Titel: Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger.
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXXXV., S. 370
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LXXXV. Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger.Aus dem officiellen Ausstellungsbericht über Dampfkessel. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1874. Mit Abbildungen. (Schluß von S. 457 des zweiten Juniheftes.) Radinger, über Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung. Röhrenkessel von Tedesco und Comp. Textabbildung Bd. 213, S. 370 Die Maschinenfabrik von Tedesco und Comp. in Prag-Schlan (heute Bolzano, Tedesco und Comp.) lieferte zwei Kessel, deren Dampf die Decker'schen directwirkenden Dampfpumpen für den Fontainenbetrieb versah. Es waren cylindrische kurze Kessel von 1,74 Meter Durchmesser und 3,16 Meter Länge, welche je 83 Rohre von 79 Millim. äußerer, 73 Millim. innerer Weite zwischen ihren ebenen Böden durchzogen. Oben hielt jeder Kessel mittels eines einzigen 55 Centim. weiten Stutzens noch einen Dampfsammler von 0,87 Meter Durchmesser und 4,42 Meter Länge. Dieser wurde nicht balancirt, sondern außer dem Stutzen vorne noch von einem Blech-Doppel-T hinten getragen, das unvernietet zwischen Sammler und Kessel lag, und so der freien Ausdehnung kein Hinderniß bot. Die Feuerung geschah unter dem Hauptkessel auf Bolzano-Rosten, und die Gase strömten längs dem ganzen Heizumfange der Unterkessel nach hinten, umsetzten die Rückwand, um durch die Rohre in eine Rauchkammer zu kommen, von wo sie durch einen Canal (in welchem frei der Dampfsammler lag) in den hochliegenden Fuchs und zum Schornstein gelangten. Die Kessel waren je an der Stirnseite mit einem Vorkopf für die Wasserständer und rückwärts mit einem (2 Meter langen) elliptischen Hinterstutzen versehen, welch letzterer die Speise- und Ablaßrohre aufnahm und als Schlammsack und Einsteigcanal diente, indem dessen abzuschraubender Deckel das Zukommen in den Raum unter den Rohren gestattete. Diese füllten nämlich den Kessel nicht ganz, denn ihre unterste Horizontalreihe (13 Rohre enthaltend) stand ca. 50 Centim. über der Kesselsohle, und so war das Reinigen der Feuerplatten von angesetztem und niedergefallenem Kesselsteine leicht. Ferner war auch der Sammler durch die Stirnwand hindurchgeführt und seine gußeiserne Abschlußplatte nahm außer den Sicherheitsventilen noch ein Mannloch auf. Durch dieses und den Dampfstutzen hindurch wurde der Hauptkessel oder den Rohren befahrbar und deren Zwischenräume konnten von oben um so besser gereinigt werden, als die Rohre vertical übereinander gereiht standen. Der Dampf entströmte ganz rückwärts dem Sammler, in dessen weiter Länge er das mechanisch mitgerissene Wasser größtentheils verlor, und dessen geheizte Wände ihm noch Wärme zur weiteren Trocknung (vielleicht Ueberhitzung) zuführten. Textabbildung Bd. 213, S. 371 Die Rauchkammer war durch eine gutschließende Doppelthüre derart zugänglich, daß man jedes Rohr durchfahren oder herausziehen konnte, wie es Reinigung oder Reparatur verlangt. Unter dem Feuercanal war noch ein Fahrcanal angelegt, dessen für gewöhnlich verlegte Einsteigöffnung das Herausholen des Rußes und der Flugasche erlaubte, die beim Durchstoßen der Rohre hinten einfiel, aber auch die dortige Rohrwand freigab. Um den Hauptkessel erschien das Mauerwerk doppelt ausgeführt, und konnte den Dehnungen zwanglos folgen, welche die Temperaturunterschiede mit sich brachten. Das Gleiche war auch den Kesseln möglich, deren Obertheile je ein weiter Bogen überspannte, der sie warm aber entlastet hielt. Aehnlich den amerikanischen waren auch diese Kessel nur an drei Punkten mit zwei Vorderpratzen und einem hinteren Doppel-T-Fuß getragen; dieser hintere Gußträger war allseitig ummauert, was zur Schonung des anliegenden Bleches wesentlich beiträgt. Bei jedem Kessel war die höchste Sorge darauf verwendet, daß die Stichflamme, welche oder der Feuerbrücke zu erwarten stand, die Bleche streifte und nicht stößt, und nicht eben eine Nietung traf. Textabbildung Bd. 213, S. 372 Letzter Umstand führte hier zu der Detailconstruction der Zusammensetzung des Kessels nach zwei Halbcylinder, welche in den horizontalen Längsnähten verbunden waren. Der obere Halbcylinder bestand aus drei, der untere aus zwei Platten, und letztere trugen an ihren nach innen gebogenen Flanschen mit zwischengelegtem Stemmblech die Vernietung. Derart kam nun allerdings kein gehäuftes Material in's Feuer. Aber bei nicht sehr reinem Wasser ist ein mächtiger Kesselstein-Wulst hinter jenen Kanten zu befürchten, die kein Kreislauf spült. Dies macht dann selbstverständlich den erst erreichten Vortheil rasch verschwinden, wie man es an einigen Kesseln in Oberschlesien erfuhr, an welchen dieses Detail zuerst erschien. Die Feuerung geschah – wie bemerkt – auf Bolzano-RostenVergl. dies Journal, 1871 Bd. CCII S. 246; 1872 Bd. CCV S. 5; 1873 Bd. CCIX S. 12. Die Red. (Ausführungsnummern 513 und 514). Es sind dies wenig (12 Grad gegen den Horizont) geneigte Treppenroste, deren Spalten von Asche und Schlackentheilen durch eine zeitweilige Schüttelung von Hand aus freigehalten werden, welche jeden zweiten Roststab um ca. 20 Millim. zwischen seinen ruhenden Nachbarn hebt. Die frische Kohle wird durch einen Kipptrog auf den Rost gebracht, und theils durch das plötzliche Aufkollern, theils durch die Schüttelung und endlich die Schürstange so auf der ganzen Rostfläche vertheilt, wie dies bei einem gewöhnlichen Planrost geschieht. Es kommt dabei das neue Material stets auf eine brennende Schichte und entzündet sich sofort; nur ist der Nachtheil umgangen, eine Heizthüre zu haben, welche für das Aufwerfen und Schüren zeitweise offen stehen muß. Die Roststabs-Enden sind stufenförmig geschnitten, wodurch größere Kohlenstücke von dem Hinabrollen bis auf das Schlackengitter bewahrt werden sollen, womit der Unterrost hier endet. Schaulöcher zu beiden Seiten gestatten die Uebersicht, und eine Blechplatte unterhalb des ersten Absatzes fängt die Kleinkohlen auf, welche dort allenfalls durchfallen. Diese werden auf den unteren Rosttheil geschoben und verbrannt. Bei den Ausstellungsrosten lag der Obertheil wie in einer Vorfeuerung unter der überwölbenden Stirnmauer der Kesselanlage und die ersten qualmenden Verbrennproducte konnten sich an der feuere festen Decke (welche die Einnietung des Rohrbodens sorgsam untergriff) allenfalls noch entzünden. Der Unterrost, auf dem es gewisser rauchfrei brennt, lag aber frei unter dem Kessel und sendete auch die strahlende Wärme zum Blech. Aus dem Gesagten geht hervor, daß ein Forciren des Feuers hier wohl angeht, wo die frische Kohle auf die brennende Kohle kommt, während sie bei anderen schiefen und Treppenrosten nur durch die zurückzüngelnde Flamme in Brand gerathen kann. Dagegen werden die Stäbe hier auch leicht verbrennen, wenn der Rost nicht rein gehalten bleibt. Der Rost gestattet, wie ich mich selbst verschiedenen Ortes überzeugte, die Verwendung des schlechtesten Brennmaterials, indem eine hohe Temperatur auf ihm herrscht. Die vollständige Verbrennung, welche dadurch entsteht, sichert die volle Ausnützung der Heizkraft und damit einen höheren ökonomischen Effect als sonst. Glaubwürdigen Versuchen ist zu entnehmen, daß bei Forcirung bis über 130 Kilogrm. Kohle per Stunde und Quadratmeter verbrannt wurden, was wohl bei keinem anderen Treppenrost geht. Und insbesondere für böhmische Kohle ist er ausprobirt und scheint sich mit Vortheil eingebürgert zu haben, während er mit rheinischer Kohle nicht so gute Resultate gab. Auch in der Ausstellung wurde er ausnahmsweise und über specielles Ansuchen der Fabrik mit schlechter Duxkohle, Klarkohle, betrieben und arbeitete trefflich, obgleich ihn vielleicht der mindest intelligente Heizer des Platzes bediente. Die Kassel der Ausstellung hatten jeder 65 Quadratmeter Heizfläche; die Roste à 2,4 Quadratmeter oder 1/27 der zu heizenden Fläche. Die Rohre waren eng wie gewöhnlich und besaßen 1/7 der Rostfläche als freien Querschnitt. Die Züge und der Fuchs besaßen 1/3 und die Esse, wenn, was stets der Fall, nur ein Kessel betrieben war, 1/3,1 der Rostfläche. Der Normaldruck dieser Kessel betrug 5 Atmosphären und die Blechstärke 11 Millim. unten am Hauptkessel und 7 Millim. am Sammler, was die Formel δ = 0,9 . Dp + 3 Millim. gibt. Die hinreichend versteiften Rohrstirnwände hatten 14 Millim. Stärke. Sie wogen je exclusive Armatur 5840 Kilogrm., wovon 1260 auf den Sammler entfielen, und kosteten am 1 Mai 1873 mit der Gesammtarmirung aber ohne Rost 4150 Gulden ö. W. Der Rost von 2,4 Quadratmeter wog ca. 1350 Kilogrm. und kostete 400 G. (30 G. per 100 Kilo), beides loco Bahnhof Brandeisl. Geputzt wurde jeder Kessel zweimal während der ganzen Ausstellung, aber nach 4 bis 5 Tagen und längstens jede Woche wegen des schlechten Wassers gänzlich abgeblasen, was wegen des möglichen Betriebswechsels leicht geschehen konnte. Tedesco's Dreirohr-Kessel. Textabbildung Bd. 213, S. 374 Dieselbe Fabrik, welche die eben beschriebenen Röhrenkessel brachte, zeigte auch in ihrem Kesselhause die Zeichnung eines Dreirohr-Kessels und theilte mir über schriftliche Anfrage mit, daß sie bereits 7 Stück dieses Systemes theils ausgeführt hat und theils eben anfertigt. Alle drei Rohre sind gleichen Durchmessers (80 Centim.), die beiden oberen liegen im ersten Feuer und sind mit dem unteren, welcher als Gegenstrom-Vorwärmer dient, hinten durch je einen Stutzen verbunden. Ein gemeinsamer Dampfsammler liegt oben querüber, und mancher beachtenswerthe Vortheil scheint mir so erreicht. Dieses System gestattet selbst für höhere Spannungen noch dünne Bleche, bringt den Ausdehnungen kein Hinderniß und trägt die Möglichkeit fabriksmäßiger Erzeugung. Solche Kessel werden gewöhnlich mit 50 Quadratmeter Heizfläche ausgeführt.