Titel: Der Ammoniak-Soda-Process in seiner Anwendung bei der Verarbeitung von Gaswasser; von Dr. G. Ch. Gerlach in Kalk bei Deutz.
Autor: G. Ch. Gerlach
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 82
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Der Ammoniak-Soda-Process in seiner Anwendung bei der Verarbeitung von Gaswasser1); von Dr. G. Ch. Gerlach in Kalk bei Deutz. Mit Abbildungen. Gerlach, über Anwendung des Ammoniaksoda-Processes bei der Verarbeitung von Gaswasser. Die Herstellung von Soda mittels Ammoniak beruht bekanntlich darauf, daß beim Einleiten von Kohlensäure in eine concentrirte Lösung von Kochsalz, welche mit Aetzammoniak bis zu einem gewissen Grade gesättigt ist, doppeltkohlensaures Natron wegen seiner geringern Löslichkeit sich ausscheidet, während Salmiak in Lösung bleibt. Das doppeltkohlensaure Natron wird nach dem Abcentrifugiren und Nachwaschen durch Calciniren in einfachkohlensaures Natron übergeführt; aus der abcentrifugirten Lösung aber, welche, neben unzersetztem kohlensaurem Ammoniak und Kochsalz, Salmiak enthält, wird durch Destillation mit Kalk das Aetzammoniak wiedergewonnen und kehrt in den Kreislauf der Operation zurück. Durch Versuche habe ich festgestellt, daß die Umsetzung in doppeltkohlensaures Natron mit derselben Leichtigkeit vor sich geht, wenn man statt Kochsalz andere Natronsalze anwendet; es ist dies ja auch ganz erklärlich durch die Löslichkeitsverhältnisse des doppeltkohlensauren Natrons. In der That werden concentrirte Glaubersalzlösungen und ebenso concentrirte Chilisalpeterlösungen, welche mit Aetzammoniak bis zu einem gewissen Grade gesättigt sind, durch Einleiten von Kohlensäure in der Weise zersetzt, daß sich doppeltkohlensaures Natron ausscheidet, während in der Lösung neben unzersetztem kohlensaurem Ammoniak und unzersetztem Glaubersalz oder Chilisalpeter schwefelsaures Ammoniak oder salpetersaures Ammoniak vorhanden sind. Die Umsetzung geht in allen diesen Fällen nur bis zur Hälfte vor sich; nur etwa die Hälfte der angewendeten Natronsalze wird selbst aus ganz concentrirten Lösungen in Form von doppeltkohlensaurem Natron anfänglich ausgeschieden. Es ist jedoch zu bemerken, daß durch die Ausscheidung von doppeltkohlensaurem Natron sich das specifische Gewicht der Laugen sehr vermindert, und ebenso wie bei Anwendung von Kochsalz die zurückbleibende, Salmiak haltende Lösung noch ziemliche Mengen Kochsalz aufs Neue zu lösen vermag, ebenso vermögen die hier erhaltenen Lösungen noch Glaubersalz oder Chilisalpeter aufzunehmen; fügt man daher von diesen Salzen einen Ueberschuß hinzu, so ist bei fortgesetztem Einleiten von Kohlensäure die Umsetzung von Kochsalz, Glaubersalz oder Chilisalpeter in Salmiak, schwefelsaures Ammoniak oder salpetersaures Ammoniak noch viel vollständiger zu erreichen. Beim Ammoniak-Soda-Proceß wird dieses Kochsalz deshalb als sogen. „Correctionssalz“ der Lauge zugefügt, und es dient dazu, die Lösung in stets gesättigtem Zustande zu erhalten. Auf diese Weise ist man dahin gelangt, wohl 3/4 des angewendeten Kochsalzes in Soda überzuführen. Namentlich das Verhalten des schwefelsauren Natrons ist es, welches ich benutzt habe, aus den ammoniakalischen Destillationsproducten des Gaswassers schwefelsaures Ammoniak herzustellen unter gleichzeitiger Gewinnung von Soda, während die ammoniakalischen Destillationsproducte, welche bei der Destillation von Gaswässern, oder in Knochenbrennereien, oder bei Kokesbrennereien abfallen, bis jetzt in folgender Weise verarbeitet werden: Um Salmiakgeist oder Aetzammoniak herzustellen, wird das Gaswasser mit Aetzkalk destillirt; um kohlensaures Ammoniak zu erhalten, werden die trocknen Ammoniakgase mit Kohlensäure zusammengebracht. Zur Herstellung von schwefelsaurem Ammoniak werden die ammoniakalischen Destillationsproducte in Schwefelsäure geleitet, oder sie werden durch Gyps zersetzt, um schwefelsaures Ammoniak zu bilden. Die Bereitung von Salmiak geschieht durch Einleiten der abgekühlten ammoniakalischen Destillationsproducte in Salzsäure oder durch Zersetzung derselben mittels Laugen, welche Erdchloride oder Metallchloride enthalten (z.B. Chlorcalciumlauge oder Chlormanganlauge). Ueber die Umsetzung der ammoniakalischen Destillationsproducte mittels Steinsalz, Meersalz oder Salzsoolen. Ich stelle eine concentrirte Lösung von kohlensaurem Ammoniak durch Destillation von Gaswasser her und löse darin Salz oder Chlornatrium und zwar in dem Verhältniß, daß wenigstens 1 Aeq. Chlornatrium auf 1 Aeq. kohlensaures Ammoniak in der ganz concentrirten Lösung enthalten ist. Eine solche Lösung hat 1,22 spec. Gew. In diese Lösung wird so lange Kohlensäure eingeleitet, als noch doppeltkohlensaures Natron herausfällt. Hierbei entweicht Schwefelwasserstoff, welcher allezeit als Schwefelammonium im Destillat des Gaswassers enthalten ist. Bei der Destillation des Gaswassers mit Kalk erhält man zwar ein schwefelfreies Destillationsproduct, aber bei Anwendung dieses kaustischen Ammoniaks sind später 2 Aeq. Kohlensäure erforderlich zur Fällung des doppeltkohlensauren Natrons. Das erhaltene doppeltkohlensaure Natron wird von der Flüssigkeit getrennt, entweder durch Centrifugen oder Verdrängungsapparate. Das ausgewaschene doppeltkohlensaure Natron wird erhitzt, um das zweite Aequivalent Kohlensäure auszutreiben, oder es wird zu demselben Zwecke mit so viel Wasser gekocht, daß eine concentrirte Sodalösung resultirt, welche zur Krystallisation gebracht wird. Die entweichende Kohlensäure kann man zur Zersetzung neuer Mengen Laugen benutzen. Die Flüssigkeit, welche beim Centrifugiren gewonnen wurde, enthält Salmiak, unzersetztes Chlornatrium und kohlensaures Ammoniak nebst geringen Mengen gelöstes doppeltkohlensaures Natron. Um das kohlensaure Ammoniak wieder zu gewinnen, wird dasselbe abdestillirt, und aus der Flüssigkeit, welche jetzt nur noch Salmiak und Chlornatrium enthält, wird Salmiak durch Krystallisation gewonnen, nachdem der größte Theil Chlornatrium durch Concentration aus der heißen Lauge sich ausgeschieden hat; oder man benutzt die Flüssigkeit zur Destillation mit Kalk zur Herstellung von Salmiakgeist. Alles unzersetzte Chlornatrium kehrt in den Kreislauf der Operationen zurück. Unterschiede zwischen meinem Verfahren und dem Ammoniak-Soda-Proceß. Mein Verfahren unterscheidet sich von dem Ammoniak-Soda-Proceß in folgenden Punkten: 1) Ich bezwecke die bestmögliche Verwerthung des Gaswassers und bringe immer neue Quantitäten Gaswasser zur Verwendung. Der Ammoniak-Soda-Proceß hingegen bezweckt nur die Herstellung von Soda und führt den angewendeten Salmiak stets wieder als Aetzammoniak in den Kreislauf der Operationen ein. 2) Der Salmiak, welcher durch Zersetzung mit Kochsalz aus dem Gaswasser erhalten wird, wird nach meinem Verfahren durch Krystallisation gewonnen, er wird nicht durch Kalk zersetzt und wird nicht als Aetzammoniak in den Kreislauf der Operationen wieder eingeführt. Deshalb tritt auch kein Verlust an Ammoniak durch Verflüchtigung ein. 3) Ich brauche also keinen Kalk anzuwenden, mit Ausnahme der geringen Mengen, welche bei der Destillation des Gaswassers nöthig sind zur Zersetzung der nicht flüchtigen Ammoniakverbindungen im Gaswasser. 4) Es geht kein Kochsalz verloren, sondern es kehrt in den Kreislauf der Operationen zurück. Deshalb erhalte ich auch für jedes Aequivalent angewendetes Chlornatrium ein volles Aequivalent Soda als Nebenproduct, während beim Ammoniak-Soda-Proceß dies bis jetzt nicht erreicht werden konnte. 5) Die Kohlensäure, welche im Gaswasser enthalten ist, kommt als kohlensaures Ammoniak zur Verwendung, während beim Ammoniak-Soda-Proceß Aetzammoniak – oder Salmiak, zersetzt durch Kalk – zur Anwendung kommt. 6) Außer dem abdestillirten Gaswasser wird kein Nebenproduct erhalten, welches als unbrauchbar entfernt werden müßte. 7) Die Kosten für die Wiedergewinnung des Ammoniaks sind gespart, da die salmiakhaltige Lauge nur wenig abgedampft zu werden braucht, um Salmiak durch Krystallisation zu gewinnen. 8) Indem ich immer neue Quantitäten Gaswasser zur Verarbeitung bringe, geht die Salmiakproduction stetig voran, ebenso wie die Gewinnung der Soda als Nebenproduct. Es kann keinem Zweifel mehr unterworfen sein, daß der Ammoniak-Soda-Proceß eine vermehrte Verbreitung und immer größere Bedeutung in der Soda-Industrie gewinnen wird; dessenungeachtet bleibt es wahr, daß seine Durchführung mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Uebelstände, welche die Praktiker an dem Ammoniak-Soda-Proceß rügen, sind folgende: 1) Die großen Mengen Laugen, welche man zu bewältigen hat. 2) Der große Kohlenverbrauch, welcher bei der steten Wiedergewinnung des Ammoniaks erforderlich ist. 3) Der ganz unvermeidliche Verlust an Ammoniak, der hauptsächlich durch die Flüchtigkeit des Aetzammoniaks bedingt ist. Alle diese Uebelstände sind bei meinem Verfahren beseitigt: 1) Die Laugen werden zur Gewinnung des Salmiaks abgedampft und dieses Salz krystallisirt schon bei geringer Concentration. 2) Die Wiedergewinnung des Aetzammoniaks mit Kalk fällt weg, und deshalb findet auch der erwähnte große Kohlenverbrauch nicht statt. 3) Der Verlust an Aetzammoniak kommt gar nicht in Betracht, da kein kaustisches Ammoniak bei diesem Verfahren auftritt, sondern nur Salmiak. Ueber die Umsetzung der ammoniakalischen Destillationsproducte mittels Glaubersalz oder Natronsulfat. Ich stelle eine concentrirte Lösung von kohlensaurem Ammoniak dar, wie solche auf bekannte Weise durch Destillation von Gaswasser erhalten wird. Hierin löse ich krystallisirtes Glaubersalz ohne jeden. weiteren Zusatz von Wasser; oder ich löse das wasserfreie Sulfat, wie man solches bei der Salzsäure- oder Salpetersäurefabrikation erhält, in einer minder concentrirten Lösung von kohlensaurem Ammoniak. Auch diese gesättigte Lösung soll auf 1 Aeq. kohlensaures Ammoniak 1 Aeq. schwefelsaures Natron enthalten; sie hat das spec. Gew. 1,30. In diese concentrirte Lösung wird Kohlensäure geleitet, so lange noch doppeltkohlensaures Natron ausfällt; hierauf wird das Bicarbonat von der Lauge getrennt und in Soda übergeführt. Die Lauge, welche vom Bicarbonat getrennt wurde, enthält schwefelsaures Ammoniak, unzersetztes Natriumsulfat und kohlensaures Ammoniak nebst geringen Mengen gelöstes doppeltkohlensaures Natron. Das kohlensaure Ammoniak wird durch Destillation wiedergewonnen und kehrt in den Kreislauf der Operationen zurück. Aus der Lauge, welche jetzt nur schwefelsaures Ammoniak und schwefelsaures Natron enthält, wird das schwefelsaure Ammoniak vom schwefelsauren Natron getrennt; das schwefelsaure Natron kehrt in den Kreislauf der Operationen zurück. Ueber die Umsetzung der ammoniakalischen Destillationsproducte mittels Chilisalpeter. Ich stelle eine concentrirte Lösung her, welche gleiche Aequivalente kohlensaures Ammoniak und salpetersaures Natron enthält. Eine solche Lösung hat 1,37 spec. Gew. In diese Lösung wird Kohlensäure geleitet, so lange doppeltkohlensaures Natron herausfällt. Der Vorgang ist genau derselbe wie beim Chlornatrium und beim schwefelsauren Natron. Die Endproducte sind salpetersaures Ammoniak und Soda. Als Kohlensäure können in allen diesen Fällen die abgekühlten Gase von einem Kokesfeuer oder von einem Kalkofen in Anwendung kommen; oder die Kohlensäure kann man sich auch in einem reineren Zustande herstellen, wenn man die abgekühlten Kamingase oder die Gase von einem Kokesofen oder auch von einem Kalkofen in eine gesättigte Lösung von Soda pumpt. Hierbei wird die Kohlensäure absorbirt, doppeltkohlensaures Natron fällt heraus, während die atmosphärische Luft und der Stickstoff entweichen. Erhitzt man alsdann die Lauge sammt dem ausgefallenen doppeltkohlensauren Natron, so gibt das letztere Salz das zweite Aequivalent Kohlensäure ab. Man arbeitet auf diese Weise mit weniger Lauge als beim bekannten Oxouf'schen Verfahren. Zur Zersetzung der ammoniakalischen Destillationsproducte durch die genannten Alkalisalze kommen dieselben Apparate in Anwendung, wie sie sich beim Ammoniak-Soda-Proceß seither als die zweckmäßigsten herausgestellt haben. Bis jetzt wurde in der Industrie ausschließlich Kochsalz in dieser Weise angewendet, aber einzig und allein um Soda herzustellen; daß dieses Verfahren sich auch äußerst vortheilhaft auf die Verarbeitung der Gaswässer zur Gewinnung von Salmiak ausdehnen lasse, hatte man bis jetzt nicht erkannt. Es ist bis jetzt noch niemals Gaswasser in der Art verarbeitet worden, daß man gleichzeitig Salmiak und Soda erhielt, und ebenso wenig ist jemals irgend ein praktischer Vorschlag gemacht worden, um schwefelsaures Ammoniak oder salpetersaures Ammoniak gleichzeitig mit Soda aus dem Gaswasser zu gewinnen, wie dies nach meinem Verfahren geschieht. Wie man auf den ersten Blick erkennen wird, bietet diese Methode außerordentliche Vortheile gegen die gewöhnliche Art der Verarbeitung mit Säuren. Gegen eine verhältnißmäßig geringe Auslage für Arbeitslohn und Apparate, sind die Kosten der Säuren ganz wesentlich vermindert durch die viel billigern Alkalisalze, wobei das Natron für die Soda geradezu gratis zur Verarbeitung gelangt. Ein nicht zu unterschätzender Vortheil ist es auch, daß die so erhaltenen Ammoniaksalze schön weiß sind, da sie durch Krystallisation erhalten werden. Zum Vergleich stelle ich eine Calculation über die Herstellung von schwefelsaurem Ammoniak nach dem alten und neuen Verfahren hier neben einander. Herstellungskosten von 1000 Ctr. schwefelsaurem Ammoniak.
Nach dem alten Verfahren. 1000 Ctr. Schwefelsäure von 60° B. zu 4 M. 4000 M. Hierzu alle übrigen Geschäftsunkosten. Erlös: 1000 Ctr. schwefelsaures Ammoniak zu 19 M. 19000 M. Nach dem neuen Verfahren. 1076 Ctr. Natriumsulfat wasserfrei zu 2 M. 2152 M. Hierzu alle übrigen Geschäftsunkosten wie oben;ferner Verzinsung und Abschreibung der neuen Anlagen, erhöhterArbeitslohn, Herstellung von Kohlensäure und andere Mehrausgaben 6000 –––––––– Summe 8152 M. Erlös: 1000 Ctr. schwefelsaures Ammoniak zu 19 M. 19 000 M.   803   „ calcinirte Soda oder 2165   „ krystallisirte Soda 10 000 ––––––––– Summe 29 000 M.
Wenn das angewendete Natronsulfat 10 Proc. freie Säure enthielt:
1000 Ctr. schwefelsaures Ammoniak und nur 723 calcinirte Soda oder 1949 krystallisirte Soda.
Ich habe noch zu erwähnen, wie man die abcentrifugirte Lauge weiter behandelt. Zuerst wird also das unzersetzte kohlensaure Ammoniak durch Destillation wieder gewonnen; hierbei setzt sich auch die geringe Menge gelöstes doppeltkohlensaures Natron mit dem vorhandenen Salmiak oder schwefelsaurem Ammoniak um, indem kohlensaures Ammoniak entweicht und Kochsalz oder Glaubersalz erhalten wird.
Ueber die Trennung von Salmiak und Kochsalz. Dampft man eine solche Lösung, welche etwa gleiche Mengen Salmiak und Kochsalz enthält, bis zur Salzhaut ein und läßt man krystallisiren, so schießt Salmiak an, aber er schließt natürlich um so mehr Kochsalz ein, je reichlicher die Mutterlauge davon enthält. Dampft man hingegen die Lösung weiter ein, selbst nachdem sich in der Hitze eine Salzhaut bildet, so fällt aus der kochenden Lösung Kochsalz heraus und die Lösung reichert sich mit Salmiak an. Das ausgeschiedene Kochsalz ist von anhängender Mutterlauge immer salmiakhaltig und wird in diesem Zustande wieder mit neuen Quantitäten des ammoniakalischen Destillationsproductes zusammengebracht, um durch Kohlensäure zersetzt zu werden. Um diese Anreicherung der Lauge an Salmiak möglichst vollständig zu erzielen, und um das Kochsalz möglichst zu entfernen, habe ich eine systematische Abdampfung in der Weise ausgeführt, daß ich vier Kessel I bis IV neben einander aufstellte, aber nur einen Kessel, beispielsweise den am äußersten linken Ende aufgestellten (IV), mit der abzudampfenden Lauge nachfüllte.
[Textabbildung Bd. 223, S. 88]
Nur aus diesem Kessel wurde auch das ausgeschiedene Kochsalz ausgeschöpft, während dasjenige Kochsalz, welches sich in Kessel III ausschied, nach IV gebracht wurde, das von II nach III, das von I nach II. Anderseits wurde nur allein aus Kessel I Lauge ausgeschöpft, während die Lauge aus Kessel II nach Kessel I gebracht wurde, von III nach II und von IV nach III. Während also das ausgeschiedene Kochsalz den Weg von rechts nach links zurücklegte, gelangte die Lauge, welche sich an Salmiak anreicherte, von links nach rechts. Sämmtliche Kessel wurden beim Abdampfproceß immer gleich voll gehalten, was sich beim Fabrikbetrieb am besten durch communicirende Röhren erreichen läßt. Die Siedepunkte der Lauge des Kessels I und II waren 116°, des Kessels III 112° und des Kessels IV 108°. Zur möglichsten Entfernung von allem Kochsalz war die Salmiaklösung in Kessel I so concentrirt, daß sie beim Erkalten zu einem Krystallbrei erstarrte; deshalb wurde so viel Wasser wieder zugegeben, daß sich in der Wärme eine Salzhaut nur zu bilden anfing. Der so durch Krystallisation gewonnene Salmiak gab beim Glühen nur einen Rückstand von 1,75 Proc. Kochsalz.
Ueber die Trennung von schwefelsaurem Ammoniak und schwefelsaurem Natron. Aus einer Lösung, die etwa gleiche Aequivalente schwefelsaures Ammoniak und schwefelsaures Natron enthält, krystallisirt beim Erkalten ein Doppelsalz nach der Formel: NHO, SO+ NaO, SO+ 2 HO oder (NH₄NaSO₄ . H₂O). Dieses Salz enthält:
krystallisirt wasserfrei NaO, SO   71   45,81   51,82 NHO, SO   66   42,58   48,18 2HO   18   11,61 ––––––––––––––––––––––––– 155 100,00 100,00.
Wenn jedoch eine solche Lösung während des Siedens immer weiter eingedampft wird, so scheidet sich wasserfreies Glaubersalz aus und schwefelsaures Ammoniak bleibt in Lösung. Es ist eine bekannte Thatsache, daß Doppelsalze nur in krystallisirtem Zustande existiren. Beim Eindampfen der Lösungen zersetzen sich alle Doppelsalze in der Weise, daß das schwer lösliche Salz sich ausscheidet und das leichter lösliche in Lösung geht. Ueber die Art der Trennung beider erwähnten Salze habe ich nichts weiter anzuführen, als daß die Trennung genau so vorgenommen wurde, wie es beim Salmiak und Kochsalz geschah. Die Siedepunkte der Lösung des Kessels I und II waren 111°, des Kessels III 110° und des Kessels IV 106°. Das ausgeschiedene wasserfreie Glaubersalz enthielt etwa 20 Proc. schwefelsaures Ammoniak und gelangte gemeinsam mit neuen Portionen Glaubersalz zur ferneren Zersetzung der ammoniakalischen Destillationsproducte. Aus der Lauge des Kessels I krystallisirte beim Erkalten noch etwas Doppelsalz aus, die kalte Mutterlauge aber lieferte beim weitern Eindampfen ein schönes, weißes, krystallisirtes schwefelsaures Ammoniak, welches nur 1,8 Proc. Glaubersalz enthielt. Dieses sehr zufriedenstellende Resultat beweist, daß der eingeschlagene Weg zur Trennung der Salze ganz der richtige ist. Schließlich will ich noch bemerken, daß beim Ausscheiden von Kochsalz oder wasserfreiem Glaubersalz in der Siedehitze diese Salze leicht anbrennen; beim Fabrikbetrieb wird man also mit gespanntem Dampf in Kesseln mit Doppelwandung abdampfen und außerdem zur Beschleunigung Dampfschlangen einlegen, am besten von Gußeisen, da die Schlangen von Blei wenigstens bei der Salmiakfabrikation sehr angegriffen werden.