Titel: Ueber die quantitative Bestimmung des Cyankaliums in Silberbädern; von Dr. G. C. Wittstein.
Autor: G. C. Wittstein
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XX., S. 137
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XX. Ueber die quantitative Bestimmung des Cyankaliums in Silberbädern; von Dr. G. C. Wittstein. Wittstein, über die quantitative Bestimmung des Cyankaliums in Silberbädern. Es wurde mir die Aufgabe gestellt, den Gehalt eines sogenannten Silberbades, welches schon zur galvanischen Versilberung gedient hatte, an Cyankalium zu ermitteln, um dadurch zu erfahren, ob und in wie weit dasselbe noch zur Aufnahme neuer Silbermengen und zur ferneren, Versilberung verwendet werden könnte. Da dieser Gegenstand meines Wissens noch niemals öffentlich besprochen und dessen befriedigende Erledigung nicht so einfach und leicht ist, als sie auf den ersten Blick erscheint, so glaube ich meine darüber gemachten Erfahrungen hier mittheilen zu dürfen um so mehr, als sie das gesteckte Ziel – allerdings nicht im Sinne strengster analytischer Anforderungen, aber doch in einer für technische Zwecke ausreichenden Weise – erreicht haben. Das Verfahren besteht darin, das Cyankalium in essigsaures Kali zu verwandeln, das letztere aus der eingetrockneten MasseGemenge von essigsaurem Kali, Cyansilber, den in Silberbädern nie fehlenden Salzen: Chlorkalium, salpetersaurem und schwefelsaurem Kali, ferner Spuren von Cyankupfer und Cyaneisen.durch absoluten Weingeist zu extrahiren, durch Salzsäure in Chlorkalium überzuführen und dieses auf Cyankalium zu berechnen. Bevor ich jedoch zur Ausführung selbst übergehe, muß ich mehrere Punkte besprechen, ohne deren Rücksichtnahme erhebliche Irrthümer begegangen werden würden. a) Für den wiederholten Gebrauch einer solchen Flüssigkeit zur galvanischen Versilberung ist es eigentlich nur von Interesse zu erfahren, wie viel freies Cyankalium dieselbe enthält, weil nur darnach die Quantität des noch aufzunehmenden Silbers bemessen werden kann, – nicht aber, wie viel Cyansilberkalium noch vorhandenes Cyankalium. Da jedoch nach dem obigen Verfahren auch das letztere mit in die Bestimmung hineingezogen, resp. schließlich ebenfalls als Chlorkalium erhalten wird, so bedarf dasselbe einer besonderen Bestimmung, welche indessen keine Schwierigkeit hat, indem nur das demselben entsprechende Silber ermittelt zu werden braucht, um daraus – auf Grund der bekannten Formel KCy + AgCy – das Cyankalium und das ihm entsprechende Chlorkalium zu berechnen. b) Eine zweite Correction erwächst aus der (steten) Anwesenheit des kohlensauren Kalis im Silberbade; seine Bestimmung unterliegt gleichfalls keiner Schwierigkeit; denn durch Chlorcalcium setzt es sich um in Chlorkalium und kohlensauren Kalk, dessen Gewicht auf kohlensaures Kali und auf Chlorkalium berechnet wird. c) Nach Abzug des aus dem Cyansilberkalium und aus dem kohlensauren Kali entstandenen Chlorkaliums von dem (zuerst erhaltenen) Gesammtchlorkalium bleibt noch eine dritte Correction übrig. Das den Namen „geschmolzenes Cyankalium“ führende und zur galvanischen Versilberung ausschließlich angewandte Salz, welches durch Erhitzen gleicher Aequivalente gelben Cyaneisenkaliums und kohlensauren Kalis dargestellt wird, enthält bekanntlich außer dem Cyankalium noch eine bedeutende Menge cyansauren Kalis, die nach früher von mir angestellten (in meiner Präparatenkunde, 4. Auflage, S. 1146 angeführten) Bestimmungen auf 7 Aeq. Cyankalium 3 Aeq. beträgt. Dieses cyansaure Kali geht durch die Einwirkung der Essigsäure natürlich ebenfalls in essigsaures Kali und durch die Salzsäure in Chlorkalium über, ist daher in dem Reste des Chlorkaliums mit enthalten und muß ebenfalls abgezogen werden. Um es nochmals zu wiederholen: das Verfahren liefert das Chlorkalium aus vier verschiedenen Quellen: 1. aus dem frei vorhandenen Cyankalium; 2. aus dem Cyankalium des Doppelsalzes KCy + AgCy; 3. aus dem kohlensauren Kali; 4. aus dem cyansauren Kali. Die Producte der zweiten, dritten und vierten Quelle müssen also erst von dem gesammten Chlorkalium abgezogen werden, bevor aus dem Reste das Gewicht des freien Cyankaliums durch Rechnung gefunden werden kann. Zur Ausführung übergehend nehme ich hier gleich einen vorliegenden Fall als praktisches Beispiel zu Hilfe. 1.Gesammt-Bestimmung des Kaliums im freien Cyankalium, im gebundenen Cyankalium, im kohlensauren Kali und im cyansauren Kali. 20 Kub. Centim. des Silberbades wurden in einer Porzellanschale mit 10 K. C. einer 20procentigen Essigsäure vermischt, die Mischung bei mäßiger Wärme eingetrocknet, der trockene, nunmehr röthliche Rückstand in ein Fläschchen gebracht, mit absolutem Weingeist übergossen, das Glas verschlossen, in gewöhnliche Temperatur gestellt, binnen 24 Stunden fleißig umgeschüttelt, hierauf filtrirt, der ungelöste Antheil mit absolutem Weingeist gewaschen, sämmtliche Flüssigkeiten bis fast zur Trockne verdunstet, mit 5 K. C. Salzsäure von 1,120 spec. Gewicht versetzt, vollständig eingetrocknet und gewogen. Das nunmehrige Chlorkalium wog 1,125 Gramm. 2.Bestimmung des Kaliums im gebundenen Cyankalium. 20 Kub. Centim. des Silberbades gaben durch Fällen mit Schwefelammonium, Absetzenlassen bei Luftabschluß, Sammeln des schwarzen Niederschlages auf einem gewogenen Filter, Auswaschen, Trocknen bei 100° und Wägen 0,470 Grm. Schwefelsilber (AgS), worin 0,409 Grm. Silber. Niese entsprechen 0,508 Cyansilber, 0,247 Cyankalium und 0,283 Chlorkalium.Um aus dergleichen Bädern das Silber wieder zu gewinnen, schlägt man, da Kupfer und Eisen dabei gelöst bleiben, am besten denselben Weg ein nur mit dem Unterschiede, statt des Schwefelammoniums die billigere Schwefelleber anzuwenden. Auf 1 Gewichtstheil Silber bedarf man ungefähr ebenso viel Schwefelleber. Soll das gewonnene Schwefelsilber wieder zur galvanischen Versilberung oder zu andern Zwecken, wo ein kleiner Gehalt an schwefelsaurem Silber nicht schadet, dienen, so löst man es direct in Salpetersäure, filtrirt den ausgeschiedenen Schwefel ab und verdunstet zur Trockene. Wünscht man dagegen reines Silber oder reines Nitrat zu erhalten, so wird der Schwefel vorher durch starkes Erhitzen im offenen Tiegel ausgetrieben. 3.Bestimmung des Kaliums im kohlensauren Kali. 20 Kub. Centim. des Silberbades gaben durch Fällen mit Chlorcalcium, Sammeln des krystallinisch gewordenen NiederschlagesBeim Krystallinischwerden des präcipitirten kohlensauren Kalkes hängt sich bekanntlich ein Theil desselben gemeiniglich fest an die Glaswand. Dieser Uebelstand ist mir indessen bei der obigen Bestimmung nicht begegnet, weshalb es auch sehr leicht gelang, den Niederschlag vollständig auf das Filter zu bringen., Trocknen und Wägen 0,094 Grm. kohlensauren Kalk, welche 0,129 kohlensaurem Kali und 0,140 Chlorkalium entsprechen. 4.Bestimmung des Kaliums im cyansauren Kali. Nach Abzug der in Nr. 2 erhaltenen 0,283 und der in Nr. 3 erhaltenen 0,140 Grm. Chlorkalium von den in Nr. 1 erhaltenen 1,125 Grm. bleiben 0,702 Grm. Chlorkalium übrig, welche das freie Cyankalium und das cyansaure Kali repräsentiren. Da diese beiden letztgenannten Salze im geschmolzenen Cyankalium nach dem der Formel 7 KCy + 3 (KO + CyO) entsprechenden Verhältniß enthalten sind, so gehören von jenen 0,702 Grm. Chlorkalium 0,491 dem Cyankalium (dem freien Cyankalium des Bades) und 0,211 dem cyansauren Kali (0,229 Grm.) an. Da nun 0,491 Chlorkalium 0,428 Cyankalium entsprechen, so enthalten 20 Kub. Centim. des Bades nicht mehr als diese 0,428 Grm. freies, d. i. zur Aufnahme neuer Silbermengen fähiges Cyankalium. Das in Untersuchung genommene Silberbad enthielt mithin per Liter: 21,400 Grm. freies Cyankalium 12,350 an Cyansilber gebundenes Cyankalium 25,400 Cyansilber (= 20,450 Silber) 11,450 cyansaures Kali   6,450 kohlensaures Kali. Der Methode anhaftende Fehler sind: a) daß das Silber nicht vollständig unlöslich wird, sondern etwas davon bis in das Chlorkalium gelangt jedoch so wenig, daß es durch Schwefelammonium sich nur durch eine bräunliche Färbung, übrigens auch deutlich durch den Geschmack des erhaltenen Salzes zu erkennen gibt; b) daß das Chlorkalium selbst in absolutem Weingeist spurweise löslich ist, mithin ein kleiner Theil des im Bade schon ursprünglich vorhandenen Chlorkaliums mit in das Extractionsmittel gelangt.