Titel: Ueber einige neue Fabrications-Processe von Gas für Beleuchtungszwecke; von T. Wills.
Fundstelle: Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XCII., S. 446
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XCII. Ueber einige neue Fabrications-Processe von Gas für Beleuchtungszwecke; von T. Wills. Aus dem Journal of Science and Arts durch den American Chemist., December 1873, S. 215. (Fortsetzung und Schluß von Seite 359 des vorhergehenden Heftes.) Wills, über einige neue Fabricationsprocesse von Gas für Beleuchtungszwecke. Im Jahre 1871 wurde ein Patent genommen auf „Verbesserungen in der Bereitung und Reinigung von Gas, und an gewissen Theilen der dazu verwendeten Apparate“, welche, da es hauptsächlich dabei auf die Destillation von Kohle und anderen Materien bei niedriger Temperatur abgesehen war, Alles erfüllen sollten, was man in Bezug auf die zweite und dritte der obigen Erwägungen wünschen könnte, und zugleich als Ersatz für die längere Dauer der Destillation eine sehr beträchtliche Vermehrung des Gases und dieses von besserer Leuchtkraft als bisher in Aussicht stellten. Es ist da vorgeschrieben, die Kohle bei weit niedrigerer Temperatur als gewöhnlich, nämlich bei 600 bis 1000° F. (315 bis 540°C.) zu destilliren, in Wirklichkeit werden aber wahrscheinlich 1300 bis 1400° F. (704 bis 760° C.) angewandt. Bei dieser Temperatur erhält man von 1 Tonne (20 Centner) Kohle ungefähr 8500 Kubikfuß Gas nebst einer mehr als gewöhnlichen Menge Theer und Oel; dieser Theer wird behufs größerer Beschleunigung des Processes durch besondere Vorrichtungen verdichtet, möglichst frei von Wasser gesammelt und dann in einer besonderen Retorte umdestillirt. Das bei der Erhitzung der Kohle erzeugte Gas ist, wie zu erwarten, von hoher Leuchtkraft; seine Reinigung geschieht ganz in der gebräuchlichen Weise, braucht daher nicht eigens beschrieben zu werden, hervorzuheben ist aber noch, daß dasselbe verhältnißmäßig wenig oder nichts von dem sogenannten Rest-Schwefel enthält, mit welchem Namen man denjenigen Schwefel bezeichnet, der bei der Gasbereitung als Schwefelkohlenstoff, und zwar in hoher Temperatur auftritt. Das Destilliren bei möglichst niedriger Temperatur hat also auch noch diesen Vortheil. Die wichtigste Seite der Erfindung besteht in der Umdestillirung des Theeres und Oeles bei niedriger Temperatur, wo gewisse Bestandtheile desselben verdampft und zugleich wieder andere condensirbare Producte erhalten werden. Letztere destillirt man abermals, wobei neue theilweise Zersetzung stattfindet, und dieß wird so lange fortgesetzt, bis eine gewisse Menge Theer in Dampf und Pech verwandelt worden ist. Dieses Resultat erreicht man auf folgende Weise: Theer und Oel läßt man in eine eiserne Pfanne fließen, welche auf 700 bis 800° F. (366 bis 426° C.) erhitzt ist; die flüchtigeren Bestandtheile entweichen sofort und treten von da in eine eiserne Vorlage, worin die mechanisch mit übergerissenen Materien sich absetzen; dann streichen sie durch eine mit kleinen Stücken Holzkohle angefüllte und auf ungefähr 1000° F. (540° C.) erhitzte Retorte. Bei diesem Durchgange erleiden die Dämpfe ohne Zweifel eine Zersetzung, jedoch nicht etwa in Folge directer Einwirkung der glühenden Holzkohle, sondern lediglich der Hitze, deren Action aber durch die große Oberfläche jener befördert wird. Dadurch entsteht eine gewisse Menge Gas, namentlich Wasserstoff, Kohlensäure, Kohlenoxyd (dessen Sauerstoff von der Zersetzung vorhandenen Wassers herrührt), Sumpfgas und eine kleine Quantität leuchtender Kohlenwasserstoffe. Die condensirbaren Producte werden in derselben Weise abermals behandelt. Das aus dem Oel und Theer gewonnene Gas unterwirft man dem gewöhnlichen Reinigungsprocesse und mischt es alsdann dem aus der Kohle zuerst erhaltenen zu. Man hat nun den doppelten Vortheil, aus einer gewissen Menge Kohle nicht bloß mehr Gas als sonst, sondern auch ein weit besser leuchtendes erzielt zu haben. Dieß ist die neueste der verschiedenen Methoden der Destillation des Steinkohlen-Theeres und Oeles. Bis jetzt fand man es am sparsamsten, Leuchtgas nur durch eine einzige Destillation (die des Rohmateriales nämlich) zu gewinnen; aber demungeachtet und trotz der Complicirtheit des neuen Verfahrens hat man es von competenter Seite nicht unterlassen, dasselbe der sorgfältigsten Prüfung auf seinen Werth zu unterwerfen. Ich lasse hier die wichtigsten Beobachtungen und Ergebnisse folgen, welche die HHrn. Keates und Odling darüber gewonnen haben. Es wurden zwei Versuchsreihen ausgeführt, die eine in einer Fabrik, wo Gas für den öffentlichen Gebrauch fabricirt wird, die andere in einer weit kleineren Anstalt, in welch' letzterer jedoch die verschiedenen Apparate unter gründlicherer Controlle stehen konnten und daher noch präcisere Resultate liefern mußten. Die höchste Ausbeute direct aus der Kohle erhaltenen Gases betrug (per Tonne) 9775 Kubikfuß, und die dabei angewandte Temperatur wechselte zwischen 1300 und 1400° F. (704 und 760° C.) Die Ausbeute an Oel und Theer variirte bedeutend je nach der Natur der Kohle; so lieferte die Silkstone-Kohle (per Tonne) 16,4, die Clay-Cross-Main 11,9 und die Pelaw-Main 13,9 Gallons. Die höchste Ausbeute an Gas, welche man durch wiederholtes Destilliren des öligen Theeres bekam, betrug per Gallon 29 Kubikfuß. Die mittlere Leuchtkraft des direct aus der Kohle erhaltenen Gases war gleich 23 Kerzen, die des aus dem Theer erhaltenen gleich 25 Kerzen. An Kohks zum Heizen der verschiedenen Theile des Apparates wurden 33 Proc. der producirten Kohks verbraucht, und dieser Consum stieg noch beträchtlich in Folge der bis zur vollständigen Trennung des Theeres in Pech und flüchtige Producte fortgesetzten Destillationen. Ferner ist hervorzuheben, daß die zur Destillation der Kohle verwendete Zeit das Doppelte von derjenigen betrug, welche man gewöhnlich dazu bei hoher Temperatur braucht. Im günstigsten Falle erhielt man bei diesem neuen Verfahren aus 1 Tonne Kohlen 9500 Kubikfuß Gas von 23 Kerzen Leuchtkraft, und aus 14 Gallons Theer (der mittleren Ausbeute von 1 Tonne Kohlen) 600 Kubikfuß Gas von 25 Kerzen Leuchtkraft. Aber dieses Resultat ward wiederum nur ermöglicht durch verhältnißmäßig viel Zeit- und Brennmaterial-Verbrauch. Es möchte daher scheinen, daß das wiederholte Umdestilliren des Theeres verhältnißmäßig wenig Vortheil bringt; denn um so viel Gas von kaum geringerer Leuchtkraft, als dieses Umdestilliren des Theeres liefert, direct aus Kohlen zu erzeugen, bedarf es eines geringeren Aufwandes von Zeit und Kosten. In der That besitzt auch, wie die genannten Herren hervorheben, der Theer einen höheren Werth als Handelsartikel, wie als Material zur Gewinnung von Leuchtgas. Das Endergebnis besteht demnach darin, daß das bisherige allgemein gebräuchliche einfache Verfahren der Gasfabrication aus Steinkohlen durch das neu empfohlene kaum verdrängt werden dürfte. Ein anderes patentirtes Verfahren beruht in gewissem Grade auf denselben Principien, jedoch mit beträchtlichen Modificationen; Destillation und Umdestillation werden nämlich gleichzeitig vorgenommen. Die im vorigen Patente erforderlichen beiden Theerbehälter sind hier nicht nöthig, sondern statt ihrer liegen eiserne Röhren, gleichsam Fortsetzungen der Retorten bildend und mit einer porösen Substanz (Bimsstein oder Kohks) angefüllt, horizontal und parallel mit den Retorten, und werden durch dasselbe Feuer erhitzt. Der erzeugte Theer, welcher hier nicht so reichlich wie in dem gewöhnlichen Verfahren auftritt, wird während des Durchstreichens jener Röhren zersetzt, und dadurch die Ausbeute an Gas erhöht. Wenn als poröse Substanz Kohks angewendet werden, so bekommen dieselben bald das Ansehen von Pechkohle, und sind dann ein vortreffliches Heizmaterial. Dieses Verfahren hat noch eine wichtige, obgleich nicht als Theil des Patentes beanspruchte Seite, und diese besteht darin, daß ein Strom überhitzten Wasserdampfes in die Retorte geleitet und dadurch mit der glühenden Kohle in Berührung gebracht wird. Ein Theil dieses Dampfes erleidet Zersetzung, sein Sauerstoff vereinigt sich mit Kohlenstoff zu Kohlenoxyd, und sein Wasserstoff geht frei aus. Man sollte erwarten, daß dieser Wasserstoff sich gleichfalls mit Kohlenstoff verbinde und als gasiger Kohlenwasserstoff auftrete; allein dieß ist wegen der in der Retorte herrschenden hohen Temperatur nicht möglich. Doch bringt das Einleiten von Wasserdampf einen indirecten Vortheil, und dieser besteht darin daß die aus der Kohle erzeugten Gase rasch aus dem heißen Raum entfernt, dieselben zugleich gewissermaßen verdünnt werden, und das Bestreben zur Bildung complexerer Materien ein theilweises Hinderniß findet, woraus sich dann das verhältnißmäßig geringere Auftreten von Theer und Oel leicht erklärt. Das vorherige Erhitzen des Wasserdampfes ist ohne Zweifel nothwendig, damit er sich nicht wieder verdichten kann; aber Erhitzen bis zur Rothgluth, wie in dem Patente angegeben, wäre eine schwierige und wahrscheinlich unvortheilhafte Operation. Auch erfordert das Einleiten des Dampfes, wenn man sich davon Erfolg versprechen will, sehr sorgfältige Regulirung. Vor einigen Jahren tauchte unter der Bezeichnung Whites' Kohlenwasserstoff-Proceß“ ein Verfahren auf, welches dem eben besprochenen ähnlich war und darin bestand, Wasserdampf in eine mit glühender Kohle angefüllte Retorte zu leiten. Es wurden dadurch folgende Vortheile erreicht: 1) Erhöhung der Gasproduction aus einem gegebenen Gewichte Kohle; 2) Erhöhung der Leuchtkraft dieses Gases; 3) Verminderung der Ausbeute an theerigen und öligen Producten. Es ist eine allgemein zugegebene Thatsache, daß je rascher das Erhitzen der Kohle geschieht, um so erfolgreicher die Operation ausfällt. Bei der gewöhnlichen Methode wird dieser Zweck bei weitem nicht erreicht, denn das Erhitzen erfolgt stufenweise von der äußeren, an der Retortenwand lagernden Schicht aus nach dem Inneren; in Folge dessen haben die schwereren und condensirbareren, auch in gewissen: Grade werthvolleren Gase, welche aus dem Inneren nach dem Feuerraume kommen, die vollständiger verkohlte und heißere Außenschicht zu passiren und erleiden auf diese Weise eine weitere Zersetzung, bevor sie die Retorte verlassen. Es sind mehrere Vorschläge gemacht worden, um diesem Uebelstande zu begegnen, so z.B. die Kohle in äußerst dünnen Lagen zu erhitzen, oder die Retorte in einer beständigen drehenden Bewegung zu erhalten, damit die zugeführte Hitze gleichmäßiger auf den Inhalt vertheilt werde. Einige solcher Vorschläge hatten auch den gewünschten Erfolg, wurden aber technischer Hindernisse wegen wieder aufgegeben. Einer – vielleicht der einfachste, welcher noch aufgetaucht – ist jüngst in Ausführung gebracht; er besteht in Folgendem: die Retorte erhält eine senkrechte Stellung, und durch ihr Centrum dreht sich eine breite und etwas tiefe Schraube, welche der Länge nach in Sectionen getheilt ist, die in Winkeln von 45° zu einander stehen und beinahe bis an die Wand der Retorte reichen. Durch einen am oberen Ende der Retorte befindlichen Trichter wird die in kleine regelmäßige Stücke gebrachte Kohle eingefüllt; durch die Schraubengänge werden die Stücke gegen die erhitzte Wand getrieben, auf diese Weise verhältnißmäßig schnell zersetzt, und die Bewegung der Schraube ist so regulirt, daß, wenn die Feuerung bis zum Boden der Retorte gelangt ist, der Proceß sein Ende erreicht hat. Die dabei gewonnenen Kohks sind allerdings von etwas geringerer Qualität, auch beträgt die Ausbeute an Theer weniger als sonst, während mehr und leuchtenderes Gas erhalten wird. Die dabei auftretenden Schwierigkeiten sind, wie bei den übrigen Methoden, hauptsächlich mechanischer Natur, denn die Schraube ist wegen des bedeutenden Reibungswiderstandes nicht leicht zu bewegen, nutzt sich daher auch stark ab; dazu kommt dann noch der nachtheilige Einfluß der Hitze und des Schwefels der Kohle auf die (eisernen) Theile der Schraube. Daß übrigens dieses Verfahren in hohem Grade erfolgreich ist, ergibt sich aus nachstehenden Daten. In Arbeit genommeneKohle Menge deserhaltenen Gases Leuchtkraft des Gases Ausbeute an Theer 1 Tonne 11,040 16 Kerzen 8,5 Gallons. 1 Tonne 10,160 17 Kerzen 1 Tonne 12,000 16 Kerzen Die Thatsache der Existenz einer bedeutenden Anzahl Kohlenwasserstoffe von großer Flüchtigkeit, deren Dämpfe angezündet mit stark leuchtender Flamme brennen, hat Veranlassung gegeben, Mittel ausfindig zu machen, wodurch diese Dämpfe benutzt werden könnten, um ein brennbares nicht leuchtendes Gas leuchtend zu machen, sowie einem nicht brennbaren Gase Brennbarkeit und Leuchtkraft zu verleihen. Das Patent-Office enthält mehrere solcher darauf bezüglicher Schriften, welche indessen aus dem einen oder anderen Grunde den Verfassern keinen günstigen Erfolg gebracht haben. Dabei sind nun allerlei Mißverständnisse zum Vorschein gekommen. Man hegte von derartigen Vorschlägen zu große Erwartungen, und auf der anderen Seite unterschätzte man sie auch zu sehr; beide Extreme lassen sich aber durch eine kurze Betrachtung gewisser wohlbekannter physikalischer Gesetze recht gut vermeiden. Vor Allem muß daran erinnert werden, daß die Leuchtkraft des Kohlengases von der Gegenwart der Dämpfe solcher flüchtigen Materien abhängt, welche sich im Gase gelöst befinden, aber noch condensirbar bleiben; und wir finden, daß der Verlust an Leuchtkraft, welchen das Gas beim Verweilen in niedriger Temperatur erleidet, in der That auf der Verdichtung solcher Materien beruht. Diese Beobachtungen beziehen sich auf das Princip der Carburirung überhaupt, und nicht auf specielle Mittel der Anwendung dieses Principes (Imprägnirung von Luft oder anderen Gasen mit den Dämpfen liquider Kohlenwasserstoffe.) Vorstehende Idee der Carburirung ist übrigens keineswegs neu, denn sie datirt schon von der Zeit, wo das Kohlenleuchtgas anfing eingeführt zu werden; aber erst nach der Entdeckung und Benutzung der amerikanischen Oelquellen, welche helles Petroleum in bedeutender Menge liefern, konnte ein erfolgreicher Weg eingeschlagen werden. Im Jahre 1862 nahm Mongruel in Frankreich ein Patent, demgemäß Luft durch Helles und leicht entzündliches Petroleum streichen sollte, welche dadurch mit so viel Kohlenwasserstoff-Dampf beladen würde, daß sie sich entzünden lasse und mit leuchtender Flamme brenne. Diesen Vorschlag führte in England eine Gesellschaft aus, die sich Photogengas-Compagnie nannte, auch Unterstützung fand, aber dennoch wieder einging. Seitdem sind noch verschiedene, auf denselben Principien beruhende, aber in den angewandten Apparaten beträchtlich von einander abweichende Projecte aufgetaucht. Man kann dabei einen allgemeinen Unterschied – mehr zum Zweck besonderer Prüfung, als wegen fundamentaler Verschiedenheit – zwischen ihnen machen, indem als Vehikel oder Medium zur Aufnahme des Kohlenwasserstoff-Dampfes Einige die atmosphärische Luft, Andere ein brennbares, aber nicht leuchtendes Gas verwenden. In beiden Fällen sind einige Bemerkungen über die Quantität des aufgenommenen Dampfes und dessen Verhalten im gelösten Zustande hier am Platze. Wegen Mangel wissenschaftlicher Kenntnisse hat man darüber verschiedene irrige Behauptungen verbreitet; so heißt es in einigen Patenten, es finde zwischen den Gasen der atmosphärischen Luft und den Dämpfen gewisser Kohlenwasserstoffe, wie ölbildendes Gas oder Acetylen, eine mehr als mechanische Vereinigung statt, eine ganz absurde Behauptung, die sofort Jedem einleuchten muß, der erwägt, unter welchen Umständen solche Gase entstehen. Der Dampf eines Kohlenwasserstoffes bleibt, ob er nun für sich auftritt oder in einem oder mehreren anderen Gasen vertheilt ist, doch immer Dampf und besitzt mithin stets dessen charakteristische Eigenschaften; ferner läßt er sich durch die geeigneten Mittel aus dem Gase, worin er vertheilt ist, wieder zur Flüssigkeit verdichten. Ein derartiges Beispiel bietet uns der Wasserdampf, welcher sich stets in größerer oder geringerer Menge in der Luft befindet, aber er bleibt doch immer Wasserdampf mit allen seinen Eigenschaften, nimmt daher auch in niedriger Temperatur die liquide Form an. Eine andere ebenso irrige Ansicht ist die, daß eine gewisse Menge Luft oder Gas eine unbeschränkte Quantität Dampf aufnehmen könne. Aus früher Gesagtem folgt aber, daß da eine bestimmte Grenze besteht und nichts vom Zufalle abhängt. Jede Flüssigkeit besitzt eine Maximum-Tension ihres Dampfes, und diese hängt von der Eigenthümlichkeit derselben, ihrem specifischen Gewichte oder Siedepunkt ab. Wenn daher ein gegebener, mit Luft oder einem anderen Gase erfüllter Raum eine Quantität Dampf von größter Tension enthält, so ist dieser Raum mit solchem Dampfe gesättigt, kann mithin nicht mehr davon aufnehmen. Da indessen diese Tension bei niedriger Temperatur schwächer ist, so kann ein Raum, der bei einer höheren Temperatur gesättigt ist, sobald die Temperatur sinkt, übersättigt werden, muß daher eine gewisse Quantität des Dampfes im flüssigen Zustande absetzen. Will man dieß auf experimentellem Wege nachweisen, so muß man die Temperatur des Gases und nicht die des dasselbe enthaltenden Gefäßes beobachten, da die Leitungsfähigkeit des Gases für Wärme so gering ist, daß für eine gewisse Menge desselben eine beträchtliche Zeit erfordert wird, um es von einer höheren Temperatur zu einer niedrigeren zurückzuführen. Man wird dann bemerken, daß die Feststellung der Maximum-Tension des Dampfes einer Flüssigkeit für verschiedene Temperaturen ein sehr probates Mittel ist, die Menge des Dampfes zu erfahren, welche sich in einem gewissen Raume Luft oder eines anderen Gases verbreiten kann. Ein schon im Beginn dieser Abhandlung gethaner Ausspruch mag hier, zum besseren Verständniß, noch einmal wiederholt werden, nämlich, daß das Medium, in welchem der Dampf verbreitet ist, keine Einwirkung auf die diffundirte Quantität hat, denn ein Vacuum oder ein gleiches Volum irgend welchen Gases nimmt ein und dieselbe Quantität des Dampfes einer Flüssigkeit auf. Der Kochpunkt einer Flüssigkeit steht in einer weit innigeren Beziehung zu der Tension ihres Dampfes, als ihr specifisches Gewicht; in der That hängt der Kochpunkt von der Tension des Dampfes ab, denn da diese Tension dem Drucke der Atmosphäre die Waage hält, so erfolgt bei Ueberwindung des letzteren das Sieden. Bei den Patentträgern zeigte sich ein großes Bestreben, das specifische Gewicht der angewandten Kohlenwasserstoffe herabzudrücken, um Körper von bedeutender Flüchtigkeit zu bekommen, und die Kochpunkte solcher Verbindungen wurden verhältnißmäßig vernachlässigt; wahrscheinlich sind sie dadurch nicht irre geleitet, weil zufällig die zu ihren Zwecken am meisten benutzten Materien, wie die leichten Petrolea, niedrige specifische Gewichte und niedrige Kochpunkte besitzen, diese also gleichen Schritt halten. Allein es gibt eine andere Classe von Kohlenwasserstoffen, deren specif. Gewichte im umgekehrten Verhältniß zu ihrer Flüchtigkeit stehen, z.B. den Alkohol, das Benzol, den Schwefelkohlenstoff, deren specif. Gewicht resp. 0,791, 0,85 und 1,272 beträgt, deren Dampftension und folglich Kochpunkt aber gerade der entgegengesetzten Ordnung folgt, denn der specifisch schwerste von ihnen ist auch der flüchtigste. Die Tension des Alkoholdampfes ist bei gewöhnlicher Temperatur (+ 15° C.) gleich dem Drucke einer Quecksilbersäule von 30 Millimeter Höhe, während der Kochpunkt des Alkohols bei 79° C. liegt; die Tension des Benzol-Dampfes ist 55 Millimeter und der Kochpunkt des Benzols 78° C.; die Tension des Schwefelkohlenstoffdampfes ist 250 Millimeter und der Kochpunkt des Schwefelkohlenstoffes 48° C. Niedriges specif. Gewicht hängt mithin nicht immer zusammen mit niedrigem Kochpunkte und großer Flüchtigkeit. Ein von Dalton aufgestelltes Gesetz, das sich allerdings nur annähernd bewährt hat, setzt uns demungeachtet in den Stand, eine ungefähre Vorstellung von der Tension des Dampfes einer Flüssigkeit zu bekommen, wenn wir den Kochpunkt derselben kennen. Es lautet: „Die Dämpfe verschiedener Flüssigkeiten haben gleiche Tension bei Temperaturen, welche von ihren Kochpunkten gleich weit entfernt sind.“ So ist, während der Kochpunkt des Alkohols 79° beträgt, die Tension seines Dampfes 50, der Kochpunkt des Wassers 100° und die Tension seines Dampfes 71. Die folgende Tabelle enthält die Kochpunkte einiger zur Carburirung der Luft benutzten leichten Petrolea nebst ihren specifischen Gewichten: Kochpunkt und specifisches Gewicht einiger leichten Petrolea. Specifisches Gewicht. Kochpunkt 0,600     4° C. 0,628 30 0,669 68 0,699 92 0,726 118 0,741 136 0,757 160 Das am meisten angewandte Petroleum hat ein specif. Gewicht von ungefähr 0,650 und einen Kochpunkt von 58° C. In der nun folgenden Tabelle ist die Tension des Dampfes dieses Petroleums nach dem obigen Gesetze für verschiedene Temperaturen berechnet. Tabelle der Maximum-Tension des Dampfes des Petroleums von 0,650 specifischem Gewicht bei verschiedenen Temperaturen. Temperatur Dampf-Tension – 10° C. ( 14° F.) 43,5 Millimet. 0 (  32  „ ) 81,0 + 10 (  50  „ ) 132,0 15 (  60  „ ) 167,0 20 (  68  „ ) 203,0 40 (104  „ ) 301,8 Diese Dampf-Tensionen drücken daher die höchsten proportionalen Quantitäten dieser Art von Petroleum aus, welche bei solchen Temperaturen in der Luft oder einem anderen Medium aufgelöst bestehen können; so beträgt die Menge des bei 15° C. oder mittlerer Tages-Temperatur aufgelösten Dampfes ungefähr das Doppelte derjenigen Menge, welche bei 0° C. oder dem Gefrierpunkte des Wassers aufgenommen wird. Die Reduction der Temperatur von 15° zu 10° C. ist verknüpft mit einem Verluste von ungefähr einem Viertel des Betrages an Kohlenwasserstoffdampf. Diese Gegenstände sind einer directen Prüfung fähig, und man wird auf dem Wege des Experimentes immer zu denselben Resultaten gelangen. Man kann obige Tabelle noch klarer stellen, wenn man die die Tensionen des Dampfes angebenden Zahlen in, in einem gewissen Volum Gas bei irgend einer Temperatur enthaltenen Procentgehalten an Dampf ausdrückt. Tabelle des Procentgehaltes des Dampfes des Petroleums von 0,650 specifischem Gewicht in der Luft oder einem anderen Medium bei verschiedenen Temperaturen. Temperatur Procentgehalt – 10° C. (  14° F.)   5,7     0 (  32   „ ) 10,7 10 (  50   „ ) 17,5 15 (  60   „ ) 22,0 20 (  68   „ ) 27,0 40 (104   „ ) 39,0 Damit nun ein „Luftgas“-Verfahren Erfolg habe, muß die Luft eine bei der niedrigsten Temperatur, welcher sie möglicherweise ausgesetzt ist, hinreichende Quantität Dampf aufgelöst enthalten, um Endzündlichkeit und die erforderliche Leuchtkraft zu erzielen, und daraus folgt dann, daß sie bei höherer Temperatur mehr enthalten wird, als für beide Zwecke nöthig ist. In mehreren Fällen verhält sich dieß auch ohne Zweifel so. Die zu einer gewissen Zeit in Lösung befindliche Quantität Dampf berechtigt, wenn dabei die Temperatur unberücksichtigt bleibt, noch nicht zu der Annahme, daß diese Quantität zur Sättigung der Luft oder eines anderen Gases bei der niedrigsten Temperatur, welcher dasselbe ausgesetzt war, ausreiche. Daher muß eine Erniedrigung der Temperatur nach der Carburirung sorgfältig vermieden werden, denn sie würde einen Verlust von Dampf verursachen, der durch nachträgliche Steigerung der Temperatur nicht wieder gut zu machen wäre; dieß ist natürlich nur so zu verstehen, wenn das Gas oder die Luft den liquiden Kohlenwasserstoff abgesetzt hat und mit demselben nicht mehr in Berührung geblieben ist. Die liquiden Kohlenwasserstoffe, welche gegenwärtig fast ausschließlich zur Carburirung vorgeschlagen worden, sind die bei der Destillation des rohen amerikanischen Petroleums zuerst übergehenden leichten Oele. Da diese letzteren zu flüchtig und entzündlich sind, um in den gewöhnlich gebräuchlichen Lampen gebrannt werden zu können, und man keine andere technische Verwendung dafür ausfindig zu machen wußte, so häuften sich dieselben bedeutend an, und standen zu äußerst billigem Preise zu Gebote. Die Ungewißheit aber, ob man beim Bezuge derselben auch auf die Kosten kommt, oder gar Schaden leidet, setzt der Einführung großer Quantitäten bis jetzt noch Schwierigkeiten entgegen. Hinsichtlich dieser „Luftgase“ bleibt noch zu erörtern übrig, ob die verschiedenen Vorschläge zur Carburirung der Luft von einander abweichen. Der erste empfiehlt, Luft durch eine Schicht Petroleumäther von 0,670 specif. Gewicht zu treiben, und zwar in der Weise, daß die Luft unter Druck einen kleinen Behälter voll des Aethers, der einen aus Drahtnetz bestehenden falschen Boden hat, passirt, wodurch die Luft sich in feine Ströme spaltet, daher mit der Flüssigkeit in innige Berührung kommt, und beim Wiederaustritt am oberen Ende des Behälters mit dem Kohlenwasserstoffdampfe gesättigt ist. Die Flüssigkeitsschicht wird durch eine besondere Vorrichtung stets auf gleicher Höhe erhalten. Demselben Patente gemäß soll man auch in dem Aether eine gewisse Menge höher condensirter fester Kohlenwasserstoffe auflösen; aber es ist sehr zu bezweifeln, ob damit ein wesentlicher Vortheil erzielt wird. Die Leuchtkraft eines solchen Gases ist sehr hoch, denn sie entspricht 30 Kerzen; dabei ist aber zu bedenken, daß durch einen solchen Vergleich die Leuchtkraft der Flamme nicht ausgedrückt wird, sondern nur die Thatsache, daß, wenn es möglich wäre (was nicht der Fall), das Gas in dem von der Photometrischen Probe verlangten Grade, das ist 5 Kubikfuß per Stunde, zu verbrennen, jene Leuchtkraft erreicht werden würde; denn es steht fest, daß vermittelst des gewöhnlichen Londoner Argandbrenners oder eines Fledermausbrenners, zur Hervorrufung einer gleich großen Flamme weit weniger Luftgas verzehrt zu werden braucht, das Kohlengas, was sich offenbar aus der größeren Dichtigkeit des Luftgases erklärt. Noch ist zu bemerken, daß diese Luftgase gar nicht unter Druck brennen und daher nur für Brenner sich eignen, welche dem Austritte des Gases kein Hinderniß in den Weg legen wie die Argandbrenner, denn diese haben gleich den Fledermaus- und Fischschwanzbrennern, ein Bestreben Luft und Dampf von einander zu trennen, was sich vielleicht durch die schnellere Verdunstung der leichteren Substanz durch die enge Oeffnung erklärt. Derartige Luftgase besitzen aller Wahrscheinlichkeit nach einen bedeutenden Grad von Haltbarkeit bei gewöhnlicher Temperatur, und werden sich selbst durch lange Röhrensysteme ohne merkliche Verminderung ihrer Qualität leiten lassen. Ueber den günstigen Erfolg einer jüngst im Krystallpallast mit derartigem Luftgas ausgeführten Beleuchtung haben die öffentlichen Blätter berichtet; der dazu verwendete Petroleumäther hatte ein etwas niedrigeres spec. Gewicht, als im Patente angegeben ist. 1 Gallon dieser Flüssigkeit ist im Stande, 800 Kubikfuß Luft zu carburiren, und beträgt die Ausgabe für jenes Quantum Oel 2 Shillinge. Ein zweites Verfahren zur Darstellung von Luftgas unterscheidet sich von dem eben besprochenen erstens dadurch, daß der erforderliche Luftstrom durch ein Glockenwerk unterhalten wird; und zweitens, daß die Luft, anstatt direct die Flüssigkeit, damit getränkte Baumwolle, Wolle oder eine andere absorbirende Substanz durchstreicht. Flüssigkeit und Resultate sind so ziemlich dieselben wie oben. Man hat bereits im größeren Maaßstabe Anwendung davon gemacht, nämlich die kleine Stadt Great Marlowe damit zu beleuchten angefangen. Vielleicht verdient dieses zweite Verfahren einen kleinen Vorzug vor dem ersten, weil das aufwallende Durchstreichen der Luft durch eine flüchtige Flüssigkeit deren Verdunstung in so hohem Grade befördert, daß die Temperatur derselben (der Flüssigkeit) sehr bedeutend herabsinkt, ja selbst bis zum Frostpunkte (0° C.) gelangen kann, was denn natürlich auch eine beträchtliche Erniedrigung der Temperatur der Luft nach sich ziehen würde. Derartige Abkühlungen sind aber sorgfältig zu vermeiden, weil das Bestreben dahin gerichtet seyn muß, möglichst viel Dampf in Lösung zu bringen. Noch ein drittes Verfahren verdient einige Beachtung, denn es besitzt wenigstens den Vortheil der Einfachheit, die darin besteht, bloß einen gewöhnlichen Gasometer als Gaserzeuger anzuwenden. An dem oberen Ende dieses Gasometers befindet sich eine Klappe, welche sich mit Leichtigkeit nach Innen öffnet, aber sich sofort schließt, wenn auf denselben ein Druck ausgeübt wird. Unter dieser Klappe sind Tröge (trays) angebracht, welche eine schwache Lage Petroleumäther von wo möglich noch geringerem specifischem Gewichte, als man ihn sonst anwendet, enthält. Wenn der Gasometer durch mechanische Kraft sich hebt, so streicht die eintretende Luft über die Oberfläche des Kohlenwasserstoffes und wird dadurch hinreichend damit beladen, um sofort als leuchtendes Gas benutzt werden zu können. Die Leuchtkraft der Flamme entspricht hier 30 bis 33 Kerzen. Der hierzu dienende Petroleumäther, wovon 1 Gallon 500 Kubikfuß Luft carburiren soll, ist angeblich in unbegrenzter Menge zu haben, denn er bestehe aus dem bei der Bereitung des amerikanischen Kerosenöles durch Destillation zuerst übergehenden Antheile. Gegenwärtig läßt man diesen sehr flüchtigen Theil noch frei in die Atmosphäre entweichen, aber man glaubt, daß seine Condensirung und sein Transport keine besonderen Kosten und Schwierigkeiten verursachen werden. Seine rasche Verdunstung erklärt sich aus dem niedrigen Kochpunkte; der Dampf ist sehr schwer und steht darin dem des Schwefeläthers nicht nach, macht daher die von ihm durchdrungene Luft beträchtlich schwerer, als ein gleicher Raum reine Luft ist, und diesen Umstand hat man zur Construction einer Art tragbarer Gaslampe benutzt. Ein kleiner Behälter welcher durch ein Rohr mit einem gewöhnlichen Gasbrennner in Verbindung steht und mit einem Hahn versehen ist, wird nämlich mit einem lockeren Gegenstande z.B. Wolle oder Baumwolle angefüllt und diese mit dem Petroleumäther getränkt. Beim Oeffnen des Hahnes treten Luft und Dampf durch das Rohr in den Brenner, wo das angezündete Gasgemisch eine der des gewöhnlichen Kohlengases ähnliche Flamme gibt, während die atmosphärische Luft durch ein kleines oben am Behälter befindliches Loch fortwährend wieder ersetzt wird. Man hat ermittelt, daß 1 Pinte Oel ausreicht, um die Flamme neun Stunden lang zu unterhalten. Man hat häufig geglaubt, derartige äußerst flüchtige Flüssigkeiten werden mehr als diejenigen von höheren Kochpunkten Anlaß zu Explosionen geben; allein das ist nicht der Fall, jedoch nicht deßhalb weil eine Explosion unmöglich wäre, denn der Dampf eines brennbaren Kohlenwasserstoffes wird, wenn er mit Luft vermischt ist, die so viel Sauerstoff enthält, als zur Verbrennung des Wasserstoffes und Kohlenstoffes ausreicht, auf einmal völlig verbrennen und eine plötzliche Expansion verursachen, welche eben als Explosion zur Wahrnehmung gelangt. Allein die zur Erzielung dieses Resultates nothwendigen Bedingungen treten bei diesen schweren Dämpfen der so flüchtigen Flüssigkeiten schwieriger ein, weil, dicht oberhalb der explosiven Stelle, Luft und Dampf einfach brennen, während dicht unterhalb derselben, wegen Mangels an der erforderlichen Menge Dampf, keine Entzündung stattfinden kann. Der entgegengesetzte Fall tritt beim Wasserstoff ein, welcher, mit Luft in den variabelsten Verhältnissen vermischt, leicht explodirt. Man hat auch befürchtet, daß möglicherweise, selbst nach der vollständigen Vermischung eines solchen schweren Dampfes mit Luft, eine andere als liquide Art von Ausscheidung stattfinden, d.h. eine Schicht des schweren Dampfes am Boden und eine Schicht der leichteren Luft oben lagern könne; allein das Gesetz der Diffusion der Gase lautet, daß Gase und Dämpfe, so verschieden sie auch in ihrer Dichtigkeit seyn mögen, sich vollständig gleichförmig mit einander mischen und nicht wieder von einander trennen. Diesem Gesetze unterliegt natürlich auch die atmosphärische Luft, mithin lagert der leichtere Stickstoff nicht über dem schwereren Sauerstoff, sondern beide sind an allen Punkten in gleichem Mengenverhältnisse zugegen. Wenn zwischen den gewöhnlichen Leuchtgasen und diesen Luftgasen Vergleiche angestellt werden sollen, so muß dieß unter ein und denselben Umständen geschehen, und da wird man finden, daß das Kohlengas weder einer niedrigen Temperatur ausgesetzt, noch lange aufbewahrt werden darf, weil es die Dämpfe von Benzol, Toluol etc. enthält, welche dabei leicht in die liquide Form übergehen. In dieser Beziehung leiden reiche Gase am meisten, daher mehr die aus Kännelkohle, als die aus gewöhnlichen Kohlen bereiteten, an Leuchtkraft verlieren. Die Anwendung eines brennbaren Gases als Vehikel, um Dämpfe flüchtiger Flüssigkeiten zu absorbiren, scheint auf den ersten Blick ein rationelleres und voraussichtlich erfolgreicheres Verfahren zur Anwendung des Principes der Carburirung zu seyn, denn in den früheren Fällen bedurfte es nicht bloß einer zur Beförderung des Leuchtens der Flamme hinreichenden Quantität Dampf, sondern eine weitere Menge mußte zur Hervorbringung der Flamme selbst zugegen seyn. Wir können diese Differenz auch so ausdrücken, indem wir sagen, daß in dem einen Falle das brennbare Gas bereits fertig ist, und nur durch den Kohlenwasserstoffdampf mit leuchtenden Eigenschaften versehen werden muß; während in dem anderen Falle das brennbare Gas erst aus dem Kohlenwasserstoffdampf zu erzeugen ist, und dann auch seine Leuchtkraft von demselben empfangen muß. Es ist mithin vollkommen klar, daß ein nicht brennbares Gas eine größere Menge Dampf enthalten muß als ein brennbares, um dieselbe Leuchtkraft wie dieses zu besitzen. Daraus folgt natürlich noch nicht, daß es nicht möglich sey, ein nicht brennbares Gas, wie z.B. die Luft, mit Dampf genügend zu imprägniren, aber alles Uebrige gleichgesetzt, hat ein brennbares Gas einen wesentlichen Vortheil in dieser Beziehung voraus, und wahrscheinlich kann ein solches Gas mit einem flüssigen Kohlenwasserstoffe von höheremIm Originale steht irrig lower (niedriger). Kochpunkte und daher geringerer Flüchtigkeit carburirt werden, als ein nicht brennbares Gas wie die Luft. Dieser Vortheil tritt noch mehr hervor, wenn man sich der Luft bedient, weil diese 1/5 ihres Volums Sauerstoff enthält, welcher ohne anderen Effect als zur Erhöhung der Hitze der Flamme eine proportionale Menge Dampf verzehrt. Die Natur des angewandten brennbaren Gases ist von keinen; wesentlichen Einflusse, daher liegt es im pecuniären Interesse, das billigst herzustellende zu benutzen. Die Möglichkeit, ohne große Umstände eine Quantität Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen, war stets ein Lieblingsthema der Industriellen, und es liegen auch einige Vorschläge in dieser Beziehung vor; aber man erwartete kaum, in einem „neuen Gase“ unseren alten Freund, das Wassergas, mehr als einmal zu erkennen, und doch ist dem so, und erst jüngst schreibt ein Patent wieder vor, dieses Gas vermittelst eines leichten flüssigen Kohlenwasserstoffes zu carburiren. Das Verfahren ist zwar noch in der Kindheit, wird aber ohne Zweifel bald eine größere Ausdehnung gewinnen, datirt übrigens schon aus ziemlich früher Zeit, denn bereits 1830 wurde ein derartiges Patent von einem gewissen Michael Donov genommen. Diesem ersten folgte 1831 ein zweites von George Lowe, 1833 ein drittes von Gilbert Saunders, um dieselbe Zeit zwei weitere von Floret und J. B. Molerat, und noch mehrere andere, welche sich sämmtlich nur in unwesentlichen Dingen von einander unterscheiden und auf der Zersetzung des Wasserdampfes durch glühende Kohle, Kohks oder Metall beruhen. Diese Zersetzung erfolgt sehr leicht, wenn man solchen Dampf über dergleichen Substanzen leitet; dabei treten Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure auf, wahrscheinlich in zwei gesonderten Actionen, welche durch die folgenden Gleichungen versinnlicht werden: HO + C = H + CO 2HO + C = 2H + CO². Die Quantitäten der dabei erhaltenen Gase (H, CO, CO²) wechseln je nach den Umständen. Eine Analyse der durch Leiten von Wasserdampf über rothglühende Holzkohle gewonnenen Gase gab im Mittel Kohlensäure 20 Proc. Kohlenoxyd 20 Wasserstoff 60 –––––––––– 100 Jede Form von Kohlenstoff ist im Stande, diese Zersetzung zu bewirten. Bei Anwendung eines Metalles, z.B. Eisen, tritt folgender Proceß ein: 4HO + 3Fe = Fe³O + 4H. Das Gasgemisch ist entzündlich und brennt mit nicht leuchtender, aber sehr heißer Flamme, die noch mehr zunimmt, wenn die Kohlensäure vorher entfernt wird Die Flamme des Wasserstoffgases hat eine Temperatur von 3776° F. (= 2080° C.). Diese Flammenhitze ist ein unzweifelhafter Vortheil, wenn das Gas carburirt wird, denn die Kohlentheilchen gelangen alsdann zum Weißglühen; aber andererseits liegt in der Anwesenheit des Kohlenoxydes in dem Gase ein großer Nachtheil, denn dasselbe besitzt ganz entschieden giftige Eigenschaften, und schon 2 Proc. davon in einer Atmosphäre haben sich tödtlich erwiesen. Die Kohlensäure ist allerdings auch ein schädliches Gas, aber sie übt doch wenigstens direct keinen nachtheiligen Einfluß aus, sondern mehr in der Weise, daß sie den Zutritt des erforderlichen Quantums Sauerstoff zu den Lungen verhindert, und daher durch Erstickung den Tod herbeiführen kann. Bei diesem neuen Verfahren bedient man sich der gewöhnlichen Retorten, welche in Reihen von 5,7 oder 9 Stück liegen. Alle, mit Ausnahme der obersten von jeder Reihe, werden mit einer kohligen Substanz, gewöhnlich Kohks nebst Bruchstücken oder sonstigen Abfällen von Eisen angefüllt, zum Glühen erhitzt und Wasserdampf, welcher aus einem gewöhnlichen Dampfkessel entwickelt und durch Leiten in von demselben Feuer, das die Retorten speist, berührten Röhren überhitzt ist, hinzugeleitet, dergestalt, daß derselbe von einem Ende bis zum anderen die ganze Retorte durchzieht. Hinsichtlich des dabei stattfindenden chemischen Processes verweise ich auf die drei vorigen Gleichungen. Die oberste Retorte ist größer als die übrigen und gleichfalls mit Kohks angefüllt, aber man leitet keinen reinen Wasserdampf, sondern die aus den unteren Retorten getretenen Gase durch dieselbe, um den darin verbliebenen Rest von Wasserdampf auch noch zu zersetzen. Das nunmehrige Gasgemisch wird weiterhin ganz auf gewöhnliche Weise behandelt und in Gasometern zum Gebrauche aufbewahrt, denn es verhält sich nun in jeder Beziehung wie ein permanentes Gas. Man beabsichtigt, es selbst als Heizmaterial zu benutzen; aber sein hauptsächlichster Gebrauch erstreckt sich auf die Beleuchtung, und diese Eigenschaft ertheilt man demselben gerade so wie dem Luftgase, indem man es durch leichten Petroleumäther streichen läßt. Die Leuchtkraft des so gewonnenen Productes entspricht 16 bis 17 Kerzen. Uebrigens nimmt jenes Gasgemisch von dem Kohlenwasserstoffdampf nicht mehr auf als die atmosphärische Luft, beide Producte enthalten bei gleicher Temperatur gleich viel davon, und unterliegen beim Temperaturwechsel oder anderen Einflüssen gleicher Veränderung. Alle diese carburirten Gase sind natürlich frei von verschiedenen Unreinigkeiten, welche in den Kohlengasen gewöhnlich angetroffen werden. Eine in Vorschlag gebrachte Anwendung dieses Principes der Carburirung in Verbindung mit der gewöhnlichen Gasfabrication hat mehrere günstige Seiten; denn das Steinkohlengas läßt sich gewiß ebenso erfolgreich carburiren, wie die Luft oder Wasserstoff und Kohlenoxyd. Nehmen wir den Fall, wo Steinkohle viel aber schlecht leuchtendes Gas liefert, so muß dessen Leuchtkraft unbestreitbar gewinnen, wenn ihm der Dampf eines leichten Kohlenwasserstoffes hinzugeführt wird. In solchem Falle bedarf man von letzterem natürlich bei weitem weniger, als für Luft und für Wasserstoff nebst Kohlenoxyd erforderlich ist. Eine sehr bedeutende Ausbeute von Gas aus Kohlen erhält man, wenn man bei hoher oder bei gewöhnlicher Glühhitze Wasserdampf durch die Retorten streichen läßt, denn sie beläuft sich per Tonne Kohlen auf 52000 Kubikfuß, allerdings von einer nur 4 Kerzen gleichkommenden Leuchtkraft. Ein solches Gas würde dann durch Carburirung in einen allen Anforderungen genügenden Zustand versetzt werden können. In den vorstehenden Mittheilungen habe ich mich bemüht, die Anforderungen, welche an jede der in Vorschlag gebrachten neuen Gasbereitungsmethoden zu stellen sind, möglichst klar und unparteiisch vorzutragen und zu prüfen. Die überschwänglichen Behauptungen und unmöglichen Theorien, welche zuweilen aufgestellt werden, bekommen Glaubwürdigkeit und Unterstützung, weil die Beurtheiler selten die für solche Fälle erforderlichen chemischen und physikalischen Kenntnisse besitzen; und oft werden derartige Angaben mehr aus Unwissenheit, als in der Absicht zu täuschen gemacht. So viel steht übrigens fest, daß die Leuchtgasfabrication noch mancher Verbesserung bedarf, und daß die eine oder andere der neu in Vorschlag gebrachten Methoden werthvolle Beiträge zu einer solchen Verbesserung liefert. Daß dabei auch der Kostenpunkt eine bedeutende Rolle spielt, versteht sich von selbst; doch ist dieß ein Thema, auf welches ich hier nicht weiter eingehen kann.