Titel: Ueber das Petroleum als Beleuchtungsmaterial, seine Verunreinigungen und die durch letztere veranlasste Entwickelung gesundheitsschädlicher Gase während des Verbrennens; von Dr. H. Vohl in Cöln.
Autor: Hermann Vohl
Fundstelle: Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 48
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Ueber das Petroleum als Beleuchtungsmaterial, seine Verunreinigungen und die durch letztere veranlasste Entwickelung gesundheitsschädlicher Gase während des Verbrennens; von Dr. H. Vohl in Cöln. Vohl, über Petroleum. Unter den ätherischen Beleuchtungsmaterialien nimmt unstreitig das Petroleum die erste Stelle ein. Es hat durch seinen billigen Preis und seine verhältnißmäßig bedeutende Leuchtkraft fast alle anderen Beleuchtungsstoffe ähnlicher Art in den Hintergrund gedrängt. Der sehr große Verbrauch desselben zu Beleuchtungszwecken in geschlossenen Räumen — und besonders in kleinen, mit schlechter Ventilation versehenen Räumlichkeiten des Arbeiters und Handwerkers drängen uns die Frage auf, ob beim Verbrennen des Petroleums sich keine der Gesundheit schädlichen Gase und Dämpfe entwickeln, und zwar zunächst, ob das rohe Petroleum an und für sich schon solche schädlich werdende Stoffe enthält, welche durch die Reinigung nicht beseitigt werden, oder aber ob den Oelen während der Reinigung solche Substanzen zugeführt werden, welche beim Verbrennen schädliche Producte entwickeln. Die verschiedenen Rohpetroleumsorten, welche hauptsächlich bei der Bereitung des Leuchtöles zur Verwendung kommen, sind: 1) amerikanisches Petroleum (pennsylvanisches und canadisches Petroleum); 2) europäisches Petroleum, besonders galizisches und wallachisches Oel und 3) asiatisches, nämlich persisches, russisches und ostindisches Petroleum, letzteres unter dem Namen Rangoon-Oel von Burmah bekannt. Die persischen und russischen Oele haben wenig Bedeutung für uns — ebenso das Rangoon-Oel, welches nur in England zur Verwendung kommt. Der einzige Bestandtheil des Rohpetroleums, welcher bei der Verbrennung gesundheitschädliche Dämpfe liefern kann, ist der Schwefel. Kein Petroleum ist frei davon; manches Oel, z. B. das pensylvanische, enthält äußerst geringe Mengen Schwefel, andere Sorten aber so viel, daß ihre Reinigung eine höchst schwierige ist und mit großer Vorsicht ausgeführt werden muß. Der ursprünglich in dem Rohpetroleum vorkommende Schwefel wird in den meisten Fällen durch Behandeln mit Säuren und Alkalien beseitigt; die Oele jedoch, welche erhebliche Mengen geschwefelter Kohlenwasserstoffe enthalten, müssen mit energisch wirkenden Substanzen, z. B. Chromsäure, Chlor, Salpetersäure u. a., behandelt werden. In vielen Fällen wird das Petroleum durch die sogen, kalte Behandlung mit Schwefel in der Form von Schwefelsäure und Unterschwefelsäure geschwängert. Es ist dies besonders dann der Fall, wenn man in dem Brennöle eine erhebliche Quantität Paraffinöl läßt und durch die dunkle Farbe zu einer nachträglichen Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure gezwungen ist. Auf diese Weise behandelte Oele enthalten oft so erhebliche Mengen Schwefelsäure, daß das Verbrennen in geschlossenen Räumen schädliche Einwirkungen hervorrufen kann. Die Schwefelsäure verbindet sich zum Theil mit dem schweren Paraffinöl zu einer Verbindung, welche in dem übrigen Oele löslich ist und weder durch Behandeln mit Wasser, noch durch Alkalien zersetzt wird, so daß ein nachheriges Behandeln mit diesen Substanzen keine Garantie für die Abwesenheit des Schwefels resp. der Unterschwefelsäure bietet. Werden derart behandelte Oele der Destillation unterworfen, so gehen zuerst die hellen Brennöle über; doch folgt sehr bald eine lebhafte Entwickelung von schwefeliger Säure unter oft starker Färbung des Retorteninhaltes. Zuletzt, nachdem eine geringe Ausscheidung von Schwefel im Retortenhalse erfolgt ist, tritt Schwefelwasserstoff auf, und es bleibt eine sauer reagirende kohlige Masse zurück. Um einen Schwefelgehalt rasch festzustellen — mag er nun als geschwefelter Kohlenwasserstoff oder als Schwefelsäure in dem Oele enthalten sein — erhitzt man etwas Oel in einem Reagirgläschen mit einem Stückchen Kalium oder Natrium längere Zeit zum Sieden. Ueberzieht sich die blanke Oberfläche des Alkalimetalles mit einer gelblichen Schicht, so kann man sicher auf einen Schwefelgehalt des Oeles schließen. Nach dem Erkalten setzt man nun einige Tropfen destillirtes Wasser zu, wodurch das überschüssige Alkalimetall oxydirt wird und der Schwefel als Schwefelkali in wässerige Lösung übergeht. Alsdann rührt man die Flüssigkeit mit einem in Nitroprussidnatrium-Lösung getauchten Glasstab um. Bei dem geringsten Schwefelgehalt wird sich die Flüssigkeit sofort prächtig violettblau färben. Zur quantitativen Bestimmung des Schwefels muß eine abgewogene Menge des fraglichen Oeles in Dampfform über glühenden Aetzkalk getrieben werden. Man bestimmt in dem erkalteten Kalk die Schwefelsäure resp. schwefelige Säure als schwefelsauren Barit. Selbstverständlich muß der zur Anwendung kommende Kalk vollständig schwefelfrei sein. Ich lasse hier die erzielten Resultate einer Reihe von Petroleumbrennöl-Untersuchungen, welche ich im Auftrag einer königlichen Behörde ausführte, folgen. Außer dem Schwefel- resp. Schwefelsäure-Gehalt wurden bei diesen Untersuchungen noch bestimmt: a) das specifische Gewicht des Oeles bei + 15° R. (18,75° C.) Wasser = 1,000; b) die Temperatur (in Reaumurgraden), bei welcher das fragliche Oel leicht entzündliche Dämpfe entwickelte; c) der Gehalt an leichtflüssigen Oelen (Essenz) von 0,740 spec. Gew.; d) der Gehalt an schwerem paraffinhaltigem Oel (Paraffinöl) von 0,850 spec. Gew. und + 15° R. Erstarrungstemperatur; e) Verbrauch an Oel (in Gramm) pro Stunde bei Anwendung einer Lampe mit Flachbrenner, dessen Docht 18 Millim. breit und 2 Millim. dick war. Die Saughöhe betrug 8 Centimeter. Keine der verschiedenen untersuchten Petroleumbrennölsorten fand sich frei von Schwefel resp. Schwefelsäure, und man kann daher wohl mit Recht annehmen, daß schwefelfreies Petroleumbrennöl zu den Ausnahmen gehört. Nr. Spec. Gew. bei + 15° R. Wasser = 1,000 Entwickelungs-Temper. leicht entz. Dämpfe. Essenzgehalt. Proc. Paraffinölgehalt. Proc. Schwefelsäuregehalt. Proc. Consum pro Stunde Grm. 1 0,780 23½ 24,964 14,195 0,994 16,78 2 0,790 28 18,330 19,519 2,001 15,46 3 0,790 28   3050 5,022 1,884 15,00 4 0,780 27 19,889 14,987 0,946 16,50 5 0,805 24 22,133 28,666 1,560 17,11 6 0,780 23 25,950 9,669 0,876 17,20 7 0,300 27 25,345 11,500 0,998 14,88 8 0,730 22 35,460 11,590 1,014 17,90 9 0,795 23,5 25,203 12,100 0,914 17,12 10 0,795 27 15,233 5,410 0,348 14,50 11 0,800 24 25,575 35,769 3,114 16,00 12 0,730 19 32,440 19,711 1,440 16,14 13 0,7L0 19,5 29,530 28,711 2,100 17,25 14 0,790 19 33,216 26,461 1,210 16,89 15 0,735 18 34,706 3,506 0,346 17,98 16 0,779   8 48,051 20,512 1,950 19,38 17 0,780 19 38,193 23,367 2,146 18,25 18 0,300 27,5 20,950 32,550 2,200 16,50 19 0,798 25,5 20,600 26,480 0,216 17,33 20 0,795 23 21,400 27,140 0,220 17,50 21 0,790 23 25,400 35,440 0,389 14,20 22 0,795 24 24,116 36,830 0,401 14,29 23 0,790 22 36,118 13,400 0,991 17,55 24 0,780 19 35,661 14,014 0,973 17,24 25 0,800 27 16,633 6,880 0,310 15,36 26 0,795 26 18,000 8,446 0,300 16,02 27 0,795 26 17,880 9,001 0,310 15,98 28 0,780   9 48,336 20,330 1,977 19,66 Da Petroleum überall, wo ein ruhiges Licht erforderlich ist, das Leuchtgas mit Recht verdrängt hat und außerdem die Beleuchtung mit Petroleum billiger ist als mit Steinkohlengas, so ist es ganz außer Frage, daß der Consum des Petroleums sich noch erheblich vermehren wird und man deshalb um so mehr sein Augenmerk auf diesen Schwefelsäuregehalt zu richten, bezieh, für die Beseitigung der schädlichen Verbrennungsgase Sorge zu tragen hat. Bei Personen, welche sich des Petroleumlichtes bedienen, treten oft Augenentzündungen und katarrhähnliche Erscheinungen auf, welche durch diese Vebrennungsgase des Petroleums erzeugt werden und wofür der Arzt nicht immer Erleichterung schaffen kann, da ihm die Ursache nicht bekannt ist. Bezüglich der Billigkeit der Beleuchtung mittels Petroleum dem Leuchtgase gegenüber will ich nur das Verhältniß, wie es hier in Cöln stattfindet, angeben. Der Liter Petroleum, etwa 780 Grm. schwer, kostet durchschnittlich 20 Reichspfennig. Eine Lampe von früher angegebenen Dimensionen, welche im Durchschnitt pro Stunde 15 Grm. Petroleum verbraucht und nach dem Bunsen'schen Photometer eine Lichtstärke von 6 Normalkerzen (Millilichter, 10 Stück pro Kilogrm.) gibt, wird also mit einem Liter Oel 52 Stunden gespeist werden können, in der Stunde daher für 20/52 oder nicht ganz 0,4 Pfennig Petroleum consumiren. Ein Kubikmeter Steinkohlengas der hiesigen städtischen Gasanstalt kostet 22 preuß. Pf. (18 ⅓ Reichspf.) Es wird demnach ein Flachbrenner (Fischschwanz), welcher pro Stunde 5 Kubikfuß Gas verbraucht und eine Lichtstärke von 6 Normalkerzen haben soll, (im November d. I. hatte dasselbe nur 5,4 Normalkerzen) pro Stunde für 3,4 preuß. Pf. (2 5/6 Reichspf.) städtisches Gas consumiren, demnach nahezu das 7fache des Petroleumlichtes kosten. Aus der Aufstellung der Untersuchungsergebnisse geht ferner hervor, daß das specifische Gewicht allein keinen Aufschluß bezüglich der Brauchbarkeit und Güte einer Petroleumbrennölsorte gibt, da sehr verschiedenartige Gemenge von Brennöl, Essenz und Paraffinöl ein gleiches specifisches Gewicht resp. das specifische Gewicht von 0,780, wie man es bei guter Waare verlangt, haben können. Von großer Wichtigkeit ist die Temperatur, bei welcher sich aus dem Petroleum leicht entzündliche Dämpfe entwickeln, weil nur diese eine Aufklärung bezüglich der Feuergefährlichkeit liefert. Je niedriger diese Entzündungstemperatur ist, um so feuergefährlicher ist das Petroleum, d. h. um so größer ist der Essenzgehalt. Es sollte kein Petroleumbrennöl in den Handel kommen, dessen Essenzgehalt so hoch ist, daß sich unter + 22 bis 23° R. (27,5 bis 28,75° C.) leicht entzündliche Dämpfe entwickeln. Der größte Theil der durch Explosion von Petroleumlampen entstandenen Unglücksfälle ist lediglich einem zu hohen Essenzgehalt des Petroleums zuzuschreiben. Eine strenge Ueberwachung des Petroleumverkaufes in dieser Hinsicht ist demnach angezeigt. An manchen Orten herrscht die irrige Ansicht, daß ein starker blauer Reflex (blauer Schiller), den manche Petroleumsorten besitzen, ein Zeichen seiner Güte und Brauchbarkeit sei. Dem ist jedoch nicht so. Diese Eigenschaft erhält das Petroleum, wenn es einen bedeutenden Paraffinölgehalt hat. Diesen blauen Reflex besitzen die meisten retinolähnlichen Kohlenwasserstoffe mit hohem Siedepunkt. Sie besitzen ihn von Haus aus und erlangen denselben nicht erst durch ein längeres Lagern resp. durch eine partielle Oxydation.