Titel: Fräsmaschinen auf der Wiener Weltausstellung; von Hartig.
Fundstelle: Band 217, Jahrgang 1875, S. 171
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Fräsmaschinen auf der Wiener Weltausstellung; von Hartig.Aus dem amtlichen Berichte über Maschinenwesen und Transportmittel, Section Werkzeugmaschinen. Druck und Verlag von Friedr. Vieweg und Sohn, Braunschweig 1874. Mit Abbildungen. Hartig, über Fräsmaschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873. Eine sorgfältige Ausbildung der Fräsmaschine war fast ausschließlich bei den amerikanischen Ausstellern zu bemerken; diese haben seit der letzten Weltausstellung die Benützbarkeit dieser Maschine in auffallendem Maße erweitert, theils durch verbesserte Ausführung des Werkzeuges und durch bessere Lagerung desselben, theils auch durch Hinzufügung der selbstthätigen Verschiebung des Arbeitsstückes nach jeglicher Richtung und durch originelle, den speciellen Formen des Arbeitstückes genau angepaßte Aufspannvorrichtungen. Zu vielen Arbeiten, die bisher auf der Hobelmaschine ausgeführt wurden, erscheint nunmehr die leistungsfähigere Fräsmaschine ausersehen. In Fabriken zur Herstellung von Nähmaschinen, Feuerwaffen und dergleichen ist dieselbe die Arbeitsmaschine par excellence geworden, in vielen reihenweise gruppirten Exemplaren aufgestellt, an Zahl weitaus überragend die Drehbänke, Hobelmaschinen und Bohrmaschinen. Zu den constructiv vollendetesten Werkzeugmaschinen der Ausstellung gehörte unzweifelhaft die von der Brown und Sharps Manufacturing Company in Providence ausgestellte Universal-Fräsmaschine (universal milling maschine). Die Zuschiebung des Arbeitstückes kann bei dieser Maschine nicht allein senkrecht zur Fräserachse, sondern unter jedem beliebigen Winkel gegen dieselbe selbstthätig erfolgen, wie auch eine selbstthätige Ausrückung dieser Bewegung angeordnet ist. Da ferner das Arbeitstück auch drehbar eingespannt und in langsame Rotation versetzt werden kann, so ist es auch möglich, schraubengangförmige Nuthen (an Spiralbohrern), Frässcheiben und Zahnräder aller Art zu fräsen. Für solche Arbeiten ist eine Theilscheibe von höchst sinnreicher Einrichtung vorhanden, bei welcher durch einen frappant einfachen Kunstgriff die Benützbarkeit einer auf der Theilscheibe gegebenen Zahl von Theilungen in überraschender Weise erweitert werden kann. Die nachstehenden Figuren stellen eine Skizze dieser Einrichtung (gear cutting attachment) dar. Textabbildung Bd. 217, S. 172 Die Theilscheibe a sitzt fest am Gestell, concentrisch zur Spindel b, von welcher durch Schraube und Schraubenrad die Drehungen auf das Arbeitstück übertragen werden. Die auf a enthaltenen Theilungen sind in Form cylindrischer Bohrungen ausgeführt, in welche der federnde Stift c des Hebels d leicht hineinpaßt; letzterer sitzt auf der Welle b fest und gestattet mittels Langloch und Schraube eine beliebige Veränderung seiner Länge, daher Einstellung auf irgend einen der vorhandenen Theilkreise. Unmittelbar vor der Theilscheibe a ist nun ein Zeigerpaar ef auf die Spindel b geschoben und durch eine Buckelfeder g gegen a angedrückt; der zwischen e und f enthaltene Winkel ist verstellbar, so daß jede beliebige Zahl von Theilungsintervallen überspannt werden kann. Es ist daher möglich, führten Schnitt mit wünschenswerther Sicherheit den Arm d nicht allein um n volle Touren, sondern um n + n'/m Umdrehungen vorwärts zu drehen, was die möglicherweise mit einem Theilkreis zu bewirkenden Theilungen beträchtlich vermehrt. Würde z.B. die Uebersetzung von der Achse b auf die Drehungsachse des Arbeitstückes mittels einer eingängigen Schraube und eines Schraubenrades von 64 Zähnen erfolgen, so würde bei Benützung voller Drehungen des Armes d ein 64er Rad entstehen, bei halben Drehungen ein Rad von 128 Zähnen, bei zwei Drehungen ein solches von 32 Zähnen; wird nun aber die in der Figur angegebene Stellung des Zeigerpaares ef, welche 2/14 einer vollen Drehung entspricht, in solcher Art benützt, daß man vor jedem neuen Schnitt den Arm d um eine volle Drehung plus dem Winkel zwischen diesen Zeigern weiter dreht, so wird offenbar die Zähnezahl 64 × 14/16 = 56 realisirt, welche ohne die Benützung des Zeigerpaares eine besondere Theilung erforderlich machen würde. Die volle Sicherheit, daß nicht durch Irrthum Fehler in der Drehung begangen werden, liegt in der Einfachheit der vom Arbeiter zu vollführenden Manipulation. Befindet sich der Stift c anfangs in dem Theilpunkt 1, so dreht der Arbeiter denselben einmal und sodann noch bis zu dem unmittelbar vor dem zweiten Zeiger f befindlichen Loch 3 und rückt sogleich das Zeigerpaar soweit nach, daß Zeiger e wieder am Stift c anliegt, daher f sich hinter dem Theilpunkt 5 befindet, worauf wieder die Drehung des Armes d in gleicher Art zu folgen hat. Das Gewicht der Maschine nebst Vorgelege beträgt 750k, der Preis 900 Dollars. Fräsmaschinen mit verticaler Spindel hatten ausgestellt: Heilmann-Ducommun und Steinlen, Collet und Engelhard, sowie auch Pratt und Whitney; letztere Firma hatte unter Vermehrung der Zahl der Spindeln die Fräsmaschine dieser Art zu einer Copirmaschine (profiling machine) umgestaltet. Die reichhaltigste Collection von Fräsen jeglicher Form hatte die Firma Bariquand und Sohn in Paris (Rue Oberkampf 127) exponirt. Die Fabrik ist 1838 gegründet und beschäftigt gegenwärtig bis zu 1200 Arbeiter; sie liefert ausschließlich Fräsen und benützt hierzu eigene, völlig selbstthätige Maschinen zum Schneiden der Zähne; ein großer Theil des Geschäftes wird in solcher Art ausgeführt, daß die Fabrik die bereits in erforderlicher Façon fertig gedrehten Stahlkörper empfängt, die Zähne anschneidet und die Fräsen hierauf – ohne sie zu Härten – dem Besteller zurückliefert. Die ausgestellte Sammlung enthielt auch nur ungehärtete Exemplare, was die Jury veranlaßte, über diesen Punkt nähere Nachfrage zu halten. Die genannte Firma beeilte sich sodann, eine zweite Collection gehärteter Fräsen, deren Beschaffenheit sich als tadellos erwies, vorzulegen, unter gleichzeitiger Angabe der Herstellungs- und Verkaufspreise. Von einigem Interesse kann die hierbei zur Kenntniß der Jury gekommene Notiz sein, daß – unter Voraussetzung einfacherer Gestalt – die Häufigkeit des Werfens und Reißens der Fräsen beim Härten nur vom Durchmesser derselben abhängt: Fräsen bis zu 80mm liefern so gut wie keinen Ausschuß beim Härten, bei 80 bis 100mm Durchmesser kommen Brüche schon zuweilen vor, bei Dimensionen über 100mm wird der Verlust durch das Verziehen und Reißen beim Härten schon empfindlich und wirkt erheblich auf den Herstellungspreis. Die Aussteller legten besonderen Werth darauf, daß die von ihnen benützten Maschinen jede Nacharbeit von Hand entbehrlich machen, was selbst bei der schönen Universalfräsmaschine von Brown und Sharpe nicht möglich sei. Um über die Frage der Gestehungskosten einiges Material zu liefern, mögen hier einige von den Ausstellern in fertigem Zustande vorgelegte Fräsen näher beschrieben werden. Die Preise verstehen sich für den Fall, daß nur ein Paar der betreffenden Fräsen zu liefern wäre. 1) Cylindrische Fräse von 90mm Durchmesser, 12mm Breite; 75 Zähne von je 34mm Länge (12 auf dem Umfang, 11 auf jeder Seitenfläche); Bohrung der Nabe 18mm Durchmesser, 12mm Länge. Kostenberechnung für 2 Stück: Drehbank, 4 Stunden zu 0,60 Fr. 2,40 Fr. Schnitt der Zähne, 5 Stunden zu 0,60 Fr. 3,00 Härtung 0,25 Risico für Bruch beim Härten 0,25 Stahl, 0k,775 zu 2,50 Fr. 1,94   –––––––––– Summe 7,84 Fr. 2) Fräse, deren Grundform ein Doppelkegel von 49 und 35mm Durchmesser, 11mm Höhe; 55 Zähne von 18mm totaler Länge. Kostenberechnung für 2 Stück: Dreharbeit, 2 Stunden zu 0,60 Fr. 1,20 Fr. Schnitt der Zähne, 2 Stunden zu 0,60 Fr. 1,20 Kosten der Härtung 0,15 Stahl, 0k,260 zu 2,50 Fr. 0,65   ––––––––– Summe 3,20 Fr. 3) Kleine Scheibenfräsen von 15mm Durchmesser, 6mm Breite; Bohrung 6mm; nur am Umfang verzahnt; Zähnezahl 55. Kostenberechnung für 2 Stück: Dreharbeit, 1/2 St. zu 0,60 Fr. 0,30 Fr. Schnitt der Zähne, 1/2 St. zu 0,60 Fr. 0,30 Härtung 0,01 Stahl, 0k,020 zu 2,50 Fr. 0,05   –––––––– Summe 0,66 Fr. 4) Kleinste kegelförmige Fräsen von 6mm Basisdurchmesser und 6mm Höhe, mit einer Achse von 41mm Länge und 5mm Dicke aus einem Stück; 30 Zähne, von der Basis nach der Spitze laufend; desgleichen Fräsen von abgestutzt kegelförmiger Gestalt, 6,5 und 3mm Durchmesser, 6mm Höhe, mit einer Achse von 40mm Länge und 5mm Dicke aus einem Stück; Zähnezahl 30. Kostenberechnung für 2 Stück: Dreharbeit 0,10 Fr. Schnitt der Zähne 0,05 Härtung 0,02 Stahl 0,07   ––––––––– Summe 0,24 Fr. Die Fräsen der genannten Firma haben, wie sich hieraus ergibt, sehr feine Theilung; sie lassen sich deshalb nicht durch Schleifen restauriren, wenn sich die Schneiden abgestumpft haben; vielmehr ist hierzu das Ausglühen, Schneiden und erneutes Härten erforderlich. Textabbildung Bd. 217, S. 175 In dieser Rücksicht erhalten die von der Brown und Sharpe Manufacturing Company in Providence (R. J.) ausgestellten Fräsen für Radzähne eine bemerkenswerthe Verbesserung; dieselben haben eine viel kleinere Zähnezahl, also größere Theilung; die Vorderseite jedes Zahnes ist eben und steht nahezu radial; sie zeigt das genaue Profil der zu schneidenden Zahnlücke, vergl. abb'a' des nachstehenden Holzschnittes; der Rücken des Zahnes ist in solcher Art gestaltet, daß man das Zahnprofil in seiner radialen Position einer einwärts laufenden Spirale bc entlang führt. Man wird daher immer dasselbe Profil oder dieselbe Gestalt der schneidenden Kante erhalten, wenn man die Vorderseite ab des Zahnes mit der ebenen Seitenfläche einer schmalen Schleifscheibe anschleift. Die Fräse wird daher so lange benützbar bleiben, ohne weich gemacht und wieder gehärtet werden zu müssen, bis von jedem Zahn nur noch der Rest cde übrig ist. Wenn man sich erinnert, wie viel Mühe und Arbeit das Ausglühen, Schneiden und Härten der Fräsen verursacht, und wie bei mehrfacher Wiederholung dieser Proceduren die Qualität des Stahles sich verschlechtert, so muß man diese Ausführungsform der Fräsen als höchst rationell bezeichnen. Die genannten Aussteller liefern auch Fräsen (für ebene Oberflächen), bei denen das Nachschleifen auf dem Rücken der Zähne (mittels der cylindrischen Umstäche einer Schmirgelscheibe) erfolgt. Die von der genannten Firma gelieferten Fräsen für Radzähne bilden eine Serie von 8 × 25 = 200 Gliedern; diejenigen Räder werden mit Fräsen von demselben Durchmesser geschnitten, bei welchen der Quotient P aus Zähnezahl N und Theilrißdurchmesser (diametral pitch) D' denselben Werth hat; wird der Theilrißdurchmesser in engl. Zollen angegeben, so bedeutet dieser Quotient die auf einen Zoll des Theilrißdurchmessers kommende Zähnezahl. So liefert die Fabrik die in folgender Uebersicht enthaltenen 25 Größen und zwar zu den beigesetzten Preisen. P =N/D' Durchmesserder Fräse.Zoll engl. Weiteder Nabenbohrung.Zoll. Preiseiner Fräse.Dollars.     2        4 1 1/4 24  2 1/4        4 1/2 22  2 1/2        4 20  2 3/4        4 1/8 18     3        3 13/16 16  3 1/2        3 11/16 13     4        3 3/8   8     5        3 1/16   7     6        2 11/16 1 1/16     6,5     7        2 9/16   6     8        2 1/2     5,5     9        2 3/8     5,2   10        2 1/8   7/8   5   11        2 1/16     4,8   12        2     4,6   14        2     4,5   16        1 15/16     4,4   18        1 15/16     4,3   20        1 14/16     4,2   22        1 13/16     4,1   24        1 3/4   5/8   4   26        1 3/8     3,9   28        1 3/8     3,9   30        1 5/16     3,8   32        1 5/16     3,8 Jede Größe der Fräsen wird für alle erforderlichen Theilungen ausgeführt und zwar nach folgender Abstufung. Nr. 1 für Räder von 135 Zähnen aufwärts, 2   55 bis 134 Zähnen, 3   35   54 4   26   34 5   21   25 6   17   20 7   14   16 8   12   14 Die Herstellung der beschriebenen Fräsen erfolgt auf einer von derselben Firma gebauten Special-Fräsmaschine.