Titel: Ein neuer Festigkeitsmesser von Professor Hoyer in München.
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 192
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Ein neuer Festigkeitsmesser von Professor Hoyer in München.Aus der Riga'schen Industriezeitung, 1875 S. 67, vom Verfasser gefälligst mitgetheilt. Hoyer's Festigkeitsmesser. Die Bestimmung der absoluten Festigkeit von Materialien und Fabrikaten hat nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Praxis eine hohe Bedeutung. Namentlich seitdem man angefangen hat, die Beschaffenheit des Materiales außer zum Zwecke der Verwendung auch der Verarbeitung wegen zu studiren, um auf sie die Lehre von der Verarbeitung zu stützen, und seitdem man die Veränderungen beobachtet, welche bei der mechanischen Umwandlung vorgehen, ist man veranlaßt, sehr oft Untersuchungen über die Festigkeit anzustellen, um entweder Rückschlüsse über die richtige oder falsche Behandlung des Materiales zu ziehen oder eine Controle über die Fabrikation zu bekommen. Dem Hüttenmann geben die Festigkeitsproben über die Verwendung und den Werth seines Productes oft allein Auskunft. Der Drahtzieher muß desgleichen in vielen Fällen die Festigkeit des Drahtes feststellen können, z.B. um zu wissen, ob derselbe zu musikalischen Instrumenten geeignet ist, oder welche Kraft man beim Ziehen verwenden darf, oder wie groß der Verdünnungsfactor sein kann u.a.m. – Für den Spinner ist es höchst wichtig, die Festigkeit seines Garnes zu erfahren, nicht nur um eine Vergleichung mit dem Fabrikat seines Concurrenten anstellen, sondern auch feststellen zu können, ob das Garn die richtige Drehung (genügend Drall) erhalten hat, da ja die größte Festigkeit eines gedrehten Fadens dann vorhanden ist, wenn der Widerstand, welchen die Fasern nach dem Zusammendrehen dem Auseinanderziehen entgegensetzen, gleich ist der absoluten Festigkeit sämmtlicher Fasern in einem Querschnitt des Garnes. – Der Papierfabrikant kann aus der absoluten Festigkeit eines Papierstreifens auf die Beschaffenheit des Stoffes, auf die Leimung, auf die Bleichung, auf die Füllung u.s.w. zurückschließen. – Färber und Bleicher sind nur durch Festigkeitsproben in den Stand gesetzt, die Einwirkung der Färbeprocesse und der Bleichmittel auf die Festigkeit der Stoffe zu ermitteln. Zur Ermittelung der Festigkeit sind im Laufe der Zeit eine ziemliche Menge Apparate, Instrumente und Methoden erfunden und angegeben worden, welche natürlich je nach den Prüfungsobjecten höchst verschieden ausfallen mußten, da offenbar zum Zerreißen von Eisenstäben, dickeren Holzstücken, Cement- und Steinprismen stärker gebaute Apparate erforderlich sind als zur Bestimmung der Festigkeit dünner Drähte, Fäden, Papierstreifen u.s.w. Die einfachste Methode, die absolute Festigkeit solcher dünner Objecte festzustellen, besteht darin, daß man dieselben vertical hängend festklemmt und am frei hängenden Ende mit einer Schale verbindet, auf welche man nach und nach soviel Gewichte legt, bis der Bruch erfolgt. Diese einfachste Methode ist leider sehr unzuverlässig, weil trotz aller Vorsicht die kleinen Stöße beim Auflegen der Gewichte kaum vermieden werden können. Darum eignen sich fein justirte Dynamometer schon viel besser zu solchen Untersuchungen. Unter diesen sind wieder die Federdynamometer die bequemsten, weshalb sie auch für den in Rede stehenden Zweck in verschiedenen Anordnungen ausgedacht sind. Gewöhnlich ist die Einrichtung der Art, daß man das eine Ende des zu prüfenden Drahtes, Fadens etc. mit einer Feder verbindet und das andere Ende auf einer Walze befestigt, welche sodann langsam gedreht wird und dadurch allmälig die Spannung des Drahtes etc. bis zum Zerreißen spannt. Die Größe der Spannung wird durch die Durchbiegung oder Ausbiegung der Dynamometerfeder gemessen und an einer entsprechenden Scale abgelesen, an der noch leicht ein Maximumzeiger angebracht werden kann. Ein anderer Apparat zur Prüfung von Garnfestigkeit besteht in einem Gewicht, das pendelartig an einer Stange hängt, welche über den Aufhängepunkt hinausgeht und an diesem Endpunkt den Faden aufnimmt. Wenn man dann an dem Faden zieht, bewegt sich je nach der Spannung im Faden das Gewicht immer weiter von der Verticallinie, so daß der Abweichungswinkel, der an einem Gradbogen abgelesen wird, die Spannungsgröße angibt. Diese einfachen Apparate, denen sich noch manche weniger brauchbare hinzufügen ließen, gestatten es jedoch nicht, die ebenfalls höchst wichtige und oft nothwendige Beobachtung der Faden-Verlängerung, die bis zum Abreißen eintritt, zu machen. Zur Auffindung dieser Verlängerung ist die Bestimmung der Größe erforderlich, um welche sich die beiden Angriffspunkte an dem Garn etc. von einander entfernt haben. Da dieses nur sehr unbestimmt in dem Falle geschehen kann, wenn das eine Ende aufgewickelt wird, weil sich gewissermaßen der Angriffspunkt verlegt, so ist es nicht rathsam, bei diesen Einrichtungen zugleich Apparate für die Beobachtung der Ausdehnung anzubringen. Die bis jetzt hauptsächlich in Gebrauch gekommenen Dynamometer dieser Art sind deshalb auch so eingerichtet, daß der Faden etc. von zwei Zangen gefaßt wird, welche aus einander gezogen werden, und woran die eine mit dem Zugorgan, die andere mit der Dynamometerfeder verbunden ist, so daß die Zugkraft sowohl, als die Fadenverlängerung an leicht anzubringenden Linealen oder einem sich drehenden Zeiger abgelesen werden kann. Vorstehend angedeutete Federapparate besitzen aber sämmtlich den Uebelstand, daß die Elasticität der Feder sich ändert, wodurch von Zeit zu Zeit eine Revision erforderlich wird; daß die Linealtheilung nicht proportional der Federbewegung sein kann, und daß die Bestimmung kleiner Gewichts- und Verlängerungsgrößen sehr lange und dünne Federn erfordert, weil die Uebersetzung einer kleinen Bewegung in eine größere nicht angewendet wird. Verfasser hat sich nun zu Untersuchungen über die Festigkeit und Elasticität von Draht, Garn, Papier, Gewebe, Glasfäden etc. einen Apparat construirt, und von dem Rigaer Politechnicums-Mechaniker Franz anfertigen lassen, welcher (einem ähnlichen höchst unvollkommenen Apparat, der sich auf der Wiener Ausstellung in der französischen Abtheilung befand, nachgebaut) bei einer Anzahl Untersuchungen so vorzüglich sich bewährt hat, daß eine Beschreibung desselben für weitere Kreise wohl gerechtfertigt erscheint. Derselbe ist in Fig. 17 (Grundriß), 18 (Aufriß und zum Theil Längenschnitt) und 19 (Querschnitt durch die Mitte) in 1/2 natürlicher Größe dargestellt. Zwei Klammern oder Zangen A und B nehmen den zu prüfenden Gegenstand auf und halten ihn, durch die Schrauben u geschlossen, gehörig fest. Die Zange A hängt leicht beweglich mit einer Schneide bei a an dem aufrecht stehenden Arm des Winkelhebels abc, während die Zange B an einer Schraube C sitzt, die durch den Stift i in der Drehung verhindert und durch eine Scheibe D, in welcher die Mutter sitzt, in der Längenvorrichtung verschoben wird. Bei dieser Verschiebung nach rechts spannt sich daher das zu prüfende Object und zieht die Zange A nach sich, wodurch der Hebel abc um b gedreht wird und mit dem Ende C einen Druck ausübt, dessen Größe von dem Verhältniß der Arme ab und bc (hier 1 : 2) abhängt. Dieser Druck wird nun auf eine Flüssigkeit (Quecksilber) übertragen, welche sich in dem Raum e des Gefässes M befindet, der seinerseits wieder durch einen kleinen Canal o mit dem verticalen Rohre pq in Communication gesetzt ist. Das Quecksilber steigt beim Druck des Hebels auf die Kautschukplatte d (mittels einer auf derselben liegenden Messingscheibe) in dem Rohre pq in die Höhe und bildet eine Quecksilbersäule, welche dem Druck das Gleichgewicht hält, deren Höhe also in einem leicht zu bestimmenden Verhältniß zu der Spannung des Drahtes etc. steht und deshalb als Maß für die Zugkraft dient. – Die Röhre pq ist aus Glas, um den Quecksilberstand leicht beobachten zu können. Ein kleiner Schwimmer s, der zur Gewichtsausgleichung mit einem anderen kleinen Schwimmer in dem Glasrohr r durch einen Coconfaden verbunden ist, gibt nach dem plötzlichen Steigen des Quecksilbers beim Zerreißen die Maximalspannung an, weil er an der höchsten Stelle, bis zu welcher das Quecksilber gestiegen ist, hängen bleibt. Die Feinheit der Theilung auf der Scale t hängt von dem Durchmesser des Rohres pq ab und kann leicht so eingerichtet werden, daß man 10g und weniger genau ablesen kann. Zur Bestimmung der Ausdehnung des zu prüfenden Objectes ist der Abstand der beiden Zangen A und B zweimal zu registriren: erstens in dem Augenblicke, wo die Bewegung des Quecksilbers beginnt (als Zeichen für den Anfang der Spannung), und dann nach dem Zerreißen. Da während der Prüfung beide Zangen sich in gleichem Sinne bewegen, so muß die Bewegung der Zange A von derjenigen der Zange B subtrahirt, also jede Bewegung für sich bestimmt werden. Die Bewegung der Zange A wird von dem Hebel abc durch einen kleinen Stift f auf einen Ausschlaghebel fg (Fig. 17) übertragen und daher auf der Kreisscale h in um das Hebelverhältniß vergrößertem Maße angegeben, so daß sehr kleine Bewegungen zu constatiren sind. – (Es bedarf hier wohl kaum der Bemerkung, daß die Bogeneintheilung auf h wegen der geradlinigen Bewegung des Stiftes f auf die Bogensehne und der Punkt f auf den Punkt a reducirt werden muß.) Die Bewegung der Zange B wird durch die Theilung der Schraube C, d.h. durch die Anzahl der Umdrehungen der Mutterscheibe D gemessen. Die sehr genau gearbeitete Schraube C hat auf eine bestimmte Länge l eine bestimmte Anzahl (n) Gänge, so daß also jede Umdrehung der Scheibe D eine Verschiebung 1/n der Zange B zur Folge hat. Ist die Theilung, wie bei vorliegendem Exemplar, 1m, so wird demnach durch jede ganze Umdrehung der Mutter die Zange B um 1m verschoben. Um nun noch Theile von Millimeter ablesen zu können, ist die Scheibe D weiter z.B. in 100 Theile getheilt, wodurch 1/100m Verschiebung bequem und sicher bestimmt werden kann. Der Zeiger n (Fig. 18) dient in diesem Falle zum Ablesen. Um bei dieser Bestimmung das Zählen der ganzen Umdrehungen möglichst sicher und bequem ausführen zu können, ist bei P ein Zahnrad angebracht, in welches die Schraube C als Zahnstange eingreift. Da dieses Rädchen P zugleich die Stellung der Schraube bei Beginn des Experimentes festgestellt, so ist auch zugleich hierdurch das Mittel gegeben, den absoluten Abstand beider Zangen zu bestimmen, um auf diese Länge die Ausdehnung durch eine kleine Rechnung zu reduciren. Der vorliegende Apparat hat vor den anderen Apparaten den Vortheil, daß statt der Dynamometerfeder eine Quecksilbersäule vorhanden ist, die stets sehr leicht richtig erhalten werden kann, und daß namentlich die Ausdehnung des Probeobjectes mit größter Genauigkeit zu bestimmen ist. Die Scale auf der senkrechten schmalen Platte t kann natürlich leicht durch Rechnung bestimmt werden. Da aber die Bestimmung des Durchmessers des Glasrohres t schwierig ist und auch kaum genau ausgeführt werden kann, so ist es zweckmäßig, die Theilung empirisch vorzunehmen. Zu dem Ende klemmt man in die Zange A eine Schnur ein, führt sie durch die Oeffnung in E, aus welcher die Schraube C entfernt ist, über eine Führungsrolle nach abwärts und belastet sie nach und nach mit 1k, 2k, 3k u.s.w. Der jedesmalige Quecksilberstand wird sodann auf der mit Papier beklebten Platte t markirt. Die Zwischenräume zwischen diesen Punkten werden in eine entsprechende Anzahl gleicher Theile getheilt, welche hinreichend genau eben so viel Theile der Gewichtseinheit angeben.