Titel: Ueber die chemischen Functionen des Glover-Thurmes der Schwefelsäurefabriken; von Fr. Vorster.
Autor: Fr. Vorster
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CI., S. 411
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CI. Ueber die chemischen Functionen des Glover-Thurmes der Schwefelsäurefabriken; von Fr. Vorster. Vorster, ü. d. chem. Functionen des Glover-Thurmes der Schwefelsäurefabriken. Es ist auffallend, daß die von der englischen chemischen Industrie der Neuzeit geschaffenen Processe verhältnißmäßig wenig ihrem rein chemischen Character nach studirt worden sind, und doch ist es zu einem erfolgreichen Betriebe wünschenswerth, daß diese Lücken möglichst ausgefüllt werden. Im Folgenden habe ich versucht, einen Beitrag zur Kenntniß eines der wichtigsten Apparate der Schwefelsäurefabrikation, des Glover-Thurmes, zu geben. Diese Arbeit, zu der ich durch die Untersuchungen Kuhlmann's über die Wirkungen der schwefeligen Säure auf das Stickoxyd und die salpetrigen Dämpfe angeregt wurde, habe ich in der großen Sodafabrik von James Muspratt and Sons in Widnes (Lancashire) ausgeführt; die mitgetheilten Resultate beruhen durchaus auf Beobachtungen, welche an im Betriebe befindlichen Apparaten gemacht worden sind. Der Denitrirungs- und Concentrationsthurm Glover's ist bekanntlich derjenige Apparat der Schwefelsäurefabriken, der zwischen Brennern und Kammern eingeschaltet: 1) die Concentration der sogenannten Kammersäure durch die Hitze der aus den Schwefelkies- oder Schwefelbrennern abziehenden schwefligen Säure bewirkt; 2) die aus dem Gay-Lussac'schen Absorptionsthurm ausfließende nitrose Schwefelsäure denitrirt, d.h. dieselbe von den Stickstoffverbindungen befreit. Die Einrichtung desselben, wie sie in etwa fünfzehn bis zwanzig Fabriken in Lancashire ausgeführt ist, wurde in Deutschland zuerst von Lunge beschrieben.Dingler's polytechn. Journal, 1871 Bd. CCI S. 341; Bd. CCII S. 448 und 532. Die heißen Schwefligsäuregase der Brenner begegnen einem herabfließenden Strom von Kammer- und nitroser Säure. Die Hitze verdampft einen Theil des Wassers der Säure, während gleichzeitig die in der nitrosen Säure enthaltene salpetrige Säure theilweise zu Stickoxyd, dann aber auch zu Stickstoff reducirt wird, wie dies durch nachstehende Untersuchungen bewiesen wird. Die concentrirte und denitrirte Säure fließt unten aus dem Thurm durch ein seitliches Rohr ab. Um ein Bild der Wichtigkeit dieses Apparates zu geben, bemerke ich, daß derselbe in fast sämmtlichen größeren Schwefelsäurefabriken Englands eingeführt ist und bei weitem die größte Menge aller dort producirten Schwefelsäure concentrirt und denitrirt. Man schätzt die Verbrennung von Schwefelkies in England auf 800000 Tonnen (à 1000 Kilogrm.) jährlich. Nehmen wir an, daß auch nur die Hälfte dieses Quantums in Verbindung mit Glover-Thürmen verarbeitet wird, so entspricht dieses schon der Menge von 550 Mill. Kilogrm. H₂SO₄ (Schwefelsäurehydrat HO, SO₃) pro Jahr. Es ist deshalb unzweifelhaft von Werth für die Behandlung des Thurmes, die chemischen und physikalischen Functionen desselben zu kennen; bisher hat man, soweit mir bekannt, nur Vermuthungen darüber aufgestellt. Die einschlägige Literatur ist sehr spärlich. Selbst die neuesten Werke über Schwefelsäurefabrikation, fo Schwarzenberg in Bolley's Technologie; Fr. Bode: „Beiträge zur Theorie und Praxis der Schwefelsäurefabrikation“ (1872) bringen nichts über den Glover-Thurm. Die Functionen des Glover-Thurmes können von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet werden, bezüglich I. der concentrirenden Thätigkeit und II. der Denitrirung der nitrosen Säure des Gay-Lussac-Thurmes. Beschäftigen wir uns zunächst mit der erstgenannten Function, so finden wir, daß dieselbe zwei Ursachen hat: 1) die Verdampfung des Wassers der eingeführten wasserhaltigen Säure; 2) die Bildung von Schwefelsäure im Thurm. Von großer Wichtigkeit ist außerdem noch der Umstand, daß die durch die Hitze verdampfte oder mechanisch mit übergerissene Schwefelsäure durch Condensation in der Kammer wiedergewonnen wird. In dem Kiesbrennersystem, an welchem die Beobachtungen gemacht wurden, kamen täglich 8900 Kilogrm. Schwefelkies mit 48 Proc. Schwefel zur Verbrennung – entsprechend 4005 Kilogrm. verbranntem Schwefel (45 Proc.) oder 8010 Kilogrm. schwefelige Säure. Diese nimmt bei 0° einen Raum von 2.787929 Liter ein (1 Liter SO₂ = 2,8731 Grm. oder 32 Krith; vergl. dies Journal, 1874 Bd. CCXII S. 147). Bei der Temperatur von 300°, wie dieselbe die Brennergase vor dem Eintritt in den Thurm besitzen, dehnt sich dieses Volumen nach der Formel Vt = vo (1 + at) auf 5.849075 Liter aus. Bei der Bestimmung der schwefeligen Säure in den eintretenden Gasen wurden folgende Resultate erhalten: 7,80 8,15 8,20 7,90 8,10 und 7,80 Volumprocent; im Mittel also 7,99 oder rund 8 Volumprocent. Die Gesammtmenge der Gase, welche täglich in den Thurm eintritt, ist demnach (100 : 8 = x : 5.849075) gleich 73.113437 Liter oder 846,2 Liter in der Secunde. Der Durchmesser des Eintrittsrohres des in Rede stehenden Thurmes (A-Thurm genannt) ist 78 Centim.; der Querschnitt demnach 4780 Quadr. Centim. Die Geschwindigkeit der durch dies Rohr gehenden Gase berechnet sich also auf 117 Centim. pro Secunde. Es tritt nun im Thurm zu diesem Gasgemenge der Dampf des verdampften Wassers der Kammersäure hinzu. Außerdem verdampft, wie später nachgewiesen wird, auch Schwefelsäure. Da jedoch ein geringer Theil der schwefeligen Säure aus dem Gasgemenge durch Bildung von Schwefelsäure entfernt wird und diese das Quantum der verdampften Schwefelsäure theilweise ersetzt, so können wir die Verdampfung der Schwefelsäure bei unserer Berechnung außer Acht lassen, ohne einen nennenswerthen Fehler zu begehen. 1 Liter der austretenden Gase enthielt 0,033 0,028 0,029 Grm. Wasserdampf; im Mittel 0,03 Grm. oder bei der Temperatur der austretenden Gase von 75° 47,4 Kub. Centim. Sehen wir hier von der geringen Verschiedenheit des Druckes ab, so enthalten die austretenden Gase also 4,74 Volumprocent Wasserdampf. Wie früher nachgewiesen, treten in der Secunde 846,2 Liter Gasgemenge in den Thurm ein. Sie kühlen sich hier bis auf eine Temperatur von 75° ab und reduciren sich dabei auf 514 Liter. Die Quantität des in der Secunde durchgehenden Wasserdampfes bestimmt sich demnach aus (514 + x)/x = 100/4,74 mit x = 25,6 Liter. Das Gesammtvolumen der dem Thurm per Secunde entströmenden Gase stellt sich demnach auf 514 + 25,6 = 539,6 oder rund 540 Liter, und die Geschwindigkeit des Gasstromes bei der Rohrweite von 78 Centim. auf 113 Centim. pro Secunde. Diese 25,6 Liter Wasserdampf wiegen 16,2 Grm.; in 24 Stunden werden also im Thurme 1399,7 oder rund 1400 Kilogrm. Wasser verdampft. Während siebzehn Tagen wurden auf einen anderen Thurm (C-Thurm genannt) der Muspratt'schen Fabrik 33 Eggs (Schwefelsäurebehälter zum Aufpumpen der Schwefelsäure durch comprimirte Luft) nitrose Säure gepumpt, deren Durchschnittsstärke 146,7° Twaddle (1,733 spec. Gew.) war. Während der gleichen Zeit ließ man 220 Eggs Kammersäure durch den Thurm fließen. Die Durchschnittsstärke der letzteren war 128,5° Tw.; die Stärke beider Säuren zusammen 130,9° Tw. = 1,65 spec. Gew., entsprechend einem Gehalt von 73 Proc. H₂SO₄ Die mittlere Stärke der während derselben Zeit ausfließenden concentrirten Säure war 135,5° Tw. = 1,6775 spec. Gew., was einem Gehalt von 75,1 Proc. H₂SO₄ (HO, SO₃) entspricht. 1 Egg enthält 1600 Liter, die 253 Eggs Nitrate und Kammersäure zusammen also 404800 Liter oder 667920 Kilogrm. Dieselben enthalten 27 Proc. – 180338 Kilogrm. Wasser und 73 Proc. – 487581 Kilogrm. H₂SO₄. Da das Quantum H₂SO₄ in der einlaufenden und in der ausfließenden Säure nahezu dasselbe ist, und die letztere 75 Proc. H₂SO₄ enthält, so berechnet sich die Menge derselben auf 100/75 × 487581 = 650108 Kilogrm., welche 162527 Kilogrm. Wasser enthalten. Also sind enthalten: in der einlaufenden Säure 180338 Kilogrm. Wasser  „   „  ausfließenden   „ 162527     „               „ ––––––– Differenz   17811     „               „ die während 17 Tagen im Thurm verdampft sein müssen oder pro 24 Stunden: 1048 Kilogrm. Wasser. Der Querschnitt des A-Thurmes ist nun 89 Quadratfuß engl. (8,28 Qu. Meter), der des C-Thurmes 49 Quadratfuß (4,55 Qu. Meter.) Einer Verdampfung von 1400 Kilogrm. Wasser täglich im A-Thurm würde eine solche von 770 Kilogrm. Wasser täglich im C-Thurm entsprechen. Die Differenz der letzteren Zahl von der praktisch gefundenen von 1048 ist vollständig erklärlich durch den Umstand, daß im C-Thurm wesentlich Kammersäure concentrirt wird, welche ihr Wasser leichter abgibt als die concentrirte Säure des A-Thurms, der nur starke Säure für den Gay-Lussac-Thurm zu liefern bestimmt ist. Aus den später folgenden directen Versuchen im Laboratorium geht hervor, daß die Menge der im Thurm gebildeten Schwefelsäure nur gering sein kann. Wahrscheinlich ist sie nicht größer, als der Reduction der Stickstoffverbindungen des Sauerstoffes entspricht. Wir wollen nun sehen, welche Resultate auf praktischem Wege durch Beobachtungen am Thurm selbst erreicht werden. Innerhalb siebzehn Tagen wurden 147 Eggs nitrose Säure mit einem Durchschnittsgebalt von 1,91 Proc. Stickstofftrioxyd = NO₃ (salpetrige Säure: NO₃) auf den A-Thurm gepumpt. 147 Eggs oder 235200 Liter (spec. Gew. = 1,75) wiegen 411600 Kilogrm., welche soviel Stickstoffverbindungen enthalten als 7861,5 Kilogrm. NO₃ entsprechen. Unter der Annahme, daß die Bildung der Schwefelsäure nur nach der Formel: N₂O₃ + SO₂ = SO₃ + N₂O₂ oder NO₃ + SO₂ = SO₃ + NO₂ vor sich geht, würden hieraus 8275 Kilogrm. Schwefelsäure oder pro Tag 487 Kilogrm. SO₃ gebildet werden. Im Ganzen waren während derselben Zeit von siebzehn Tagen 165 Eggs Schwefelsäure überhaupt (nitrose und Kammersäure zusammen) auf den A-Thurm gekommen. Diese Menge ist gleich 264000 Liter = 448800 Kilogrm. oder (die Säure zu 63 Proc. SO₃ gerechnet) – 282744 Kilogrm. 80g. Somit würde die Menge der gebildeten SO₃ (8273 Kilo oder 487 Kilo täglich) = 2,9 Proc. der gesammten den Thurm durchströmenden Säure betragen. Es werden täglich 8010 Kilogrm. SO₂ in den Thurm eingeführt. 487 Kilogrm. gebildete SO₃ würden 388 Kilogrm. SO₂ entsprechen, oder die Gase müßten 4,84 Proc. SO₂ verlieren. Da die Eintrittsgase 8 Volumprocente SO₂ enthalten und 4,84 oder rund 5 Procent zur Bildung von 80g abgeben, so würden dieselben nur noch 7,6 Volumprocente SO₂ enthalten können. Es tritt nun eine Verdünnung der im Thurm befindlichen Gase durch Wasserdampf ein und zwar enthalten die austretenden Gase, wie bemerkt, 4,74 Proc. Wasserdampf. Der Gehalt der Gase an SO₂ nach dem Zutreten des Wasserdampfes ist demnach (4,74 + 95,26)/95,26 = 7,6/x woraus x = 7,23 Volumprocent SO₂. Bei 6 directen Bestimmungen der SO₂ in den Austrittsgasen wurden folgende Resultate erhalten: 7,12 7,03 7,10 6,87 7,05 7,12; im Mittel also 7,05 Volumprocent. Wenn wir nun berücksichtigen, daß die SO₂ die Stickstoffverbindungen des Sauerstoffes theilweise weiter wie bis auf N₂O₂ (NO₂) reduciren, so erklärt dies vollkommen die Differenz von 0,18 Volumprocent zwischen der berechneten und praktisch gefundenen Zahl. Bei vorstehender Berechnung ist von dem geringen Einfluß, welchen die Bildung des Stickoxydes resp. der salpetrigen Säure auf das Volum der Gase ausübt, als bei Behandlung einer technischen Frage unwesentlich, abgesehen worden. Die Bildung der Schwefelsäure im Glover-Thurm in der Art der Schwefelsäurebildung der Bleikammern durch Regeneration der salpetrigen Säure dürfte hiemach als nicht wahrscheinlich anzusehen sein. Zu den wesentlichen Vortheilen des Glover-Thurmes gehört nun außer den besprochenen beiden Punkten, der Verdampfung des Wassers und der Bildung von Schwefelsäure, noch die Wiedergewinnung der beim Concentriren verdampften Schwefelsäure. Die Bedeutung dieses Vortheiles läßt sich am besten bei Betrachtung der Verhältnisse im großen Maßstabe des Betriebes beurtheilen. Während 28 Tagen wurden auf den A-Thurm: 223 Eggs nitrose Säure von 148,3° Tw. und 123 Eggs Kammersäure von 126,3° Tw. gepumpt. Die Durchschnittsstärke beider Säuren zusammen ist 104,4° Tw. = 1,702 spec. Gew. und entspricht einem Gehalt von 77,5 Proc. H₂SO₄ (HO, SO₃). Diese 346 Eggs oder 553600 Liter = 941120 Kilogrm. enthalten 729368 Kilogrm. H₂O₄. Alle denitrirte und eingedampfte Säure, welche unten am Thurm auslief, wurde auf den Gay-Lussac'schen Absorptionsthurm gepumpt. Es waren dies 313 Eggs von durchschnittlich 150° Tw. = 500800 Liter = 876400 Kilogrm. Jedoch ist zu dieser Menge die Schwefelsäure zuzurechnen, welche zur Zersetzung des Salpeters im Salpeterofen der Brenner diente, um das gesammte Quantum der am Fuße des Thurmes auslaufenden Säure zu erhalten. Es beträgt der Verbrauch von Schwefelsäure zur Salpeterzersetzung in 28 Tagen 2352 Liter oder 4116 Kilogrm. Dies zu obigen 876400 Kilogrm. zuaddirt gibt 880516 Kilogrm. Schwefelsäure von 1,75 spec. Gew. (81,5 Proc. H₂SO₄) oder 717620 Kilogrm. H₂SO₄. Demnach sind eingeflossen in den Thurm 729368 Kilogrm. H₂SO₄ ausgelaufen 717620 ––––––– Differenz 11748 was einen Verlust in 24 Stunden von 419 Kilogrm. H₂SO₄ repräsentirt. Nun ist schon gezeigt worden, daß täglich 485 Kilogrm. SO₃ entsprechend 594 Kilogrm. H₂SO₄ im Thurm gebildet werden. Die letztere Zahl zu obigen 419 addirt gibt als täglich im Thurm verdampfte Schwefelsäuremenge 1013 Kilogrm. Es werden also täglich 3,89 Proc. der durch den Thurm fließenden Schwefelsäure verdampft. Wir kommen nun zur zweiten wichtigen Function des Glover-Thurmes: Denitrirung der nitrosen Schwefelsäure des Gay-Lussac'schen Absorptionsthurmes. Bei Betrachtung dieser Wirksamkeit sind zwei Fragen zu beantworten: 1) Werden alle Nitroverbindungen durch die Einwirkung der schwefligen Säure ausgetrieben? 2) Findet dabei eine Reduction der in der nitrosen Schwefelsäure enthaltenen salpetrigen Säure zu Stickoxydul oder zu Stickstoff statt? Wenden wir uns zur Beantwortung der ersten dieser Fragen, so beweisen die nachfolgenden Untersuchungen, daß schweflige Säure ohne Zutreten von Wasser eine vollständige Zersetzung der nitrosen Säure bewirkt, so daß in der denitrirten Schwefelsäure ein einziger Tropfen Chamäleonlösung Rothfärbung hervorruft. In der Praxis würde dasselbe Resultat erreicht werden können, jedoch wäre es nicht vortheilhaft, die nitrose Säure so lange der Wirkung der heißen schwefligen Säure auszusetzen, bis alle Nitroverbindungen ausgetrieben sind. Man läßt im Großen die Säure daher mit einem Gehalt von 0,05 Proc. N₂O₃ (NO₃) ablaufen. Die Production an Sulfat in der Fabrik von James Muspratt and Sons ist durchschnittlich 210 Tonnen pro Woche. Diese Menge entspricht unter Berücksichtigung der Verluste und dem Gehalt des Sulfates an 95 Proc. Na₂SO₄ (NaO, SO₃) einem Quantum von 173 Tonnen = 173000 Kilogrm. Schwefelsäure von 1,7 sp. Gew. oder der Verlust an salpetriger Säure in der aus dem Thurm ablaufenden Schwefelsäure ist also nur 12,3 Kilogrm. täglich. In dieser Beziehung ist also der Verlust an Nitroverbindungen nicht groß; anders stellt es sich jedoch bei Beantwortung der zweiten Frage: Findet eine Reduction der in der nitrosen Schwefelsäure enthaltenen salpetrigen Säure zu Stickoxydul oder zu Stickstoff oder beiden zugleich statt und unter welchen Bedingungen? Es war bei Behandlung dieses Punktes nicht möglich, am Thurm selbst zu arbeiten, da es darauf ankam, die Zersetzungsproducte einer genauen quantitativen Bestimmung zu unterwerfen und diese Bestimmung am Thurm selbst durch die Anwesenheit des Stickstoffes der Luft unmöglich gemacht wurde. Die nachfolgenden Untersuchungen wurden im Laboratorium ausgeführt und dabei die Bedingungen, unter denen gearbeitet wurde, verschieden gestellt, um so ein möglichst vollständiges Bild der Erscheinungen, wie sie im Glover-Thurm vorkommen können, zu haben. Ich arbeitete mit nachstehend beschriebenem Apparate. In einem 500 Kub. Centim. enthaltenden Glaskolben wurden etwa 400 Grm. concentrirte Schwefelsäure und 150–200 Grm. reiner Kupferdraht gebracht. In die eine Durchbohrung des Kautschukstopfens war eine lange Sicherheitsröhre eingeführt, die gleichzeitig auch zur Verbindung mit einem Kohlensäure-Entwickelungsapparat diente; das Glasrohr der anderen Durchbohrung führte die entwickelte schweflige Säure ab. Das Gas trat in eine Waschflasche, die zum vierten Theil mit einer concentrirten Lösung von schwefelsaurem Natrium angefüllt war, um etwa mitgerissene Schwefelsäure zurückzuhalten, und dann in die Zersetzungsflasche, welche die zu denitrirende nitrose Schwefelsäure enthielt. Das Schwefligsäuregas zuführende Rohr ging bis auf den Boden der Flasche; das Gas hatte also die nitrose Säure zu durchstreichen. Ein bis in die Flüssigkeit reichendes Thermometer diente zur Beurtheilung der Temperatur der Säure. Aus der Zersetzungsflasche wurden die entstandenen Gase in eine Woulfe'sche Flasche geleitet, die mit starker Kalilauge halb gefüllt war. In den zweiten Hals der Woulfe'schen Flasche war ein bis auf den Boden derselben reichendes Glasrohr eingeführt, welches mit einem Sauerstoff-Gasometer in Verbindung stand. Die aufsteigenden Luftblasen ließen das Verhältniß erkennen, in welchem die schwefligen und nitrosen Gase mit dem Sauerstoff gemischt wurden. Die in den dritten Hals der Woulfe'schen Flasche eingebrachte Röhre führte die Gase ab. Dieselben hatten nun eine Reihe von drei mit Kalilauge gefüllten Absorptionsflaschen zu passiren. Den Schluß des Apparates bildete eine mit starker Eisenvitriollösung halb gefüllte Flasche, die als Indicator diente, ob Nitroverbindungen (NaO₃ und N₂O₂ entspr. NO₃ und NO₂) durch die Kalilauge unabsorbirt entwichen. Die gesammten Verbindungen der Flaschen waren aus Glasröhren, Kautschukschläuchen und Kautschukstopfen völlig dicht hergestellt. 1. Versuch. Die Zersetzungsflasche enthielt 200 Kub. Centim. nitrose Schwefelsäure, welche durch Einleiten von salpetriger Säure in reine concentrirte Schwefelsäure hergestellt war. Durch das Sicherheitsrohr der Schwefligsäure-Entwickelungsflasche wurde ein Strom von Kohlensäuregas längere Zeit durch alle Theile des Apparates geleitet, bis die Luft aus demselben völlig verdrängt war. Darauf wurde die in der Zersetzungsflasche befindliche nitrose Schwefelsäure auf eine Temperatur von 120° (der Temperatur der aus dem Glover-Thurm auslaufenden denitrirten Säure) erhitzt. Sobald die Entwickelung der schwefligen Säure begann, ließ ich in die Woulfe'sche Flasche Sauerstoff eintreten. Es entwickelten sich in der Zersetzungsflasche vollkommen farblose Dämpfe, die sofort beim Zusammentritt mit dem Sauerstoff in der Woulfe'schen Flasche roth wurden. Die Farbe der nitrosen Schwefelsäure ging in ein prachtvolles Smaragdgrün über, nach einiger Zeit in Roth, welches bis zur Undurchsichtigkeit dunkel wurde. Im Zusammenhang mit diesen Farbenerscheinungen stand die Gasentwicklung. Beim dunkelsten Roth war dieselbe am stärksten und stiegen in der gesammten Säure kleine Bläschen auf. Nach halbstündiger Einwirkung der schwefligen Säure wurde die Farbe der in der Zersetzungsflasche befindlichen Säure hell; die Gasentwickelung hörte nach der Entfärbung auf. Es wurde nun die Einleitung von schwefliger Säure unterbrochen und längere Zeit ein Kohlensäurestrom durch alle Theile des Apparates geleitet, um sämmtliche absorbirbaren Nitroverbindungen in die Kalilauge zu führen. Erhalten wurden 213 K. C. denitrirte Schwefelsäure von 139° Tw. = 1,695 spec. Gew. Da die Säure vor dem Versuch ein spec. Gewicht von 1,75 gehabt hatte, war eine Verdünnung erfolgt; offenbar waren die Gase nicht trocken gewesen. Die Säure war vollkommen von Nitroverbindungen befreit, so daß die ersten Tropfen Chamäleonlösung eine Rothfärbung bewirkten. Die Bestimmungen der Nitroverbindungen bei diesem Versuch wurden nach der Pelouze'schen Methode ausgeführt. Die durch Anwendung dieser Methode mit reinen Kalisalpeter erhaltenen Resultate waren jedoch nicht vollkommen übereinstimmend; dieselbe wurde deshalb bei den späteren Versuchen nicht wieder angewendet. Immerhin mögen jedoch die Resultate des ersten Versuches angeführt werden, um ein Bild der Zersetzung zu geben. 5 K. C. nitrose Schwefelsäure wurden nach der Winkler'schen Methode mit viel Schwefelsäure verdünnt, diese in eine größere Menge ausgekochten kalten Wassers gegossen, so daß keine Nitroverbindungen entwichen, mit Ammoniak neutralisirt, die salpetrige Säure durch Chlor zu Salpetersäure oxydirt und das Chlor in einem Kolben mit senkrechter langer Glasröhre weggekocht. Angewendetes Doppeleisensalz 5,937 Grm. Nach der Oxydation im Pelouze'schen Apparat waren 42,2 K. C. Zehntelnormalchamäleonlösung erforderlich, demnach 4,249 Grm. Eisensalz verbraucht, entsprechend 0,137 Grm. N₂O₃ (NO₃) in 5 K. C. oder 5,48 Grm. in 200 K. C. Der Inhalt der Absorptionsflaschen auf 500 K. C. gebracht und in einem aliquoten Theil die N₂O₃ in gleicher Weise bestimmt, wie bei der Nitrosen Schwefelsäure, ergab 2,46 Grm. N₂O₃. Also enthalten in der angewendeten Nitrosen Schwefelsäure 5,48 Grm. N₂O₃ absorbirt in der Kalilauge 2,46 Grm. N₂O₃ ––––––––––––– Verlust 3,02 Grm. N₂O₃ oder 55,1 Procent. Die Eisenvitriollösung der letzten Flasche war unverändert geblieben, also kein Stickoxyd – oder Salpetrigsäuregas verloren gegangen. Es zeigt dieser Versuch neben obigem Verlust an Nitroverbindungen, auch die Reduction der in der nitrosen Säure enthaltenen salpetrigen Säure oder Untersalpetersäure mindestens zu Stickoxyd, da die in der Zersetzungsflasche entwickelten Gase farblos waren, sowie die Bildung von Schwefelsäure (wenigstens theilweise) nach der Gleichung N₂O₃ + SO₂ = N₂O₂ + SO₃. 2. Versuch. Alle Bestimmungen von Nitroverbindungen wurden von nun an nach der Methode Siewert-Harcourt ausgeführt, also die Nitroverbindungen durch Zink und Eisen in alkalischer Lösung in Ammoniak verwandelt, und in Normalschwefelsäure aufgefangen. Die Stickstoffverbindungen wurden sämmtlich auf N₂O₅ (NO₅) berechnet. Es gewährt diese Methode den Vortheil, daß es gleichgültig ist, ob in den zu untersuchenden Verbindungen Stickoxyd, salpetrige Säure, Untersalpetersäure oder Salpetersäure enthalten ist; alle liefern die äquivalente Menge Ammoniak. Der beim ersten Versuch angewendete Apparat wurde in der Weise abgeändert, daß statt der ersten Waschflasche eine URöhre eingeschaltet wurde, deren Schenkel mit schwefelsaurem Natrium in Stücken, der untere gekrümmte Theil aber mit concentrirter Schwefelsäure beschickt war. Statt Kalilauge wurde zur Absorption starke Natronlauge angewendet und die Absorptionsflaschen auf vier vermehrt. Die Zersetzungsflasche enthielt 100 K. C. reiner nitroser Schwefelsäure. Sobald die Temperatur der Zersetzungsflasche auf 120° gestiegen war und die Entwicklung der schwefligen Säure begonnen hatte, färbte sich die nitrose Säure gelb, dann fast momentan tief grün bis zur Undurchsichtigkeit, darauf tiefroth, sodann prachtvoll blau. Das Blau wurde nach halbstündiger Einwirkung der schwefligen Säure lichter; die Farbe ging in Grün über und schließlich wurde die Säure wieder farblos. Das entwickelte, mit der schwefligen Säure aus der Zersetzungsflasche tretende Gas war farblos, wurde aber beim Sauerstoffzutritt in der Woulfe'schen Flasche sofort braunroth. Die Absorption der Gase in der ersten Absorptionsflasche war höchst energisch, so daß die Temperatur derselben bis auf 100° stieg. Die Farbe der Eisenvitriollösung der letzten Flasche blieb unverändert, also waren kein Stickoxyd oder salpetrige Säure unabsorbirt verloren gegangen. Die Menge der denitrirten Säure betrug wieder 100 K. C., das specifische Gewicht war jedoch 1,79 statt 1,75 vor dem Versuch. Es hatte sich also Schwefelsäure gebildet. Die Säure war frei von Nitroverbindungen, so daß Chamäleonlösung sofort Rothfärbung bewirkte. 10 K. C. von der in der Zersetzungsflasche angewendeten Nitrosen Säure wurde mit concentrirter Schwefelsäure und viel Wasser verdünnt, mit reiner Natronlauge übersättigt und eingedampft; in der rückständigen Salzmasse die Nitroverbindungen. Zur Sättigung des abdestillirten Ammoniaks wurden 7,9 und 8,1 K. C. Normalschwefelsäure verbraucht, im Mittel 8 K. C. entsprechend 4,32 Grm. N₂O₅ in 100 K. C. nitroser Schwefelsäure. Der Inhalt der Absorptionsflaschen wurde auf 1 Liter gebracht und in je 100 K. C. die Nitroverbindungen nach der Siewert-Harcourt'schen Methode bestimmt; es waren 5,3 und 5,5 K. C. Normalschwefelsäure, im Mittel 5,4 K. C. erforderlich, entsprechend 2,916 N₂O₅ in der gesammten Natronlauge. Die angewendeten nitrosen Säuren enthielten Nitroverbindungen entsprechend 4,32   Grm. N₂O₅ von der Natronlauge absorbirt 2,916 Grm. N₂O₅ ––––––––––––––– Demnach Verlust 1,414 Grm. N₂O₅ oder 32,5 Procent. Vorstehende beide Versuche constatiren demnach, daß reine schweflige Säure auf nitrose Säure von 120° einwirkend die Stickstoffverbindungen des Sauerstoffes in der letzteren theilweise weiter wie bis zu Stickoxyd reduciren, daß diese Reduction also theilweise bis auf Stickoxydul oder Stickstoff gehen muß. Es war bei diesen Versuchen der Sauerstoff ausgeschlossen gewesen; anders konnte nun das Resultat sein, wenn wie im Glover-Thurm Sauerstoff zugegen war und zwar in einer Menge, welche mehr wie genügte, um alles Stickoxyd in salpetrige Säure zu oxydiren. Um die dann eintretenden Erscheinungen zu studiren, wurde als 3. Versuch der Apparat in folgender Weise abgeändert: Die in der ersten Flasche entwickelte schweflige Säure trat aus dem URohr in die obenerwähnte Woulfe'sche Flasche, wo sie mit atmosphärischer Luft gemischt wurde; der Boden dieser Flasche war mit concentrirter Schwefelsäure bedeckt. Darauf erst traten die gemengten Gase in die auf 120° erhitzte nitrose Schwefelsäure der Zersetzungsflasche ein. Die Absorption der schwefligen Säure und Nitroverbindungen geschah wie vorher in vier Natronlauge enthaltenden Absorptionsflaschen. Das specifische Gewicht der Nitrosen Schwefelsäure war 1,769 . 100 K. C. enthielten soviel Nitroverbindungen, als 2,754 Grm. N₂O₅ entsprechen. Hiervon wurden 100 K. C. in die Zersetzungsflasche gebracht, mit der Entwicklung von SO₂ und Zuführen von Luft in die Woulfe'sche Flasche begonnen und die Zersetzungsflasche langsam erhitzt. So lange die Temperatur 100° nicht überschritt, veränderte sich die Farbe der nitrosen Säure nicht und es war keine Entwickelung rother Dämpfe wahrnehmbar. Die Temperatur wurde auf 140° erhöht und die schwefligsaure-Entwickelung beschleunigt. Die Farbe der Säure ging nun zuerst in stahlblau, dann in tiefblau über; es entwickelten sich heftig Bläschen in der Flüssigkeit. Die Farbe der über letzterer befindlichen Gase war braunroth. In dem zur ersten Absorptionsflasche führenden weiten Glasrohr bildeten sich krystallinische Abscheidungen (Bleikammerkrystalle), was bei den vorigen Versuchen nicht geschehen war. Nach halbstündiger Einwirkung der gemischten Gase erblaßte die Farbe und blieb hellgelb. Der Versuch wurde unterbrochen und längere Zeit langsam Luft durch den Apparat geleitet, um alle absorbirbaren Gase zu lösen. Die Eisenvitriollösung war wieder hell geblieben. Der Inhalt der Zersetzungsflasche wurde gemessen; er betrug 102 K. C., das specifische Gewicht der Säure war 1,776. Da eine Schwefelsäure von 1,776 specif. Gew. einen Gehalt von 84 Proc. H₂SO₄, eine solche von 1,769 einen Gehalt von 83 2 Proc. H₂SO₄ entspricht, so hatte sich – unter Berücksichtigung der Volumvermehrung und da 1,57 Grm. N₂O₃ verflüchtigt waren – (2,754 – 0,5288 Grm. N₂O₅) 3,81 Grm. H₂SO₄ gebildet. Bei der Bestimmung der noch in der denitrirten Säure enthaltenen Stickstoffverbindungen wurden bei Anwendung von 25 K. C. derselben 2,4 K. C. Normalschwefelsäure durch das abdestillirte Ammoniak gesättigt, entsprechend 0,1296 Grm. N₂O₅ oder in 102 K. C. 0,5288 Grm. N₂O₅. Die Natronlauge der Absorptionsflaschen enthielt im Mittel 0,6143 Grm. N₂O₅ entsprechende Nitroverbindungen. Enthalten in der angewendeten nitrosen Säure    Nitroverbindungen entsprechend 2,754   Grm. N₂O₅ Von der Natronlange absorbirt 0,6143 Grm. N₂O₅ Noch in der denitrirten Säure    enthalten 0,5288 Grm. N₂O₅ 1,1431 Grm. N₂O₅ ––––––––––––––– ––––––––––––––– Verlust 1,6109 Grm. N₂O₅ oder 58,5 Procent. Also auch bei Gegenwart von überschüssigem Sauerstoff (atmosphärische Luft) ist die Reduction weitergehend wie zu Stickoxyd. (Schluß folgt.)