Titel: Der Distanzmesser von Le Boulengé in Lüttich.
Fundstelle: Band 217, Jahrgang 1875, S. 195
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Der Distanzmesser von Le Boulengé in Lüttich. Mit Abbildungen. Le Boulengé Distanzmesser. Textabbildung Bd. 217, S. 195 Unter den verschiedenen Distanzmessern, welche dem der Vergrößerung der Portee der Feuerwaffen entspringenden Bedürfniß einer genauen Kenntniß der Entfernungen ihre Entstehung verdanken, hat der von dem belgischen Major P. Le Boulengé Derselbe, von welchem der bekannte elektrische Chronograph zur Messung der Geschoßanfangsgeschwindigkeiten herrührt. (Vergl. 1866 179 39. 1868 189 470.) construirte, im vorigen Sommer veröffentlichte Felddistanzmesser – télèmètre de combat – allgemein großes Aufsehen erregt. Wir folgen bei der Beschreibung dieses Instrumentes der Brochüre,Télèmètre de combat par P. Le Boulengé, major d l'artillerie belge. Bruxelles 1874. C. Marquardt. (Berlin, Mitler und Sohn.) welche der Erfinder herausgegeben, berücksichtigen jedoch die Verbesserungen,Modifications apportées à la construction du télèmètre de combat par P. Le Boulengé Bruxelles 1875. C. Marquardt. welche derselbe im Laufe der Versuche noch vorgenommen hat. Die Idee, auf welcher der Distanzmesser beruht, besteht darin, die zwischen dem Sichtbarwerden des Feuers oder Rauches eines gegnerischen Schusses und dem Hörbarwerden des Schalles verstreichende Zeit am Instrumente so zu markiren, daß der Schallgeschwindigkeit entsprechende Entfernung sogleich abgelesen werden kann. Zu dem Ende besteht das Instrument aus einer sorgfältig kalibrirten Glasröhre, welche mit einer Flüssigkeit – Schwefeläther – gefüllt und an beiden Enden durch Zusammenschmelzen geschlossen ist. In der Glasröhre befindet sich ein Läufer (curseur) von Silber – zwei dünne, central durch ein kurzes Stäbchen verbundene, nach abwärts gewölbte Scheibchen von etwas kleinerem Durchmesser als die lichte Weite der Glasröhre, – welcher bei verticaler Lage des Instrumentes sich gleichförmig bewegt, oder bei horizontalem Instrumente stillsteht. Zum Schutze gegen äußere Einwirkung ist die Glasröhre an beiden Enden mit Korkstückchen versehen und mit einer Kupferhülse umgeben, welche – auf einer Längenseite geschlitzt – die Beobachtung der Stellung des Läufers, sowie das Ablesen der Distanzen auf einer Scale zuläßt. An einem Ende der Hülse befindet sich ein Oehr, um eine Schnur durchziehen zu können. Die Distanzscale, deren Nullpunkt sich an dem mit dem Oehre versehenen Ende der Röhre befindet, ist auf Papier gedruckt und an der unteren, dem Schlitze entgegengesetzten Seite der Glasröhre zwischen dieser und der Kupferhülse angeklebt. Hierdurch wird das Ablesen der Theil striche und Ziffern vermöge der gewissermaßen als Linse dienenden Flüssigkeit wesentlich erleichtert. Die Bewegung des Läufers ist derart geregelt, daß sie 25000 mal kleiner ist als die Schallgeschwindigkeit, wodurch 25m der Distanz 1mm der Distanzscale entsprechen. Diese ist in Millimeter eingetheilt und gibt daher die Entfernungen von 25 zu 25m an. Da sich außerdem der fünfte Theil eines Millimeters ohne Schwierigkeit nach dem Augenmaße abschätzen läßt, so können die Entfernungen bis auf 5m genau ermittelt werden. Zur Erleichterung des Ablesens ist die Theilung der Scale durch längere Striche für die ganzen Hunderte, durch kürzere für die halben Hunderte und durch Punkte für die viertel und dreiviertel Hunderte von Metern vorgenommen. Den Temperaturverschiedenheiten, welche die Schallgeschwindigkeit bedeutend beeinflußen und mithin die Richtigkeit der Angaben des Instrumentes alteriren würden, soll durch Volum und Dichte des Materials des Läufers einerseits, Dichte und Ausdehnungsvermögen der Flüssigkeit andererseits derart begegnet sein, daß Bewegung des Läufers und Geschwindigkeit des Schalles stets in gleichem Verhältniß von der Temperatur beeinflußt werden. Jedoch ist darauf zu achten, daß das Instrument vor dem Gebrauch die Temperatur der Atmosphäre erhält. In dem obersten, durch eine kleine trichterförmige Scheibe gebildeten Raum der Glasröhre ist absichtlich eine Luftblase gelassen worden, welche dem Instrumente eine Temperatur von mehr als 50° zu ertragen ermöglicht, ohne zu zerspringen. Es erscheint zweckmäßig, um das Austreten einer Luftblase aus diesem Raume zu verhindern, das Instrument stets mit dem Oehr nach aufwärts an einer Schnur vertical zu tragen. Sollte dennoch durch irgend einen Umstand, einen Stoß, eine Luftblase in die Flüssigkeit kommen, so ist, um dieselbe wieder an den oberen Raum zu schaffen, das Instrument mit dem Oehre nach oben vertical zu halten, und, während der Läufer niedersteigt, gegen die Hand zu stoßen, worauf die specifisch leichtere Luft an dem mit kleinem Spielraum nach abwärts sich bewegenden Läufer vorbei in den Luftraum um so leichter zurückkehren kann, als an dem Umfange der Abschlußscheibe kleine Einschnitte angebracht sind. Der Gebrauch des Instrumentes unterliegt keiner Schwierigkeit. Man nimmt dasselbe horizontal so in die rechte Hand, daß das Oehr der Hülse links, die Schlitzöffnung gegen das Gesicht gewendet ist. Der Läufer muß selbstverständlich am Nullpunkt der Scale stehen. Nun richtet man den Blick gegen die feindliche Stellung und wendet im Augenblicke der Wahrnehmung eines dort abgegebenen Schusses das Telemeter durch eine rasche – aber nicht schnellende, sondern geschmeidige – Bewegung der Faust so nach der rechten Seite, daß dasselbe in verticale Lage kommt und der Läufer sich nach abwärts bewegen kann. Sobald der Schall des Schusses das Ohr des Beobachters erreicht, wird das Instrument durch die entgegengesetzte Bewegung der Faust in seine ursprüngliche Lage zurückgebracht und die Entfernung abgelesen, welche die obere gerade Fläche des unteren Läuferscheibchens auf der Scale bezeichnet. Es empfiehlt sich nach längerer Nichtbenützung vor dem Gebrauche des Instrumentes den Läufer einige Male die Röhre passiren zu lassen, um ihm die normale Bewegungsfähigkeit zu verschaffen, weil sonst, wie die Erfahrung gezeigt hat, anfänglich die Bewegung eine etwas verzögerte ist. Die Bewegung des Instrumentes aus der horizontalen Lage in die verticale und umgekehrt erfordert eine gewisse Uebung, weil hiervon die Genauigkeit in der Distanzbestimmung abhängt. Bei aller Sorgfalt in dieser Beziehung wird es aber nicht möglich sein, die Bewegungen so exact auszuführen, daß dieselben mit der Feuererscheinung und dem Vernehmen des Schalles zusammenfallen. Es muß sich daher stets eine Differenz zwischen der wahren und der ermittelten Entfernung ergeben. Dieser sogen. persönliche Fehler ist für jeden Beobachter ein verschiedener und hängt von der mehr oder weniger raschen Beobachtungsgabe ab und beträgt im Mittel 50m. Diese mittlere Abweichung ist bei dem Instrumente dadurch berücksichtigt, daß der Nullpunkt der Scale nicht der Distanz Null, sondern der von 50m entspricht. Die Länge des Instrumentes hängt von der Grenze ab, bis zu welcher die Distanzbestimmung erfolgen soll. Für die verschiedenen militärischen Bedürfnisse hat der Erfinder drei Modelle, deren Bezugsquelle die Agencie Ch Tillière et Cie, 30, rue Plattenstein, à Bruxelles ist, gefertigt, nämlich: 1) den Infanteriedistanzmesser für Entfernungen bis 1600m, 95mm lang, kostet 13 Franken ohne, 14,25 Fr. mit Etui; 2) den Felddistanzmesser für Officiere für Entfernungen bis 2500m, 120mm lang, Preis 16 Fr. ohne, 17,5 Fr. mit Etui; 3) den Artilleriedistanzmesser für Entfernungen bis 4000m, 180mm lang, kostet 20 Fr. ohne, 21,5 Fr. mit Etui. Es kann natürlich nicht die Rede sein, hier den Werth des Instrumentes für die verschiedenen militärischen Zwecke des Krieges und Friedens zu erörtern. Hingegen sollen zur Beurtheilung der Leistung des Instrumentes hinsichtlich der Distanzbestimmung einige Versuchsdaten, zum Theil aus officieller Quelle stammend, angegeben werden. Umfassende Versuche, insbesondere auf größere Distanzen bis zu 3400m wurden in der belgischen Kriegsschule zu Brasschät vorgenommen und im Spectateur militaire veröffentlicht. Als Beispiel aus denselben sei folgendes hervorgehoben. Es wurden 10 Schüsse aus einem 21cm gezogenen Mörser auf der wirklichen Entfernung von 2330m beobachtet. Die beobachteten Distanzen lagen zwischen 2300 und 2360m. Der Maximalfehler betrug 30m, der Minimalfehler 5m, der mittlere Fehler der 10 Beobachtungen 22m,5. Für mittlere Entfernungen sind besonders bemerkenswerth die in der bayerischen Militär-Schießschule gemachten Versuche, wovon nachstehende Zusammenstellung eine Uebersicht gewähren soll. Wirkliche Distanz 500 700 900 1100 1300 1500m Mittlere Distanz aus 10 Beobachtungen 502 696 901 1086 1295 1496 Maximalfehler   20   20   15     30     25     30 Die Versuche wurden durchgeführt bei verschiedenen Witterungsverhältnissen unter Benützung von Handfeuerwaffen (Werdergewehr). Aus allen gewonnenen Versuchsresultaten wurde der Schluß gezogen, daß die Genauigkeit der Messung mit Zunahme der Distanz nicht abnimmt, eher sich steigert, weil die präcise Handhabung des Instrumentes schwieriger wird, je rascher Lichterscheinung und Schall auf einander folgen. Aber immerhin ergibt sich selbst für die Entfernung von 300q noch eine auffällige Exactheit der Messung, wie aus anderwärts angestellten Versuchen ersichtlich ist. Es wurde auf der wirklichen Distanz von 340m aus einem Revolver geschossen, wobei die Beobachtung im Mittel 325m ergab. Auf allen Entfernungen, von den kleinsten bis zu den größten, liefert demnach das Telemeter gleich genaue Resultate. Es kann daher bei der diesem Instrumente zukommenden einfachen Gebrauchsweise, die keine Veränderung des Standortes und nur gesunde Sinne erfordert, und bei den geringen Anschaffungskosten nicht Wunder nehmen, daß dieser Distanzmesser bereits eine große Verbreitung gefunden hat. Nach dem Army and Navy Journal ist der Le Boulengé-Felddistanzmesser für den Dienst der Marine und Artillerie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika bereits eingeführt. S....e.