Titel: Ueber Kesselstein und Kesselspeisewasser; von Ferd. Fischer.
Autor: Ferd. Fischer
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XXXII., S. 208
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XXXII. Ueber Kesselstein und Kesselspeisewasser; von Ferd. Fischer. Fischer, über Kesselstein und Kesselspeisewasser. Es ist allgemein anerkannt, daß die Kesselsteinbildungen zu den gefährlichsten Feinden des Dampfkesselbetriebes gehören; weniger Uebereinstimmung herrscht über die chemische Zusammensetzung des Kesselsteines und über die Bestandtheile des Wassers, welche feste Krusten bilden. Nach Edwards Dingler's polytechn. Journal 1857, Bd. CXLIV S. 390. bestand ein sehr harter, hellbraun gefärbter Kesselstein von 2,82 spec. Gewicht vorwiegend aus Prismen von „halbgewässertem schwefelsauren Kalk“; ähnlich eine graue körnige Masse, welche sich in einem Kessel von 2 Atm. Spannung abgesetzt hatte. Der weiße krystallinische Kesselstein eines Dampfbootes hatte nach Johnson Dingler's polytechn. Journal 1848, Bd. CVII S. 360. ein spec. Gewicht von 2,695 und bestand fast nur aus der Verbindung 2CaO, SO₃ + HO (2Ca . SO₄ + H₂O). (Vergl. S. 153 d. v. H.) Die festen Krusten aus Schiffskesseln bestehen nach Davy Dingler's polytechn. Journal 1851, Bd. CXIX S. 355. vorwiegend aus krystallinischem schwefelsauren Kalk (Calciumsulfat); einige enthielten auch etwas Fluor. Nach Cousté Dingler's polytechn. Journal 1852, Bd. CXXV S. 258. bestehen dieselben ebenfalls vorwiegend aus schwefelsaurem Kalk, weniger Magnesiumoxyd, basisch kohlensaurer Magnesia, Spuren von Eisen und Thonerde; der schlammige Niederschlag dieser Kessel aus den gleichen Bestandtheilen mit organischen Stoffen, Kieselsäure u.s.w. gemengt. Nach Völker Dingler's polytechn. Journal 1869, Bd. CXCI S. 81. bestand der Kesselstein eines Seedampfers aus 72,42 Proc. Anhydrid (CaSO₄ = CaO, SO₃) und 24,24 Proc. Magnesiumhydrat (Mg[OH]₂ = MgO, HO) nebst Spuren Chlor, Fluor, Kieselsäure, Phosphorsäure, Thonerde und Eisen, und Mrazek Dingler's polytechn. Journal 1869, Bd. CXCIV S. 141. hat eine weiße, feinkrystallinische Kruste aus einem mit Grubenwasser gespeisten Kessel untersucht von 2,81 spec. Gewicht, welche aus 81,01 Proc. Anhydrid und 17,78 Proc. Brucit Mg[OH]₂ = MgO, HO) bestand. Gyps (CaSO₄ + 2H₂O = CaO, SO₃ + 2HO) ist hier also nicht gefunden entgegen der gewöhnlichen Behauptung, daß gerade er der Hauptbestandtheil der festen Kesselsteinbildungen sei. Leider stimmen die Angaben über das Verhalten des Gypses beim Erhitzen und über die Löslichkeit desselben bei verschiedenen Temperaturen sehr wenig überein. Nach Mitscherlich Dingler's polytechn. Journal 1869, Bd. CXCIV S. 144. wird Gyps bei 126°, nach anderen Angaben bei 132° völlig entwässert. Bischof gibt in seiner Geologie an, daß Gyps bei 100° die Hälfte seines Krystallwassers abgibt, bei 132° die andere Hälfte. Nach Plessy Otto: Anorganische Chemie, 2. S. 528. verliert Gyps bei 100 bis 120° bis 18 Proc. Wasser; der letzte Antheil entweicht bei dieser Temperatur sehr langsam, schnell bei 200 bis 250°. Millon Annales de Chimie et de Physique, février 1847; Comptes rendus, t. XXIV. p. 608, 675 und 812. hat gefunden, daß der natürliche Gyps beim Erhitzen an der Luft bei 85° kein Wasser abgibt, bei 105 bis 110° 15,58 bis 15,61 Proc., so daß also die Verbindung 2CaSO₄ + H₂O = 2CaO, SO₃ + HO zurückbleibt, welche stundenlang auf 125 bis 145° erhitzt werden kann, ohne Wasser zu verlieren; erst bei 200 bis 300° geht dieses letzte Wasser, im Ganzen 20,93 Proc. fort. Nach Poggiale Pharmac. Centralblatt 1844, S. 827. ist die Löslichkeit des Gypses in Wasser von 35° am höchsten, nämlich 1 Th. Gyps in 393 Th. Wasser; bei 0° = 1 in 488; bei 20° = 1 in 414; bei 100° = 1 in 460. Nach Tipp Liebig-Kopp's Jahrbuch 1854, S. 325. löst sich 1 Th. Gyps bei 15 bis 20° in 388 und 1 Th. Anhydrid in 492 Th. Wasser. Nach Regnault löst Wasser von 35° die größte Menge CaSO₄ (CaO, SO₃) und zwar 1000 Th. Wasser 2,54 Th., bei 0° jedoch nur 2,05 Th. Calciumsulfat. Nach Fresenius Fresenius: Quantitative Analyse. bei 12° 2,33, bei 100° aber 2,17 Th. CaSO₄. Nach Anthon lösen 1000 Th. Wasser 2,28 Th. Gyps, 1000 Th. einer kalt gesättigten Kochsalzlösung dagegen 8,18 Th., voraussichtlich durch theilweise Bildung von Na₂SO₄ (NaO, SO₃) und CaCl₂ (CaCl); beim Verdampfen scheidet sich aber wieder Anhydrid aus. Salmiak und Salpeter vermehren die Löslichkeit ebenfalls. CoustéAnnales des mines 1854, t. I S. 69. hat die Löslichkeit des schwefelsauren Calciums in Meerwasser untersucht. 1000 Th. Meerwasser lösen: bei 103,0 Grad = 5,00 CaSO₄       bei 121,2 Grad = 1,83 CaSO₄ 105,1    „ = 4,32    „ 124,0    „ = 1,40    „ 111,0    „ = 3,55    „ 127,0    „ = 0,97    „ 115,8    „ = 2,67    „ 130,0    „ = 0,60    „ 118,5    „ = 2,26    „ 133,3    „ = 0,23    „ Ueber 140° wird also das schwefelsaure Calcium in: Meerwasser völlig unlöslich, in Süßwasser voraussichtlich noch früher. Nach Mrazek Dingler's polytechn. Journal 1869, Bd. CXCIV S. 144. genügen 134° oder 3 Atm. zur völligen Entwässerung und somit auch wohl Ausscheidung des Gypses aus dem Kesselwasser, während sich bei 120° oder 2 Atm. noch die Verbindung 2CaSO₄ + H₂O (2CaO, SO₃ + HO) abscheidet. Voraussichtlich wirkt hier nicht nur die hohe Temperatur sondern auch der Druck und die concentrirten Salzlösungen, welche sich in den meisten Kesseln nach einiger Zeit bilden. Hoppe-Seyler Poggendorff's Annalen Bd. 127 S. 161. hält 125 bis 130° zur Ueberführung von Gyps in Anhydrid in einer gesättigten Kochsalzlösung für ausreichend. Nach Fehling Württemb. Naturw. Jahresheft, Jahrg. 1849 S. 37. besteht der Pfannenstein der Saline Hall vorwiegend aus Anhydrid. Nachstehende Kesselwässer wurden dem Dampfkessel bei verschiedenen Temperaturen entnommen. Das erste wurde bei 3 Atm. aus dem Wasserstandsglase in einem feinen Strahl auf ein Faltenfilter fließen gelassen, um es so möglichst rasch von dem mitgerissenen Schlamm zu trennen. Das zweite wurde einem anderen Kessel bei 1,5 Atm. auf dieselbe Weise entnommen; das dritte beim Abblasen eines Kessels mit dem Schlamm zusammen aufgefangen, einige Minuten gekocht und filtrirt. 1 Liter enthielt Milligramm-Aequivalente: I. II. III. Calcium   31,20 16,70   44,53 Magnesium   10,09   3,99   16,19 Schwefelsäure   13,02 18,16 117,22 Chlor 109,34 12,15 180,00 entsprechend: CaSO₄ (CaO, SO₃) = 0,885 Grm. 1,136 Grm. 3,028 Grm. CaCl₂ (CaCl) = 1,008 MgCl₂ (MgCl) = 0,479 0,189 0,769 Na₂ SO₄ (NaO, SO₃) =    – 0,104 5,161 NaCl (NaCl) = 4,743 0,478 9,582 Abdampfrückstand    gefunden: = 7,210 18,864 Wenn auch die beiden ersten Versuche nicht genau sind, da während des Filtrirens jedenfalls etwas mehr Gyps gelöst ist, als der Temperatur und dem Druck der Kessel entspricht, so bestätigen sie doch, daß die Löslichkeit des schwefelsauren Calciums durch Chloralkalien vermehrt, durch Temperatur- und Drucksteigerung aber vermindert wird. Zur Untersuchung der folgenden Kesselsteine, welche Verfasser von Hrn. Grabau, Ingenieur des Hannoverschen Dampfkesselrevisions-Vereines, erhalten hat, wurden lufttrockene Stücke in einem Achatmörser möglichst fein zerrieben, etwa 1,5 Grm. zur Wasserbestimmung einige Stunden auf 125 bis 130° erwärmt, dann im bedeckten Platintiegel bei schwacher Rothgluth erhitzt. Die Kohlensäure ist nach vorausgegangener qualitativer Prüfung mit 0,6 bis 1,5 Grm. in einem Fresenius-Will'schen Apparate bestimmt worden. Ferner wurden 0,6 bis 1 Grm. des feinen Pulvers mit reiner Sodalösung gekocht, filtrirt, ausgewaschen; der Rückstand in Salzsäure gelöst (Sand u. dgl. bleibt zurück), mit Bromwasser und Ammoniak Thonerde, Eisen und Mangan gefällt, Kalk mit Oxalsäure und Magnesia mit Phosphorsalz. Das Filtrat wurde mit Salzsäure übersättigt, zur Trockene verdampft, im Luftbade auf 110° erwärmt, in Wasser gelöst (die Kieselsäure bleibt zurück) und die Schwefelsäure mit Chlorbarium gefällt. Das specifische Gewicht wurde in bekannter Art mit dem Tarirfläschchen oder – wenn etwa 15 Grm. Material zur Verfügung standen – in folgender Weise bestimmt. Ein kleiner Meßcylinder (welcher auch durch ein an einem Ende zugeschmolzenes Stück einer verunglückten Bürette ersetzt werden kann) wurde etwa halb mit ausgekochtem Wasser gefüllt, genau abgelesen, der gewogene Kesselstein hineingeworfen und wieder abgelesen; die Differenz gibt das Volumen w desselben und Gewicht dividirt durch Volumen bekanntlich das rohe spec. Gewicht. Bei einem Versuche z.B. enthielt der Cylinder 23,15 Kub. Cent. Wasser von 20°, nach dem Eintragen von 14,250 Grm. Kesselstein und Entfernen der Luft 28,50 K. C. – demnach ist das spec. Gewicht 2,664 oder nach der bekannten Formel von Kohlrausch F. Kohlrausch: Leitfaden der praktischen Physik. (Leipzig, Teubner). Δ = m/w (Qλ) + λ (wobei Q = Dichtigkeit des Wassers, λ = Dichtigkeit der Luft) berechnet = 2,659, bezogen auf Wasser von 4 Grad. Da der Einfluß des Gewichtsverlustes verschwindet, wenn m : w = 1, bei Kesselsteinen also immer nur gering ist, so kann er wohl vernachlässigt werden; die Correction für die Ausdehnung des Wassers durch die Temperatur ist jedoch bei Berechnungen auf drei Stellen anzubringen. Außerdem sind die Kesselsteine wohl sämmtlich porös; es darf daher nicht versäumt werden, die Luft durch Erhitzen oder unter der Luftpumpenglocke zu entfernen. Zur Untersuchung des Speisewassers wurden 500 K. C., bei weichem Wasser 1000 K. C. auf 200 bis 250 K. C. eingedampft und filtrirt, im Filtrat Kalk, Magnesia und Schwefelsäure in der früherDingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCX S. 287. angegebenen Weise bestimmt; der Kochabsatz enthält die kohlensauren alkalischen Erden, welche im Wasser als Bicarbonate gelöst waren, ferner Thonerde, Eisen und Kieselsäure. 1. Kruste aus einem Field'schen Röhrenkessel, welcher mit vorgewärmtem Brunnenwasser gespeist wurde; Dampfspannung 2,5 bis 3 Atm. Der Stein ist nur 2 Millim. dick, fast schwarz gefärbt, sehr fest, Härte 3, spec. Gewicht 2,703. Die Analyse gab: 44,38 Proc. CaO = 1,585 Aequivalent   0,82    „ MgO = 0,041          „   2,24    „ Al₂O₃, Fe₂O₃   0,47    „ SiO₂ 19,25    „ CO₂ = 0,875          „ 28,22    „ SO₃ = 0,700          „   3,68    „ H₂O = 0,409          „   0,48    „ unlöslich ––––––––– 99,54 entsprechend: 44,25 Proc. CaCO₃ oder (CaO, CO₂) 50,75    „ 2CaSO₄ + H₂O (2CaO, SO₃ + HO)   1,19    „ Mg (OH)₂ oder (MgO, HO) 1 Liter des Speisewassers enthielt Milligramm-Aequivalente:Dingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCX S. 298. 8,04 Ca0,95 Mg Kochsalz entsprechend: 402 Milligr.  40    „ CaCO₃MgCO₃ kohlensaures Calciumkohlensaure Magnesium 8,05 Ca 373    „ CaSO₄ schwefelsaures Calcium 3,28 Mg 143    „ CaCl₂ Chlorcalcium 5,48 H₂SO₄ 156    „ MgCl₂ Chlormagnesium 8,25 Cl 140    „ NaCl Chlornatrium Die übrigen Bestandtheile konnten wegen der geringen Menge des erhaltenen Wassers nicht bestimmt werden. 2. Kruste aus einem Kessel mit 3 bis 3,5 Atm. Spannung, welcher mit Wasser aus einem Brunnen und aus der Ihme gespeist wurde (vergl. Kesselwasser I auf S. 211). Der aus dunkeln und helleren Schichten gebildete Kesselstein ist 6 bis 7 Millim. dick, sehr fest und auf der Wasserseite rauh. Härte 3, spec. Gewicht 2,659. Die Analyse ergab: 34,13 Proc. CaO = 1,219 Aequivalent   6,69    „ MgO = 0,334          „   5,28    „ Al₂O₃, Fe₂O₃, Mn₃O₄ 37,04    „ SO₃ = 0,926          „   6,09    „ CO₂ = 0,277          „   7,90    „ H₂O = 0,877          „ Spuren SiO₂ und Cl   2,25 Proc. unlöslich –––––––– 99,38 also im Wesentlichen: 67,14 Proc. 2 CaSO₄ + H₂O oder (2CaO, SO₃ + HO) 14,65    „ CaCO₃                „ (CaO, CO₃)   9,69    „ Mg (OH)₂            „ (MgO, HO) 3. Kesselstein aus dem Unterkessel eines Dampfkessels (Doppelkessel mit Zwischenfeuer), welcher mit vorgewärmtem Flußwasser gespeist wurde. Dampfspannung 3,5 Atm. Der dunkel gefärbte Stein ist 40 bis 45 Millim. dick, sehr fest, Härte 3 bis 3,5, spec. Gewicht 2,748. Die Untersuchung lieferte: 36,43 Proc. CaO = 1,301 Aequivalent   2,64    „ MgO = 0,132           „   1,67    „ Al₂O₃, Fe₂O₃   0,88    „ SiO₂ 45,21    „ SO₃ = 1,130           „   3,66    „ CO₂ = 0,166           „   5,65    „ unlöslich   0,41    „ H₂O unter 130°   3,04    „ H₂O über 130° = 0,337           „ –––––––––– 99,59 also im Wesentlichen: 49,98 Proc. CaSO oder (CaO, SO₃) 29,73    „ 2CaSO₄ + H₂O (2CaO, SO₃ + HO)   8,30    „ CaCO₃ (CaO, CO₂)   3,83    „ Mg (OH)₂ (MgO, HO) Die 0,41 Proc. Wasser, welche bei 125 bis 130° entwichen, sind auf etwas oberflächlich gebildeten Gyps und hygroskopische Feuchtigkeit zurückzuführen. 1 Liter des Speisewassers gab nur wenige Milligramm Kochabsatz und in Milligramm-Aequivalente: 1,60 Ca entsprechend 69 Milligr. CaSO₄ 0,45 Mg 1,01 H₂SO₄. 4. Kruste aus einem Kessel mit Innenfeuer, welcher mit Condensationswasser (Brunnenwasser) gespeist wurde, dem Soda zugesetzt ist. Dampfspannung 3,5 Atm. Dieselbe ist nur 2 bis 4 Millim. dick, hellrosa gefärbt, Härte 3, spec. Gewicht 2,664. Die Analyse ergab: 44,32 Proc. CaO = 1,533 Aequivalent   4,90    „ MgO = 0,245          „   2,10    „ Al₂O₃, Fe₂O₃, Mn₃O₄ 18,76    „ SO₃ = 0,469          „ 24,48    „ CO₂ = 1,113          „   2,31    „ H₂O über 130° = 0,256          „   2,46    „ unlöslich Spuren SiO₂ und Cl ––––––––– 99,33 demnach im Wesentlichen: 55,65 Proc. CaCO₃ oder (CaO, CO₂) 31,96    „ CaSO₄ (CaO, SO₃)   7,11    „ Mg (OH)₂ (MgO, HO). 1 Liter des Speisewassers enthielt Milligramm-Aequivalente: 2,25 Ca1,94 Mg Kochabsatz entsprechend 113 Milligr.  81      „ CaCO₃MgCO₃ 3,30 Ca 151      „ CaSO₄ 1,44 Mg   64      „ CaCl₂ 2,23 H₂SO₄   68      „ MgCl₂ 2,59 Cl. Der Sodazusatz ist also durchaus ungenügend; er vermehrt unnöthiger Weise den Niederschlag durch Zersetzung des leichtlöslichen Chlormagnesiums und Chlorcalciums. Da nur der Kesselstein Nr. 3 bei 125 bis 130° etwas Wasser abgibt, die Hauptmenge desselben aber wie die übrigen Proben erst bei dunkler Rothgluth, so enthält also keiner dieser Kesselsteine Gyps (CaSO₄ . 2H₂O = CaO, SO₃ + 2HO), in Nr. 1 und 2 ist nur die Verbindung 2CaSO₄ + H₂O (2CaO, SO₃ + HO) in Nr. 3 ist schon vorzugsweise, in Nr. 4 endlich ist nur Anhydrid oder wasserfreies schwefelsaures Calcium (CaSO₄ = CaO, SO₃) enthalten, so daß also zur ausschließlichen Anhydridbildung doch wenigstens 3,5 Atm. nöthig zu sein scheinen. Auch Härte und spec. Gewicht sprechen gegen Gyps. Gyps besitzt die Härte 1,5–2 und das specifische Gewicht von 2,3 Anhydrid 3   –3,5 2,8–3 Kalkspath 3 2,7 Aragonit 3,5 3 Brucit 2 2,4 Die Kieselsäure wird vorwiegend an Thonerde, dann aber an Magnesia gebunden sein; 1 Liter Wasser löst nur etwa 3 Milligr. Aluminiumsilicat. Für Magnesium bleibt keine Säure übrig; es kann daher wohl nur als Hydrat (Brucit) vorhanden sein. Die Wässer enthalten das Magnesium meist als Bicarbonat, Chlorid und Sulfat, letzteres in der Regel durch Zersetzung von Gyps mit Magnesit entstanden; nach Mitscherlich zersetzt sich eine Gypslösung mit Magnesit innerhalb 14 Tagen zu kohlensaurem Calcium und schwefelsaurem Magnesium. Nach Bischof (Geologie) lösen 1000 Th. kohlensäurereiches Wasser 1,347 Theile MgCO als Bicarbonat. Nach Fyfe lösen 1000 Th. kochendes Wasser 0,111 Th. gewöhnliche weiße basisch kohlensaure Magnesia, nach Bineau nur 0,1, ja von der durch Soda gefällten nur 0,06 Th. MgCO₃, nach Chevalet Bulletin de la société chimique de Paris, 1868 p. 90. 0,106 Th. Magnesiumcarbonat. Die gewöhnliche kohlensaure Magnesia (3MgCO₃ + Mg [OH]₂ = 3MgO, CO₂ + MgO, HO) verliert schon beim Erwärmen auf 100° Kohlensäure, bei 300° den Rest. – Werden Magnesiumverbindungen durch kohlensaure Alkalien gefällt, so sind die Niederschläge um so reicher an Hydrat, je höher die Temperatur und je größer die Verdünnung. Es ist daher wohl anzunehmen, daß aus den kohlensauren Verbindungen des Wassers bei der sehr großen Verdünnung, hohen Temperatur und dem starken Druck Magnesiumhydrat (Mg [OH]₂ = MgO, HO) gebildet wird. Mrazek (a. a. O.) glaubt, daß auch die schwefelsaure Verbindung unter diesen Umständen Hydrat abscheidet, die freiwerdende Schwefelsäure aber durch den kohlensauren Kalk gebunden werde. Daß Chlormagnesium beim Abdampfen seiner wässerigen Lösung unter Hydratbildung Chlorwasserstoff verliert, ist bekannt; bei Gegenwart von Calciumcarbonat wird sich Chlorcalcium und Magnesiumhydrat bilden, um so mehr dieses fast unlöslich ist. – Nach Fresenius R. Fresenius: Quantitative Analyse, S. 938. löst 1 Liter kaltes und heißes Wasser 18 Milligr., nach Bineau Annales de Chimie et de Physique, novembre 1857. sogar nur 5 bis 10 Milligr. MgO; Chloralkalien begünstigen diese Lösung etwas. Der von Mrazek angenommenen allgemeinen Formel 2n (CaO, SO₃) + [2n – 1] (MgO, HO) entsprechen diese Kesselsteine nicht. Auffallend wenig Gewicht wurde bisher auf das kohlensaure Calcium als Kesselsteinbildner gelegt. – Nach Bischof (Geologie) lösen 1000 Th. Wasser, durch welches andauernd Kohlensäure geleitet wird, 0,91 bis 13,53 Theile CaCO₃ (CaO, CO₂) als Bicarbonat, im Mittel jedoch nur 1,012; nach Warington 0,98; nach Cossa Zeitschrift für analytische Chemie Bd. 8 S. 145. je nach Temperatur und Druck 0,77 bis 1,22 Th. Calciumcarbonat. Das Bohrloch in NeusalzwerkLudwig, die natürlichen Wässer. (Erlangen 1862). liefert das in der Natur vorkommende kalkreichste Wasser, und zwar enthält 1 Liter 0,869 Grm. CaCO₃ als Bicarbonat gelöst. Beim Erhitzen wird das Bicarbonat zersetzt und kohlensaures Calcium scheidet sich bis auf geringe Mengen aus. Nach Fresenius (a. a. O.) löst sich 1 Th. CaCO₃ in 10601 Th. kaltem (1 Liter = 94 Milligr.) und 8834 Th. heißem Wasser, bei Gegenwart von Ammoniak erst in 65246 Th. Nach Bineau löst 1 Liter Wasser 20 Milligr. kohlensaures Calcium, desgleichen nach Peligot's VersuchenAnnales de Chimie et de Physique, 1855.; nach A. W. Hofmann Zeitschrift für analytische Chemie, Bd. 4 S. 414. 34 Milligr., nach Weltzien 36 Milligrm. und nach den neuesten Versuchen von Chevalet Bulletin de la société chimique de Paris, 1868 p. 90. ebenfalls 34 Milligrm., so daß diese Zahl Wohl das meiste Vertrauen verdient. Bei den hier angegebenen Kesselspeisewässern ist diese Löslichkeit nicht berücksichtigt, so daß der wirkliche Gehalt an CaCO₃ und MgCO₃ etwa um 15 und 45 Milligr. höher ist. Es wurde früher allgemein behauptet, daß der auskrystallisirende Gyps der eigentliche Kesselsteinbildner sei, daß kohlensaures Calcium und Magnesium sich als Schlamm absetzten und nur dann feste Krusten bilden könnten, wenn sie durch den Gyps in dieselben hineingezogen würden. Becker Zeitschrift für Rübenzucker, 1869 S. 834. versichert, daß der Kesselstein stets dann am festesten sei, wenn er zwischen 20 und 25 Proc. kohlensauren Kalk (CaCO₃) enthält. AldefeldDingler's polytechn. Journal 1838, Bd. LXIX S. 322. glaubt schon, daß sich das Brunnenwasser beim Kochen trübt, das ausgeschiedene kohlensaure Calcium sich aber erst dann absetzt, wenn das Wallen des Wassers aufgehört hat. Wird nun etwa am anderen Morgen Feuer gegeben, so brennt der Absatz als Kesselstein fest. Johnson Dingler's polytechn. Journal 1848, Bd. CVII S. 360. hat dem entsprechend einige Kesselsteine untersucht, welche fast nur aus krystallinischem kohlensaurem Calcium bestanden; ähnlich Brescius.Dingler's polytechn. Journal 1862, Bd. CLXV S. 124. Der Giffard'sche Apparat, welcher täglich etwa 30 Kubikm. Speisewasser fördern mußte, war stets schon nach zwei Tagen völlig verstopft, so daß er auseinander genommen werden mußte. Lermer Dingler's polytechn. Journal 1868, Bd. CLXXXVII S. 441 und Bd. CLXXXVIII S. 341. theilt mit, daß sich an die messingenen Siederöhren eines Locomotivkessels 2 bis 3 Centim. dicke Krusten eines festen krystallinischen Kesselsteines abgesetzt hatten, während die eigentlichen Wandungen nur stellenweise mit einer 8 bis 10 Millim. dicken Kruste überzogen waren; die radial der Röhre aufgewachsenen Krystallkrusten bestanden aus fast reinem Aragonit. Daß abgesetzter Schlamm mit Kesselsteinsplittern häufig, namentlich über der Feuerplatte, zu festen Massen zusammenbrennen, ist eine bekannte Erscheinung; daß aber hier von einem solchen Festbrennen an die Feuerröhren nicht die Rede sein kann, liegt auf der Hand; ebensowenig können in Kesseln von 3 und mehr Atmosphären Druck die festen Krusten durch Gyps gebildet werden, da dann das schwefelsaure Calcium nicht löslicher ist als das kohlensaure Calcium. Andererseits wird aber auch die Abscheidung des kohlensauren Calciums und des Magnesiumhydrates ebenso wenig augenblicklich erfolgen als die des Anhydrits, so daß sie sämmtlich feste Krusten bilden können; übrigens setzen sich ja auch in Theekesseln feste Krusten von kohlensauren alkalischen Erden ab. Daß auch sonst, selbst in rasch bewegtem Wasser, sich feste Krusten von kohlensaurem Calcium bilden können, ist schon mehrfach beobachtet. So hat Reichardt Dingler's polytechn. Journal 1866, Bd. CLXXXI S. 444. eine 50 Millim. dicke Incrustration von Kalkspath untersucht, welche sich in dem Condensator einer Dampfmaschine gebildet hatte und Richard Dingler's polytechn. Journal 1840, Bd. LXXVII S. 466. fand unter dem Kolben einer Dampfmaschine eine Scheibe von 125 Millim. und großer Härte aus kohlensaurem Calcium. Der Güte des Hrn. Dr. F. Hartmann verdankt Verfasser eine sehr feste Röhre von 19 Millim. Durchmesser und einer gleichmäßig 5 Millim. dicken Wandstärke; die Härte ist 3, das spec. Gewicht 2,563. Dieselbe hatte sich in einer Glasröhre abgesetzt, welche erwärmtes Kühlwasser ableitete, und dieselbe durch ungleichmäßige Erwärmung oder Ausdehnung gesprengt, so daß einige Zeit das Wasser durch die gebildete Kalkröhre abfloß. Die Untersuchung gab:   50,12 Proc. CaO = 1,790 Aequivalent     1,87 MgO = 0,093   40,61 CO₂ = 1,846     1,25 SO₃ = 0,031     6,24 Thon,       Sand,     Wasser –––––– 100,00 entsprechend: 87,95 Proc. CaCO₃, kohlensaures Calcium   3,91 MgCO₃, kohlensaures Magnesium   2,11 CaSO₄ schwefelsaures Calcium. Trotz der raschen Bewegung des Wassers und der glatten Wandungen der Glasröhre hatte sich also diese feste Kruste von krystallinischem Kalkspath abgesetzt. In dem Oberkessel eines Dampfkessels hatte sich innerhalb 8 Wochen eine 7 bis 10 Millim. dicke, schwach grau gefärbte Kruste abgesetzt, in Folge dessen eine Platte schadhaft geworden war; gespeist wurde der Kessel mit nach der E. de Haën'schen MethodeDingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCVIII S. 271. gereinigtem Ihmewasser. Die Kruste war ziemlich fest, leicht spaltbar senkrecht zur Ablagerungsfläche und von großblätterig-krystallinischem Gefüge. Härte 1 bis 2, spec. Gewicht 2,202. Dieselbe reagirte stark alkalisch, gab 4 Stunden auf 115° erhitzt kein Wasser ab und bestand aus: 71,26 Proc. CaO = 2,545 Aequivalent 2,97 MgO = 0,149 0,80 Al₂O₃ Fe₂O₃ 1,29 SiO₂ 2,64 CO₂ = 0,120 18,48 H₂O = 2,053 2,22 unlöslich Spur Chlor ––––– 99,48 entsprechend: 6,00 Proc. CaCO₃ = (CaO, CO₂) kohlensaures Calcium 4,32 Mg(OH)₂ = (MgO, HO) Magnesiumhydrat 70,45 Ca (HO)₂ = (CaO, HO) Calciumhydrat 14,58 CaO = (CaO) Calciumoxyd. Dem Wasser wurde also zuviel Kalkmilch zugesetzt, welche die Bildung dieser eigenthümlichen Kruste veranlaßt hat. Eine ähnliche Beobachtung hat Stingl gemacht.Dingler's polytechn. Journal 1872, Bd. CCVI S. 305; selbstverständlich muß es daselbst 0,67 statt 10,67 Procent kohlensaure Magnesia heißen. BlondeauComptes rendus, t. XXXV p. 147; Journal für prakt. Chemie, Bd. 57 S. 244. hat das Quellwasser von Selles la Source bei Rhodez untersucht; 1 Liter enthält: 401 Milligr. Calciumoxyd, 138 Magnesiumoxyd, 54 Chlorcalcium, 23 Chlornatrium 31 Chlormagnesium 34 schwefelsaures Magnesium 16 Aluminiumoxyd 17 Kieselsäureanhydrid. Das Wasser reagirt stark alkalisch, ist am Ursprunge nicht incrustirend, zerstört rasch die Wasserräder einer Fabrik; nachdem es aber cascadenartig 40 Meter heruntergestürzt ist und Kohlensäure aufgenommen hat, gibt es sehr feste und dicke Krusten. Kalkwasser verhält sich demnach in freier Natur anders als im Kessel. Ein Kesselstein aus SeelowitzDingler's polytechn. Journal 1872, Bd. CCV S. 506. enthielt 34,82 Proc. SiO₂; ob aber als Sand oder in löslicher Form ist leider nicht angegeben, so daß noch jede Erfahrung fehlt, in wie weit Kieselsäure kesselsteinbildend ist. – Durch Bachwasser, welches viel freie Kieselsäure enthält, sollen die Kesselbleche stark angegriffen werden.Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 15 S. 732. Auch Torfwässer sollen zuweilen das Eisen zerfressen.Dingler's polytechn. Journal 1864, Bd. CLXXII S. 109. Daß schwefelwasserstoffhaltiges Wasser zerstörend auf die Kesselwände einwirken muß, bedarf wohl kaum der ErwähnungDingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCVIII S. 132 und 320.; ebenso werden saure Grubenwässer die Bleche sehr stark unter Wasserstoffentwickelung angreifen. Unwahrscheinlich ist die Behauptung von Groning Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 9 S. 600., daß schwefelsäurehaltiges Wasser zu Siedeverzügen sehr geneigt sei. Abgesehen von sauren Grubenwässern ist demnach bei der Untersuchung von Kesselspeisewasser genau zu bestimmen, wieviel kohlensaure alkalische Erden durch Kochen abgeschieden werden, dann der Gehalt an Gyps und Chlormagnesium und erst in zweiter Linie Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd; die Bestimmung der organischen Stoffe in gewöhnlichen Brunnen- und Flußwässern ist völlig überflüssig. Die Berechnung des schwefelsauren Calciums aus der Schwefelsäure, des kohlensauren aus der Differenz ist durchaus unstatthaft.Dingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCX S. 300. In wiefern nun die Kesselsteinbildungen und fettigen Speisewässer auf die Kessel zerstörend wirken, und wie diese Uebelstände zu vermeiden sind, soll in den nächsten Heften besprochen werden.