Titel: | Siemens'scher Chronograph. |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 152 |
Download: | XML |
Siemens'scher Chronograph.
Siemens'scher Chronograph.
Unter den ApparatenEine Beschreibung der neueren unter diesen Apparaten brachte die Zeitschrift
für Mathematik und Physik, 18. Jahrgang, S. 427 ff., mit welchen
die Firma Siemens und Halske
in Berlin die Wiener Weltausstellung beschickt hatte, befand sich auch ein elektrischer Apparat zum Messen der Geschwindigkeit einer Kugel im
Geschützrohr. Derselbe war eine neuere Form des 1844 von Dr. Werner Siemens
angegebenen und in Poggendorff's Annalen, Bd. 66 S. 435 beschriebenenVgl. auch: Kuhn, Handbuch der angewandten
Elektricitätslehre (Leipzig 1866) S. 1182. Chronographen und ist
neuerdings noch in einigen Punkten verbessert worden.
Der neuere sowohl wie der ältere Apparat besteht aus dem eigentlichen Meßapparat, dem
Gewehr (oder Geschütz), einer Anzahl Leydener Flaschen und einem zum Laden der
Flaschen (auf eine Schlagweite von etwa 5 Mm.) erforderlichen Volta-Inductor.
Von der inneren Belegung einer jeden der 6 Flaschen führt ein isolirter Kupferdraht
nach einem der 6 in gleichen Entfernungen (von etwa 15 Cm. ) von einander
angebrachten Löcher im Gewehrlaufe; ein 7. Draht kann von einer 7. Flasche nach der
Aufschlagstelle des Hahnes geführt werden, wenn man die Zeit zwischen der Entzündung
der Ladung und dem Anfang der Bewegung der Kugel mit bestimmen will. Die Löcher sind
der Controle halber von beiden Seiten her durch die Wand des Laufes gebohrt. Ueber
jede durchbohrte Stelle ist ein Messingring gelegt mit zwei den Bohrungen
entsprechenden Vertiefungen, in welche nach dem Einstecken des Drahtes durch
rändrirte Schrauben über den Draht gesteckte Gummiplatten eingepreßt werden, um die
Bohrung luftdicht zu verschließen; bei vorsichtiger Einführung der Drähte bleibt
dieser luftdichte Verschluß auch erhalten, während die Kugel den Lauf durchfliegt.
Bei Geschützen werden die Drähte in etwas anderer Weise in das Rohr eingeführt. Von
den äußeren Belegungen führt ein gemeinschaftlicher isolirter Draht nach einem
Messingrohre, das von einer dicken Hartgummihülle umgeben ist, und in dessen anderes
Ende ein in ein Glasröhrchen eingeschmolzener Platindraht eingesetzt ist. Dieser
durch das Messingrohr mit dem von den äußeren Belegungen kommenden Drähte leitend
verbundene Platindraht steht einer durch eine Terpentinflamme berußten (aufrecht
stehenden) stählernen Trommel des eigentlichen Meßapparates nahe gegenüber und ist
entlang der Trommel verstellbar, damit ohne frische Berußung die Funken bei mehr als
einem Schusse von dem Platindraht auf die Trommel überspringen können. Das Gewehr
liegt auf einem hölzernen Stativ und ist mit dicken Gummistücken versehen zur
Milderung des Zurückprallens beim Schuß; sein Lauf steht in leitender Verbindung mit
der Trommel und deshalb muß der Funke vom Platindraht auf die Trommel überspringen,
sobald die Kugel den dünnen Guttapercha- oder Kautschuküberzug des in den
Lauf eingeführten geladenen Poldrahtes einer inneren Belegung verletzt und so den Draht mit dem Laufe
leitend verbindet. Zur Beurtheilung der Stärke der Ladung der Flaschen ist ein
stellbarer Selbstentlader vorhanden. Die Flaschen stehen in einem inwendig mit
Stanniol belegten, auf isolirenden Füßen ruhenden Kasten, dessen Deckel mit einer
Vorrichtung zur bequemen gleichzeitigen Ladung sämmtlicher Flaschen ausgerüstet
ist.
Das durch ein Gewicht bewegte Uhrwerk, welches die Trommel in Umdrehung versetzt,
befindet sich in einem Messingkasten, auf einem hohen eisernen Stativ. An der
Vorderseite des Kastens befanden sich bei dem 1873 in Wien ausgestellten Apparate
auf zwei Zifferblättern zwei Zeiger, welche die Umdrehungszahlen der Trommel
anzugeben hatten, der eine Zeiger die Hunderter, der andere die Einer. Die Bewegung
der Trommel wird durch den von Dr. Werner Siemens angegebenen und in vielen Telegraphenapparaten
verwendeten Regulator gleichmäßig gemacht. Dieser
RegulatorEine Form dieses Regulators findet sich beschrieben und abgebildet in der
Zeitschrift des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins,
IX Jahrg. S. 207. besteht aus
einem oder zwei Windsflügeln, deren Achse sich in jedem Winkel zu der durch das
Uhrwerk getriebenen Drehachse stellen kann. Auf die Windflügel wirkt an einem Hebel
eine Feder in der Weise, daß bei einer gewissen Normalgeschwindigkeit die
Centrifugalkraft der Windflügel in jeder Lage derselben
gegen die Drehachse durch die Feder von selbst compensirt wird; es nimmt nämlich der
Hebelsarm für die Federwirkung in demselben Verhältnisse zu oder ab wie die
Centrifugalkraft, d. h. proportional dem sinus des
Winkels, unter welchem die Windflügel gegen die Drehachse stehen. Wenn aber auch nur
die geringste Erhöhung der Geschwindigkeit eintritt, so werden die Flügel sogleich
mit bedeutender Kraft in die auf der Drehachse senkrechte Lage geworfen, und
umgekehrt suchen sie sich bei der geringsten Verminderung der Geschwindigkeit der
Achse parallel zu stellen. Durch diese Verstellungen der Flügel aber wird der
Luftwiderstand im ersten Falle bedeutend vermehrt, im zweiten Falle bedeutend
vermindert, die Geschwindigkeit des Werkes daher schnell verlangsamt oder
beschleunigt; der Regulator muß also bei der geringsten Veränderung der
Geschwindigkeit immer rasch wieder das Werk auf die Normalgeschwindigkeit
zurückbringen. An dem Meßapparat für Schießversuche wirkt als Feder ein breites
Stahlblech, welches oben auf dem Kasten angebracht ist. Dasselbe reicht mit dem
einen Ende bis auf die Achse der stählernen Trommel, drückt aber nicht auf diese
Achse selbst, sondern auf einen Stahlstift, der innerhalb der Achse liegt und sich
in derselben frei auf- und abbewegen kann; dieser Stahlstift drückt dann
mittels eines
Hebelwerkes auf die Windflügel. Die Normalgeschwindigkeit selbst aber läßt sich
verändern; ihre Größe hängt nämlich wesentlich von der Stärke der Feder ab und diese
wieder wesentlich von der Länge der Feder. Es läßt sich nun die Klemme, welche das
hintere Ende der Stahlfeder festhält, in einem Schlitten durch eine Schraube
bewegen, und auf diese Weise kann man die Feder merklich verlängern oder verkürzen
und dadurch die für die Messung vortheihafteste Normalgeschwindigkeit der Trommel
herstellen. Bei den jetzigen Apparaten sind die beiden Zifferblätter mit den beiden
Zeigern weggelassen, und es ist dafür ein Hebel angebracht worden, der nach je 100
Umdrehungen der Trommel an eine Glocke schlägt. Mittels dieser hörbaren Signale kann
der Apparat (durch Verlängerung oder Verkürzung der Regulatorfeder) stets auf eine
bestimmte Geschwindigkeit eingestellt werden, so daß dann die Reduction der
einzelnen Versuche auf die nämliche Geschwindigkeit des Werkes wegfällt. Diese
Einstellung auf eine bestimmte Geschwindigkeit läßt sich durch Vergleichung der
Aufeinanderfolge der Glockenschläge mit dem Gange einer Secundenuhr leicht bewirken
und mit beinahe beliebiger Genauigkeit ausführen.
Durch eine mit einem Stift versehene Scheibe an der hinterm Seite des Kastens kann
eine Mikrometerschraube in das Räderwerk ein- und ausgerückt werden. Der Rand
der Schraube ist in 100 Theile getheilt; bei einer ganzen Umdrehung derselben bewegt
sich die stählerne Trommel nur um 1/100 ihrer Peripherie; 1 Scalentheil der Schraube
entspricht daher 1/10 000 des Trommelumfanges. Die Trommel machte bei den älteren
Apparaten im Mittel ungefähr 4200 Umdrehungen in der Minute, also 70 Umdrehungen in
der Secunde; es entspricht daher die Bewegung der Trommel um 1 Scalentheil der
Schraube 1/700 000 Secunde. Die jetzigen Apparate gestatten eine noch größere
Umlaufsgeschwindigkeit der Trommel, nämlich bis zu 150 Umdrehungen in 1 Secunde.
Stellt man das Werk auf 100 Umdrehungen in der Secunde ein, so entspricht ein
Scalentheil der Mikrometerschraube 1/1 000 000 Secunde. Bei den jetzigen Apparaten
steht übrigens die Trommelachse nicht mehr aufrecht, sondern sie liegt horizontal;
hierdurch wird namentlich das Berußen der Trommel merklich bequemer.
Jeder auf die Trommel überspringende Funken erzeugt auf dieser einen kleinen, von Ruß
befreiten Kreis, in dessen Mitte ein scharf begrenzter Punkt die Stelle anzeigt, wo
der Funken übersprang. Die Stärke der elektrischen Ladung läßt sich bei allen
Versuchen stets so bemessen, daß in der Mitte ein einziger, hell leuchtender Punkt
erscheint. Neben dem Glasrohr mit dem Platindraht ist eine auf die Trommel gerichtete Loupe
angebracht. Bei den älteren Apparaten stand die Loupe senkrecht zur Trommelfläche,
bei den jetzigen schief gegen dieselbe, so daß das Licht, welches in die Loupe
fällt, vorher von der Trommel reflectirt wird; dadurch ist eine bessere Beleuchtung
der Funkenbilder auf der Trommel erzielt worden.
Die Zeit nun, welche zwischen dem Ueberspringen zweier aufeinanderfolgenden Funken
verflossen ist, wird so bestimmt, daß man die Mikrometerschraube in das Räderwerk
einrückt und durch vorsichtiges Drehen derselben die beiden von den Funken
gebildeten Punkte nach einander in das Fadenkreuz der Loupe bringt und abliest, wie
viel Scalentheile der Schraube der Entfernung der Punkte entsprechen. Einige Zeit
vor dem Schuß wird das Werk in Gang gesetzt und mit der Secundenuhr die
Geschwindigkeit der Trommel gemessen, d. h. deren Umdrehungszahl in der Minute auf
den Zifferblättern abgelesen oder mittels der Glockenschläge bestimmt; aus dieser
Zahl und den oben mitgetheilten Daten über die Schraube läßt sich unmittelbar der
einem Scalentheil dieser letzteren entsprechende Zeitwerth und daher auch die Zeit,
welche zwischen dem Ueberspringen zweier Funken verfloß, in Secunden angeben und die
Geschwindigkeit der Kugel auf dem zugehörigen Wege berechnen. Die Genauigkeit ist
auch bei den Schießversuchen, obgleich dabei die Kugel Drähte zu zerreißen oder
abzudrücken hat, wegen der guten Regulirung der Geschwindigkeit des Apparates eine
sehr große.
Der Apparat kann natürlich nicht nur zu Schießversuchen, welche in neuerer Zeit
namentlich in Oesterreich damit angestellt worden sind, sondern zur Messung von sehr
kleinen Zeiträumen überhaupt verwendet werden, sofern man nur dafür sorgt, daß zu
Anfang und zu Ende der betreffenden Zeiträume ein Funken auf die bewußte Trommel
überspringt. So wurden jüngst mit ihm durch das Laboratorium von Siemens und Halske in Berlin
Versuche zur Messung der Geschwindigkeit der Elektricität in 1 bis 3 Meilen Telegraphendraht auf
verschiedenen preußischen Telegraphenlinien ausgeführt.Es mag hier erwähnt werden, daß der italienische
Ingenieur-Oberstlieutenant Peter Conti in
Rom (Engineer, November 1874 S. 393) in Betreff
der Benützung der überspringenden Funken einer Ruhmkorff'schen Spule zur Ermittelung der Fallgesetze die
Priorität für sich in Anspruch nimmt gegenüber Watkin's Chronograph (beschrieben 1874 214 374). Conti stellte 1872 eine große
Zahl (1882) Versuche mit seinem Chronographen an, wobei er den Körper auf
einer schiefen Ebene fallen ließ, während von einem aus dem Körper
vorstehenden Drahte nach jeder Zehntel-Secunde ein Funke auf zwei
isolirte und mit berußtem Papier belegte Metallflächen überschlug; er
gelangte durch seine Versuche zu dem Schlüsse, daß die gewöhnlich
aufgestellten Gesetze der Reibung und des Widerstandes der Flüssigkeiten nicht richtig seien.
Zum Schluß mögen die Ergebnisse einiger Versuche angeführt werden, durch welche Hr.
Generalmajor z. D. Siemens die Kugelgeschwindigkeit in einem Mausergewehre bei 5 Grm. Pulverladung
ermittelte.
Die erste Columne gibt die unmittelbaren Ablesungen der den einzelnen durch die
Funken gebildeten Punkten entsprechenden Scalentheile der Mikrometerschraube. Die
zweite Columne enthält die Differenzen dieser Ablesungen, also die Abstände jener
Punkte von einander in Scalentheilen der Mikrometerschraube. In der dritten Columne
stehen die Geschwindigkeiten der Kugel in den einzelnen
Theilen des Laufes, in Meter für 1 Secunde. Die vierte Columne liefert die beschleunigenden Kräfte oder die Differenzen der
Geschwindigkeiten, ebenfalls in Meter für 1 Secunde. Diese Kräfte resultiren aus der
Triebkraft der Pulvergase und der dieser entgegen wirkenden Reibung der Kugel an den
Wänden des Rohres; wo die beschleunigende Kraft negativ wird, übertrifft die.
Reibung die Triebkraft der Gase.
Die von der Kugel zu zerreißenden Drähte waren in Abständen von 15 Cm. durch das Rohr
gesteckt; der letzte befand sich dicht vor der Mündung, der erste in der Nähe der
Patrone.
Die Geschwindigkeit der Trommel betrug bei den 4 ersten Schüssen 4500 Umdrehungen in
der Minute, bei den 3 letzten 4166. Es entsprach daher bei den 4 ersten Schüssen ein
Scalentheil der Mikrometerschraube 1/750 000 Secunde, bei den 3 letzten 1/694 333
Secunde. Diese Versuche wurden indeß mit einem älteren Apparate angestellt, welcher
nicht die große Geschwindigkeit der neueren gestattete.
Nummer
Ablesung
Zeiten
Geschwindigkeit
Beschleunigung
83,5
528,5
445,0
S.
252,8
M.
I)
834,0
305,5
368,3
115,5
M.
1108,8
274,8
409,4
41,1
Rohr gereinigt
1361,2
252,4
445,7
36,3
und gefettet.
1593,0
231,8
485,3
39,6
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
89,0
599,0
510,0
220,6
II)
882,2
283,2
397,2
176,6
Rohr gereinigt
1130,0
247,8
454,0
56,8
und gefettet.
1360,6
230,6
487,9
33,9
1580,0
219,4
512,8
24,9
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
87,6
541,8
454,2
247,7
III)
851,2
309,4
363,6
115,9
Rohr seit längerer
1105,2
253,9
443,1
79,5
Zeit nicht gereinigt,
1364,2
259,1
434,2
- 8,9
voll Pulverschmutz.
1610,2
246,0
457,3
23,1
Nummer
Ablesung
Zeiten
Geschwindigkeit
Beschleunigung
98,6
507,7
409,1
S.
275,0
M.
IV)
784,2
276,5
406,9
131,9
Rohr seit längerer
1034,5
250,3
449,5
42,6
Zeit nicht gereinigt,
1256,6
222,1
596,5
57,0
voll Pulverschmutz.
1483,2
226,6
496,5
- 10,0
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
64,2
492,4
428,2
243,2
V)
796,6
304,2
342,4
99,2
Rohr seit längerer
1053,5
256,9
405,4
63,0
Zeit nicht gereinigt,
1295,4
241,9
430,6
25,2
voll Pulverschmutz.
1538,9
243,5
427,7
- 2,9
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
66,3
532,0
465,7
223,6
VI)
837,3
305,3
341,1
117,5
Rohr seit längerer
1049,2
211,9
491,5
150,4
Zeit nicht gereinigt
1267,8
218,6
476,4
- 15,1
voll Pulverschmutz.
1514,1
246,3
422,9
- 53,5
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
30,3
465,4
435,1
239,4
VII)
765,6
300,2
346,9
107,5
Rohr seit längerer
1023,3
257,7
404,2
57,3
Zeit nicht gereinigt
1273,8
250,5
415,8
11,6
voll Pulverschmutz.
1529,8
256,0
406,8
- 9,0
E. Z.