Titel: Die Bedeutung der Fluorverbindungen für die Glasindustrie.
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXI., S. 221
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LXI. Die Bedeutung der Fluorverbindungen für die Glasindustrie. Mittheilung aus Oeresund's chemische Fabriken (Hagemann und Jörgensen) in Kopenhagen. Ueber die Bedeutung der Fluorverbindungen für die Glasindustrie. Durch das Glühen des Kryoliths mit Kreide, um Soda und Thonerde zu gewinnen, erhält man als Nebenproduct eine große Menge Flußspath, welcher bis vor einigen Jahren beinahe ohne Werth war. Jetzt ist aber die Anwendung von Flußspath sowie von Kryolith in der Glasindustrie so groß geworden, daß es von Interesse sein dürfte, die Bedeutung dieser Fluorverbindungen für diese Industrie etwas näher zu beleuchten. Was wir im folgenden mittheilen wollen, beruht ausschließlich auf eigene Erfahrungen und Untersuchungen. Die Amerikaner sind – glauben wir – die ersten gewesen, welche reinen Kryolith in dem Glassatz anwendeten;Vergl. dagegen die Notiz in diesem Journal, 1868 Bd. CLXXXIX S. 180. jedenfalls wurde in Philadelphia die erste große Fabrik, welche dieses Rohmaterial anwendete, von „The Hot Cast Porcelain Company“ angelegt. Es wurden dort zwei Qualitäten theils sehr schönes Milchglas von reinem Kryolith, theils eine einfärbige oder marmorirte, nicht durchsichtige Glasforte erzeugt, wozu man unreinen Kryolith benützte und worin die Farbe – wenigstens zum Theil – von Einmischungen der fremden Mineralien im Kryolith herrührte. Das weiße Milchglas wurde von 9 Gewichtstheilen Zinkweiß, 4 Th. Kryolith und 10 Th. Quarzsand bereitet. Die Mischung wurde in gewöhnlichen Häfen, welche dadurch nicht sehr stark angegriffen wurden, geschmolzen. Die starke Entwickelung von Fluorsilicium dauerte während der ganzen Schmelzzeit fort und selbst die aus den Häfen herausgenommene Masse war eine Zeitlang in einem weißen Nebel eingehüllt, ohne daß jedoch die Arbeiter dadurch sehr belästigt wurden. Das auf diese Weise dargestellte Glas, welches – wie gesagt – durchscheinend und milchweiß war, besaß einen eigenthümlichen schönen Glanz, eine große Härte, und wurde selbst in Pulverform von Säuren nicht angegriffen. Die Zusammensetzung desselben war nach der Analyse von Williams:Vergl. dagegen die in diesem Journal, 1869 Bd. CXCII S. 239 und 412 mitgetheilten Analysen. Die Red. Zinkoxyd 8,0 Proc. Kieselsäure 70,0 Thonerde 7,3 Natron 13,7 Diese Angabe war indessen unrichtig, da schon eine qualitative Analyse zeigte, daß das Glas eine nicht unbedeutende Menge Fluor enthält. Eine Untersuchung gab auch dem entsprechend: Zinkoxyd 6,50 Proc. Kieselsäure 63,40 Thonerde 3,67 Natron 5,85 Eisenoxyd und Manganoxyd 4,40 Kryolith 15,14 (Nach 2 Fluorbestimmungen). Die ganze Menge Kryolith ist demnach nur zum Theil zersetzt worden. Daß es die Fluorverbindungen sind, welche das Glas milchig machen, folgt daraus, daß das Glas, nach der oben genannten Zusammensetzung – ohne Fluor – fabricirt, durchsichtig und farblos wurde, und daß eine Mischung von 9 Th. Zinkoxyd, 50 Th. Sand, 50 Th. Feldspath und 16 Th. Flußspath, also ungefähr dieselben Stoffe wie zu „Hot-cast Porcelain“ ein milchiges, blauweißes Glas gab, trotzdem ein Theil des Fluorcalciums während des Schmelzens zersetzt worden war. Das Milchglas verdankt demnach seine weiße Farbe und das Durchscheinen den Fluorverbindungen, wahrscheinlich auch mehrere von den anderen Eigenschaften wie Glanz, Lichtbrechungsvermögen und Stärke. Daß ein Glas mit einer kleinen Menge Kryolith geschmolzen diese Eigenschaften in hohem Grade bekommt, ist wenigstens unbestreitbar; eine größere Menge von Kryolith macht das Glas jedoch opalähnlich, beinahe opalisirend, und noch größere Quantitäten schließlich ganz undurchsichtig und porzellanähnlich. Eine andere Fluorverbindung, welche große Anwendung in der Glasfabrikation gewonnen hat, ist der oben erwähnte Flußspath.Vergl. dies Journal, 1869 Bd. CXCI S. 301. D. Red. Weil derselbe verschiedene Verunreinigungen enthält, wird er jedoch nur zur Herstellung von Bouteillenglas angewendet, namentlich der Flußspath aus der Mutterfabrik Oeresund bei Kopenhagen in außerordentlich großem Maßstabe. Anfänglich wollte man den Flußspath nur als Flußmittel benützen; die Fabrikanten bemerkten aber bald, daß er nicht allein den Satz leicht schmelzbar machte und dadurch Brennmaterial ersparte, sondern auch ein besser geschmolzenes und weit stärkeres Glas erzeugte. Die Zusammensetzung des erwähnten Flußspaths ist nachstehende: Fluorcalcium 62,01 Proc. Kohlensaurer Kalk 11,89 Kalk 5,62 Kohlensaures Kali 0,37 Kohlensaures Natron 3,94 Magnesia 0,93 Proc. Kieselsäure 3,78 Eisenoxyd 5,00 Thonerde 5,00 Wasser 1,45 Hiervon setzt man zu einem gewöhnlichen Feldspathsatz 9 bis 20 Proc., je nachdem man mit Hafenöfen oder Wannenöfen arbeitet, und erreicht die oben erwähnten Vortheile, ohne daß die Oefen in merkbarem Grade angegriffen werden. Eine Probe von Boutheillenglas (von „Liljedahl Actie Bolag's Fabriken“ in Schweden) mit 9 Proc. Flußspath hergestellt, zeigte folgende Zusammensetzung: Kali 2,85 Proc. Natron 6,99 Kalk 15,40 Magnesia 1,08 Thonerde 11,00 Manganoxyd 2,79 Eisenoxyd 3,60 Fluor 1,75 Kieselsäure 55,20 –––––––––––– 100,66 Proc. Sauerstoff für Fluoräquival. 0,73 –––––––––––– 99,93 Proc. Das Glas enthält also Fluor in ziemlicher Menge, und es ist unzweifelhaft, daß es dadurch schöner und stärker geworden ist. 9 Theile Flußspath enthalten 2,7 Th. Fluor, wovon also etwa 1 Theil verflüchtigt wird, während der Rest als ein wesentlicher Bestandtheil in die Glasmasse eingetreten ist.