Titel: Ueber die gemischte Expansion; von Prof. Gustav Schmidt in Prag.
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XIII., S. 92
Download: XML
XIII. Ueber die gemischte Expansion; von Prof. Gustav Schmidt in Prag.Vom Verf. gefälligst mitgetheilter Auszug aus seiner im ersten Hefte der diesjährigen Mittheilungen des Architecten- und Ingenieur-Vereines in Böhmen erschienenen bezüglichen Abhandlung. Die Red. Mit einer Abbildung. Schmidt, über die gemischte Expansion. Die „Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure“ enthält im vorjährigen Jahrgange, Bd. XVII S. 1 u. ff. eine sehr instructive Abhandlung des Hrn. Generalinspectors der österreichischen Staatsbahn August Bochkoltz: „Mittheilungen über Wasserhaltungsmaschinen und über praktische Resultate des Kraftregenerators“, in welcher Abhandlung der neue Begriff gemischte Expansion eingeführt wird. Bochkoltz versteht hierunter die Expansion des Dampfes während der Admission in Folge Drosselung des Anlaßventiles. Bei Wasserhaltungsmaschinen mit dem Bochkoltz'schen Kraftregenerator sein sehr großes Pendelgewicht, welches an dem dritten, nach abwärts gerichteten Arme des Contrebalanciers angebracht ist, und sowohl die Ventileröffnung der Pumpen-Druckventile ohne Gestängsüberlast wie insbesondere die bedeutende und gefahrlose Vergrößerung der mittleren Auf- und Niedergangsgeschwindigkeit bewirkt) macht sich die gemischte Expansion in Folge der vom Pendelgewicht bewirkten Kolbenbeschleunigung stark bemerklich. Versuche, welche am 29. Mai 1873 an der Maschine des Engerth-Schachtes in Kladno (Böhmen) ausgeführt wurden, ergaben bei dem Regeneratorgewicht von 57.608 Kilogr., welches mehr als 3mal so groß ist, als zur Eröffnung der Druckpumpen-Ventile nöthig wäre, beim Gestängsaufgang eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 1,033 Meter mit dem Maximum (bei 41 Proc. des Kolbenweges) von 1,650 M. und beim Gestängsniedergang eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 0,696 M. mit dem Maximum (bei 45 Proc. des Kolbenweges) von 1,210 M. pro Secunde, wobei gar kein Schlag der Pumpenventile erfolgte. Hiebei zeigte das Indicator-Diagramm von 0 bis 1/16 des 3 Meter betragenden Kolbenweges constante Spannung von 4,17 Atmosphären absolut, beruhend auf der beträchtlichen Dampfmenge zwischen dem Regulirungs- und Admissions-Ventile; dann aber sank die Spannung bis 6/16 des Hubes nach einer Mariotte'schen Linie so, als ob ein schädlicher Raum von 26/16 Cylinderinhalt vorhanden wäre, dagegen gar kein Nachströmen des Dampfes durch das Regulirungsventil erfolgen würde, so daß also bei 6/16 des Hubes die Spannung 27/32 × 4,17 = 3,52 Atmosphären betrug, worauf sie noch weiter langsam sank bis auf 3,39 Atm. bei 0,9 des Hubes, wo der Schluß des Admissions-Ventiles erfolgt. Daß in der zweiten Hälfte des Kolbenweges bei der abnehmenden Kolbengeschwindigkeit nicht wieder eine Steigerung der Spannung eintritt, ist dem Umstande zu danken, daß die Spannung vor dem Anlaß- oder Regulirungsventil bei Wasserhaltungsmaschinen, welche nur in der Periode des Gestängsaufganges Dampf consumiren, sich nicht constant erhält sondern ebenfalls sinkt, wenn der Kolben erhebliche Geschwindigkeit besitzt. Hätte man während der ganzen Admissionsperiode von 0,9 Hub blos die constante Dampfspannung 3,39 Atm. gehabt, so wäre die Leistung bedeutend kleiner, der Dampfverbrauch aber derselbe; daher erscheint die Leistung der gemischten Expansion von 4,17 bis 3,39 gegenüber der constanten Spannung von 3,39 als ein reiner Gewinn. Wendet man bei einer Rotationsmaschine gedrosselten Dampf an, so ist vor Allem wohl zu unterscheiden, ob die Füllung größer oder kleiner ist als 1/2. Im ersten Falle – z.B. bei einer Fördermaschine oder Locomobile ohne Expansion oder bei einer Woolf'schen Maschine mit voller Füllung im kleinen Cylinder – ist die Drosselung immer sehr nachtheilig, denn die Spannung sinkt dann bis zur Mitte des Kolbenweges, steigt aber bei der abnehmenden Kolbengeschwindigkeit in der zweiten Hälfte des Kolbenweges nahe bis auf den anfänglichen Werth; man erhält also im Cylinder eine kleinere Arbeit als bei constanter Pressung und gleicher Dampfmenge, d. i. bei Vermeidung der Drosselung und kleinerer Kesselspannung. Ist aber die Füllung kleiner als 1/2, so ist die Drosselung unter allen Umständen vortheilhafter als die constante Admissionsspannung bei gleicher Füllung, wiewohl eine thunlichst kleine Füllung mit constanter Admissionsspannung immer noch ökonomisch vortheilhafter ist als die Drosselung bei höherer Füllung. Die Praxis kennt längst den Erfahrungssatz, daß die von den meisten Heizern beliebte Methode mit möglichst geringer Kesselspannung und weit geöffnetem Anlaßventile zu arbeiten, durchaus verwerflich sei, sondern daß man im Gegentheile bei allen Maschinen, welche nicht mehr als halbe Füllung haben, die möglichst hohe Kesselspannung anwenden und das Anlaßventil entsprechend stark drosseln soll, um so wenig als möglich Dampf und Kohle zu verbrauchen. Aber den Erklärungsgrund für diese anerkannte Thatsache suchte man wohl allgemein nur darin, daß man durch die Drosselung einen trockenen Dampf erhält, indem sich die große äußere Bewegungsarbeit (lebendige Kraft) des Dampfes in der engen Durchgangsöffnung durch die hinter dem Ventil erfolgende Wirblung in innere Bewegungsarbeit (moleculare lebendige Kraft) oder Wärme umsetzt, und hierdurch die mitgerissenen Wassertheilchen verdampfen. Der Grund liegt aber, wie man nun aus nachstehendem Holzschnitt erkennen wird, viel näher. Textabbildung Bd. 212, S. 94 Atmosphärische Linie; Vacuum-Linie. Man erhält nämlich ohne Drosselung eine Indicatorlinie ABC, mit Drosselung dagegen DEF so zwar, daß die schraffirten Flächen gleich groß sind, woraus folgt, daß im Momente der Absperrung, also bei gleichem Volumen, die Spannung BG größer ist als EG, daher auch bei ganz geöffnetem Anlaßventil und der kleinen Kesselspannung das verbrauchte Dampfgewicht größer ist als bei Anwendung der Drosselung und der thunlichst hohen Kesselspannung. Jederzeit ist aber das ökonomisch vortheilhafteste, bei gegebener Maschine und gegebener Leistung die thunlichst hohe Kesselspannung mit der thunlichst kleinsten Füllung wirken zu lassen, also bei so weit geöffnetem Anlaßventil zu arbeiten, daß constante Admissionsspannung erzielt wird. Dies ist, wie Völckers hervorgehoben hat, der Fall bei den Corliß-Maschinen, deren auf die Hälfte verringerter schädlicher Raum den Vortheil der kleinen Füllung gegenüber größerer Füllung und kleinerer Spannung auch noch bemerklicher macht, als bei gewöhnlichen Maschinen. Es dürfte nicht überflüssig sein, den diesbezüglichen Unterschied durch ein Beispiel zu erläutern. Bezeichnet D den Kolbendurchmesser in Meter, O den nutzbaren Kolbenquerschnitt einer doppelt wirkenden Dampfmaschine in Quadratmeter, S den Kolbenhub in Meter, s₁ den Weg während der Admission, m den Coefficienten des schädlichen Raumes, bei gewöhnlichen Maschinen m = 0,05 und bei Corliß-Maschinen m = 0,025, p₁ die absolute Admissionsspannung in Atmosphären, p₂ = 0,95p₁ die Spannung bei Beginn der Expansion, pm die mittlere Spannung des wirksamen Dampfes, oder die Hinterdampfspannung in Atmosphären, pv die mittlere Spannung des in die Atmosphäre oder in den Condensator entweichenden Dampfes, oder die Vorderdampfspannung, pi = pmpv die indicirte Spannung in Atmosphären, n die Anzahl Spiele pro Minute, N die Pferdestärke, σ₂ das Gewicht von 1 Kubikmeter Dampf bei der Spannung p₂, Q₂ das Gewicht des Dampfes vom Volumen V₂ im Cylinder pro einfachen Kolbenhub bei Beginn der Expansion, in Kilogramm, Q₃ das Gewicht des bei Beginn der Gegendampfperiode im schädlichen Raum befindlichen comprimirten Vorderdampfes vom specifischen Gewicht σ₃, Q' = n/30 (Q₂ – Q₃) das nützlich verbrauchte Dampfgewicht pro Secunde in Kilogrm., Q'' nach Völckers = 0,131 Dpi den Dampfverlust pro Secunde in Kilogrm., K = 3600(Q' + Q'')/N Consumverhältniß, d. i. den Dampfverbrauch in Kilogrm. pro Pferdekraft und Stunde, so ist nach der jetzt herrschenden Theorie der Dampfmaschinen: Textabbildung Bd. 212, S. 96 Tabelle des Coefficienten f. s₁/S, Gewöhnl.Maschine s₁/S Gewöhnl.Maschine Corliß-Maschine s₁/S Gewöhnl.Maschine Corliß-Maschine 0,912 0,992 0,400 0,764 0,757 0,150 0,467 0,445 0,800 0,972 0,333 0,702 0,693 0,125 0,425 0,400 0,700 0,941 0,300 0,667 0,657 0,100 0,379 0,351 0,600 0,897 0,250 0,609 0,596 0,075 0,329 0,297 0,500 0,849 0,200 0,543 0,526 0,050 0,275 0,237 Hiemit wird pi = fp₁ – pv und die indicirte Pferdestärke Ni = 4,593 nOSpi Die effective Pferdestärke beim Wirkungsgrad η ist sodann N = η Ni. Bei kleinen Maschinen sinkt η bis 0,65, bei größeren ist η = 0,7 bis 0,75 und bei sehr gut gehaltenen großen Maschinen steigt η bis 0,85 bei der vollen Leistung, für welche sie bestimmt sind, nämlich beim günstigsten Füllungsgrad. Ist die Füllung kleiner als im ökonomisch günstigsten Gang, so sinkt η herab bis 0 beim Leergang. Nehmen wir für eine Condensationsmaschine des Corliß-Systemes: D = 0,5 Meter, S = 1 Meter, n = 45, O = 0,193 Quadratmeter, womit 4,593 nOS = 40 ist, so folgt mit p₁ = 4 und pv = 0,2 Atm. und unter der Annahme, daß für den Leergang pi = 0,4 Atm., also Ni = 40 × 0,4 = 16 Pferdestärken ist, und daß die zusätzliche Reibung 10 Proc. von N beträgt, folglich allgemein (für die angenommene Maschine) N = (Ni – 16)/1,1 ist, die folgende Tabelle: s₁/S fp p i N i N η 0,400 3,028 2,828 113,12 88,29 0,781 0,333 2,772 2,572 102,88 78,98 0,768 0,300 2,628 2,428   97,12 73,69 0,759 0,250 2,384 2,184   87,36 64,87 0,743 0,200 2,104 1,904   76,16 54,69 0,718 0,150 1,780 1,580   63,20 42,91 0,679 0,125 1,600 1,400   56,00 36,36 0,649 0,100 1,404 1,204   48,16 29,24 0,607 0,075 1,188 0,988   39,52 21,38 0,541 0,050 0,948 0,748   29,92 12,65 0,423 Hiebei ist p₂ = 3,8 Atm., also nach Zeuner's Tabelle σ₂ = 2,1255 und im schädlichen Raum von 0,005 Kubikmeter Volumen eine Spannung von etwa 0,3 Atm., also σ₃ = 0,1945, daher Q₃ = 0,001 Kilogrm., somit s₁ /S N V Q₂–Q Q₂– Q' Q'' K 0,400 88,29 0,08220 0,17371 0,2606 0,1101 15,12 0,333 78,98 0,06933 0,14636 0,2195 0,1050 14,79 0,300 73,69 0,06290 0,13270 0,1991 0,1021 14,70 0,250 64,87 0,05325 0,11218 0,1683 0,0968 14,71 0,200 54,69 0,04360 0,09167 0,1375 0,0904 15,00 0,150 42,91 0,03395 0,07116 0,1067 0,0823 15,86 0,125 36,36 0,02913 0,06091 0,0914 0,0775 16,72 0,100 29,24 0,02430 0,05065 0,0760 0,0719 18,21 0,075 21,38 0,01949 0,04043 0,0606 0,0651 21,16 0,050 12,65 0,01465 0,03014 0,0452 0,0566 28,96 Hiernach ist der ökonomisch-günstigste Füllungsgrad 0,3 und die Leistung der Maschine hiebei 73 Pferdekraft mit etwa 2 Kilogrm. guter Kohle per Pferdekraft und Stunde. Mit Rücksicht auf die Anlagskosten wäre sogar etwa 0,35 als der ökonomisch günstigste Füllungsgrad zu bezeichnen. Gewöhnlich und irrthümlich läßt man solche Maschinen nur mit 0,2 Füllung arbeiten und würde sie auch nur als 50pferdig bezeichnen. Dies ist nur insofern gerechtfertigt, als man allerdings in den meisten Fällen darauf bedacht sein muß, in späteren Jahren die Pferdestärke erheblich zu vergrößern, ohne Beischaffung einer neuen Maschine. Dann sollte aber auch für den Zubau eines Kessels von vorneherein gedacht werden, oder aber bei der Kesselanlage für die nominell 50pferdige Maschine 100 Quadratmeter Heizfläche gegeben werden, damit die spätere Forcirung der Kessel auf 80 Pferdekraft keinem Anstande unterliege. Lassen wir nun den günstigsten Füllungsgrad 0,3 ungeändert und vermindern wir die Kesselspannung zur Herabsetzung der Leistung, so ist f constant = 0,657, das Volumen V₂ constant = 0,06290 und es ergibt sich das Consumverhältniß K' größer als das frühere K. Das Ersparniß durch variable Expansion statt Herabsetzung der Kesselspannung bei constanter Füllung von 0,3 beträgt: 0 4,7 9,4 14,0 16,4 18,6 20,9 22,9 Procent bei 3/10 1/4 1/5 3/20 1/8 1/10 3/40 1/20 Füllung. Führt man dieselbe Rechnung für eine gewöhnliche Condensationsmaschine gleicher Größe und gleicher Tourenzahl mit m = 0,05 durch, so ergibt sich zunächst das auffallende Resultat, daß das Consumverhältniß der Corliß-Maschine nur bis 0,15 Füllung günstiger ist als jenes der gewöhnlichen Maschine, dagegen von 1/8 Füllung nach abwärts ungünstiger nämlich größer wird als jenes der gewöhnlichen Maschine. Dieses im ersten Augenblick überraschende Resultat erklärt sich aber sehr leicht dadurch, daß die Corliß-Maschine eben wegen des kleineren schädlichen Raumes einer größeren Füllung für den Leergang bedarf als die gewöhnliche Maschine. Die Anomalie fällt gleich weg, wenn man die Corliß-Maschine mit der gewöhnlichen Maschine nicht bei gleicher Füllung sondern bei gleicher Pferdestärke vergleicht, wobei sich immer der Vortheil auf Seite der Corliß-Maschine ergibt. Bei der gewöhnlichen Maschine beträgt das Ersparniß an Dampf oder Kohle bei verstellter Expansion gegenüber verminderter Kesselspannung bei constanter Füllung von 0,3 nur 0 4,5 8,8 13,0 15,1 17,0 18,8 20,5 Procent bei 3/10 1/4 1/5 3/20 1/8 1/10 3/40 1/20 Füllung, also etwas weniger als bei der Corliß-Maschine. In Wirklichkeit wird aber bei einer rationellen Construction und Handhabung einer gewöhnlichen Maschine nicht die Kesselspannung sondern ein von einem großen Regulator bethätigtes Regulirungsventil in seiner Stellung variirt, d.h. bei verlangter kleiner Leistung selbstthätig mehr gedrosselt. Man erhält also in der Admissionsperiode nicht eine constante geringere Kesselspannung, sondern man erhält die volle Mehrwirkung der gemischten Expansion, weshalb das Ersparniß durch variable Expansion gegenüber der Drosselung auch nur etwa halb so groß angenommen werden darf, als es die früheren Resultate zeigen. Wir dürfen daher für die gewöhnliche Maschine mit Drosselung bei 0,3 Füllung folgende Werthe von K annehmen und mit jenen der Corliß-Maschine vergleichen: N K K Gewöhnliche  Maschine Corliß-Maschine Δ K Procent Bei derFüllung 73,69 15,21 14,70 0,51   3,3 0,300 64,87 15,60 14,71 0,89   5,7 0,250 54,69 16,37 15,00 1,37   8,4 0,200 42,91 17,74 15,86 1,88 10,6 0,150 36,36 19,01 16,72 2,29 12,0 0,125 29,24 21,14 18,21 2,93 13,9 0,100 21,38 25,20 21,16 4,04 16,0 0,075 20,00 26,07 21,90 4,17 16,0 0,071 Es reducirt sich daher in Folge des günstigen Einflusses der gemischten Expansion der Vortheil der Corliß-Maschinen gegenüber einer gewöhnlichen Maschine mit fixer Füllung von 0,3 und einem großen auf Drosselung wirkenden Regulator auf circa 6 Proc. Dampfersparniß bei 1/4 Füllung, und 12 Proc. bei 1/8 Füllung der Corliß-Maschine, und er wird noch geringerer, wenn der Centrifugal-Regulator nicht in so weiten Grenzen wirken muß, sondern die Expansion der gewöhnlichen Maschine im Gang verstellbar ist (Meyer'sche Expansion), so daß der Regulator nur die mäßigeren Variationen der Maschinenleistung zu bewirken hat. Wenn eine Maschine, welche bei 1/3 Füllung 80 Pferdekraft leistet, herabgesetzt werden soll auf 20 Pferdekraft bei gleicher Tourenzahl, so braucht sie jedenfalls pro Pferdekraft und Stunde um 50 Proc. mehr Dampf, jedoch mit Corliß-Schieber um 4 Proc. weniger als mit Meyer'scher Expansion und um 16 Proc. weniger als eine Maschine mit fester Füllung von 0,3 und Drosselung. Außerdem muß die gewöhnliche Maschine zur Erzielung derselben Anfangsspannung im Cylinder eine höhere Kesselspannung besitzen, und zwar empfiehlt es sich für die gewünschte absolute Cylinderspannung von 4 Atmosphären, den Kessel mindestens auf 4 1/2 Atmosphären Ueberdruck prüfen zu lassen. Der Kohlenaufwand ist pro 1 Kilogrm. Dampf ganz derselbe, ob die Kesselspannung 3 1/2 oder 4 1/2 Atmosphären beträgt; aber der Kessel bekommt natürlich für die höhere Spannung ein größeres Gewicht, also ist die Kesselanlage der gewöhnlichen Maschine theuerer. Die Corliß-Maschine kann also jedenfalls als ein Fortschritt bezeichnet werden, nur ist der Vortheil derselben bei weitem nicht so groß, als vielfach behauptet und vielfach geglaubt wird. Ganz verfehlt ist die oft vorkommende Woolf'sche Maschine mit Corliß-Steuerung beim kleinen Cylinder, wenn der große Cylinder das vierfache Volumen des kleinen hat; denn man kommt da schon bei 1/3 Füllung des kleinen Cylinders auf die ganz ungünstige 12fache Expansion, wobei auch die Corliß-Maschine 20 Kilogrm. Dampf pro Stunde und Pferdekraft benöthiget. Wenn man trotzdem einen sehr geringen Brennmaterialbedarf erzielt, so ist dies vielmehr der Anwendung sehr großer Kesselheizfläche zuzuschreiben. Wie die vorliegende Berechnung zeigt, soll bei dem Corliß-Woolf-Systeme der große Cylinder nicht mehr als das 1 1/2 fache Volumen des kleinen haben, damit man bei 0,4 Füllung des kleinen Cylinders auf 2/3 × 0,4 = 0,267 Füllung reducirt auf den großen Cylinder kommt. Ja man darf überdies sagen, daß die jetzt allgemein beliebt gewordene Anwendung der Federn statt der Gewichte zum Schließen der Corliß-Schieber keineswegs unbedingt von Vortheil ist, sondern daß eine Corliß-Woolf-Maschine alter Construction mit gebremsten Fallgewichten, welche sogar 0,48 Füllung liefern kann, bei dieser Füllung ein wesentlich günstigeres Verhältniß zwischen Kohlenaufwand und Pferdestärke haben wird als bei 1/3 Füllung oder noch weniger, sobald der große Cylinder mehr als ein doppeltes Volumen des kleinen besitzt, vorausgesetzt, daß der Kraftbedarf so groß geworden sei, daß bei 0,48 Füllung des kleinen Cylinders keine Drosselung des Anlaßventiles erforderlich ist. Die mit den Fallgewichten zugleich auftretende gemischte Expansion darf man heute nicht mehr als einen so großen Uebelstand ansehen, wie es bisher Gepflogenheit war. Bei einer gewöhnlichen Maschine reducirt sich in Folge der gemischten Expansion der Vortheil der verstellbaren Expansion gegenüber Drosselung sehr bedeutend. Man findet für diese Maschine: K N mitDrosselung mit verstellterExpansion ΔK Procent Bei derFüllung 75,20 15,15 15,15 0 0 0,300 66,76 15,48 15,13 0,35   2,3 0,250 57,16 16,11 15,37 0,74   4,6 0,200 46,11 17,27 16,07 1,20   7,0 0,150 40,00 18,16 16,70 1,46   8,0 0,125 33,31 19,72 17,89 1,83   9,3 0,100 26,04 22,25 19,94 2,31 10,4 0,075 18,18 27,22 24,12 3,10 11,4 0,050 Der Vortheil der veränderlichen Füllung gegenüber der Drosselung ist also nicht sehr bedeutend, sobald man nicht von der vollen Füllung der Maschine – sondern von ihrer günstigsten Füllung ausgeht – ein Umstand, welchen zuerst Ingenieur Jentsch in seinem Tabellenwerk „Berechnung der Dampfmaschinen“ Seite 99 deutlich hervorgehoben hat. Schließlich bemerke ich, daß längst schon praktisch die gemischte Expansion in ausgedehntem Grade zur Ausnützung gekommen ist bei den Locomotiven. Statt den Regulator (Anlaßschieber) ganz zu öffnen und 4 bis 5 Atmosphären Kesselspannung anzuwenden, hat man hier auf ebener Strecke den Regulator sehr verengt und wendet 8 bis 10 Atmosphären Kesselspannung an. Diese starke Drosselung macht sich im Diagramm natürlich so stark bemerklich, daß die gemischte Expansionscurve in die wahre Expansionscurve ganz unvermerkt übergeht. Die Arbeit, welche der ersteren Curve entspricht, gegenüber constanter Spannung bis zum Beginn der wahren Expansion, ist reiner Gewinn, und es ist gerade die hohe Ausnützung der gemischten Expansion als die wahre Ursache anzusehen, warum die Locomotiven pro Stunde und Pferdekraft nicht mehr Kohle benöthigen, als stationäre Condensations-Maschinen.