Titel: Das Gegensprechen mit Hughes-Apparaten nach der Maron'schen Methode; von Grimmert und Canter, Telegraphensecretäre in Berlin.
Autor: Grimmert , O. Canter
Fundstelle: Band 221, Jahrgang 1876, S. 323
Download: XML
Das Gegensprechen mit Hughes-Apparaten nach der Maron'schen Methode; von Grimmert und Canter, Telegraphensecretäre in Berlin. Mit Abbildungen. Grimmert und Canter, über Gegensprechen. Bei den bisherigen Gegensprechversuchen nach der von Maron vorgeschlagenen Methode richtete man das Hauptaugenmerk auf die möglichst gewissenhafte Erfüllung des Wheatstone'schen Gesetzes, bei einseitiger Correspondenz den in die Brücke geschalteten Empfangsapparat der gebenden Station stromlos zu erhalten. Unter Festhaltung dieses Grundsatzes konnte die zweite zum Ermöglichen des Gegensprechens unbedingt zu stellende Bedingung gleicher Stromeswirkungen auf die entsprechenden Empfangsapparate bei einseitigem Arbeiten sowohl, als bei gleichzeitigem Stromentsenden beider Stationen nur erfüllt werden, wenn die reducirten Widerstände der Systeme bei jeder Lage des Gebers (Tasters) dieselben blieben. Dies zu erreichen, wurde zwischen Ruhecontact des letztern und Erde ein dem Batteriewiderstande gleicher künstlicher Widerstand geschaltet. Um ferner die bei dem Uebergange des Contacthebels des Gebers vom Telegraphir- zum Ruhecontacte (dem sogen. Schweben des Tasters) auftretenden Stromschwankungen auf ein Minimum zu reduciren, machten Vaes, Stearns u.a. (* 1874 212 111) durch Anwendung von federnden Contacten, Hilfshebeln Klopfern u.s.w. die ohnedies nicht einfachen Gegensprechschaltungen zu complicirten Systemen, für welche bei den meistentheils nur praktisch ausgebildeten Apparatbeamten kaum das nothdürftigste Verständniß vorausgesetzt werden kann. Kommt hierzu noch die Thatsache, daß trotz aller jener Hilfsmittel der erstrebte Zweck doch niemals ganz erreicht wurde, und die erzielten Resultate den erwarteten weit nachstanden, so war es geboten, bei ferneren Versuchen den das Gegensprechen überhaupt ermöglichenden Bedingungen gegenüber einen andern Standpunkt als den bisherigen einzunehmen. Um bei einseitiger Correspondenz das Ansprechen des Empfangsapparates der gebenden Station zu verhüten, ist es zunächst nicht nothwendig, seine Elektromagnetumwindungen vollständig stromlos zu machen; dagegen muß, soll die Gegensprechschaltung dieselbe Sicherheit wie das einfache System bieten, der bei einseitiger Correspondenz auf den Apparat der Empfangsstation zur Wirkung gelangende Strom dieselbe Intensität haben, mit welcher beim gleichzeitigen Stromentsenden, also beim Gegensprechen, die in den Brücken circulirenden Stromtheile auf die Empfangsapparate beider Stationen wirken. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend gaben wir bei den vom kaiserlichen General-Telegraphen-Amte in Berlin angeordneten Versuchen eine auf den frühern, oben erwähnten Principien beruhende Schaltungsweise auf, und erzielten mit der im Folgenden zu besprechenden Verbindung der Apparate unter sich und mit der Leitung Erfolge, welche um so mehr geeignet sein dürften, der Maron'schen Gegensprechmethode eine Zukunft zu sichern, als das System selbst frühern gegenüber sehr vereinfacht ist. Auf den beiden correspondirenden Stationen stehen je zwei Hughes-Apparate, von denen der eine zum Geben, der andere zum Empfangen bestimmt ist (Fig. I). Wird nun auf einer Station die Taste T niedergedrückt, und berührt der ihr entsprechende Stift s die Lippe l des in horizontaler Ebene rotirenden Schlittens, so tritt aus der Batterie Strom über die Schlittenachse, den Correctionskamm c und die vom Apparat isolirte Feder f in die Elektromagnetumwindungen des Gebers. In diesem Augenblicke werden die magnetischen Kerne entmagnetisirt. Der Anker A schnellt gegen den Auslösehebel H, so daß sich jetzt dem Strome ein directer Weg über die Schlittenachse, den Auslösehebel und den Anker nach der Zuleitung d bietet. Von hier verzweigt sich der Strom in die Brückenseiten: ein Stromtheil gelangt durch den Rheostaten R₁ in die Leitung L, der andere durch R₂ und R₃ zur Erde E. Wären die Widerstände genau nach dem Gesetze der Wheatstone'schen Brücke regulirt, und demnach die Spannungen an den Punkten a und b vollkommen gleich, dann könnte durch den in die Brücke zwischen a und b geschalteten Empfangsapparat ein Stromübergang nicht stattfinden. Zur Erfüllung dieses Gesetzes müßte der sogen. Compensationswiderstand R₃ = (R₂ (L + r))/R₁ gemacht werden, wenn r den reducirten Widerstand des Systems für den ankommenden Strom bedeutet. Daß hiervon zu Gunsten einer andern für das Ermöglichen des Gegensprechens besonders wichtigen Bedingung abgesehen wurde, ist bereits erwähnt. Fig. 1., Bd. 221, S. 325 Die Praxis lehrte uns für das genaue Reguliren des Compensationswiderstandes folgendes Verfahren: Von einem Widerstande R₃ = 5/8 L ausgehend wurde derselbe so lange vermehrt, bis der Nadelausschlag eines in den Verbindungsdraht ag geschalteten Galvanometers derselbe blieb, gleichviel, ob nur von der andern Station Strom ankam, oder ob beide Stationen gleichzeitig Strom in die Leitung schickten. Dies wurde bei etwa R₃ = 3/4 L erreicht, wenn R₁ = 1/2 L und R₂ = 1/4 L genommen waren.Gut instruirte Hughes-Beamte werden zu einer derartigen Regulirung nicht einmal des Galvanometers bedürfen: Man gibt dem Empfangsapparate, während auf der andern Station eine bestimmte Zeichencombination gegriffen wird, durch Anspannen der variablen Ankerfeder und durch Regulirung des natürlichen Magnetismus der Kerne mittels der Armatur diejenige Stellung, bei welcher der Apparat die gegebenen Zeichen rein wiedergibt. Sendet man hierauf dem ankommenden Strome den Strom der eigenen Batterie entgegen, so werden die ankommenden Zeichen sich so lange ändern, bis man im Compensationsrheostaten denjenigen Widerstand hat, bei welchem der Strom keine Schwankung erleidet. Man regulirt daher diesen Widerstand so lange, bis die gegebene Combination auch bei gleichzeitigen Stromsenden vollkommen rein ankommt. Der nach dieser Regulirung bei einseitiger Correspondenz durch die Brücke der gebenden Station gehende Stromtheil beträgt etwa ein Sechstel des auf der Empfangsstation zur Wirkung gelangenden Stromtheiles. Abgesehen davon, daß dieser Strom seiner geringen Intensität wegen ein Abfliegen des Ankers nicht zur Folge haben würde, auch wenn er die Magnetkerne so umkreiste, daß er eine Schwächung ihres Magnetismus hervorriefe, ist derselbe beim Arbeiten mit ungleichnamigen Polen so gerichtet, daß er den Magnetismus in den Kernen verstärkt. Ein von der Leitung ankommender Strom verzweigt sich bei a: der eine Zweigstrom geht durch die Elektromagnetumwindungen des Empfangsapparates, der andere durch die Rheostaten R₁ und R₂. Beide Zweigströme fließen dann durch R₃ vereint zur Erde. Es ist klar, daß die Stärke des auf den Apparat wirkenden Stromtheiles von dem Verhältnisse des Elektromagnetwiderstandes zu den Widerständen R₁ und R₂ abhängt. Hieraus ergibt sich für die Regulirung der Brückenwiderstände nach dem Leitungswiderstande eine bestimmte Grenze, d.h. man wird die oben angeführte Widerstandsschaltung von R₁ = 1/2 L, und R₂ = 1/4 L zu Gunsten des zur Wirkung gelangenden Stromtheiles nur unter der Voraussetzung beibehalten dürfen, daß 1/2 L mindestens dem Apparatwiderstande gleich ist. Sendet man dem von der andern Station in die Leitung abfließenden positiven Strome einen negativen Strom entgegen, so wird unter der Voraussetzung, daß beide Batterien gleich stark sind, die Mitte der Leitung als ein neutraler Punkt mit der elektrischen Spannung = 0 anzusehen sein, in welchem alle von a in die Leitung abfließende Elektricität ebenso absorbirt wird, als ob die Leitung daselbst mit Erde verbunden wäre. Der in den Elektromagnetumwindungen circulirende und auf die Kerne entmagnetisirend wirkende Strom jeder der beiden gleichzeitig stromgebenden Stationen hat demnach die Richtung von b nach a. Arbeiten beide Stationen mit gleichnamigen Polen an Leitung, d.h. mit entgegengerichteten Strömen, dann ist beim gleichzeitigen Stromentsenden die Leitung stromlos. Die Empfangsapparate beider Stationen sprechen unter der Einwirkung der eigenen Batterieströme an. Da dieselben aber jetzt in der Richtung von a nach b durch die Elektromagnetumwindungen zur Erde abfließen, muß die Stromcirculation in letzteren derartig sein, daß die magnetischen Kerne ebenso wie im ersten Falle, als der Strom von b nach a floß, entmagnetisirt werden. In welcher Weise dies durch einen an jedem Hughes-Apparate angebrachten Commutator erreicht wird, muß als bekannt vorausgesetzt werden. Fig. 2., Bd. 221, S. 327 Die in den einzelnen Correspondenzstadien zur Wirkung gelangenden Stromstärken lassen sich durch folgende Gleichungen bestimmen. Wird auf Station A allein Taster gedrückt, so ist die Gesammtstromstärke der Batterie B (Fig. II): Textabbildung Bd. 221, S. 327 Der Theil, welcher von diesem Gesammtstrome in der Leitung circulirt, läßt sich ausdrücken durch: Textabbildung Bd. 221, S. 327 In Formel (2) bis (4) mußte der Nenner der großen Länge wegen in zwei Zeilen gesetzt werden. Die Red. Der durch die Brücke der Empfangsstation fließende, also auf den Apparat der Empfangsstation wirkende Strom hat die Stärke: Textabbildung Bd. 221, S. 327 In diesen Gleichungen ist b = L + r, d.h. gleich der Summe aus Leitungs- und reducirtem Widerstande der Empfangsstation: Textabbildung Bd. 221, S. 328 Die Leitung, deren wir uns zu den besprochenen Versuchen bedienten, hatte einen durchschnittlichen Widerstand von 4000 S. E. und die zum Arbeiten benützte Batterie von 300 Meidinger-Elementen einen ungefähren Widerstand von 2000 S. E. Nehmen wir nun: a = R = 2000 S. E. d = R = 1000 c = R = 2880 g = d = 1000 b = L + r = 7630 und tragen wir diese Werthe in Gleichung (3) ein, so erhalten wir: s₁ = 0,013. Wird auf beiden Stationen gleichzeitig Taster gedrückt, so daß die ungleichnamigen Ströme sich in der Mitte der Leitung neutralisiren, so wirkt auf die Apparate der in den Brücken jeder Station circulirende Strom mit einer Intensität: Textabbildung Bd. 221, S. 328 Da für diesen Fall b = 1/2 L = a zu nehmen ist, vereinfacht sich die Gleichung (4) in: Textabbildung Bd. 221, S. 328 oder nach Eintragung der gegebenen Zahlenwerthe γ = 0,013. Beim Arbeiten mit entgegengerichteten Strömen, d.h. mit gleichen Polen an Leitung ändert sich bei den oben vorausgesetzten Widerstandsverhältnissen die zur Wirkung gelangende Stromstärke nicht, wie sich auch durch Rechnung nachweisen läßt; denn: Textabbildung Bd. 221, S. 328 oder nach Eintragung der Zahlenwerthe: Textabbildung Bd. 221, S. 328 Da bei dem von uns eingenommenen Standpunkte die Brücke der gebenden Station keine indifferente Größe, also ihr Widerstand auch bei einseitiger Correspondenz von Einfluß auf die Stärke der Ströme ist, so wird es nicht immer möglich sein, denselben Compensationswiderstand für Arbeiten mit gleichgerichteten und entgegengesetzten Strömen beizubehalten. Mit Hilfe der voranstehenden Formeln indessen, sowie auf empirischem Wege nach der von uns gegebenen Regulirungsmethode kann es nicht schwer fallen, ihn für jeden Leitungs- und Apparatwiderstand für die eine oder andere Batterieschaltung zu bestimmen. Zur Berechnung der Stärke des Stromtheiles, welcher bei einseitiger Correspondenz in der Brücke der gebenden Station circulirt, haben wir in Gleichung (4) nur b wieder der Summe aus Leitungs- und reducirtem Systemwiderstande für ankommende Ströme gleich zu machen. Wir erhalten dann γ = 0,002, d.h. den sechsten Theil der Stromstärke, unter deren Einwirkung der Apparat correct anspricht. Um die für das Gegensprechen nothwendige Batteriestärke zu bestimmen, berechnet man zunächst die bei einfacher Schaltung mit der erfahrungsmäßig normirten Elementenzahl erzielte Stromstärke. Da dieselbe auch im Gegensprechsysteme auf die Apparate wirken muß, hat man jenen erhaltenen Zahlenwerth nur dem für die Stromstärke bei irgend einem Correspondenzstadium der Gegensprechschaltung gleich zu setzen. Für unsern speciellen Fall, d.h. für eine Leitung von 4000 S. E. Widerstand, sind zum Betriebe von Hughes-Apparaten 80 Meidinger-Elemente erforderlich. Dieselben liefern bei einem Widerstande von je 6 S. E. eine Stromstärke Textabbildung Bd. 221, S. 329 Setzen wir diese z.B. dem in Gleichung (6) enthaltenen Werthe für s gleich, indem wir im Nenner W mit 6 E vertauschen, so ist: Textabbildung Bd. 221, S. 329 und daraus E = 306. Wir kommen jetzt zur Besprechung eines von Stearns dem Gegensprechsysteme beigegebenen Hilfsapparates, des neben R₃ geschalteten Condensators C (Fig. I). Derselbe hat in doppelter Weise zu wirken. Wird mit ungleichnamigen Batteriepolen gearbeitet, so kann, wie wir bereits erwähnten, der Strom der gebenden Station auf den eigenen Empfangsapparat entmagnetisirend nur in der Richtung von b nach a wirken. Man ist nun meistentheils der Ansicht, daß, abgesehen von den schon besprochenen Stromschwankungen bei frühern Versuchen, der sogen. Rückstrom dem Gelingen des Gegensprechens bis zu seiner Unschädlichmachung durch den Condensator das größte Hinderniß bot. Dies ist indessen bei unserer jetzigen Annahme nicht der Fall. Sendet die Station A allein z.B. positiven Strom in die Leitung, so ist auch der Rückstrom positiv und durchströmt die Brücke in der Richtung von a nach b. Da in dieser Richtung aber nur ein negativer Strom den Apparat ansprechen lassen kann, würde trotz des Rückstromes die Bedingung, daß der Empfangsapparat der gebenden Station bei einseitigem Arbeiten in Ruhe bleibt, erfüllt werden, wenn nicht die Differenz der Ladungsgrößen von Leitung und künstlichen Widerständen eine momentane nachtheilige Stromeswirkung zur Folge hätte. Während die elektrische Spannung im Punkte b wegen der äußerst geringen Ladung, welcher Rheostatenwiderstände, hier der Compensationswiderstand R₃, fähig sind, ihr Maximum sofort erreicht, ist dieselbe im Momente des Batterieschlusses im Punkte a fast gleich Null. Diese Spannungsdifferenz erzeugt einen momentanen Stromesübergang von b nach a, welcher den Apparat in der Brücke ansprechen läßt. Dem Auftreten einer derartigen Elektricitätsbewegung vorzubeugen, ist es nothwendig, auch den Zweig, in welchen der Compensationswiderstand eingeschaltet ist, einer stärkern Ladung fähig zu machen. Dies geschieht am einfachsten durch den Condensator. Sind die Belegungen desselben veränderlich, so ist es leicht, seine Ladungsgröße der der Leitung vollständig anzupassen. Wenn im Gegensprechsysteme die Batterien gegen einander geschaltet sind, so daß der entmagnetisirend wirkende Strom sich von a nach b bewegt, so muß bei einseitigem Arbeiten die dem Hauptstrome gleichnamige, aus der Leitung zurückströmende Elektricität ebenfalls in der Richtung von a nach b die Brücke durchfließen und ein Abfliegen des Ankers bewirken. Da nun aber der neben dem Compensationswiderstande eingeschaltete Condensator seine Elektricität gleichzeitig entladet und in b eine der elektrischen Spannung im Punkte a wenigstens annähernd gleiche erzeugt, so kann jene Wirkung auf den Empfangsapparat der gebenden Station nicht eintreten. Der Condensator wirkt also im ersten Falle durch seine Ladung, im andern durch seine Entladung. Das Verdienst, welches sich Stearns durch Anwendung desselben für das Gegensprechen erworben hat, ist um so höher anzuschlagen, als seine Einschaltung das Gegensprechen auf längeren Leitungen überhaupt erst ermöglicht, und er kaum durch ein anderes Instrument ersetzt werden kann. Inductionsspiralen oder Ladungssäulen – erstere würden auch nur im Stande sein, den Rückstrom unschädlich zu machen – lassen sich schon aus dem Grunde schwer verwenden, weil sie dem Strome Widerstand bieten und dadurch die Regulirung des Compensationswiderstandes compliciren würden. Zum Schlusse wollen wir noch eines Punktes Erwähnung thun, welcher beim Gegensprechen mit Hughes-Apparaten auf kürzern Linien in Betracht zu ziehen sein dürfte. Wie schon oben erwähnt, ist der Brückenwiderstand nicht indifferent; derselbe ändert sich, wenn der Anker nach seinem Abschnellen mit dem Auslösehebel in Berührung kommt. Der Strom geht in diesem Falle nicht durch die Elektromagnetumwindungen. Man könnte daher zwischen g und k einen dem Widerstande der Elektromagnetumwindungen gleichen Widerstand schalten, um die Stärke des Brückenstromes für jede Lage des Ankers gleich zu erhalten. Für den bei den besprochenen Versuchen angegebenen Leitungswiderstand hat sich indessen die Einschaltung eines derartigen Widerstandes nicht als nothwendig herausgestellt.