Titel: Studien über die Eigenschaften explosiver Körper; von F. A. Abel.
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. XL., S. 146
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XL. Studien über die Eigenschaften explosiver Körper; von F. A. Abel.Vergl. dies Journal, 1870 Bd. CXCV S. 364. Aus den Comptes rendus, 1874 t. 78 p. 1227, 1301, 1362 und 1432. Abel, Studien über die Eigenschaften explosiver Körper. I. Vorliegende Untersuchungen beschäftigen sich hauptsächlich mit den an die Detonation explosiver Substanzen sich knüpfenden Bedingungen, sowie mit den Umständen und Resultaten, welche die Fortpflanzung der Detonation begleiten. Das exceptionelle Verhalten einiger explosibler Körper hinsichtlich ihrer Fähigkeit, durch ihre Explosion die Detonation anderer Substanzen hervorzurufen, ist durch neue Versuche bestätigt worden. Die Empfänglichkeit gewisser Stoffe, wenn man sie den Detonationswirkungen bestimmter Verbindungen aussetzt, und ihre auffallende Trägheit unter dem Einflusse der Detonation gewisser anderer Verbindungen, die übrigens hinsichtlich der mechanischen Gewalt und der bei ihrer Explosion entwickelten Wärme den ersteren nicht nachstehen, haben den Verfasser zu dem Schlusse geführt, auf den wir hier zurückkommen. Danach würde eine Charakterähnlichkeit oder ein Synchronismus in den bei der Explosion gewisser Substanzen entwickelten Vibrationen die Detonation einer Substanz in Folge der Anfangsdetonation eines kleinen Quantums einer anderen begünstigen können, während in Ermangelung eines solchen Synchronismus eine viel kräftigere Anfangsdetonation oder die Anwendung einer weit beträchtlicheren Kraft nöthig wäre, um diese Detonation durch Influenz zu veranlassen. Diese Hypothese, welche eine günstige Aufnahme gefunden hat, weil sie auf eine rationelle Weise die scheinbare Anomalie der citirten Thatsachen erklärte, scheint in den Versuchen von Champion und Pellet über den Jodstickstoff und andere explosive Verbindungen eine neue Stütze gewonnen zu haben, indem diese den Beweis liefern, daß die Explosion gewisser sensibler Körper nur durch die Vibrationen eines Tones von gegebener Höhe bestimmt werden kann, und daß die Explosion einer gegebenen Substanz nur das Tönen derjenigen sensitiven Flammen bestimmt, welche gewisse Noten einer Tonleiter repräsentiren, während die anderen Flammen der Scale durch eine weit stärkere Explosion der nämlichen Substanz oder durch eine schwache Explosion eines anderen Körpers in's Tönen kommen. Champion und Pellet haben Versuche bezüglich der Fortpflanzung der Detonation auf den Jodstickstoff mittels Röhren auf beträchtliche Entfernungen hin angestellt. Dahin gehören auch die rein praktischen Versuche des österreichischen Geniehauptmanns Pranzl über die Transmission der Detonation einer Dynamitladung auf Dynamitpatronen, welche von Strecke zu Strecke in eisernen Röhren angeordnet waren. Abel hat geglaubt, daß systematische Versuche über die Fortpflanzung der Detonation mittels Röhren – unter Anwendung explosiver Agentien von geringerer Empfindlichkeit, aber von gleichmäßigerer und constanterer Zusammensetzung als die des Jodstickstoffes – dazu beitragen könnten, das Verhalten der Explosivkörper unter dem Einflusse der unter verschiedenen Bedingungen erzeugten Detonationen genau zu bestimmen. Abel experimentirte zunächst mit schmiedeisernen Röhren von 25 bis 101 Millim. Durchmesser und 153 Mm. bis 2,12 M. Länge. Als Explosivstoff bediente er sich der Schießbaumwolle in ihren verschiedenen Formen mechanischer Verarbeitung, ferner des Dynamits, des Knallquecksilbers und gewisser Präparate, welche das letztere als Ingredienz enthielten. Unter anderen im Verlaufe dieser Versuche erhaltenen interessanten Resultaten ist der Umstand zu bezeichnen, daß man zwischen der Schießbaumwolle und dem Knallquecksilber hinsichtlich der Fortpflanzung der Detonation von dem einen zum anderen jene Reciprocität in ihrer Wirkungsweise vermißte, welche man bei dem Nitroglycerin, dem Chlorstickstoff und der Schießwolle bereits beobachtet hatte. Bei diesen Versuchen machte sich auch eine auffallende Aenderung der Bedingungen bemerklich, wenn man bezüglich der Quantität der als Anfangsdetonator angewendeten Substanz gewisse Grenzen überschreitet. So bedurfte es zur Verpuffung von Schießbaumwolle, welche man in das eine Ende einer nur 152 Mm. langen und 25 Mm. im Durchmesser haltenden eisernen Röhre gesteckt hatte, nicht weniger als 7 Grm. Knallquecksilber. Nun ist diese Ladung 50 mal stärker als diejenige, welche hinreicht die Detonation comprimirter Schießbaumwolle in sicherer Weise zu veranlassen, wenn sie mit dem Präparate in unmittelbarer Berührung ist. Auf der anderen Seite machte die Detonation von 7 Grm. comprimirter Schießbaumwolle an dem einen Ende einer 2,128 M. langen und 31 Mm. weiten Eisenröhre das am anderen Ende befindliche Fulminat (knallsaure Salz) explodiren, während 14 Gnu. Knallquecksilber erforderlich waren, um die Detonation der Schießbaumwolle längs einer Eisenröhre von den nämlichen Dimensionen zu veranlassen. Es waren 7 Grm. dieses Präparates kaum genügend, um die Detonation längs einer nur 152 Mm. langen Röhre von kleinerem Durchmesser zu bewirken, und 10 Grm., um sie längs einer ähnlichen nur 525 Mm. langen Röhre fortzupflanzen. Diese Beispiele mögen genügen, die Richtung der in dieser Versuchsreihe erlangten instructiven Resultate anzudeuten. Es wurden mit den in Rede stehenden explosiven Stoffen einige Versuche in verhältnißmäßig großem Maßstabe angestellt, um den Einfluß des Materiales der Röhre selbst auf die hervorgebrachte Wirkung zu constatiren. Man erhielt auch überraschende Resultate, indem man auf dem Wege der Gaswelle sehr leichte Hindernisse z.B. Baumwollflöckchen einschaltete, welche die bei freier Passage sichere Fortpflanzung der Detonation aufhalten sollten. Diese Punkte sind indessen in einer Reihe genauer, nach einem kleinen Maßstabe mit Knallquecksilber angestellten Versuche einer detailirteren Prüfung unterworfen worden. Die hierzu verwendeten Röhren hatten einerlei Durchmesser und Wanddicke, jedoch verschiedene Länge; auch waren sie aus verschiedenen Materialien – nämlich Glas, Zinn, Messing, Papier, vulcanisirten Kautschuk – angefertigt. Im ersten Augenblicke zeigen die erzielten Resultate scheinbar einen bedeutenden Unterschied zwischen den Röhren verschiedenen Materiales bezüglich ihrer Fähigkeit, die Fortpflanzung der Detonation zu begünstigen; die Glasröhren waren in dieser Hinsicht den anderen weit überlegen. Aber es hat sich auf experimentellem Wege herausgestellt, daß dieser Unterschied nicht den der Substanz der Röhren eigenthümlichen physikalischen Eigenschaften wie Klangfähigkeit, Elasticität zuzuschreiben ist, sondern hauptsächlich den verschiedenen Rauhigkeitsgraden ihrer inneren Wandfläche, also dem verschiedenen Widerstande, welchen diese Flächen der Gaswelle entgegensetzen. Als man die innere Fläche einer Glasröhre mit einer dünnen Schichte von spanischem Weiß (basisch-salpetersaurem Wismuth) überzog, wurde ihre Fähigkeit, die Fortpflanzung der Detonation zu begünstigen, um 2/3 vermindert, während das Transmissionsvermögen bei einer inwendig polirten Messingröhre beinahe verdoppelt und bei einer innen mit Glanzpapier ausgekleideten Papierröhre verdreifacht wurde. Es mögen hier einige Thatsachen folgen, welche hinsichtlich der Fortpflanzung der Detonation in Röhren durch diese Versuche festgestellt worden sind. 1) Die Entfernung, bis zu welcher die Detonation in einer Röhre auf einen Explosivstoff sich übertragen läßt, hängt von folgenden Bedingungen ab: a) Von der Beschaffenheit und Quantität der als Anfangsdetonator angewendeten Substanz, sowie von der Beschaffenheit der Substanz, welche man detoniren lassen will, aber nicht von der Quantität der letzteren, und eben so wenig von dem mechanischen Zustande, worin dieselbe der Detonationswirkung ausgesetzt ist. b) Von der Beziehung zwischen dem Durchmesser des Detonators, jenem der Ladung, um deren Detonation es sich handelt, und demjenigen der Röhre. c) Von der Zähigkeit oder Steifigkeit des Stoffes der Röhre und folglich von dem Widerstande, welchen dieser der seitlichen Fortpflanzung der im Momente der Detonation entwickelten Kraft entgegensetzt. Diese letztere Bedingung scheint auf die Resultate der in kleinem Maßstabe bewirkten Detonationen nicht wesentlich einzuwirken; dagegen fällt ihr Einfluß bei den in einem größeren Maßstabe ausgeführten Operationen sehr in die Augen. d) Von dem Rauhigkeitsgrade der inneren Röhrenfläche – oder mit anderen Worten – von dem Grade des den Gaswellen entgegengesetzten Widerstandes, und mithin von dem Kraftaufwand, welchen die Ueberwindung der Reibung des Gases an den Röhrenwänden oder an sonstigen eingeschalteten Hindernissen erfordert. e) Von dem mehr oder weniger vollkommenen Zustande der Röhre und von der dem Detonator sowie der zu detonirenden Ladung angewiesenen Lage. Ist die Röhre geritzt oder an der Detonationsstelle oder sonstwo erweitert, ist sie in Folge der Wirkung einer vorhergehenden Verpuffung beschädigt oder ihr Zusammenhang, wenn auch nur in geringem Grade gelockert, so hat dieser Umstand eine verhältnißmäßige Verminderung der Strecke, bis auf welche die Kraft sich fortpflanzt, zur Folge. Wenn das detonirende Agens oder die Substanz, deren Detonation durch das erstere bewirkt werden soll, an der Mündung der Röhre angeordnet ist, anstatt in die Enden hineingeschoben zu sein, so gestalten sich begreiflicher Weise die Bedingungen rücksichtlich der Fortpflanzung der Detonation verhältnißmäßig ungünstiger. Auf der anderen Seite vermindert sich, wenn man das verpuffende Agens eine Strecke weit in's Innere der Röhre hineinschiebt, der Kraftverlust durch seitliche Dispersion, und die Gaswelle bewahrt daher ihre Detonationskraft auf eine größere Distanz von ihrem Anfangspunkt an gerechnet. 2) Sieht man von der absoluten Festigkeit oder dem Widerstandsvermögen gegen das Zerreißen ab, so scheint die Natur der Substanz der Röhre, so weit man aus der Erfahrung zu beurtheilen vermag, keinen wesentlichen Einfluß auf das Resultat auszuüben. Jedenfalls sind die von dem Politurgrade der inneren Röhrenwände herrührenden Unterschiede weit wichtiger, als die aus der Verschiedenheit des Materiales der Röhre resultirenden. Bei den mit Schießbaumwolle angestellten Versuchen gelangte die Masse, womit experimentirt wurde, zur Explosion, aber mit keiner oder verhältnißmäßig wenig zerstörender Wirkung, indem die Schießwolle theilweise zerstreut, oder einigemal zum Theil einfach entzündet wurde. Selbst die Explosion von Knallquecksilber durch Transmission einer Detonation erfolgte in vielen Fällen auf eine Weise, welche von der heftigen Detonation in anderen Fällen ganz und gar verschieden war. Das Knallsilber, welches unter gewöhnlichen Umständen immer heftig explodirt – selbst dann, wenn nur ein einziges Partikelchen einem hinreichend störenden Einflusse ausgesetzt wird, explodirte durch Detonationsübertragung vom Knallquecksilber aus, ohne von der gewohnten Zerstörung begleitet zu sein. In diesen Fällen näherte sich die Heftigkeit der Erschütterung einfach derjenigen, welche zur Entwickelung der Detonation nothwendig ist, und es schien sehr wahrscheinlich, daß nur ein kleiner Theil der Masse sich in einer Lage befand, welche die Einwirkung der durch die Röhre fortgepflanzten Explosivkraft begünstigte; der Rest der Masse wurde durch die aus dem explodirten Theile resultirenden Gase auseinandergestreut; das einmal wurden die Partikelchen entzündet, das anderemal entgingen sie der Entzündung. Dieser Fall scheint immer bei der Schießbaumwolle vorzukommen, wenn ihre Explosion durch einen Schlag mit dem Hammer oder durch den Fall eines Gewichtes veranlaßt wird. Die Concentration der Kraft auf einige Punkte der Masse schien selbst bei den auf das sorgfältigste vorbereiteten Versuchen unvermeidlich, weshalb nur ein kleiner Theil der Masse wirklich detonirte, während der Rest durch die sich entwickelnden Gase in dem Momente zerstreut wurde, wo das fallende Gewicht die Unterlage traf. Dieses ging mit Evidenz aus einer Reihe von Versuchen hervor, welche auf das sorgfältigste mit Cylindern oder Scheiben aus comprimirter Schießbaumwolle von gleichem Gewichte und gleichen Dimensionen angestellt wurden, indem man sie auf einen horizontalen Ambos zwischen polirte Messingplatten legte und dem Stoße eines 22,7 Kilogrm. schweren Gewichtes aussetzte, welches von einer bestimmten Höhe zwischen Führungen herabfiel. Ließ man das Gewicht 914 Mm. hoch herabfallen, so wurden die Schießbaumwolle-scheibchen bis auf 1/3 ihrer ursprünglichen Dicke comprimirt, ohne daß eine Explosion stattfand; der Fall von 1,828 M. Höhe erzeugte eine leichte Detonation, bei welcher der größte Theil der Schießwolle auseinander gestreut wurde; bei noch größerer Fallhöhe detonirte ein etwas größerer Theil der Substanz, aber selbst bei einem Fall des Gewichtes aus der größten verfügbaren Höhe von 11,883 Meter detonirte nur eine schwache Portion der Wolle, während der Rest in einem Zustande großer Zertheilung umhergestreut wurde. Eine Reihe von Versuchen wurde mit flachen Scheiben fester Schießbaumwolle angestellt, welche man in der Luft frei aufhing, oder gegen verticale Träger aus Eisen oder Holz lehnte. Diese Scheiben, auf welche man aus Entfernungen von 36,57 bis 91,43 Meter mit einem Karabiner schoß, lieferten ein frappantes Beispiel der Art des Einflusses, welchen die Verschiedenheit des Stoßes gegen die Masse auf das Resultat hatte; denn je nach Umständen wurde die letztere bald ohne Entzündung durchbohrt, bald wurde sie entzündet, bald erfolgte eine partielle, bald eine totale Explosion. Die bei diesen Versuchen erzeugten Explosionen, sowie einige mit Röhren erzielte Resultate, sind von der Detonation ganz und gar verschieden; ihre Schallwirkung ist eine ganz andere, und nicht die Folge destructiver Wirkungen wie diejenigen, welche durch weit geringere Quantitäten Schießbaumwolle hervorgebracht werden. Spätere Versuche, behufs der Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Detonation in Röhren, haben als wichtige Thatsache die Existenz eines Unterschiedes zwischen Explosion und Detonation außer Zweifel gesetzt. (Fortsetzung folgt.)