Titel: Ueber die Numerirung und Verpackung der Kammgarne nach dem alten und nach dem neu vorgeschlagenen Systeme; vom Fabriksdirector A. Lohren in Potsdam.
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. V., S. 33
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V. Ueber die Numerirung und Verpackung der Kammgarne nach dem alten und nach dem neu vorgeschlagenen SystemeVergleiche: „Zur einheitlichen Garnnumerirung“ in Dingler's polytechn. Journal, Bd. CCIX S. 93.; vom Fabriksdirector A. Lohren in Potsdam. Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen 1873, S. 336. Lohren, über die Numerirung und Verpackung der Kammgarne nach dem alten und nach dem neu vorgeschlagenen Systeme. Im Allgemeinen ist die Ansicht verbreitet, daß Kammgarne in Deutschland wie Baumwollgarne numerirt, geweift und verpackt werden. Dies ist jedoch nicht mehr der Fall und gilt nur ganz ausnahmsweise für Calculationen im Comptoir oder für Exportgarne, welche nach englischen Gebräuchen verkauft und nach englischem Gewicht bezahlt werden. Hier ist also: 1 Weifenumfang =   1 Faden =     1 1/2 Yard, 1 Gebind = 80 Faden = 120       Yard, 1 Strähn =   7 Gebind = 840       Yard oder 768,079 Meter. Die Nummer bezeichnet die Anzahl der Strähne in einem Pfund engl. oder 453,59 Gramm. Und 1 Bündel Garn der Nummer N enthält in 10 Pfund engl. N Docken zu 10 Strähn. Es entsteht zunächst die Frage, warum haben die deutschen Kammgarnspinner diese allgemein bekannte Numerirung aufgegeben, welche im ganzen Welthandel jedem Garn-Consumenten geläufig ist, gewissermaaßen international genannt werden kann und alle die Vortheile gewährt, welche die heute angestrebte Decimal-Eintheilung künftig ihren Anhängern bringen soll? Es wird von Interesse sein, die Gründe hierfür kennen zu lernen. Es ist keineswegs Willkür, welche Gebräuche schafft, sondern in der Regel innere Nothwendigkeit, welche entscheidet. So auch hier. Die deutsche Kammgarnspinnerei producirt nicht für den internationalen Markt sondern für Deutschland selbst: für Berlin, Sachsen, Böhmen und Elberfeld. Berlin ist nicht blos einer der stärksten Consumenten von Kammgarn sondern auch ein gewaltiger Concentrationspunkt für die maaßgebenden Handelsinteressen. Zu diesen Interessen zählt in erster Linie die leichte und scharfe Controlle über Gewicht und über Länge der gekauften Garne. Als Gewicht kannte man bis vor Kurzem das Berliner Pfund, als Länge die Berliner Elle, und so war es selbstverständlich, daß die Garn-Controlle weder stattfand nach Gramm und Meter, noch nach Libra und Vara, oder nach avoir du pois und Yard sondern nach Berliner Pfund und Berliner Ellen. Es möchte schwer sein, in Deutschland ohne mühsame Erkundigungen einen Haspel von richtig 1 1/2 Yard Umfang oder ein genau zuverlässiges englisches Pfund mit seinen Unterabtheilungen anzuschaffen. Yard und englische Pfund bildeten also keine leicht ausführbare Controlle für deutsche Fabrikanten und könnten nur Eingang finden in größere Etablissements und Garnhandlungen. Dazu kam, daß der englische Haspel von 1 1/2 Yard Umfang ziemlich nahe 2 Berliner Ellen beträgt; denn es ist: 1 1/2 Yard = 1,37157 Meter und 2 Berliner Ellen = 1,33388 Meter, ferner daß das englische Pfund nur wenig leichter ist als das alte Berliner Pfund: 1 engl. Pfd. = 453,59 Grm. und 1 Berliner Pfd. = 467,711 Grm., so daß also namentlich für die niedrigen Nummern, welche Berlin in Massen gebraucht, nur ein unwesentlicher Unterschied entsteht, wenn man an Stelle der englischen Numerirung die folgende benutzt: 1 Weifenumfang = 1 Faden = 2 Berliner Ellen = 1,33388 Meter, 1 Gebind = 80 Faden = 160 Ellen = 106,71 Meter, 1 Strähn = 7 Gebind = 1120 Ellen = 746,97 Meter. Dieser Strähn wurde allgemein eingeführt und die Nummer durch die Anzahl der Strähne bezeichnet, welche in einem Berliner Pfund enthalten sind. Das Bündel Garn enthielt 10 Berliner Pfund und wurde bei Garnnumerirung N in N Docken zu 10 Strähne getheilt. Da das Garn nach Berliner Pfund verkauft wurde, so war diese Methode die einfachste und richtigste. Hiernach verfährt man heute noch, und es ist also die Berliner Nummer 17 ungefähr gleich der englischen Baumwollnummer 16. Mit der Einführung des Zollpfundes wurden in dieser Methode gar bald Abänderungen nothwendig. Die Numerirung blieb zwar die alte, doch wurden die großen Quantitäten an Zephir-, Tapisserie- und Posamentier-Garnen, sowie neuerdings auch die Shawlgarne in Bündel zu 10 Zollpfund gepackt und verkauft. Da diese Garne größtentheils vor der weiteren Verarbeitung gefärbt werden, so werden dieselben theils aus Rücksicht auf die starken, mehrdrähtigen Fäden nicht mit dem Haspel von 2 Ellen = 1 1/3 Meter, sondern von 2 1/2 Ellen = 1 2/3 Meter geweift. Wir legen auf diese Thatsache ganz besonderen Werth, bitten hiervon gefälligst Notiz zu nehmen und zu bemerken, daß es nicht angeht, pro domo eine bestimmte Weise für alle Garne aufzustellen. Will man Anspruch auf praktische Vorschläge erheben, so muß man die Wahl der Weifen freistellen, und zwar nach Belieben zwischen: 1, 1 1/4, 1 1/3, 1 2/3 und 2 Meter Umfang. Die Weise ist ganz gleichgiltig für die Frage selbst. Hauptsache bleibt die Einigung dahin, daß 1 Strähn 10 Gebinde zu 100 Meter enthalten muß; und daß die Nummer diejenige Zahl bezeichnet, welche angibt, wie viel solcher Strähne in einem Kilogramm enthalten sind. Wird dies als Gesetz angenommen, so können die meisten alten Haspel beibehalten bleiben; nur daß 10 Gebinde statt 7 kommen, und daß der 2 Ellen-Haspel pro Gebinde 75 Umläufe, der 2 1/2 Ellen-Haspel pro Gebinde 60 Umläufe zu machen hat, um das 100 Meter-Gebinde zu liefern. In der ersten der nachstehenden Tabellen sind die wichtigsten der heute in Gebrauch stehenden Garnnummern umgerechnet in die gleichwerthigen Nummern des vorgeschlagenen Systems; in der zweiten Tabelle umgekehrt, die neuen Nummern in die gleichwerthigen alten. Alte Nummern. Neue Nummern. Neue Nummern. Alte Nummern. 10 = 15,97 16 = 10,02 12 = 19,16 18 = 11,27 14 = 22,35 20 = 12,52 16 = 25,55 22 = 13,78 17 = 27,14 24 = 15,03 18 = 28,74 26 = 16,28 20 = 31,94 28 = 17,53 22 = 35,13 30 = 18,79 24 = 38,32 32 = 20,04 26 = 41,52 36 = 22,54 28 = 44,71 40 = 25,05 30 = 47,90 44 = 27,55 32 = 51,10 48 = 30,06 36 = 57,49 52 = 32,56 40 = 63,88 56 = 35,07 44 = 70,26 60 = 37,57 48 = 76,65 70 = 43,83 52 = 83,04 80 = 50,10 56 = 89,43 90 = 56,36 60 = 95,82 100   = 62,62 Nach diesen einleitenden Bemerkungen erlaube ich mir auf die Veränderungen näher einzugehen, welche die Einführung der neuen Numerirung auf die Operationen des Weifens und Verpackens hervorbringen wird. Es sind hierfür drei verschiedene Verfahren in Gebrauch und zwar: A. Für Zephirgarne (Nr. 3–6). B. Für Tapisseriegarne (Nr. 7–16). C. Für doublirte und einfache Garne (Nr. 16–60). A. Für die drei- und vierdrähtig gezwirnten Zephirgarne ist das vom CongreßInternationaler Congreß zur Erörterung der Frage einer einheitlichen Garnnumerirung. angestrebte Decimal-System bereits seit Jahren hier in Gebrauch, und zwar in einer für diese niedrigen Nummern sehr praktischen und empfehlenswerthen Weise. Die im Handel gebräuchlichen Garnsorten dieser Kategorie sind 12/3fach bis 17/3fach und 12/4fach bis 16/4fach, also entsprechend den einfachen Nummern 3 bis 6. Für das Bündeln dieser Garne gilt als Regel: 1 Bündel = 10 Zollpfund = 100 Strähn, also 1 Strähn = 50 Gramm; 4 Strähne werden zu einer Docke gedreht, und 25 Docken in die Garnpresse eingelegt. Die Weise hat 1 2/3 Meter Umfang. Bei dieser Decimal-Eintheilung sind also Gewicht und Strähnenzahl constant, dagegen die Länge jedes Strähnes mit der Nummer variabel. Diese Länge muß deshalb vor dem Weifen festgestellt werden. Durch einfache Calculation findet man 1 Strähn = 50 Grm. = N × 79,85 Met. für die alte oder gleich N × 50 Met. für die neue Numerirung. Für 17/3fach Zephir erhält z.B. jeder der 100 Strähne 17/3 × 79,85 = 452,5 Meter oder 272 Fäden bei 1 2/3 Meter Weise. Wie künftig auch die Nummer bestimmt werden mag, bei dieser rationellen Methode wird keine Veränderung vorzunehmen sein. Man braucht nur an Stelle der alten Nummer die entsprechende neue Nummer einzuführen und hat z.B. für den obigen Fall statt alt 17/3 fach mit 452,5 Meter Strähnlänge: neu 27/3fach mit (27/3 × 50) 450 Meter pro Strähn. Die Controlle der Garnnummer ist daher leicht. Man weift einen Strähn und dividirt die gefundene Meterlänge bei der alten Nummer durch 79,85 (80), bei der neuen Nummer durch 50, um die bezüglichen Garnnummern zu erhalten. B. Für die etwas feineren zweifach doublirten Tapisseriegarne ist folgendes Verfahren in Gebrauch: 1 Weifenumfang = 2 1/2 Berliner Ellen = 1,66735 Meter, 1 Gebind = 80 Fäden = 200 Ellen = 133,388 Meter, 1 Strähn = 7 Gebind = 1400 Ellen = 933,72 Meter. Da diese Garne vor der weiteren Verarbeitung in der Regel gefärbt werden, so macht man die Docken nicht zu stark. Auch empfiehlt es sich des Aufmachens wegen, nicht über 36 und nicht unter 20 Docken pro Bündel zu nehmen. Jedes Bündel enthält 10 Zollpfund. Die gebräuchlichen Nummern sind 16/2fach bis 32/2fach. Für die Nummern 16/2fach bis 22/2fach dreht man 3 Strähne zu einer Docke; für die Nummern 24/2 fach bis 32/2fach 4 Strähne pro Docke. In einem Bündel von 10 Zollpfund (5000 Grm.) sind enthalten N 5000/467,71 ×1120/1400 = N × 8,55 Strähn. Daraus ergibt sich, wie viel Docken in ein Bündel zu packen sind, z.B. für 20/2fach: 20/2 × 8,55/3 = 28 1/2 Docken zu 3 Strähn à 1400 Ellen; oder für 24/2fach: 24/2 × 8,55/4 = 25 2/3 Docken zu 4 Strähn à 1400 Ellen. Diese ebenso ungenaue, wie umständliche Verpackungsart kann natürlich nur so lange bestehen, bis die Garnnumerirung nach Meter und Gramm geregelt ist. Beim 1000 Meter-Strähn wird sich die Rechnung viel einfacher und übersichtlicher gestalten. 1 Bündel = 5000 Gramm = N × 5 Strähn; also für 32/2 fach, welches dem obigen 20/2fach am nächsten steht: 32/2 × 5 = 80 Strähn; folglich 1 Bündel = 20 Docken zu 4 Strähn à 1000 Meter. Hier braucht man zur Controlle der Garnnummer blos die Zahl der Strähne zu zählen. C. Für die feinen gezwirnten Garne sowie für die einfachen Schuß- und Kettengarne ist bis jetzt das alte Verfahren beibehalten worden, mit einziger Ausnahme der Shawlzwirne, für welche die Berliner Consumenten bereits vielfach den Weg der Reform betreten haben. So lange diese Garne noch nach dem alten Berliner Handelspfund verkauft werden, ist es nicht rathsam, eine andere Numerirung und Weise anzunehmen. Man packt also die Garne in Bündel zu 10 Berliner Pfund = 10 N Strähne à 1120 Ellen. Sobald diese Garne aber im Handel nach dem Kilogramm gekauft werden, treten dieselben Schwierigkeiten und Uebelstände ein, welche jetzt unter B vorliegen. Dieselbe zwingende Nothwendigkeit aber, welche aus den deutschen Kammgarnspinnereien die englische Baumwoll-Numerirung entfernt und welche für Zephirgarne die Decimal-Verpackung hervorgerufen hat, wird die neue Meter-Gramm-Numerirung ohne äußeren Zwang einführen. Wenn die Bestrebungen des Congresses diesen Zeitpunkt etwas näher rücken, so wäre dieses in jeder Beziehung anzuerkennen. Resumiren wir das Gesagte, so sind für unsere Kammgarnbranche folgende drei Punkte von Wichtigkeit: 1) Die vorhandenen 1 2/3 Meter-Haspel für niedrige Nummern und die 1 1/3 Meter-Haspel für höhere Nummern sind als durchaus zweckmäßige beizubehalten. Das Gebinde ist für ersteren auf 60 und für letzteren auf 75 Fäden (anstatt 80) einzurichten. 2) Die gebräuchliche 100 Strähn-Verpackung für Zephirgarne paßt ganz vortrefflich zur neuen Meter-Gramm-Numerirung. Durch Einführung der neuen Nummer wird die Garncontrolle wesentlich erleichtert. 3) Das Weifen der Garne nach der alten Nummer und das Verpacken zu 10 Zollpfund ist so umständlich und verwirrend, und erschwert die Garnnummer-Controlle so bedeutend, daß die Einführung des 1000 Meter-Strähnes überall mit Freuden begrüßt wird, wo Garne nach Kilogramm verkauft werden.