenigen Zweigen der Industrie ist es bis heute so gelungen, wie den Woll- und Baumwoll-Druckereien, vor den Nichteingeweihten sich einen fast geheimnißvollen Schleier zu bewahren. Ob in ihrem eigenen Interesse? soll hier nicht näher untersucht werden. Thatsache aber ist es, daß, während in den Vorlesungen über Chemie die Mehrzahl der chemischen Fabricationen, sogar der neuesten, in ihren Principien eingehend behandelt, in den öffentlichen Laboratorien eifrig studirt werden, selten ein Chemiker seine Studien verläßt, mit einem annähernden Begriff von den mannichfaltigen Fragen aus der Physik und Chemie, welche in den Druckereien vor den Praktiker treten. Gleichwohl verdient diese Fabrication, welche in manchen Stücken noch im Stadium der Empirie sich befindet, nicht nur das volle Interesse des theoretischen Chemikers, sondern dieselbe hat auch eine prononçirte volkswirthschaftliche Bedeutung. Denn es gibt wohl keinen Industriezweig, welcher mit den Wissenschaften, Künsten und Gewerben so eng und so vielseitig verwoben ist, und welcher auf den allgemeinen Wohlstand so wohlthätig wirkt, wie die Woll- hauptsächlich aber die Baumwoll-Druckerei: Physik, Chemie, Mechanik, Malerei, Kunststecherei auf Holz und Metall, sie alle liefern derselben ihr reiches Contingent an Wissen und Erfahrungen und wirken zusammen auf den Gang einer wohlorganisirten Druckfabrik ein; die Bedürfnisse derselben sind so umfangreich, so mannichfaltig, und durch die jedes Jahr sich erneuernden Moden und den nie rastenden Fortschritt so wechselnd, daß fast kein Handwerk, keine andere Fabrication existirt, welche nicht durch sie direct oder indirect in Thätigkeit versetzt wird. Insbesondere steht sie in solch' innigem Zusammenhang mit der Spinnerei und Weberei, daß man deren Gedeihen als von dem Wohl und Wehe der Druckindustrie abhängig betrachten kann. Hiernach sind die Besorgnisse zu würdigen, welche an verschiedenen Orten für die Zukunft der gedachten Industrie in Deutschland und der vielen an sie gebundenen Existenzen auftauchten, nachdem das Elsaß wieder ein Bestandtheil des deutschen Reiches geworden. Wenn diese Besorgnisse mitunter allzu pessimistisch sich ausdrückten, so waren sie doch und sind sie zum Theil noch heute nicht ohne jegliche Berechtigung. Die Druckindustrie des alten Zollvereingebietes hat in Wirklichkeit keine günstige Situation. In ihrer jetzigen durch Maschinen dem Großbetrieb angepaßten Form verhältnißmäßig jung (denn die Zeit ihrer allmählichen Kraftentwickelung datirt erst von der Gründung des Zollvereines), hatte sie, kaum erstarkt, manche schwere Prüfungen, darunter als die schwerste den nordamerikanischen Krieg mit seiner lang nachwirkenden Krisis zu bestehen; bald nach diesem stellte sich das schlimmste der Uebel ein, die Ueberproduction sammt allen ihren widerlichen Consequenzen. Dabei ist sie bis heute noch durch den Bezug des Rohmateriales von England abhängig und während der Export des Fabricates durch amerikanische und russische Zölle und durch die englische Großindustrie bedrängt und bei dem Mangel an überseeischen Connexionen fast nur auf Oesterreich und auf Italien, den allgemeinen Tummelplatz der Concurrenz, beschränkt ist, entspricht der Consum an bedruckten Stoffen auf dem heimischen Markt keineswegs der Ausdehnung, welche er in anderen Ländern, wie Oesterreich und Frankreich, gewonnen hat. Auf denselben zuvor schon überführten Markt tritt nun mit einemmal ein neuer gleichberechtigter Concurrent, ein Gegner, dessen Stärke von der Zeit des ersten Kaiserreiches datirt, welcher von demselben kräftigst unterstützt die damalige unglückliche Lage seines Nachbarlandes zu seiner Vollentwickelung auszunutzen wußte, um sich einen bleibenden Vorsprung vor dem letzteren zu sichern. Einen annähernden Begriff von der Bedeutung der Elsäßer Baumwollindustrie gibt eine Schätzung von competenter Seite, nach welcher Mülhausen und Umgebung unmittelbar nach dem letzten deutschen Kriege im Besitz von 2 1/2 Mill. Baumwollspindeln, 60,000 mechanischen und Handwebstühlen und 120 Rouleaudruckmaschinen war. Letztere Zahl trifft zusammen mit der Gesammtzahl derselben Maschinen des Zollvereingebietes. Bei Annahme von 300 Arbeitstagen, unter Berücksichtigung der verschiedenen Störungen im Betrieb, insbesondere des zweimaligen Saisonwechsels im Jahr, einfärbige und mehrfärbige Waare in einander gerechnet, kann man die Leistungsfähigkeit dieser 120 Druckmaschinen leicht auf 1,620,000 Stücke à 50 Meter per Jahr berechnen. Wie nun? wenn diese erdrückende Summe Waare die Bestimmung erhielte, den deutschen ihr offen stehenden Markt zu überfluthen, wenn die Elsäßer Fabriken von Paris, ihrem bisherigen factischen Centralpunkt, wenn sie von den französischen und von ihren überseeischen Plätzen durch die neuen politischen Verhältnisse abgeschnitten werden sollten, wenn gleichzeitig die Fabriken der Normandie auf dem französischen Markt die Elsäßer Erbschaft anzutreten gesonnen wären? Glücklicher Weise gilt hier für alle Betheiligten die Erfahrung daß für eine Fabrication von solcher Complication und für einen Artikel, welcher dem localen Geschmack und der Mode unterworfen ist, ein Markt nicht über Nacht, auch nicht in ein paar Jahren erobert wird, sondern daß es hierzu langjähriger Studien, vielseitiger Erkundigungen und mitunter nicht unbedeutender Opfer bedarf. Zwar wie ein guter Theil nationaler Verschiedenheiten und Eigenthümlichkeiten mit dem modernen Verkehrsleben verschwunden ist, so hat auch der Geschmack in den letzten Decennien eine Nivellirung durch die verschiedenen Länder erfahren im Zusammenhang und in gleichem Schritt mit der Erscheinung, daß die National- und Localtrachten täglich mehr vor der großstädtischen Mode sich zurückzuziehen drohen. Es liegt wohl auch bis zu einem gewissen Grad in der Macht großer Fabriken, wenn sie statt Nachahmungen zu reproduciren, nach eigenen Ideen und Regeln arbeiten, auf die Geschmacksrichtung ihres Publicums einen bestimmten Einfluß auszuüben, wie sie selbst wieder umgekehrt dem Einfluß der Mode unterworfen sind. Gleichwohl haften den einzelnen Ländern und Gegenden immer noch gewisse Unterschiede des Geschmacks sowohl hinsichtlich der Musterzeichnungen als des Colorits an, welche darum, daß sie weniger prägnant als in früheren Zeiten auftreten, nicht leichter zu erfassen sind. Die eine Bevölkerung zeigt eine ausgesprochene Vorliebe für satte, heitere Farbentöne, die Zeichnungen sind aus der Natur gegriffen, eine Blume, ein Sträußchen schreckt nicht ab; eine andere trennt sich nicht von ihren düsteren, hausbackenen Mustern, welche sämmtlich der Geometrie entlehnt erscheinen, je nichtssagender desto besser, aber die detachirten Zickzacks, die Striche, die Wellenlinien sollen von der hergebrachten Vertheilung von Hell und Dunkel nicht abweichen, zugleich ist man hier und dort caprizirt auf ganz bestimmte Nüancen in Violett, Braun, Roth, Grün und wie die Farben mit ihren Varietäten alle heißen mögen; die eine Gegend wünscht dieselben Muster in zarter, weicher, die andere in kräftiger das Auge packender Ausführung; oder man ist an eine besondere Ausrüstung der Waare gewöhnt; schon die Ansprüche an das Gewebe sind verschieden, kurz die Gepflogenheiten und Differenzen, welchen allen Rechnung getragen werden muß, ob sie wichtig oder unwichtig erscheinen, sind so zahlreich, daß sie nur stückweise und mit Aufwand von viel Zeit und Mühe erkundschaftet werden können. Vornehmlich aber ist das eine Land an höhere Preise gewöhnt, so daß ein mäßiger Zollaufschlag nicht in's Gewicht fällt, das andere hält zäh an seinen billigeren Preisen, und dieser Punkt dürfte einer neuen Concurrenz immer die meisten Schwierigkeiten bieten. Eine Fabrik endlich, welche von Specialitäten zu couranter Waare oder umgekehrt übergehen will, noch mehr eine Fabrik, welche bisher ihre Stärke in Nouveautés gesucht, nun aber in Massen und für die Massen produciren will, muß eine ganz neue Organisation, eine ganz besondere Oekonomie in allen Details einführen, ein wesentlich anderes System nach ganz verschiedenen Principien aufnehmen, wenn sie mit Erfolg concurriren will. Ein derartiger Systemwechsel, wenn er ohne die nöthige Vorsicht und Umsicht zu schnell in Scene gesetzt wird, kann aber zur unheilvollen Revolution sich gestalten. Wenn also die Schwierigkeiten und Gefahren und sogar eventuellen Opfer, den neuen Markt zu erobern, für die Elsäßer Fabriken keine geringen seyn werden, so wäre doch der bisherigen Zollvereinsfabrication zu gönnen, daß ihr der heiße Kampf, Mann an Mann, mit einer Concurrenz erspart bliebe, welche ihr, wenn durch die Verhältnisse vor die Existenzfrage gestellt, als eine mit allen Mitteln, mit Selbstvertrauen, Geschick, Energie und Capital wohl ausgerüstete, von einer wohlgeschulten Fabrikbevölkerung unterstützte, auf einen Platz concentrirte, festgeschlossene Macht gegenüber stehen würde. II. Ihre Zusammengehörigkeit und die Solidarität ihrer Interessen haben die Elsäßer Baumwollfabrikanten auch auf der Wiener Ausstellung bekundet, indem sie mit einer Collectivausstellung in der Rotunde gleichsam auf internationalem Gebiet aufgetreten sind. In derselben glänzt speciell die Druckindustrie durch ihre fast gänzliche Abwesenheit; nur eine der berühmten Firmen, Schlumberger fils et Comp., hat es übernommen, mit ihrer brillanten Waare besonders in Meublestoffen, das alte Prestige der Elsäßer Fabricate zu documentiren; das Haus Thierry-Mieg hat seine prächtigen Haute-Nouveautés in Meubles auf Rips und glattem Stoff, zum Theil mit Golddruck geschmückt, durch die nicht weniger berühmte Wiener Firma Haase unter österreichischer Flagge vorgeführt. Ueberhaupt ist kein excessiver Zudrang der Druckfabriken in den verschiedenen Ländern zu den großen Rendez-vous der Künste, Wissenschaften und Gewerbe zu verzeichnen, so daß eine kritisch-vergleichende Revue derselben nicht bloß durch ihre höchst ungünstige räumliche Vertheilung im Ausstellungsgebäude erschwert, beziehungsweise unmöglich gemacht wird. Spaniens Abwesenheit ist zur Genüge entschuldigt, aber England scheint nur durch die Riesenhaftigkeit seiner ausgestellten Teppiche imponiren zu wollen; eine einzige Firma in Futtercattunen entspricht wohl nicht der grandiosen Ausdehnung der englischen und schottischen Fabrication. Die junge, rasch aufgeschossene amerikanische Industrie reservirt sich vollständig für das Jahr 1876, Belgien und die Niederlande sind nur einmal vertreten, Schweden und Dänemark gar nicht, und doch ist es einer der unbestrittensten praktischen Erfolge einer allgemeinen Weltausstellung, daß sie jung aufstrebende oder abseits gelegene Industrien dem großen Markt persönlich vorstellt, um eine fortgesetzte geschäftliche Verbindung mit demselben anknüpfen zu können. Frankreich hat sein Hauptcontingent in bedruckten seidenen Foulards gestellt, die Rouener Fabrication ist gänzlich fern geblieben. Auch die Schweiz mit ihrer zahlreichen, theilweise originellen Fabrication hat nur 4 Vertreter gesandt. Kubli in Netstall mit seinen Küpenartikeln repräsentirt die gesammte Glarner Industrie; von dem hauptsächlichsten Glarnerartikel, von den Dasma's, bekannter unter dem Namen Türkenkappen, hat nur die Firma Hössly in Rorschach Proben geliefert. Es verdient bemerkt zu werden, daß dieselben vielfarbigen Kopftücher auch im Orient hergestellt werden, aber wie die Türken ein höchst conservatives, jeden Fortschritt nach Kräften verachtendes Volk sind, so ziehen sie heute noch vor, dieselben von freier Hand mit dem Pinsel zu malen, statt mit Mödeln geschweige mit Maschinen zu drucken. Dieselbe Fabrik, mit den in der Schweiz so beliebten Plancheplatten arbeitend, hat außerdem sehr schön gearbeitete Kopf- und Taschentücher ausgestellt. Die Frauenfelder Firma Egg, Ziegler, Greuter und Comp. glänzt durch eine prachtvolle chinesische Altardecke, im Türkischrothgenre ausgeführt. Auch Deutschland ist lückenhaft vertreten, indem mehrere renommirte Firmen fehlen, und namentlich Sachsen mit einer einzigen Ausnahme, weder in Wolle noch in Baumwolle ausgestellt hat. Numerisch stark und sehr mannichfaltig ist die russische Industrie auf dem Platz erschienen, und wie sich von selbst versteht am vollzähligsten die österreichische, welche ohnedem als Festgeberin das meiste Interesse der Fachleute absorbirt. Zwei der Hauptrepräsentanten Oesterreichs befinden sich in der Rotunde. Kosmanos hat dort in einem höchst eleganten Kiosk ein vollständiges Bild seiner vollendeten, fast alle Genres des Baumwolldruckes umfassenden Fabrication gegeben; sogar Proben der Gravüre, in Kupferwalzen und zugehörigen cylindrischen und platten Stahlmoletten bestehend, sind beigelegt. In nächster Nähe befindet sich der Pavillon der Holleschowitzer Actiendruckerei, welche den Ruf der früheren Dormitzer'schen Firma als Erbe in die neuen Verhältnisse mit hinüber genommen und auch heute wieder vollkommen bewährt hat, namentlich in ihren Baumwollfoulards und in ihren Kattunen für den specifisch österreichischen Landgeschmack. Ihre Austriaartikel in Violett, in Cachou, ihre schweren Oesterreicher Rosa finden sich nirgends in so schöner Ausführung. Dieser Fabrik ist es zuerst gelungen das feurige Rosa der Engländer zu erreichen, welches durch Auffärben des in Krapp oder Garancine fertig gefärbten Rosa mit African Red oder besser mit Safranin hergestellt ist; bemerkenswerth sind auch ihre Violettgründel durch ihren sehr weichen, etwas röthlichen Ton; durch Auffärben mit demselben Red ist in denselben das Fleurviolett der soliden alten Zeit sehr glücklich imitirt. Weniger vortheilhaft erscheint die Anordnung, die Stücke in Form von Rosetten auszuhängen, sie läßt den Effect der Farben und Muster nicht zu seiner vollen Geltung kommen, ein Punkt, welcher bei einer Kunstindustrie gewiß nicht zu unterschätzen ist. Die vortheilhafteste Anordnung hat jedenfalls die Neunkirchner Actiengesellschaft in der österreichischen Gallerie getroffen. Hier zeigt sich die Waare in voller Entfaltung und die sorgfältige Abwechselung zwischen hellen und dunklen Stoffen, zwischen schweren Meubles und leichten Jaconnas macht einen wirklich imposanten Eindruck, und wie das Arrangement, so zeigt auch die ausgestellte Waare denselben eleganten Geschmack und dieselbe detaillirte Sorgfalt in Behandlung und Disposition der einzelnen Muster. Nebenzu, vielleicht zu bescheiden, in unvortheilhafter Beleuchtung und mit unvollständiger Auswahl befindet sich die Prag-Smichower Actienfabrik, ihr gegenüber die Liesinger Actiendruckerei, deren Schaufenster überdieß mit schönen Wollfabricaten decorirt ist. Auch Guntramsdorf hat in Baumwolle, sowie in sämmtlichen Genres des Wolldruckes ausgestellt, theils mit dem Rouleau, theils durch Handdruck oder mit Handdruckmaschinen erzeugt, deren dort mehr als Hundert im Gang sind. Der Wolldruck spielt überhaupt eine große Rolle in der österreichischen Abtheilung; eine ganze Reihe Wiener und anderer österreichischer Häuser, an ihrer Spitze das berühmte Haus Liebieg zeichnet sich mit wenig Ausnahmen durch Ausführung und Mannichfaltigkeit ihrer bedruckten Wollwaaren aus, sogar die in letzter Zeit so wenig geschätzten bedruckten Halbwollstoffe fehlen nicht. Was man hier zu sehen bekommt, zeigt mit einem Blick, welch' mächtige Concurrenz hier dem deutschen, vorzugsweise dem sächsischen Wolldruck erwachsen ist, und man findet es begreiflich, wie sie in den letzten Jahren unter dem schützenden Mantel des hohen österreichischen Agio's das deutsche Fabricat auf dem deutschen Markt selbst schwer bedrängt hat. Von Bossi's feurigen, in orientalischem Geschmack gehaltenen Cachemir-Shawls bis herunter zu den ordinären Kopftüchern billigster Qualität sind alle Wollartikel reichlich vertreten: Cachenez in allen Varietäten, meist mit großer Sorgfalt ausgeführt, sehr geschmackvolle Tischteppiche, großgeblumte Kleiderstoffe mit dunklem Grund, neben schreienden Mustern für türkischen Gebrauch. Mit besonderer Vorliebe scheint man dort die Imitation der gewobenen Woll-Shawls durch Maschinendruck zu cultiviren. Sie hat vor letzteren immerhin die deutlichere freiere Entwickelung der Zeichnung wie der Farben voraus und lassen die vorgeführten Exemplare an Schärfe des Druckes und an Feuer der Farben nichts zu wünschen übrig. Während vor 2 Jahren der gelbe und vor 6 Jahren noch der düstere grüne Cachemireffect in Mode war, ist heute der Grundton desselben meist in hohem Orange gehalten; die Vordruckpartien dürften im Allgemeinen weniger kräftig hervortreten, wodurch der Totaleffect weicher und harmonischer sich gestalten würde. Als besonders wichtig ist zu erwähnen der Tibetartikel, sowohl in langer Aunagewaare für Kleider als auch in Form von Tüchern vorgeführt, mit rother, violetter, grüner oder carmoisinfarbiger Zeichnung auf schwarzem oder richtiger unter schwarzem Grunde, denn die rohen ungebleichten Wollstücke werden in einer der entsprechenden Farben üni gefärbt, hernach erst mit Rouleauwalzen oder mit den Handdruckmödeln, auf welchen die hellen Schattirungen, Tupfen, Carreaux, Blumen, Ramages etc. ausgespart sind, das Schwarz auf den gefärbten Stoff aufgetragen, gedämpft und gewaschen. Dieses Schwarz, in Wirklichkeit auf weißen Stoff gedruckt nur ein Grau vorstellend, hat für den Coloristen ein besonderes Interesse, insofern es ihm Gelegenheit gibt, die Lehre von den Complementärfarben in schlagender Weise in Anwendung zu bringen. Ein in seinen Bestandtheilen ganz fertiges Schwarz, wie es für ungefärbte Wolle mit Blauholzextract, Indigocarmin, Orfeille und salpetersaurem Eisen zumeist hergestellt wird, würde z.B. auf gefärbten Scharlachgrund aufgetragen ein bräunliches, fahles, weil durch das Roth und Gelb des Scharlachbodens übersättigtes Schwarz liefern, ohne daß man es in der Hand hätte, demselben durch Zusatz von Indigolösung einen blauen Stich zu ertheilen; durch die bekannte Einwirkung von sauren Salpetersäureverbindungen auf Indigofarben würde damit nur eine Vermehrung des gelben Pigments erzielt. Zudem ist gefärbte Wolle, namentlich, wenn sie wie bei der Scharlachfärberei mit Zinnverbindungen behandelt worden ist, für die Aufnahme von Eisenschwarz wenig mehr empfänglich, sie stoßt dasselbe beim Waschen und noch auf dem Lager ab in Form eines schwarzen Pulvers und erhält ein todtes Ansehen und einen harten, rauhen Griff. Aber leicht ist sie im Stande noch einen substantiven Farbstoff aufzunehmen und sie gibt mit einem Grau, dessen Hauptbestandtheil eine Indigolösung, je nach der untenliegenden Farbe mit Orseille oder Marronteig in beliebiger Quantität nüancirt ist, ein vollkommen reines, glattes Schwarz, ohne an ihrem natürlichen Glanz und ihrem weichen Griff etwas einzubüßen. III. Derselbe Artikel in Baumwolle, doch nur mit rothem Fond, wird von mehreren deutschen und österreichischen Fabriken für Ungarn in großen Massen hergestellt, in langer Aunagewaare unter dem Namen Satanella, in Tücheln als sogenannte Andrassytüchel bekannt. Hier schlägt die Fabrication den umgekehrten Weg ein; zuerst wird das Schwarzmuster mittelst eines schwachen Anilinschwarz oder sicherer, wenn auch umständlicher und theurer, als chemisch Alan in bekannter Weise auf dem Baumwollgewebe fixirt, dann die sorgfältig gewaschenen Stücke mit rothem Mordant geklotzt, nochmals ausgesotten und mit Garancine unter reichlichem Zusatz von Quercitrin ausgefärbt. Mit unübertroffener Meisterschaft werden die Andrassytüchel von der deutschen Firma Rolffs fabricirt, wie auch das übrige Fabricat dieses Hauses zu den schönsten Producten der deutschen Druckindustrie zählt. Originale Muster, exacte Gravüre, reiner Druck, Lebhaftigkeit der Farben, sorgsame Ausrüstung, Alles trifft zusammen, um die Waare in vollkommener Réüssite erscheinen zu lassen. Besonders erwähnt zu werden verdient das feurige, reine Chromorange der Mouchoirs und die Collection der Dunkelböden mit und ohne Illuminationsfarben, darunter namentlich die Braunbodentücher mit dreifärbigen Bouquets in Schwarz, Roth und Garancineorange. Das kräftige Schwarz, das lebhafte Orange sticht vom benachbarten Roth vortrefflich ab und heben sich die Objecte in einer dem Auge wohlthuenden Weise aus dem warmen, wolligen Braundecker heraus. Die Combination dieser vier Farben gehört zu den schwierigsten und zugleich kostspieligsten Aufgaben einer Druckerei, theuer besonders durch den starken Verbrauch an Kreuzbeeren im Färbebad, wie in der Druckfarbe. Das Recept der letzteren scheint ein Gemeingut der meisten Fabriken zu seyn, es enthält Kreuzbeerenabsud und Zinnsalz verdickt mit Stärke, bald mit, bald ohne allen Zusatz von essigsaurem Kalk. Der Kreuzbeerenfarbstoff findet in der Warmhänge keinenfalls die nöthige Temperatur, um sich mit dem Zinnmordant vollständig zu einem Lack zu verbinden; wie die Erfahrung zeigt, löst sich der größere Theil des Kreuzbeergehaltes vor der Färberei im Aussiedebad von dem Stoff ab und wird so zu einer der köstlicheren Libationen, welche die Druckereien ihren Flußgöttern darbringen. Die Kreuzbeeren in der Druckfarbe sind somit entbehrlich, unentbehrlich ist eine möglichst vollständige Neutralisation des Zinnsalzes durch essigsaures Natron, und erhält man alsdann auch noch ein schönes Orange, wenn in der Färberei die theuren Kreuzbeeren durch das billigere Quercitrin ersetzt werden. Als ebenbürtige Rivalin in Baumwollfoulards zeigt sich auf deutscher Seite die Fabrik von Elbers. Den Mittelpunkt ihrer Exposition, welche noch durch ein Assortiment von Blaudruckmustern bereichert ist, bildet eine große, breite Baumwolldecke mit rothem Fond und schwarzem Medaillon in der Mitte und zwar hergestellt durch Maschinendruck. Jedoch ist in Anbetracht der Grüße der Dimensionen der Druck nicht in einer, sondern in zwei Operationen ausgeführt, zuerst die eine, dann die andere Seite, ein wahres Kunststück der Kattundruckerei, das aber so vollkommen geglückt ist, daß man kaum eine schwache Rapportzeichnung auf der Grenze der beiden Hälften wahrnimmt. Unter den sehr schönen Orangetüchern von Elbers figurirt auch die neuerdings beliebte Combination von Anilinschwarz und Chromorange mit einem Modegrau als Bodenfarbe. Dasselbe ist ein gewöhnliches, kräftiges Mitfärbecachou mit einer starken Dosis von holzsaurem Eisen, macht die ganze Behandlung der schweren Chromorange mit durch, und hält sie aus; was in der Soda- oder Ammoniakpassage an Intensität der Farbe verloren geht, wird vor der Kalkvirage in dem kräftigen Chrombad wieder gewonnen. Man hat es natürlich ganz in der Hand, durch Verminderung der Eisenlösung im Druckrecept die Nüance beliebig dem eigentlichen rothstichigen Cachouton zu nähern. Dadurch unterscheidet sich die Entwickelung der Cachoufarbe auf dem Stoff von der sonst analogen Anilinschwarzbildung. Eine angesäuerte Cachoulösung mit chlorsaurem Kali erwärmt gibt erst mit dem Zusatz von Kupfersalz einen Niederschlag, gerade wie die Lösung eines Anilinsalzes; dieselbe Bedingung ist auch an die Bildung der beiden ächten Farben auf der Baumwolle geknüpft, ein vermehrter Gehalt der Druckfarbe an Eisen- oder Kupfersalz influirt. jedoch nicht auf die Nüance des Anilinschwarz, aber sehr wesentlich auf die der Cachoufarbe. Je mehr Kupferchlorid ein Cachou enthält, desto olivenfarbiger ist es in seinen dunklen und desto gelber in seinen hellen Tönen; statt Kupferchlorid direct anzuwenden, wird meist eine Mischung von Salmiak mit salpetersaurem Kupfer oder noch besser mit essigsaurem Kupfer verschrieben. Letztere Zusammensetzung, die Grünspanfarbe, läßt sich in ihren Coupüren, mit oder ohne gleichzeitigen Zusatz von Eisenmordant, auch als Dampffarbe benutzen, mit der sich eine Fülle von ächten, vollkommen glatten Modenüancen herstellen läßt, sicherer und weniger umständlich als nach dem bisher üblichen Verfahren, die Baumwolle mit Eisensalz zu mordanciren und nach dem Verhängen und Aussieden in Sumach, Gallusabsud, Catechu oder in allen dreien zu färben. Dieses vereinfachte Verfahren verdient gerade jetzt eine besondere Beachtung, da sowohl umgefärbte Stoffe, als auch einfärbige Bodenmuster, sowohl auf glatter, als auf gemusterter Brillantin-Waare in allen erdenklichen Modefarben einer großen Beliebtheit sich erfreuen. Wie die beiden vorhergehenden, so concentrirt auch die Fabrik von Cramer in Düsseldorf ihre ganze Thätigkeit mit ebenso viel Geschick als Erfolg auf die Herstellung von bedruckten Baumwollfoulards und sind alle dazu gehörigen Genres derselben in verschiedenen Größen und in schöner reicher Auswahl vertreten. Man begegnet hier unter Anderem auch den sogenannten Medeatücheln, einem gefälligen, der Seidefabrication entnommenen Genre. Eine lebhaft rothe oder eine braune Kante, meist auf zartem Chamois- oder Pfirsich-Grund, die innere Fläche wohl auch mit Bomben in Roth oder Orange gefüllt, bietet dasselbe einen recht freundlichen Anblick, besonders auch durch seinen feinen, schwachglänzenden Appret. Wie der matte Appret der Dunkelbodentücher den Eindruck eines Wollfabricates, und der feste halbglänzende Appret der Parisiennes den eines Leinwandgewebes hervorbringen soll, so dient auch hier der Appret dazu, die Imitation der Seidenfoulards zu vervollständigen. Sehr vielseitig und reichhaltig, in couranter Waare aller Sorten, für den inländischen Markt, wie für den Export und gleichzeitig in den verschiedenen Genres der Baumwolltücher hat die altberühmte Dannenberger'sche, jetzt Berliner Actiendruckfabrik, ausgestellt. Dieselbe ist eben durch die Großartigkeit ihres Betriebes, welcher nach englischem Vorbild eingerichtet ist, wie sie insbesondere das Princip der continuirlichen Arbeit von der rohen bis zur fertigen Waare auf dem Continent am consequentesten durchgeführt hat, auf die Fabrication fast aller gangbaren Artikel angewiesen. Unter ihren Tüchern excelliren die mehrfarbigen, von Rouleau gedruckten, mit Cachemirbordüren versehenen, in Dampffarben ausgeführten Dunkelböden durch große Reinheit des Druckes und der Farben, namentlich durch ihren weichen, satten Braundecker, ferner die Beizschwarztüchel durch scharfes, reines Weiß und ihr tiefes, grünstichiges Blauholzschwarz, durch welches diese Fabrik sich von jeher im gesammten Trauerartikel hervorgethan hat. Die Meublestoffe glänzen durch Eleganz der Muster und feurige, günstig disponirte Farben, besonders ein Stück derselben fesselt das Auge durch einen brillanten Corallinrothboden. – Auch Nathan Wolff in Berlin hat auf seinen Meublestoffen, Borduren und Draperieen in gleicher Weise ein Corallinroth verwendet, welches das Dannenberger'sche erreicht, wenn nicht an Feuer übertrifft. Dieses Roth ist für das Auge ein förmlicher Genuß, aber mit der Bewunderung stellt sich der zweifelsohne fromme Wunsch ein, es möchte der Farbenchemie gelingen, für dasselbe einen Ersatz zu finden, der mit der Lebhaftigkeit der Farbe einen entsprechenden Grad der Solidität verbände. Die Aechtheit ist eben nicht die stärkste Seite des Corallinroths, und so erklärt es sich warum dasselbe trotz wesentlicher Verbesserungen seiner Herstellungsweise in den Baumwolldruckereien nur beschränkte Anwendung finden kann, nur für Meublestoffe, Ballkleider, überhaupt für solche Waare, die von jeher in falschen Farben ausgeführt wurde und hauptsächlich deren Verwendung in der Praxis auch eine ganz unächte Ausführung rechtfertigt. Eine reelle Fabrik sollte sich nie beikommen lassen, rothe Hemden mit Corallin auf den Markt zu werfen, obgleich man es sogar auf der Ausstellung in der österreichischen Abtheilung sehen kann, neben einem Stück mit einem wunderlieblichen Safraninrosastreifen. Vermutlich nur in decorativer Absicht ausgestellt, verräth sich das Roth durch das auffallende Feuer und den leichten Austritt in's Weiß, der beim Corallinroth leicht entsteht, wenn es ohne Contourirung gedruckt wird. Aehnlich hat man auch schon erlebt, daß schwarzrothe Hemden, ein sehr beliebter Artikel, wenn er ächt ausgeführt ist, mit Dampfschwarz und Cochenilleroth in den Handel gekommen sind, oder daß gedeckte Aechtviolettmuster mit Anilinviolett täuschend ähnlich imitirt wurden, indem man das letztere durch Beimischung von Dampfschwarz künstlich um sein Leben gebracht hat. Bekannt sind auch die mehr oder weniger sinnreichen Parodieen und Travestieen des alt ehrwürdigen Türtischroths. Ein lehrreiches Beispiel liefern in dieser Beziehung die Rosabandel, welche bis vor kurzer Zeit in Ungarn und Böhmen so gangbar waren. Dieselben wurden ursprünglich in Krapp oder Fleurs, dann in Garancine, dann in Garancine mit etwas Holz, endlich in Garancine mit viel Holz gefärbt; zuletzt wurden sie gar nicht mehr gefärbt, sondern in einer Mischung von Fuchsin und chromsaurem Blei mit Lactarin verdickt oder einfach mit Corallin unter Zusatz von Rocoulösung auf zuvor gestärkte Waare aufgedruckt, und damit war der Artikel von Stufe zu Stufe fertig. – Derartige Wohlfeilmeiereien, wie sie noch in einer Anzahl anderer, wenn auch weniger flagranter Beispiele sich wiederholen, wie sie namentlich in der Seidenindustrie mit ihren verschiedentlichen Beschwerungskünsten sich so unheilvoll gezeigt haben, sind nicht zu verwechseln mit einer rationellen Oekonomie, sondern sie sind einer schleichenden Krankheit zu vergleichen, welche den gesammten Organismus einer Fabrik von unten bis oben langsam zerstört, welche den Markt allmählich corrumpirt, mit Mißtrauen erfüllt, und den Credit nicht bloß einzelner Fabriken, nicht bloß einzelner Fabriksdistricte schädigt, sondern zugleich der ganzen Branche, selbst in ihren soliden Vertretern. IV. Indeß hat schon auf Seite des Publicums eine gesunde Reaction Platz gegriffen zu Gunsten der solideren Fabrication, nachdem der unächte Geschmack seit Einführung der Anilinfarben einen dominirenden Einfluß auf den Baumwolldruck ausgeübt hatte. Eine Anzahl der bisher gesuchteren Dampfartikel ist vom Schauplatz abgetreten wegen Mangels an Absatz, allzu lebhafte Farben werden vermieden, man zieht ein ächteres, wenn auch matteres Grün auf wollenen Kleidern dem reinen Anilingrün vor, man bevorzugt die sogenannten Mißfarben und Modenüancen mit dem instinktmäßigen Bewußtseyn, dieselben seyen solid fabricirt, man verschmäht das liebliche Ultramarinblau und greift zum alten ehrsamen Indigoblau zurück, und welche Fabrik für dessen Herstellung nicht mehr eingerichtet ist, sucht die Albuminfarbe des Ultramarins durch Zusatz von Chromgrün und präparirtem Kienruß dem Fayenceblauton zu nähern. Es drängt sich hier eine in Fachkreisen öfters auftauchende Gewissensfrage auf, ob die Albuminfixation, speciell die der Körperfarben des Ultramarinblaues und des Chromgrüns als eine ächte zu betrachten sey, oder nicht. Im Sinn des Küpenblaues und des Türkischroths muß die Frage verneint werden, aber in Anbetracht der soliden Constitution der beiden mineralischen Substanzen, ebenso im Vergleich mit anderen unbeanstandeten Farben, und wenn man sich nicht auf einen mit der Zeit und mit der Mode unverträglichen Standpunkt stellen will, muß sie bejaht werden, um so mehr als beide Farben, wenn sorgfältig zusammengesetzt und kräftig gedämpft, ein Waschen in kaltem oder heißem Wasser, sowie ein leichtes Seifen, freilich unter Ausschluß von übermäßig reibenden Waschmaschinen, wohl zu ertragen im Stande sind. Jedenfalls ersetzen beide mehr als genügend das Dampfgrün und Dampfblau des alten Millefleursartikels, welcher nun mit Einführung des Krappextractes und jetzt des künstlichen Alizarins, im Zusammenhang mit der Verwendung der Albuminfarben, wieder neu aufgelebt ist: eines der interessanten Beispiele, um zu verfolgen, wie die wissenschaftliche und praktische Chemie und die Mode des Publicums sich wechselseitig ergänzen, beleben und in die Hand arbeiten. Vor einem Jahrzehnt hat das Anilinschwarz die gesammte Druckerei mit der Combination von Schwarz und Bleiorange bereichert, dieselbe wird heute noch in ausgiebigster Weise ausgebeutet; das künstliche Alizarin hinwiederum hat auf's Neue die Grenzen der Disposition erweitert, indem es einen einst gangbaren Artikel, welcher längere Zeit nicht nur der launischen Mode, sondern hauptsächlich den Schwierigkeiten und Umständlichkeiten der Fabrication zum Opfer gefallen war, mit neuem Schmuck und neuen; Glanz der Colorie zurückgibt. Nach dem alten Verfahren wurden zuerst Schwarz, Roth, Rosa, Violett von der Maschine gedruckt, dann verhängt, ausgesotten, gewaschen, gefärbt, wieder gewaschen, 3- bis 4mal geseift und gewaschen, eventuell gesäuert, avivirt, gewaschen, gechlort, gewaschen, jede weitere Manipulation eine weitere Quelle für allerlei Fehler, endlich getrocknet und für den Handdruck calandrirt. Dampfgrün, Dampfgelb, Dampfblau, die Farben welche dem Millefleursartikel und seinen verwandten Genres ihren eigentlichen Charakter verleihen, wurden hernach von Hand eingepaßt, so gut es gehen wollte, abgesehen davon, daß man Farben von verschiedenstem Grade der Aechtheit zusammenzwingen mußte; zuletzt wurde noch gedämpft und wieder gewaschen, endlich die Appretur gegeben. – Denselben muntern, duftigen Artikel führt die Ausstellung von Neuem vor, in Gesellschaft mit den nahe verwandten mehrfarbigen Weißbodenmustern im chinesischen Styl oder im Rococcogeschmack, neben einer reichen Auswahl von rothen Hemden mit Blau und Grün hergestellt nach dem neuen Verfahren mit Alizarindruck, aber in einer Vollkommenheit, mit einer Präcision, mit einer Reinheit der Ausführung, welche früher nicht geahnt wurde. Insbesondere häufig begegnet man dem Alizarinroth in der russischen Abtheilung, und zwar in ausgiebigster Weise angewandt, weil der russische Nationalgeschmack eine ausgesprochene Vorliebe für bunte, durch massige Partieen von Grün und Roth fast zu grell illuminirte Farbenstellungen hat. Und nun vergleiche man das neue Procédé mit dem obigen: sämmtliche Farben werden zusammen vom Rouleau aufgedruckt, die Stücke hernach verhängt, gedämpft, gewaschen, 1- bis 2mal geseift, gewaschen, leicht gechlort, und appretirt – so wird man überrascht von der Einfachheit des Verfahrens und man fühlt, daß mit Einführung des künstlichen Alizarins eine neue Zeit für das ganze Gebiet des Baumwolldruckes beginnt. Seine Verwendung beschränkt sich ja nicht auf diese eine Specialität, sie verbreitet sich vielmehr durch die gesammte Fabrication. Die einfärbigen und zweifärbigen Hemden und Brillantines in Roth oder Violett mit Schwarz, welche immer mehr an Bedeutung gewinnen, die kostspieligen zeitraubenden Ausführungen in Schwarz, Roth, Orange werden bei den neuerdings stark reducirten Preisen des künstlichen Alizarins heilte schon billiger mit demselben hergestellt, als durch die Krappfärberei möglich ist, wobei die wesentliche Verringerung der taux frais nicht in Rechnung gezogen ist. Einige Fabriken haben sogar den Anfang gemacht, die halbgedeckten Violettmuster des Zollvereines, mit und ohne Schwarz, mit Alizarindruck auszuführen; wieder andere lassen das Alizarinroth durch das heiße Chrombad passiren als Begleiter von Chromcachou und Chrombraun, welche seit den geschraubten Garancinepreisen der Jahre 1868/69 in bleibende Aufnahme gekommen sind. Im letzten Fall macht das Alizarinroth dem Garancinroth indirecte Concurrenz, während allerdings eine directe Concurrenz mit dem Garancine bis jetzt durch ökonomische Rücksichten ausgeschlossen ist, hauptsächlich aber aus dem Grunde, weil bei der Färberei der sogen. Krapp- – richtiger Garancine- – Waare neben Garancine immer eine mehr oder weniger starke Dosis von Quercitron und Rothholz oder (der Name ändert nicht viel an der Mischung) von Garancinesurrogat, Garancinesubstitut verschrieben wird. Hier hat also die Verwendung des reineren Farbstoffes keinen Werth, dagegen ist das künstliche Ulizarin im Begriff den Krapp und die Krappblumen aus der Rosafärberei wie aus der Türkischrothfärberei zu verdrängen. Zwei Etablissements, das von Schindler im Vorarlberg'schen und das Frauenfelder, haben in dankenswerter Weise türkischroth gefärbte Stücke, das eine je in Krapp, das andere in künstlichem Alizarin gefärbt, zum Vergleichen neben einander gelegt – das Auge entscheidet rasch zu Gunsten des letzteren, und wieder überrascht die große Einfachheit der neuen Färbeprocedur, welche alle anderen Rücksichten vergessen läßt. Die in üblicher Weise mordancirte Waare wird in einem Rollenständer breit durch eine heiße alkalische Alizarinlösung geführt, und färbt sich in Zeit von einigen Minuten, wie früher von einigen Stunden, vollkommen satt und gleichmäßig aus. Offenbar, ob man das Alizarin in die Druckfarbe oder in das Färbebad gibt, liegt der Schwerpunkt der Calculation weniger im Preise desselben, als in den damit verbundenen Ersparnissen an Zeit, Brennmaterial, Arbeitspersonal, an Färbereimaschinen und an Fabrikslocalitäten. Damit fällt dem Alizarin von selbst die weitere Bedeutung zu, daß es der solideren Richtung der Fabrication den Weg bahnt, indem es auch kleinen, in Raum und Maschinen beschränkten Fabriken eine ebenbürtige Concurrenz mit den größeren Etablissements ermöglicht, ohne daß sie zu kostspieligen Anschaffungen oder zu den oben gezeichneten Verirrungen der Fabrication genöthigt sind. V. Nicht leicht haben sich Theorie und Praxis so rasch zusammengefunden, als es dem künstlichen Alizarin gelungen ist, sich in den Druckereien Eingang zu verschaffen. Robiquet's Garancine, das erste praktische Resultat der seit 1826 aufgenommenen, unendlich mühseligen Studien über die Krappfarbstoffe hat erst im Jahre 1839, volle 11 Jahre nach seiner Patentirung, allgemeine Anwendung gefunden. Mit dem Jahre 1851 wurden die Krappblumen im Großen dargestellt, und von nun ab begannen die Versuche, sowohl aus ihnen als aus der Garancine die reinen Krappfarbstoffe zu extrahiren, zunächst für die Zwecke der Färberei. Die ersten Druckversuche mit Krappextract des Jahres 1857 fielen ungünstig aus und als 1860 Kopp mit seinen Krapppräparaten auftrat, war das Terrain der Druckereien noch sehr wenig für diese wichtige Erfindung vorbereitet. Erst im Jahr 1867 wurden die Druckversuche wieder aufgenommen, dießmal mit dem Extrait Pernod, und mit Erfolg, aber mit vielen Schwierigkeiten durchgeführt. Man mußte sich vor allen Dingen von der Methode, vor dem Aufdrucken des Krappextracts die Baumwolle mit Thonerdemordant zu grundiren, gänzlich lossagen, es mußte die unvortheilhafte Gummiverdickung verlassen, das richtige Verhältniß zwischen Extract und essigsaurer Thonerde, hauptsächlich aber die richtige Zusammensetzung der letzteren gefunden werden. Durch den herkömmlichen Sprachgebrauch verleitet schien man fast vergessen zu haben, daß auch eine starke essigsaure Thonerde, welche durch doppelte Zersetzung unter Anwendung der größten zulässigen Menge von Bleizucker, oder welche nach Persoz's Angabe durch Auflösen von heute sogenanntem Thonerdehydrat in Essigsäure dargestellt worden, immer der Hauptsache nach mehr basisch-schwefelsaure, als wirkliche essigsaure Thonerde darstellt. Beispielsweise zeigt ein solcher Mordant, zu dessen Bereitung 200 Pfd. Wasser, 89 Pfd. schwefelsaure Thonerde, 100 Pfd. Bleizucker verwendet wurden, einen Gehalt von 3,3 Proc. wasserfreier Thonerde und von 3,88 Proc. wasserfreier Schwefelsäure, d.h. es enthält diese essigsaure Thonerde auf 1 Molecül Thonerde 1 Molecül Schwefelsäure; in Wirklichkeit überschreitet letztere sogar dieß Verhältniß um einen Bruchtheil. In der Färberei wird diesem Schwefelsäuregehalt der Mordants durch die verschiedentlich angesetzten Aussiedebäder die nöthige Rechnung getragen, aber wenn einem gleichzeitig Farbstoff und Mordant enthaltenden Aufdruckroth nicht Salze mit flüchtigen Säuren zugefügt werden, wie essigsaures oder salpetersaures Natron, essigsaurer oder unterschwefligsaurer Kalk, welche während des Dämpfens einen Theil der Schwefelsäure des basischen Thonerdesalzes zu neutralisiren haben, so erhält man auch bei größter Concentration des Farbstoffes um so schlechtere Resultate, je mehr Mordant zur Verwendung gekommen ist. Das Roth bekommt das abgerissene Ansehen eines in der Färberei zu stark gesäuerten Krapprothes. Indem beim Dämpfen ein Theil der Thonerde des Mordants mit dem Krappfarbstoff sich verbindet, gestaltet sich auf der Baumwolle das Verhältniß zwischen der Schwefelsäure und der nicht an den Farbstoff gebundenen Thonerde in der Weise, daß neutrale schwefelsauere Thonerde sich bildet – oder aber die basisch-schwefelsaure Thonerde als solche zersetzt sich, wie die Gewinnung des Alauns aus dem Alaunstein zeigt, unter der Einwirkung des Dämpfens und beim nachfolgenden Waschen in dreifachschwefelsaure Thonerde und unlösliches Thonerdehydrat. Das so oder so regenerirte neutrale Schwefelsäuresalz wirkt nun, in kleiner Menge auftretend, wie eine schwache, das Roth belebende Rosage, im Ueberschuß löst es beim Waschen einen Theil des Farblackes mit sich ab, und dieser Eventualität muß eben durch den Zusatz der angeführten, in der Dampfhitze neutralisirend wirkenden Salze vorgebeugt werden, wenn man nicht einen Schritt rückwärts zu den alten umständlichen Aussiedebädern machen will. Nachdem man weiters für das Extractroth in der Farbküche und im Rouleaugebäude als unerläßliche Bedingung die subtilste Behandlung und die minutiöseste Reinlichkeit eingeführt hatte, welche sich auf alle Gefäße, auf die Walzen, die Farbtröge, die Drucktücher und die Rakeln erstreckte, blieb noch das Studium der Dämpferei. Die meist aus Holz construirten Dämpfereieinrichtungen der Fabriken waren ziemlich primitiver Art, der mangelhafte Verschluß erlaubte nur bei schwachem und nur bei einem nominellen Druck zu dämpfen; aber wohl im Zusammenhang mit ihrer Solidität verlangt die Verbindung der Thonerde mit dem Krappfarbstoff ein anhaltendes Dämpfen unter einem Druck von mindestens 3/4 bis 1 Atmosphäre, was nur durch Einführung von festverschlossenen Dampfkästen eiserner oder steinerner Construction zu erreichen war. Bei solch' energischer Behandlung sollte man glauben, würde das sonst übliche Verhängen der bedruckten Waare vor dem Dämpfen in Wegfall kommen; diese Mühe hat sich jedoch als unumgänglich nothwendig erwiesen. Indem die Essigsäure des Mordants langsam auf der feuchten Wärmhänge abdunstet, findet die zurückbleibende Thonerdeverbindung Gelegenheit, sich mehr in hydratischem Zustand, mehr als zusammenhängende Masse, statt in körniger Form auf oder in der Baumwolle abzulagern, und sich für die Bildung des Farblackes vorzubereiten, gleichwie nach einer alten Erfahrung Rothböden nur dann sich satt ausfärben, wenn sie gehörig verhängt waren, oder wie helle Rosafarben nur langsam auf den Platten getrocknet werden dürfen, wenn nicht der Mordant stellenweise vom Gewebe abfallen und beim nachherigen Ausfärben matte oder gar weiße Partieen hinterlassen soll. Alle diese Erfahrungen waren gemacht und das Krappextract hatte sich in der Fabrication eingebürgert, als der Krieg des Jahres 1870 dessen Bezugsquelle verstopfte, kurze Zeit nachdem Gräbe-Liebermann angefangen, ihr künstliches Alizarin fabrikmäßig darzustellen; die deutsche Fabrication war für ihre neuen Farbencombinationen gezwungen mit einem Sprung vom Krappextract zum künstlichen Alizarin überzugehen und dieß ging um so leichter, als man in den Farbrecepten einfach an Stelle des ersteren die 10procentige Alizarinpaste zu setzen hatte. Die weitere Behandlung ist dieselbe geblieben, nur daß man in Anbetracht der größeren Reinheit des Farbemateriales ein noch schwächeres Seifenbad, als beim Krappextract zu geben hat. So ist das Krappextract, die unreine Mischung von Alizarin mit Purpurin, dem künstlichen reinen Alizarin als Vorläufer vorausgegangen und hat dessen schnelle Einführung in die Druckereien und späterhin in die Färbereien in einer Weise vorbereitet, daß der Consum desselben heute schon geradezu riesige Dimensionen durch alle Länder angenommen hat. (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)