Titel: Ueber alte und neue chemische Formeln.
Autor: Ferd. Fischer
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XXIII., S. 145
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XXIII. Ueber alte und neue chemische Formeln. Fischer, über alte und neue chemische Formeln. Die neuen chemischen Formeln und Benennungen sind rascher, als es wohl den Anschein hatte, zur allgemeinen Geltung gekommen, so daß sie in rein wissenschaftlichen Zeitschriften und Lehrbüchern schon fast ausschließlich gebraucht werden. Auch von den technischen Zeitschriften, welche aus Rücksicht auf die Mehrzahl der Leser die alten chemischen Formeln noch beibehalten, sind die neuen Anschauungen nicht mehr gänzlich zurückzuweisen. Es dürfte daher für diejenigen der zahlreichen Leser dieses Journals, welche diesem durchgreifenden Umschwunge der chemischen Theorien nicht folgen mochten oder wegen Mangel an Zeit nicht folgen konnten, eine kurze Zusammenstellung der neuen und alten Formeln nicht ganz unwillkommen sein. Nachdem schon Bergmann, Wenzel und Richter gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gezeigt hatten, daß alle chemischen Verbindungen nach bestimmten Gewichtsverhältnissen erfolgen, stellte 1804 Dalton seine atomistische Hypothese auf. Er führte aus, daß die Erklärung der Cohäsion, des Aggregatzustandes, der Spaltbarkeit und anderer Eigenschaften der Materie für die Physik die Annahme nothwendig mache, daß alle Körper aus einer unendlichen Zahl kleinster Theilchen bestehen, daß die chemische Analyse und Synthese nur bis zur Trennung und Wiedervereinigung dieser kleinsten Theilchen gehen. Da diese Atome eines einfachen Körpers unter sich gleich groß und schwer seien, chemische Verbindungen durch Aneinanderlagerung der Atome entstehen sollten, so folgte daraus die Unveränderlichkeit der chemischen Zusammensetzung von selbst. Da selbstverständlich das absolute Gewicht dieser Atome nicht bestimmt werden konnte, so veröffentlichte schon Dalton die relativen Atomgewichte, bezogen auf Wasserstoff als Einheit. Berzelius bezog seine Atomgewichte auf Sauerstoff = 100, Wollaston seine Aequivalentgewichte auf Sauerstoff = 10. Dalton wählte stets das möglichst einfache atomistische Verhältniß und so erhielt Sauerstoff das Atomgewicht = 8, Wasserstoff = 1 oder aber Sauerstoff = 100, Wasserstoff = 12,5 und Wasser die Formel HO. Im Jahre 1805 zeigten A. v. Humboldt und Gay-Lussac, daß sich 2 Volumina Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff zu 2 Vol. Wasserdampf verdichten. Letzterer dehnte die Untersuchung der Volumen-Verhältnisse weiter aus und gelangte zu dem Ergebniß, daß die Volumina der sich verbindenden Gase in einem einfachen Verhältniß zu einander und zu dem Product-Volumen stehen. So geben z.B. 1 Liter Wasserstoff + 1 L. Chlor = 2 L. Chlorwasserstoff HCl 2 + 1 L. Sauerstoff = 2 L. Wasserdampf H₂O 3 + 1 L. Stickstoff = 2 L. Ammoniak H₃N u.s.f. Will man diesen Volumverhältnissen Rechnung tragen, so muß die Formel für Wasser nicht HO sondern H₂O sein, also das Atomgewicht des Sauerstoffes = 100, des Wasserstoffes = 6,25 (Berzelius) oder aber H = 1, O = 16 u.s.f. Nun drängt aber das Verhalten der Gase und Dämpfe gegen Druck und TemperaturveränderungenDas Volumen der Gase verhält sich umgekehrt wie der Druck (Boyle und Mariotte) und der Ausdehnungscoefficient derselben für 1° ist 0,003665. Vergl. Ferd. Fischer: Leitfaden der Chemie und Mineralogie nach den neuesten Ansichten der Wissenschaft. (Hannover 1873, Hahn'sche Hofbuchbandlung.) zu der Annahme, daß in gleichen Raumtheilen derselben eine gleiche Anzahl kleinster, physisch nicht mehr theilbarer Theilchen enthalten sind, welche nach Avogadro's Vorschlag Molecüle genannt werden. Chlorwasserstoff besteht aber aus Chlor und Wasserstoff, das Molecül Chlorwasserstoff muß demnach chemisch theilbar sein. Diese letzten Theile der Molecüle nennen wir nun Atome. Aber nicht blos das Molecül der zusammengesetzten Körper besteht aus Atomen, sondern auch das der einfachen. Wenn in 1 Liter Wasserstoff n Wasserstoffmolecüle vorhanden sind, so müssen auch in 1 Liter Chlor n Chlormolecüle und in 2 Liter Chlorwasserstoff 2n Salzsäuremolecüle enthalten sein. Jedes Molecül Chlorwasserstoff muß aber wenigstens ein Atom Cl und ein Atom H enthalten; 2n Mol. also wenigstens 2n At. Cl und 2n At. H. Diese sind aber von n Mol. H und n Mol. Cl geliefert; 1 Mol. Wasserstoff besteht demnach aus 2 At. Wasserstoff und 1 Mol. Chlor aus 2 At. Chlor. Da diese Theile von Molecülen einzeln nicht denkbar sind, so können Atome nicht im freien Zustande bestehen, wir nennen daher Atom: die kleinste Gewichtsmenge eines einfachen Körpers, welche sich bei chemischen Verbindungen und Zersetzungen betheiligen kann; Molecül: die kleinste Gewichtsmenge eines Körpers, welche im freien Zustande bestehen kann (physische Atome). Wenn sich also die Elemente nur in bestimmten Gewichts- und Volumverhältnissen chemisch verbinden, so muß offenbar der Quotient Gewicht/VolumenVolumen/Gewicht, also das specifische Gewicht oder Volumgewicht (Wasserstoff = 1) in einem einfachen Verhältniß zum Atom- und Moleculargewicht stehen z.B. Alte Aequ.-Gew. Jetzige At.-G. Vol.-G. Mol.-G. H      1 1      1   2 Cl    35,5  35,5    35,5 71 O      8          16    16 32 S    16          32    32 64 N    14          14    14 28 HCl    36,5    18,25 36,5 H₂O      9      9 18 H₃N    17      8,5 17 H₄C      8      8 16 u.s.f. Es folgt daraus, daß das Atomgewicht der gasförmigen Elemente gleich dem Volumgewicht, daß das Volumgewicht aller dampfförmigen Elemente und Verbindungen gleich dem halben Moleculargewicht ist. Das specifische Gewicht (Luft = 1) des Wasserstoffes ist bekanntlich 0,0091 = 1/14,47 und 1 Liter Wasserstoff wiegt in Berlin 0,089392Mittheilungen des Gewerbevereines für Hannover 1873 S. 54., 14,47 abgerundet 0,0894 oder für gewöhnlich hinreichend genau 0,09 Gramm = 1 Krith (A. W. Hofmann.)A. W. Hofmann: Einleitung in die moderne Chemie (Braunschweig, Vieweg und Sohn.) Das specifische Gewicht aller gasförmigen Körper ist demnach Volumengewicht/14,47, abgerundet Volumengewicht/14,5 das absolute Gewicht eines Liters aller Gase und Dämpfe gleich dem Volumgewicht in Krithen. Das Moleculargewicht in Krithen ist also gleich dem Gewicht von 2 L. Dampf; das Mol.-G. in Gramm nimmt den Raum von 2/0,09 = 32,2 L. ein, in Kilogr. = 22,2 Kubikmeter. Wie bequem diese einfachen Beziehungen zwischen Moleculargewicht (= Summe der At.-G. einer Verbindung) Volum-Gewicht, spec. Gewicht (Luft = 1) und absolutem Gewicht auch für die praktische Chemie sind, mögen zwei Beispiele zeigen. 10 Kilogr. Zink werden in verdünnter Schwefelsäure gelöst; man will wissen, wie viel Kubikmeter Wasserstoff dabei entwickelt werden. (Zn + HO, SO = ZnO, SO + H) Zn + H₂ . SO₄ = Zn . SO₄ + H₂. 65 98 161 2 65 Grm. Zink und 98 Grm. Schwefelsäure geben also 2 Grm. oder 22,2 L. Wasserstoff oder 65 Kg. Zink und 98 Kg. Schwefelsäure geben 2 Kg. = 22,2 Kub.-M. Wasserstoff. Folglich ergeben sich: 65 : 10 = 22,2 : x; x = 3,415 Kub.-M. Wasserstoff und 65 : 10 = 98 : x; x = 15,08 Kg. Schwefelsäure. Es sollen 100 L. Sauerstoff hergestellt werden; wieviel chlorsaures Kalium ist dazu erforderlich? (KO, ClO = KCl + 6O) 2K . Cl O₃ = 2KCl + 3O₂. 245 149 96 245 Grm. chlorsaures Kalium geben also 96 Grm. oder 66,6 L. Sauerstoff; demnach 66,6 : 100 = 245 : x; x = 368 Gr. KClO₃. Bei Elementen und Verbindungen, welche nicht unzersetzt flüchtig sind, deren Atom- und Molecular-Gewicht demnach nicht durch die Dampfdichte bestimmt werden kann, sind die chemischen Analogien maßgebend, namentlich Krystallform und Wärmecapacität. Mitscherlich machte 1809 auf den Zusammenhang der äußeren Krystallform und der chemischen Zusammensetzung aufmerksam, daß z.B. KNO₃ (KO . NO₅) und BaCO₃ (BaO . CO₂), ferner NaNO₃ (NaO . NO₅) und CaCO₃ (CaO . CO₂) isomorph sind. (Gesetz des Isomorphismus.) Die Zahl, welche angibt, wie viel mal mehr Wärme ein Körper gebraucht, um von 0° auf 1° erwärmt zu werden, als die gleiche Gewichtsmenge Wasser, wird bekanntlich seine specifische Wärme genannt. Wird diese mit dem Atomgewicht multiplicirt, so ergibt sich, daß diese Atomwärme annähernd die Zahl 6,4 ausmacht; z.B.: Spec. Wärme At.-G. At.-Wärme J 0,0541 127 6,87 S 0,2026   32 6,48 P 0,1887   31 5,85 As 0,0814   75 6,11 Hg 0,0320 200 6,40 Sn 0,0562 118 6,64 Ag 0,0560 108 6,05 Pb 0,0310 207 6,42. Die specifische Wärme verhält sich demnach umgekehrt wie das Atomgewicht. Das Product aus Atomgewicht und specifische Wärme, d. i. die Atomwärme ist eine constante Zahl. (Dulong und Petit.) Das Atomgewicht der Elemente wird dadurch annähernd bestimmt, daß 6,4 durch die specifische Wärme dividirt wird. Die spec. Wärme des Antimons ist = 0,0508; das Atomgewicht also 6,4 : 0,0508 = 125. Nun ergibt die Analyse des Antimonchlorürs SbCl₃, daß hier ein Atom Chlor mit 40,67 Antimon verbunden ist. Da sich die Elemente nur nach Atomen oder Multipla derselben vereinigen, so kann das Atomgewicht des Antimon nur 40,67 81,34 122,01 162,68 u.s.w. sein. 122 × 0,0508 = 6,2. Das Atomgewicht des Antimon ist demnach 122. Die specifische Wärme wird gefunden durch Division der Atomwärme 6,4 durch das Atomgewicht der betreffenden Elemente. Das Atomgewicht des Nickel ist z.B. 58, die specifische Wärme desselben also 6,4 : 58 = 0,11. Dieselbe Regelmäßigkeit zeigt die Wärmecapacität der Verbindungen. Mol.-G. spec. W. Mol.-W. Mol.-W./n KCl   74,5 0,1730 12,90 6,45 Ag₂S 248,0 0,0746 18,50 6,17 PbCl₂ 278,0 0,0664 18,46 6,15 KClO₃ 122,5 0,2096 25,68 5,14 u.s.f. Die Molecular-Wärme (spec. W. × Mol. G.) dividirt durch die Anzahl n der im Molecül enthaltenen Atome gibt also annähernd die Zahl 6,4 und die Molecular-Wärme dividirt durch 6,4 annähernd die Anzahl der im Molecül enthaltenen Atome. In der folgenden Tabelle sind diese neuen Atomgewichte und die alten Aequivalentgewichte der wichtigsten Elemente zusammengestellt: Wasserstoff = H = 1. Neu Alt Atom Aequivalent Namen der Elemente. Zeichen Gewicht Zeichen Gewicht Aluminium     Al       27,5     Al       13,7 Antimon (Stibium)     Sb     122     Sb     122 Arsen     As       75     As       75 Barium     Ba     137     Ba       68,5 Blei (Plumbum)     Pb     207     Pb     103,5 Bor     B       11     B       11 Brom     Br       80     Br       80 Calcium     Ca       40     Ca       20 Chlor     Cl       35,5     Cl       35,5 Chrom     Cr       52,5     Cr       26,2 Eisen (Ferrum)     Fe       56     Fe       28 Fluor     F       19     F       19 Jod     J     127     J     127 Kalium     K       39     K       39 Kohlenstoff     C       12     C         6 Kupfer (Cuprum)     Cu       63,5     Cu       31,7 Magnesium     Mg       24     Mg       12 Mangan     Mn       55     Mn       27,5 Natrium     Na       23     Na       23 Nickel     Ni       58     Ni       29 Phosphor     P       31     P       31 Platin     Pt     197,5     Pt       98,7 Quecksilber (Hydrargyrum)     Hg     200     Hg     100 Sauerstoff (Oxygenium)     O       16     O         8 Schwefel (Sulfur)     S       32     S       16 Silber (Argentum)     Ag     108     Ag     108 Silicium     Si       28     Si       14 Stickstoff (Nitrogenium)     N       14     N       14 Strontium     Sr       88     S       44 Wasserstoff (Hydrogenium)     H         1     H         1 Wismuth (Bismuthum)     Bi     208     Bi     208 Zink     Zn       65     Zn       32,5 Zinn (Stannum)     Sn     118     Sn       59 Wie schon erwähnt, vermag 1 At. Chlor 1 At. Wasserstoff, 1 At. Sauerstoff 2 At., Stickstoff dagegen 3 At. Wasserstoff zu binden oder zu vertreten. Das Vermögen der verschiedenen Elemente andere zu binden oder zu ersetzen ist demnach verschieden, der „Werth“ (Valenz, Sättigungscapacität) von Sauerstoff ist zweimal, von Stickstoff dreimal so groß als der von Wasserstoff oder Chlor. Der chemische Werth gibt demnach an, wie vielmal das Aequivalentgewicht des betreffenden Elementes in seinem Atomgewicht enthalten ist vorausgesetzt, daß man unter Aequivalentgewicht nicht die bisher fälschlich so genannten, sondern diejenigen Gewichtsmengen der Elemente und Verbindungen versteht, welche die gleiche chemische Wirkung ausüben oder auch diejenigen Quantitäten, welche einem Atom Wasserstoff gleichwertig sind. Hiernach sind 1 werthig: H, Cl, Br, J, F, K, Na, Ag u.s.w. 2 O, S, Se, Ca, Sr, Ba, Mg, Zn, Cu, Hg u.s.f. 3 B, Bi, Au (N, P, As, Sb) 4 C, Si, Sn, Pt, Fe, Mn, Cr, Al u.a. 5 N, P, As, Sb, V u.s.w. 6 W, Mo. Von einigen Seiten wurde behauptet, diese Sättigungscapacität sei veränderlich, Cl sei z.B. 1-, 3-, 5- und 7werthig. Es wurde dabei übersehen, daß eine vermittels beliebiger Annahme durchgeführte willkürliche Deutung nicht für einen wissenschaftlichen Erklärungsversuch gelten kann.L. Meyer: die modernen Theorien der Chemie und ihre Bedeutung für die chemische Statik. S. 244. (Breslau 1872.) Auch die Begriffe für Säuren, Salze u.s.w. sind geändert. Säuren sind Verbindungen von Wasserstoff mit einem einfachen oder zusammengesetzten (elektronegativen) Radical, deren Wasserstoff durch Metalle vertreten werden kann. (Radicale sind Atomgruppen, welche ohne zu zerfallen aus einer chemischen Verbindung in eine andere übergeführt werden können.) Z.B. HCl, H . NO, (HO, NO₅) H₂ . SO₄ (HO, SO₃) H₃ . SbS₄ (3 HS, SbS₅). Die Oxysäuren und Sulfosäuren werden auch aufgefaßt als Wasser oder Schwefelwasserstoff, in denen die Hälfte Wasserstoff durch ein Säureradical vertreten ist, also HO . NO₂, HOHO SO₂ = (HO)₂ SO₂, (HS), SbS. Tritt aus einer Säure sämmtlicher Wasserstoff mit der nöthigen Menge Sauerstoff oder Schwefel als H₂O oder H₂S heraus, so bleibt das Anhydrid, wird nur ein Theil des Wasserstoffes entfernt, eine Anhydrosäure zurück; z.B.   H₂ . SO₄ –   H₂O = SO₃ Schwefelsäureanhydrid. 2Hg . SbS₄ – 3H₂S = Sb₂S₅ Antimonpentasulfid.   H₃ . PO₄ –   H₄O = H . PO₃ Metaphosphorsäure. Die Anzahl der durch Metalle vertretbaren Wasserstoffatome oder auch der Wasserreste HO gibt an, „wie viel basisch“ die Säure ist. H . NO₃ ist also einbasisch, H₂ . SO₄ zweibasisch u.s.f. Das Aequivalentgewicht einer Säure ist die Gewichtsmenge derselben, welche denselben chemischen Werth hat als 1 Mol. HCl (Mol.-G.: Bas.). Das Molecülgewicht der Schwefelsäure ist z.B. = 98, das Aeq.-G. = 49, das Mol.-G. und Aeq.-G. der Salpetersäure – 63. (Vergl. Dingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCX S. 297.) Wird in einer Säure der Wasserstoff ganz oder theilweise durch ein Metall vertreten so entsteht ein Salz; z.B. Fe + 2HCl = FeCl₂ + H₂ (Fe +   HCl = FeCl  + H) Fe + H₂ . SO₄ = Fe . SO₄    + H₂ (Fe + HO, SO = FeO, SO₃ + H)  2Na . OH  +   H₃ . PO₄ = Na₂H . PO₄        + 2H₂O (3HO, PO₅ + 2(NaO, HO) = 2NaO, HO, PO₅ + 4HO). Statt dieser rationellen Formeln werden auch zuweilen die empirischen Molecularformeln Die sog. genetisch-rationellen Formeln, z.B. für Alaun: K₂O, SO₃, Al₂O₃, 3SO₃, für Salpeter: K₂O, N₂O₅, Kalkspath: CaO, CO₂ stimmen nicht mit dem Gesetze der Isomorphie und Wärmecapacität, stellen demnach nicht, wie die modernen Formeln, ein Molecül dar. Vergl. H. Kopp: Theoretische Chemie S. 368. (Braunschweig, Vieweg und Sohn.) angewendet, welche nur die Art und Anzahl der Atome in einer Verbindung ausdrücken, z.B. Alaun: K₂Al₂S₄O₁₆ für Al₂K₂ (SO₄)₄, Bariumnitrat: BaN₂O₆ für Ba (NO₃)₂, namentlich früher auch wohl die typischen Formeln (Gerhardt u.a.), welche die bekannteren Verbindungen auf die vier „Typen“ HCl, H₂O, H₃N und H₄C bezogen, deren Wasserstoff durch ein anderes Element oder ein zusammengesetztes Radical vertreten wurde, z.B. Textabbildung Bd. 212, S. 152 Da nach diesen Anschauungen Salpeter = K . NO₃ als Salpetersäure aufzufassen ist, deren Wasserstoff durch Kalium vertreten ist, also nicht als eine Verbindung von Kaliumoxyd mit Salpetersäureanhydrid, so wird derselbe salpetersaures Kalium genannt, Soda = Na₂ . CO₃ kohlensaures Natrium u.s.f. In neuerer Zeit wird noch eine andere Bezeichnung angewendet, entsprechend der in England und Frankreich gebräuchlichen, welche in Lehrbüchern und Zeitschriften immer mehr Eingang findet. Man hängt nämlich unmittelbar an den Namen des Metalles (wie bisher schon -oxyd, -chlorid) für schwefelsaure Verbindungen das Wort -sulfat, für schwefligsaure -sulfit, kohlensaure -carbonat, ferner -borat, -phosphat, -silicat u.s.f. Soll zugleich die quantitative Zusammensetzung der Verbindung angedeutet werden, so schiebt man die Zahlwörter „mono“, „bi“, „tri“, „tetra“ u.s.w. ein; z.B. SbCl₃ = Antimontrichlorid, Sb₂S₅ = Antimonpentasulfid, NaH . CO₃ = Natriumbicarbonat. Bildet ein Metall zwei verschiedene Reihen Salze, so fügt man bei den Minimum-(Oxydul-) Verbindungen ein o, bei den Maximum-(Oxyd-) Verbindungen ein i an den Namen des Metalles; z.B. FeSO₄ = Ferrosulfat, Fe₂ (SO₄)₃ = Ferrosulfat u.s.f. Folgende Zusammenstellung einiger technisch wichtigen Verbindungen möge die hier nur kurz angedeuteten modernen Ansichten erläutern; im Uebrigen muß auf die bereits erwähnten trefflichen Werke von Hofmann, J. Kopp und L. Meyer, sowie auf die chemischen Lehrbücher von Büchner und Gorup-Besanez (Braunschweig, Vieweg und Sohn) verwiesen werden.Selbstverständlich bleibt es jedem Mitarbeiter dieses Journals überlassen, welcher Formeln und Bezeichnungen er sich bedienen will. Um aber Irrthümer möglichst zu vermeiden und das gegenseitige Verständniß der neuen und alten Formeln zu erleichtern, werden künftig die alten Aequivalentformeln mit Cursiv- (schräger) Schrift und die neuen Atomformeln mit Antiqua-(stehender) Schrift bezeichnet, sowie den in Abhandlungen vorkommenden alten oder neuen Formeln die entsprechenden Molecular- resp. Aequivalentformeln in Klammern beigefügt, um dergestalt den Anhängern beider Schreibweisen gerecht zu werden. Die Redaction. Aequivalentformeln. Molekularformeln. Natronhydrat NaO, HO          Na, OH = Natriumhydroxyd-Natriumhydrat. Kalihydrat KO, HO K . OH = Kaliumhydroxyd-, Kaliumhydrat. Bleioxydhydrat PbO, HO Pb (OH)₂ = H₂PbO₂ = Bleihydrat. Chlorbarium BaCl BaCl₂ = Blariumchlorid. Jodkalium KJ KJ = Kaliumjodid. Arsenige Säure AsO As₂O₃ = Arsenigsäureanhydrid-Arsentrioxyd. Arsensäurehydrat 3HO, AsO H₃AsO₄ = Arsensäure. Chromgelb-chromsaures Bleioxyd PbO . CrO Pb . CrO₄ = Chromsaures Blei, Bleichromat. Kohlensäure CO CO₂ = Kohlensäureanhydrid-Kohlendioxyd. Kohlensaures Natron, Soda NaO, CO Na₂ . CO₃= (NaO)₂CO Kohlensaures Natrium-Natriumcarbonat. Kohlensaures Natron, saures Na, CO+ HO, CO NaH . CO₃ = HONaO CO Natriumbicarbonat Kohlensaures Kali-Pottasche KO, CO K₂ . CO₃ = Kohlensaures Kalium-Kaliumcarbonat. Kohlensaurer Kalk-Kalkspath CaO, CO Ca . CO₃ = Kohlensaures Calcium-Calciumcarbonat. Salpetersäure NO N₂O₅ = Salpetersäureanhydrid-Stickstoffpentoxyd. Salpetersäurehydrat HO, NO H . NO₃ = HO . NO₂ = Salpetersäure. Salpetersaures Silberoxyd AgO, NO Ag . NO₃ = Salpetersaures Silber-Silbernitrat. Salpetersaures Bariumoxyd BaO, NO Ba . (NO₃)₂ = Salpetersaures Barium-Bariumnitrat. Salpetrigsaures Kali KO, NO K . NO₂ = Salpetrigsaures Kalium-Kaliumnitrit. Chlorsaures Kali KO . ClO K . ClO₃ = Chlorsaures Kalium-Kaliumchlorat. Schwefelsäure SO SO₃ = Schwefelsäureanhydrid-Schwefeltrioxyd. Schwefelsäurehydrat HO, SO H₂ . SO₄ = (HO)₂ SO₂ = Schwefelsäure. Schwefelsaures Eisenoxydul FeO, SO Fe . SO₄ = Ferrosulfat. Schwefelsaures Magnesiumoxyd MgO, SO Mg . SO₄ = Schwefelsaures Magnesium-Magnesiumsulfat. Schwefelsaures Natron-Glaubersalz NaO, SO Na₂ . SO₄ = Schwefelsaures Natrium-Natriumsulfat. Schwefligsaures Natron NaO, SO Na₂SO₃ = Schwefligsaures Natrium-Natriumsulfit. Unterschwefligsaures Natron NaO, SO Na₂S₂O₃ = Natriumhyposulfit. Uebermangansaures Kali KO, MnO K . MnO₄ = Uebermangansaures Kalium-Kaliumpermanganat. Holzgeist CHO, HO CH₃ . HO. Alkohol CHO, HO C₂H₅ . OH = CH₃ . CH₂ . O . H. Aether CHO (C₂H₅)₂O = C₂H₅ . O . C₂H₅. Essigsäure HO, CHO H . C₂H₃O₂ = HO . C₂H₃O. Essigsaures Natron NaO, CHO NaO . C₂H₃O = Na . C₂H₃O₂ = Natriumacetat. Glycerin CHO C₃H₅ (OH)₃. Oxalsäure HO, CO H₂ . C₂O₄ = (HO)₂ . C₂O₂. Benzin C₁₂ H C₆H₆ = C₆H₅ . H. Phenol (Carbolsäure) C₁₂ HO, O C₆H₅ . OH. Ferd. Fischer.